@m13ichi
Irgendein einfaches Rezept, wie man sich wieder selber finden kann (oder sich vielleicht überhaupt erstmals selber erleben kann), gibt es leider nicht. Das hängt auch viel zu sehr von den individuellen Möglichkeiten ab.
Das Erste wäre, sich zunächst einmal aus allen Verstrickungen zu lösen (zumindest vorübergehend), von allem, wo erwartet wird, daß man funktioniert. Denn das ist wie ein Spinnennetz, und da hilft ein bißchen strampeln nichts, sondern man muß alle diese Fäden durchtrennen. D. h. man muß vor allem lernen, auch einmal Nein zu sagen, ohne dabei Schuldgefühle zu entwickeln. Man muß erkennen, daß man ein fundamentales Recht auf sich selber hat. Ob das anderen dann gefällt oder nicht.
Auch sollte man sich zurückziehen und sich wirklich einmal eine Zeitlang nur mit sich selber beschäftigen, in sich hineinhören, sich neu entdecken. (Viele, denen es ergeht oder ergangen ist wie Dir, kennen sich so gut wie gar nicht, weil sie eben nie etwas anderes gelernt haben, als ihre Rolle zu erfüllen.) Das ist dann erst einmal, wie aus einer Bewußtlosigkeit zu erwachen, und man fühlt sich vielleicht anfangs noch etwas taumelig und orientierungslos, wird aber zusehend sicherer und standfester.
Gut wäre es, wenn Du die Möglichkeit hättest, einmal für einige Monate ganz aus Deinem gewohnten Leben auszusteigen. Oder zumindest dann und wann etwas zu unternehmen, das ganz neu für Dich ist. Indem Du - ganz nach Deinem Geschmack - sozusagen neue Welten entdeckst, entdeckst Du immer mehr auch Dich selber. Zugleich stärkt es das Selbstvertrauen und das Selbst-Bewußtsein - und auch das ist sehr wichtig, weil es oft daran fehlt. Das geht zwar nicht von heute auf morgen. Aber das läßt sich, geht man seinen Weg wirklich entschlossen, genauso trainieren wie Muskeln.
Und dann muß man auch noch wagen, wirklich Ja zu sich zu sagen. Unabhängig wiederum von der Bestätigung oder Ablehnung durch andere. Man ist ja nicht auf der Welt, um der Erfüllungsgehilfe für andere zu sein.
Allerdings ist natürlich klar, daß das alles nicht so einfach ist. Den meisten passiert es eher, als daß sie es bewußt aus einer Erkenntnis heraus machen. Z. B. als Folge einer schwerer Krankheit oder eines schweren Verlustes oder sonst einer fundamentalen Erfahrung, die eine drastische Lebensänderung erzwingt. Gerade eine Trennung bietet zumindest die Chance dazu. Wenn man sie nicht dadurch vergibt, entweder wieder zurückzukehren in das gewohnte Leben oder sich gleich wieder in ein ähnliches zu flüchten.
Worum es geht, ist, gleichsam das Haus, das von anderen aus einem gebaut worden ist und in dem sie es sich gemütlich gemacht haben, niederzureißen und sein eigenes Haus zu bauen, das den tatsächlichen eigenen Bedürfnissen und Anlagen entspricht, in dem man sich selber wohl und glücklich und beheimatet fühlt. Und das eben ganz unabhängig von anderen.
Oft besteht zwar die Sorge, man würde dann ja alle vor den Kopf stoßen, stünde womöglich alleine da. Aber dem ist durchaus nicht so. Abspringen werden nur jene, die einem zuvor wie Parasiten im Fell gesessen sind. Und das ist ja sogar sehr vorteilhaft. Man verliert also nicht alle Bezüge, sondern nur jene, die ohnehin destruktiv für einen sind, und findet dafür andere.
14.02.2017 02:33 •
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