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Alles nur ein Traum

Y
Zitat:
Ja, in gewisser Weise interessiert mich das auch. Ich möchte gern wissen, wieviel sinniges Zeug ich zusammenbekommen habe, wieviel nur Fragmente von Gedanken waren und was einfach nur Stuss gewesen ist. Ich habe die leichte Ahnung, dass alles dabei gewesen ist. An den genauen Inhalt kann ich mich nicht mehr erinnern.


Du bringst mich zum Schmunzeln: in gewisser Weise interessiert mich das auch...., an den genauen Inhalt kann ich mich nicht erinnern...

31.07.2016 23:41 • #16


H
Desert Rose

Wer kennt sie nicht, die Märchen aus tausend und einer Nacht? Und selbst, wenn dem nicht so ist, beflügelt allein dieser Märchen-Titel die Fantasie. Arabien, unendliche Wüste, Kamelreiter, Krumsäbel, Karavanen, orientalische Paläste, Nomaden-Zelte, Oasen, Palmen, verschnörkelte Säulen und nicht zu vergessen die schönen Prinzessinnen, Prinzen, Kalifen und Wesire. In dieser Welt gibt es auch die Wüstenblumen. Ihre berühmte Einzigartigkeit ergibt sich aus der lebensfeindlichen Umwelt mit brennender Sonne, Dünen und Wüstensand. Glücklich ist der, der eine solche Blume mal findet.
Dass ich sie gefunden hatte, eine Wüstenrose, war mir klar als ich sie das erste Mal sah, die vielen weiteren Begegnungen danach und auch lange nachdem wir uns aus den Augen verloren haben. Sie verwandelte sich vor meinem inneren Auge in diese einzigartige Blume, während um sie herum die Großstadt, Heimat und meine Bekanntschaften darin zur Wüste wurden. Aber man darf doch nicht vergleichen.Wer so einen Menschen gefunden hat, den interessieren Empfehlungen oder Kritiken am persönlichen Erleben nicht mehr: Es ist wie es ist.
Sie hatte ein Lächeln drauf, dass ein glücklichen Moment noch schöner macht und selbst durch die dunkelste Trauer dringt und Zuversicht gibt. Selbst wenn sie 1000 km entfernt war, fühlte sich jedes Wort so nah an als wenn sie wie ein Hologramm präsent wäre. Meine ausgestreckte Hand würde ihre berühren und wir spüren jedes Gefühl der Berührung. Die Augen zueinander gerichtet liegt Wärme und Nähe in den Blicken. Die Welt dreht sich weiter, Zeit geht dahin, Wolken im blauen Himmel fliegen vorüber - wir bleiben in diesem ewigen Moment.
Dazu kommt es weit weg von Arabien im Norden. Am breiten Fluss erstreckt sich ein großer Wald auf den mächtigen Hügel hinaus. Auf der ausgesparten Hügelkrone thront seit 100 Jahren ein Turm. Die Abendsonne taucht diese Welt in ein Lichtfeld, lässt den Fluss glitzern und den Turm jünger wirken. Ich laufe neben meiner bezaubernden Freundin. Mit stiller Bewunderung und Neugier verfolge ich jeden ihrer Blicke und Atemzüge. Kurz geht mein Blick nach oben. Der Turm ist doch ganz schön groß. Doch mit ihr an meiner Seite wirkt seine Größe nicht einschüchternd. Er ist mir egal. Langsam steigen wir die mächtige Treppe hinauf. Noch am Fuß und trotzdem so etwas wie die erste Etage erreichen wir einen balkonartigen Vorsprung. Weiter hoch kommen wir nicht. Ein Schild verrät, dass der Zugang zur Spitze momentan nicht möglich ist. Und so gehen wir an das breite Backsteingeländer und unsere Blick gehen über den tiefgrünen Hang mit unzähligen Baumwipfeln, den glitzernden Fluss bis in den weit entfernten Horizont. Die Zeit scheint stillzustehen. Und ich erlebe diesen Moment mit meiner Desert Rose. Keine andere Blume schenkte mir das wieder.

02.08.2016 17:15 • x 1 #17


A


Alles nur ein Traum

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H
In den 90er Jahren lief ein Spot über eine Singleparty. Noch heute verzieht sich meine Oberlippe nach schräg oben und die Brauen gehen hoch beim Gedanken daran. In einem dunklen Saal standen kleine Rundtische mit Stehlampen und Nummerntelefonen. Um die Rüschenschirme der Lampen gab es nur kleine Lichtkegel. Mit der schweren, roten Tapete an den Wänden wirkte alles schäbig wie im Rotlichtmilieu. Als wenn es hier nur um eine schnelle Nummer geht, eine schnelle Nummer gegen die Einsamkeit. Als wenn das Singledasein traurig ist. Obendrein passten die ausgewählten Singles ins Bild. Ein kleines Männchen mit zu großem Anzug und Halbglatze geht zu einer Dame, die ihre besten Jahre schon längst hinter sich hat: Baufälliges Gesichts, herabhängende, schrumplige Wangen und Augensäcke. Darauf liegt eine schwere, weiße Puder-Creme-Schicht und grüne Eyeliner auf Wimpern und Brauen. Ihr Hosenanzug könnte original aus den 20er Jahren stammen. Heruntergekommene Snob-Eleganz. Um diesen Anschein zu wahren, zieht sie für alle sichtbar an Zig. einer Edelmarke - auch wenn jeden Moment ihre Teerlungen den Geist aufgeben könnten. Der kleine Mann blickt zu ihr rüber und lächelt, sie wendet nur verächtlich den Blick ab. Der kleine Mann lächelt weiter und deutet auf das Telefon. Wieder keine Reaktion von der Dame.

Wie der Spot ausgeht, weiß ich nicht mehr. Das war mir zu unangenehm, das zuende zu schauen. Felsenfest war ich davon überzeugt, dass mir sowas nie passieren würde. Nie würde ich in eine solch einsame Atmosphäre gelangen und per Nummerntelefon eine Frau in wenigen Metern Entfernung anrufen. Doch wie das Leben so spielt taucht man mitunter in seinem eigenen Alptraum auf.

Die vielen Discobesuche hatten nichts gebracht. Das ganze Trara - schick anziehen, rasieren, eindieseln, dann tanzen, trinken, der einen oder anderen tiefe Blicke oder ein Lächeln schenken, knappe Gespräch - war für die Katz. So fiel mein Blick auf ein Plakat, wo für ne Singleparty Werbung gemacht wurde. Ich blieb trotzdem bei meinem kategorischen Nein gegen solch eine Veranstaltung. Es wäre ein Armutszeugnis für mich, daran teilzunehmen. Dazu sehe ich einfach zu gut aus und ich bin besser als die. Und dann noch am Sonntag abend, bevor die neue Woche beginnt? Kommt nicht in Frage!

Doch dann kam einer dieser schwachen, einsamen Momente. Mit einer gewissen Traurigkeit und der Erwartung noch schlimmer kann es nicht werden fuhr ich zu dieser Veranstaltung. Die Dunkelheit hüllte bereits mich, Auto, Landstraße und die Umwelt ein. Wie in einem kleinen Lichtkegel bahnte ich mir meinen Weg. Als ich am Parkplatz ankam, zögerte ich wieder - wollte umdrehen und zurückfahren. Unsinn. Jetzt bin ich hier. Also Augen zu und durch. Und stieg ich aus und ging meinen Weg weiter.

Die Blicke der Bodygaurds wirkten ratlos und verächtlich Was will der Typ hier? Wieder so ne hoffnungslose Seele! Ich lenkte meine Gedanken weg von ihnen, damit diese unangenehme Situation noch unangenehmer wurde. Oben wartete der nächste Schock. Nummern auf Klebezettelchen. Ich bekam einen in die Hand gedrückt und klebte ihn an mein Hemd. Mir war das jetzt schon überpeinlich, zumal ich auch noch allein war, meine Einsamkeit offensichtlich wurde.

Nach außen tat ich weiter so, als wenn mich das alles nicht stören würde und bestellte mir einen Kaffee. Und wartete, schaute mir das Geschehen an. Es kamen kleine Grüppchen oder Freundinnen im Doppel- oder Dreierpack. Es war eine eigenartige Atmosphäre. Die Musik stimmte eher deprimierend, als dass sie gute Laune aufkommen ließ. Hinzu kamen die wenigen, leisen Gespräche und aufgesetzte Heiterkeit in einer schamerfüllten Stimmung. Die Barkeeper machten stumpf ihren Dienst. Ab und zu wurden Nummern vom DJ verlesen. Da hatte irgendein Single einen Zettel bei ihm abgegeben, wo drauf stand, welchen Single er gern kennenlernen möchte. Meine Nummer wurde nicht aufgerufen und meine Einsamkeit trat mir erst jetzt schmerzhaft traurig ins Bewusstsein. So ergriff ich die Initiative, schnappte mir ein Zettelchen und notierte, welches Mädchen ich gern kennenlernen wollte. Ich kreuzte was mit Schäferstündchen an, da ich das am aufregendsten fand und ich einfach mal was verbotenes tun wollte. Es gab da ja ein richtig s.y Mädchen. Ich gab den Zettel auch beim DJ ab und schaute mir das weitere Geschehen an. Doch was mache ich eigentlich, wenn sie ja sagt? Was mache ich, wenn sie nein sagt? Ich hatte mir das gar nicht überlegt. Das Mädchen gefiel mir eigentlich so gut, dass ich sie genauer kennenlernen wollte. Aber jetzt war es doch schon zu spät. In meinem Durcheinander nahm ich endlich diese blöde Nummer von meinem Hemd ab (Feigling!). So konnte sie mich nicht wiedererkennen. Als sie mit ihren Mädels meinen Zettel anschaute, kamen gleichgültige Blicke und etwas Getuschel. Das wars. Nach etwas überlegen sprach ich sie dann doch noch an und wir unterhielten uns etwas. Viel sinnvolles fiel uns nicht ein. Und so endete unser Gespräch bald mit Stocken. Als ich rausging fühlte ich mich zwar auch nicht viel besser, aber befreit von dieser Hölle. Ne, nicht nochmal - und wenn, dann nicht allein.

03.08.2016 14:08 • #18


H
Sportfest

Es geht doch nichts über einen schönen Morgen: Die Sonne scheint zum Fenster herein und streichelt mit ihren Strahlen übers Gesicht. Der Morgenmuffel tut zunächst so als merke er nichts, hält die Augen scheinbar ganz fest verschlossen, runzelt schließlich mit der Stirn - und beginnt dann doch zu lächeln. Einen Moment später stehe ich auf und lande beim Frühstück mit frischer Marmelade und Kaffee. Manchmal höre ich Gemecker von den Raben oder Gezwitscher von anderen *beep*. Ab und zu rauscht ein Auto vorbei. Aus der Entfernung rumpelt das Döhnen der Autobahn leise herüber. Als mein Blick zum Wald geht fällt mir wieder der Waldweg und das Sportfest ein.

Viele Jahre ist es her, an einem Morgen wie diesem. Völlig aufgeregt futterte ich mein Frühstück und war schon gespannt auf das Treiben auf dem Sportplatz. Die ganze Schule würde kommen, meine Sportlehrer, meine Klasse und ich. Doch wie würde das eigentlich klappen? Der große Fussballplatz bestand eher aus Sandlöchern als aus Rasen. Stellenweise wuchs hier auch noch hohes Waldgras. Eine 100 Meter-Bahn - wo sollte die eigentlich sein? Die Weitsprunganlage war sympathisch ungepflegt, wie Kraut und Rüben: Eine ausgelatschte Plastikbahn lag auf dem Anlaufstrecke, begleitet vom Blätterdach kleiner Bäumchen. Pfützen und Steinchen tummelten sich an allen möglichen Stellen. Hinter dem sandüberwuchertem Absprungbrett wartete eine Kies-Sandkuhle. Und da sollte ich hineinhopsen? Na gut.

Mit einer Mischung aus Aufregung und völliger Rat- bzw. Ahnungslosigkeit schwang ich mich auf mein kleines Rad und fuhr los. Ich trug gleich meine Sportsachen, eine kurze Hose - war damals so - und ein kurzes T-Shirt. In meinem kleinen Beutel hatte ich einen Trinkbehälter dabei. Die war schon leer, bevor überhaupt alles begann. Im Schatten des Waldrandes wurde es recht frisch und ich haderte, dass ich doch keinen Trainingsanzug angezogen hatte. Einen Moment später interessierte das nicht mehr als ich den ollen Sportplatz sah. Die Sonne ließ ihn in einem freundlichen Licht erstrahlen. Es wirkte alles noch verschlafen - Willkommen auf dem Dorf. An den Gräsern hing noch der Tau. In der Mitte des Fussballplatzes standen schon einige Meterschilder für den anstehenden Kugelweitwurf. Und sonst turnten nur wenige Leute rum. Ich war also mal wieder einer der ersten, typisch. Was nun? Naja, um die Zeit totzuschlagen lief ich ein bisschen rum, auf den Fussballplatz. Kurz darauf waren meine Schuhe vom Tau durchnässt. Na wunderbar, und darin dann sprinten!

Ein bisschen später kamen meine Klassenkameraden, peu a peu. Ich freute mich, als sie eintrafen. So allein war das doch irgendwie eigenartig. Die Gruppe gab auch ein Schutz- und Zugehörigkeitsgefühl. Wir lümmelten uns auf ein paar Bänke, unterhielten uns völlig ahnungs- und planlos. Es gab einfach keinen wie in der Erwachsenenwelt, der mit seinem Wissen und noch mehr Wissen und Erfahrung die anderen übertrumpfen konnte. Alles herrlich unschuldig.

Dann ging es los. Der Direktor und die Sportlehrer hielten zunächst kleine Reden und wünschten am Ende allen viel Erfolg. Ich hörte das alles gar nicht so genau, war mit meinen Gedanken schon wieder abwesend bei meinen nassen Schuhen. Kurz darauf ging es zum Weitsprung. Wir stellten uns am Ende der beiden Laufbahnen in Zweierreihe auf, die Mädels links und die Jungs rechts. Dann war ich dran. Der Kiessand im Sprungbecken wurde noch kurz glattgeharkt und dann gab der Sportlehrer das Signal für meinen Start. Und wie ich gleich springen würde! Also los. Oberkörper nach hinten gelehnt, dann nach vorn, Fäustchen geballt und ich sprintete so schnell mich meine kleinen Beine trugen. Kurz darauf machte ich nen Sprung - und landete wie ein suhlendes Wildschwein. Völlig entgeistert blickte ich auf die Weite, viel zu kurz und doch ganz okay. Dabei wollte ich doch allen davonspringen. Auch bei den beiden restlichen Sprüngen kam nicht mehr raus. Neidisch blickte ich auf die großen Sportler in meiner Klasse, die alle besser wirkten. So ähnlich lief das auch beim Kugelweitwurf. Nicht schlecht staunte ich, als es zum 100 m-Sprint ging. Wo war eigentlich die Sprintbahn? Mit etwas entsetzen registrierte ich, dass der huckelige, hier und da eben Streifen mit Waldgräsern nneben dem Fussballplatz zur Sprintstrecke eingerichtet worden war. Mit dem Kreidewagen wurden die Laufbahnen merkiert. Doch eh ich mir überlegen konnte, was ich davon hielt, war ich auch schon dran. Und mit mir noch zwei andere Jungs. Alle nicht die großen Sportler, aber mit dem Willen, das Beste zu geben. Achtung, fertig, los Mit dem Knall der hölzernen Startklappe sprinteten wir los. Ich hatte den Oberkörper zu weit hinten, der eine Junge bekam die Beinchen nicht so richtig vom Boden weg und der nächste lief wie eine Bohnenstange. Wir müssen ein urkomisches Bild abgegeben haben. Obwohl ich kurz nach einer Kuhle kurz stolperte kam ich als erster ins Ziel. Das freute mich dann doch.

Und noch mehr freute ich mich als ich bei der Siegerehrung plötzlich ne Urkunde für den 3. Platz bekam. Ich freute mich sehr, ich hatte eine Urkunde gewonnen. Der 3. Platz war für mich fast so als hätte ich den 1. gemacht. Bis heute liegt sie in meinen Sachen und erinnert mich an dieses lustige Sportfest und den schönen Sonnenmorgen.

04.08.2016 09:55 • #19


H
Oh Gott, ich bin ein Murmeltier! Mit einigem Entsetzen registrierte ich mein Treiben. Bestimmte Abläufe wiederholte ich - wieder und wieder. Wie in diesem Film Täglich grüßt das Murmeltier. Aber meins grüßte nicht nur täglich, sondern auch wöchentlich, monatlich und jährlich. So kam mir denn auch meine wochenendliche Brautschau geradezu aberwitzig vor. Theoretisch wußte ich, was ich mit ihnen anstellen konnte. Praktisch aber klaffte eine unheimlich große Distanz, die ich in der Realität nicht verkleinern konnte.

So war es auch an diesem einen Samstag. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen. Im Bad rasierte und kämmte ich mich, dann noch etwas Parfüm drauf und voila - sah ich genauso langweilig aus wie immer. Egal. Ich hatte mich halt so schick gemacht wie es ging. In meinem Kopf wuchs ja wieder die Hoffnung und Anspannung zugleich. In ein paar Minuten sollte es in einen Club gehen. Meine Kumpels würden mich gleich abholen. Und dann würde ich heute Nacht vielleicht ein hübsches Mädchen kennenlernen, sie auf mich aufmerksam werden, wir vielleicht sogar miteinander schlafen. Allein diese Fantasie ließ mich völlig durcheinanderkommen. In diesem Moment bemerkte ich auf der Straße zwei Lichtkegel und es hupte ein paar Mal kurz. Jetzt gehts - wieder - los!

Mein Herz pochte schon etwas aufgeregt als ich zum Auto ging. Kurze Begrüßung und dann gings los mit platten Sprüchen und überheblichen Selbstdarstellungen. Am Ende würden wir im Club nur den erstbesten Tresen suchen, Biere ordern und uns umschauen. Die Stimmung im Auto war also gekrampft. Irgendwie passte es ins Bild wie uns die Dunkelheit auf der einsamen Landstraße einschloss. Nicht mal andere Autos kamen. Und so gab es auch viele schweigsame Kilometer. Selbst die Häuser in den Ortschaften schienen sich vor uns zu versperren - geschlossene Jalousien oder Fensterläden, kein Licht. Auf den Gehwegen waren weder Fußgänger noch Radfahrer. Nur das Licht der Straßenlampen erleuchtete unseren Weg. Aber es war ein gräßliches Orangelicht und erinnerte mich an Baustellen und egoistische Großstädte, die ich ablehnte und mich nicht haben wollten. An die Stelle dieser Gedanken trat wieder die Aufregung. In einigen hundert Metern verdrängte eine große Lichtkugel die Dunkelheit. Darin zeichnete sich schließlich ein großer Kasten und Parkplatz ab: Der Club.

Auf dem Parkplatz stieg meine Aufregung noch höher. Nach außen tat ich aber so, als wenn es für mich nichts besonderes wäre. Ganz cool, ey. Und wir langen Kerls kletterten aus der viel zu kleinen Kiste Auto, in dem wir die Fahrt über wie eingelegte Sardinen gequetscht gesesen haben. Naja, irgendwie trotzdem komisch. Und so gingen wir also über den Parkplatz. Da gab es viele hübsche Mädchen. Vielleicht die da? Oh, die da sieht auch toll aus. Was für eine Figur. Was für eine Ausstrahlung. Oh Mann, da kommt sogar ne ganze Gruppe. Was ist denn hier los?. Schon allein der Anblick auf dem Parkplatz ließ mich heiß und kalt werden. Ich schluckte schon jetzt. Im Treppenhaus ging das so weiter.

Drinnen angekommen suchten wir uns ein nettes Plätzchen am Tresen, wo wir nen guten Überblick über das Geschehen hatten. Dazu bestellten wir uns natürlich Bierchen. Ich fiel mal wieder negativ auf und nahm zwischendruch nen Kaffee, obwohl ich an diesem Abend kein Fahrer war. Das brachte mir natürlich Spott ein. Jedenfalls füllte sich der Saal bald komplett und es war kein lockeres Durchkommen mehr. Zum Glück. So konnte man immer einen erfreulichen Blick in die schönen Ausschnitte bei den Mädchen machen. Mir wurde das Rumstehen bald mal wieder zu doof und ich ging tanzen, lächelte die ein oder andere an. Und sie bemerkten das entweder gar nicht, wußten nix damit anzufangen oder drehten ihren Blick einfach ab. Das führte ich natürlich auf meine geringe Attraktivität zurück. Verunsichert verließ ich bald die Tanzfläche, die Musik war auch noch blöd. Auf meinem Weg in den anderen Tanzsaal schaute ich mir die vielen schönen Mädchen wieder genauer an. Da habe ich eh keine Chance hämmerte es in meinem Kopf. So begnügte ich mich mit dem schönen Ablick, den mir keine mehr nehmen konnte.
Im anderen Saal angekommen stellte ich mich bald wieder an einen kleinen Stehtisch und sah mir das Treiben auf der Tanzflächen, am Tresen und den kleinen Sitzgelegenheiten an. Überall schienen die hübschen Mädchen schon in Gesprächen zu sein. Alle schon vergeben oder lernen gerade die schönen Männer kennen dachte ich.
Irgendwann kamen die Jungs hinterher und zogen mich mal wieder mit platten Sprüchen auf. Ich suchte wenigstens noch, wenn auch mit Zweifeln, Ängsten und nicht zuletzt völliger Ahnungslosigkeit, was ich genau will.
Und plötzlich sah ich sie. In einiger Entfernung stand eine gutaussehende, junge Frau - großgewachsen, schlank, blondes, gewelltes, langes Haar. Den Gesichtsausdruck konnte ich nicht genau erkennen, doch er wirkte sympathisch. Sie unterhielt sich mit ihrer Freundin. Beide standen irgendwie genauso verpeilt rum wie meine Jungs mit mir. Bestimmt waren die Partner der beiden auf der Tanzfläche.
Irgendwann standen die beiden vor unserem Tresen. Ich lächelte die schöne Frau an und stammelte etwas in ihre Richtung. Und sie antwortete sogar. Das überraschte mich. Was folgte war nicht wirklich ein Gespräch.Aber wir tauschten wenigstens unsere Namen aus, sagten wo wir herkamen, wie wir den Club so finden. Ich hätte sie am liebsten abgeknutscht und nicht mit solch blöden Details aufgehalten. Und sie sendete auch sehnsüchtige Blicke. Das verunsicherte mich: Konnte sie wirklich mich gut finden? Wir kennen uns doch gar nicht? So besonders seh ich ja nun auch nicht aus, dass eine so schöne Frau im Nullkommmnix auf mich stehen könnte. Wenig überraschend tauschten wir keine Telefonnummern aus, verabredeten uns nicht auf ein Date oder schliefen gar niteinander - wie es vermutlich einige am Ende des Clubbesuchs taten.
Auf der Heimfahrt haderte ich noch mit mir, warum ich sie nicht nach ihrer Telefonnummer gefragt hatte. Die Jungs schüttelten nur mit dem Kopf Hast du nicht gesehen, wie sie dich angesehen hat? Oh doch, hatte ich. Nur so richtig glauben konnte ich es nicht. Gern hätte ich sie wiedergesehen, suchte den Club immer wieder auf, an einem Samstagabend. Doch sie blieb verschwunden - für immer.
Paradoxerweise wiederholte sich dieses Spielchen viele Male - auch ohne die Jungs oder Bekanntschaften. Muss wohl so sein, wenn man ein Murmeltier ist, das die wiederholenden, festgefahrenen Abläufe nicht merkt.

05.08.2016 11:04 • #20


H
Kaffee zum Mitnehmen

Der große See sieht noch immer so schön aus. Vom Hügel kann ich die gesamte Fläche überblicken. Ausflugfsdampfer, Segelboote, Yachten und Ruder kreuzen durch die Wellen. Reisende laufen an mir vorbei. Vor der kleinen Bäckerei sitzen kleine Grüppchen und Paare, lassen den seichten Wind übers Gesicht streichen und von der Sonne an der Nase kitzeln. Etwas Schatten bieten die gewaltigen Blätterkleider der Kastanien. Auf der breiten Straßen fahren Autos in regelmäßigen Abständen, ohne Hektik. An der Bushaltestelle wartet mal wieder eine Menschentraube und die von Zeit zu Zeit eintreffenden Busse.
Ich hole mir einen kleinen Kaffee zum Mitnehmen und laufe unbemerkt an den Leuten vor der Bäckerei vorbei. Mit gemischten Gefühlen geht der Blick über die Straße zur Haltestelle und den Hang hinab. Etwas verkrampft sich wieder in mir. Trotzdem gehe ich rüber und den Hang runter. Ist doch ein schöner Tag und ich hab auch einen guten Kaffee rede ich mir ein. Auch wenn er heiß ist, spendet er sowas wie Wärme.Und er gibt das Gefühl, dass ich hier etwas in der Hand halte. Tatsächlich beschreibt er nur zu deutlich, dass ich allein hier bin. Es gibt niemanden, aber es gab jemanden.
Ich laufe die lange Treppe runter zum See. Mein Blick fällt auf das Klettergerüst mit ein paar Kinder und vermutlich ihren Eltern oder Großeltern. Ein schöner Moment wie die Kinder rumtollen und die Erwachsenen sich daneben unterhalten. Ab und zu kommt die Ermahnung an die Kinder, es nicht zu bunt zu treiben. Ich lächele still, nehme einen Schluck und gehe weiter. An der Anlegestelle liegen wieder viele Dampfer, Die lange Schlage von Fahrgästen verrät, welcher als nächstes ablegt. Eine Dampferfahrt, die ist lustig denke ich, während sich mein Herz im selben Moment zusammenzieht. Doch noch lasse ich meine Erinnerung nicht zu einem klaren Bild werden. Ein dumpfes Gefühl von Schmerz klopft an. Ich drehe mich um und gehe in die Gegenrichtung zu dem Weg, der da hinten am See entlangführt. Ich bin ihn schon mal gegangen, viele Male - und einmal mit jemandem. Innerlich ringt sich ein Seufzer durch. Äußerlich bin ich ruhig und laufe ganz entspannt mit meinen Kaffee weiter. Der Weg schlängelt sich am Ufer entlang. An einer Stelle füttern Kinder die Schwäne und Enten. Ein älteres Paar schaut zu. Ein Paddler mit aufgeblasenem Boot will anlegen und vertreibt die Wasservögel etwas. Aufregung und Beschwerden kommen vom Land.
Der Bogen macht einen weiteren Bogen. Hier sind wir also langgelaufen. Wir haben so vertraut und zufrieden miteinander geredet wie es alle anderen Passanten heute auch tun. Warum habe ich nicht? ... es wird nie wieder so sein. Der Schatten der großen Kastanie wirft die passende Dunkelheit auf meine Geschichte, die sich hier in der Vergangenheit ereignete. Unter der Brücke laufen noch immer die Rohre entlang. Hier hat also meine wunderschöne Freundin mit ihren Schulkumpels abgehangen. Was sie wohl hier genau getrieben hat? Wie die Teenies hier ihre Abende wohl verbracht haben? Laute Musik, ein bisschen Rebellentum?
Auf der andere Seite der Brücke rückt und der lange, schmale See in Sicht. Dort drüben an der Angelstelle mit dem dichten Busch standen wir. Schüchtern und mit ganz naher Distanz. Es war keine lockere Stimmung wie sonst. Vielleicht lag es auch am kalten Februarwetter. Sie stand da, senkte leicht die Augen und sah schon aus. In mir sagte alles küss sie. Doch ich tat es nicht. Wie müssen wie eine Statuengruppe gewirkt haben, die zusammengehören, aber nie den letzten Schritt machen.
Statt dessen gingen unsere Schritte wieder zurück - den Weg entlang, die Treppe hinaus und noch in ein kleines Cafe. Niemand sonst war da außer der Bedienung. Mit ihrer großen Klappe sorgte sie bei uns für ein Schmunzeln. Wir orderten heißen Apfelkuchen mit Zimt und etwas Milchkaffee. Und damit klang auch dieses Treffen aus.
Der Kaffee in meiner Hand ist über diese Gedanken mittlerweile schon fast kalt geworden. Ein kalter Kaffee wie diese Geschichte - mit dem Unterschied, dass ich den Kaffee mitnehme und die Geschichte mich.

06.08.2016 11:01 • #21


H
Ich war nervös, vielleicht auch verzweifelt und ratlos. Am PC schrieb ich an meiner Arbeit. Ein paar andere Fenster waren auch noch geöffnet. Doch nicht das Geschreibsel da auf dem Bildschirm bestimmte meine Gedanken. Äußerlich ruhig dasitzend, tobte in mir ein Sturm von Fragen - Hoffnungen, Ängsten und Zweifeln. Sie drehten sich um eine Freundin. zu lange hatte ich gezögert. Jetzt war sie vergeben. Was sollte ich da noch großartig tun. Doch mit aller Macht zog es mich plötzlich zu ihr - und wegen der Vergeben-Sache sträubte ich mich noch mehr, dieser Hingezogenheit nachzugeben. Was folgte war eine völlig kopflose Situation mit viel Gedankensalat.

Ich speicherte das Geschriebene ab, obwohl ich nur Grütze zusammengeschrieben hatte. Aber das merkte ich nur etwas. Wie in Trance zog ich mich an, Jacke drüber, Schuhe an und Portemonnaie. Ich lief zum Zug, irgendwann würde er schon kommen. Die Abfahrtzeiten hatte ich vergessen. Ich wollte sie von ihrer Arbeit abholen. Ist doch ne nette Geste - redete ich mir ein. Was ich für einen Stuss dachte, bekam ich gar nicht mehr mit. Aber die Zweifel dann noch. Was mache ich da gerade? Was bezwecke ich da gerade? Was soll das bringen, eine vergebene Freundin von der Arbeit abzuholen? Die ganze Zugfahrt über ging das so. Doch ich drehte nicht um und über ließ dem Zug und der Fahrtrichtung, dann meinen Füssen die Entscheidung, wo es hinging. Und meine Füsse trugen mich schließlich aus dem Zug, durch den Bahnhof, über die Kreuzung, den einsamen Zubringer entlang zum hell erleuchteten Gebäude. Da drin war sie also. Je mehr ich mich näherte, umso mehr Angst bekam ich. Ich wollte umdrehen, rückwärts laufen, aber meine Füsse ließen mich nicht.

Plötzlich gingen die Türen auf und ich stand drin. An diesem späten Abend waren kaum noch Leute hier. Alle schon Feierabend. Umso besser, dachte ich. Sieht keiner wie ich mich gleich zum Volltrottel mache. Ich stieg eine Treppe rauf und verharrte dann wieder in der 1. Etage. Was sollte das alles. Ich lief völlig blind umher. Und so ging ich auch in die 2. Etage. Bevor ich oben ankam schaute ich vorsichtig, ob sie mich sehen könnte. Aber im Restaurant war auch schon nix mehr los. Der Tresen und die Salatbar glänzten im milden Licht der kleinen Lampen. Am Fenster saßen noch ein paar Gäste. Meine gute Freundin war nirgends zu entdecken. Und trotzdem stieg meine Angst wieder hoch und ließ mich in die 1. Etage zurückkehren. Ich setzte mich wieder und fragte mich was das soll; suchte nach Antworten, die mir mein Treiben logisch erscheinen lassen und einen guten Grund geben. Letztendlich fand ich mehrere Gründe ohne jede Logik, die aneinandergereiht für mich einen Sinn ergaben. Vielleicht würde sie sich ja doch freuen.
Dieses Spielchen bekam ich noch eine Weile hin, bis sie auf einmal die Treppen runter kam. Ich lächelte sie etwas gleichgültig an. Sie sah mich mit ihrem Engelsgesicht - zarte Wangen, weiche Lippen, kleine Zähnchen, Stupsnase und mit müde strahlenden Augen - überrascht und auch etwas fassungslos an. Ein schmales Lächeln strich über ihre Lippen. Und das fühlte sich für mich wie die Ohrfeige an, vor der ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Manche Blicke sind viel härter als ein direkter Schlag sein kann. Wir unterhielten uns kurz. Sie fragte mich, was ich hier mache. Ich wollte halt mal sehen, wo sie arbeiten sagte ich ihr. Ja ja, halbe Wahrheiten sind so ne Sache. Was sie von meiner Aktion hielt sagte sie nicht. Dafür aber, dass ihr Freund sie gleich abholt - das was ich gerade tun wollte, aber dafür war es eben zu spät.
Ich verabschiedete mich erhobenen Hauptes (sie sollte nicht merken wie sehr geknickt ich innerlich war). Das erforderte alle Kraft, die ich noch irgendwie hatte. Und sie ging auch ganz entspannt weiter, die Treppen runter zu ihrem Freund. Er wartete schon auf sie und sie küssten sich ersteinmal zärtlich und innig. Und ich ging wieder in die Dunkelheit, zum Bahnhof. Irgendwann war ich zuhause. Wie ich dahin kam weiß ich nicht mehr. Eine Zugfahrt habe ich nicht mehr in Erinnerung. Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl vor dem PC und blieb dort eine Weile still sitzen.

07.08.2016 22:41 • x 1 #22


H
Eigentlich war es ein lauer Herbstnachmittag, aber mir sollte noch knall heiß werden. Mit meinem Kumpel fuhren wir auf den Rädern durch den alten Dorfkern. Zuerst gings rauf auf die baufällige Kirchenmauer, um Balance zu halten, obwohl hier selbst ein Volltrunkener das Gleichgewicht halten konnte. Dann gings rüber durch den schmalen Pfad - ein grüner Tunnel drumherum - zur Weidekoppel. Die Sonne brannte und die Pferde standen wie behäbige Ackergäule rum und zermalmten die Grasbüschel. Wir machten ein Rennen und radelten mit Höchstgeschwindigkeit an den gänzlich dessinteressierten Pferden vorbei. Ansonsten sah uns niemand, keine Menschenseele war zu sehen. Na wenigstens wirbelten wir etwas Staub auf dem ausgefahrenen Sandweg an den Gehöften auf. Viele Häuser waren baufällig und der Putz bröckelte. In den Gärten gab es fast überall wildwuchernde Gräser.
Nur ein Gehöft machte eine Ausnahme. Das Haus war ebenso gefpflegt wie der Garten. Jedesmal gingen meine Augen hierher und in die Fenster. Vielmehr schielte ich versteckt. Ich wollte nicht, dass mein Kumpel war merkt. Und auch dieses Mal sendete ich sehnsüchtige Blicke. Frühreif würden mich Spötter nennen. In dem Haus wohnte das schönste Mädchen, das schönste Mädchen des ganzen Kindergartens. Ich dort ging mein Blick heimlich zu ihr. Meine Augen suchten sie, wann sie denn morgens ankam. Im Spielzimmer waren sie oft bei ihr. Naja und was ich draußen getrieben habe brauche ich ja nicht zu erwähnen. Fange spielen, Buddelkasten habe ich nur mitgemacht, weil es alle andern auch machten.
Gegenüber allen konnte ich mein Interesse an dem Mädchen sehr gut verstecken. Aber das war nicht nur schauspielerisches Talent, sondern auch schon Angst: Was wäre, wenn mich das schönste Mädchen ablehnt? Ich ihr sage, dass ich sie schön finde und sie irgendwann heiraten möchte und sie mich dafür auslacht, vielleicht weil ich nicht der schönste Junge bin. Und so habe ich mir über lange Zeit schon im Kindergarten auf die Zunge gebissen, als dass meine Gefühle mal rauskommen durften.
Aber an diesem Herbstnachmittag war alles so schön. Mit meinem Kumpel hatte ich wieder viel erlebt und Unsinn gemacht. Ja, ich war gut drauf. Und gerade als wir uns verabschiedeten kam das Mädchen zu uns. Wir unterhielten uns etwas. Nicht weltbewegendes, wie auch? Es gefiel mir nicht, dass sie sich mehr mit meinem Kumpel unterhielt, der schräg gegenüber von ihr wohnte. Es war als wenn ich für sie Luft wäre. Sie lächelte meinem Kumpel etwas zu. Und jetzt platzte es aus mir raus, damit sie sich endlich auf mich konzentrierte: Ich finde dich sehr schon und wenn wir groß sind werde ich dich heiraten. Dann passierte das, wovor ich mich gefürchtet hatte. Aber die Realität ist noch grausamer als eine heimliche Furcht: Sie lachte laut auf, schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging. Ich bekam einen gewaltigen Hitzeschlag, als wenn ein weißer Blitz die gesamte Umwelt und mich in zwei Teile spaltete. Ich wollte weinen, ging nicht. Der Schock war so groß, dass ich kaum noch Luft bekam. Jetzt stand es für mich fest: Ich war Luft für sie, ich war kein schöner Junge - nur einer von jenen, die keiner haben will. Ich glaube, dass ich irgendwie nach hause getorkelt bin. Wirklich erinnern kann ich mich nicht mehr.
Wir drei drückten anschließen noch ein paar Jahre gemeinsam die Schulbank. Mit ihr geredet habe ich nicht mehr, obwohl sie trotzdem noch immer meine Aufmerksamkeit hatte - heimlich versteht sich. Heirat war für mich seither nie mehr ein Thema, nur noch sie wollen geheiratet werden. Die hat den Wunsch nach Nähe zu einem guten Teil in mir zerstört.

08.08.2016 15:20 • x 1 #23


H
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Enttäuschungen und Ängste das Fundament für blühende, wundervolle Fantasien bilden?

08.08.2016 20:04 • #24


H
Ich hab sie verschwendet. Hab sie einfach gehen lassen. Die rebellische, wilde Zeit - ich habe sie einfach so teilnahmslos verstreichen lassen. Statt dessen habe ich Wunschträumen und Hoffnungen das Feld überlassen. Tagein, tagaus. Wenn es bei mir eine Phase gibt, die ich mit einem Trennungsschmerz verbinde, dann ist es die Abiturzeit. Viele Mädels hatten eine unglaublich tolle Ausstrahlung. Vielleicht habe ich sie auch nur so gesehen. Wer weiß. Ich hatte unglaublich viele Chancen. Ich hatte Chancen, ohne zu kapieren, dass ich sie hatte. Ich habe das Offensichtliche nicht verstanden oder als Einbildung ignoriert. Ich hatte gewonnen, ohne zu kämpfen und bin letztlich am Gewinn vorbeigegangen. Wo gibts bitteschön noch so einen gigantischen Esel? In der Konsequenz galt ich als arrogant. Ich redete zudem auch noch wenig. Was ich hinbekam, war ein schüchternes, verstecktes Lächeln.

Dabei begann das alles doch noch ziemlich human. Am Anfang stand der Start an einer neuen Schule, neue Lehrer, neue Mitschüler und ein neues Leistungslevel. Vollkommen angespannt startete ich in das Jahr. Die Fremdheit in der Klasse blieb über eine Weile spürbar bestehen. Grüppchen versuchten sich abzugrenzen und über die anderen herauszuheben. Ich war völlig allein. Was war denn nur an den anderen so besonders, fragte ich mich spöttisch. Das reichte aber, um mit dieser Frage meine Klasse klammheimlich genauer unter die Lupe zu nehmen und einzeln kennenzulernen. Und plötzlich nahm ich sie endlich wahr, die beiden Schönheiten. Eine strahlte unter ihren lockigen, halblangen Haaren oft wie ein Honigkuchenpferd. Dazu passte ihr ansteckendes Lachen. Sie probierte schon etwas mit dem Lippenstift herum. Gelungen? Der Gentlemen schweigt. Ich mochte sie einfach wie sie rüberkam, und damit Basta! Die andere war ein Schneewittchen, der Liebling aller Jungs meiner Klasse, der unteren Stufen und sogar der Klasse über meiner. Sehr zum Leidwesen der Mädels dort. Kam meine Mitschülerin vorbei, waren sie bei den Jungs ihrer Klasse abgemeldet. Ihre braunen Augen strahlten so eine herzliche Wärme aus, dazu ein freches Lächeln, manchmal auch übermütige Sprüche, halblange, brünette Haare und eine wunderbar frauliche, trotzdem schlanke Figur. Ich wußte nie so richtig, ob sich sie anlächeln, küssen, umarmen, nur mit ihr reden wollte. Alles bunt durcheinander. Am Ende kamen von mir auch nur ab und zu Kommentare, um mich überhaupt zu melden he, ich bin auch noch da!

Um diese beiden drehten sich ab sofort und die ganze Zeit über meine Gedanken. Ich habe sie nie nach einem Date gefragt. Eine von beiden habe ich wenigstens ab und zu mal angerufen. Wir sprachen über Schule, Klausuren und wie alles so läuft. Und ich habe nicht ein einziges Mal durchklingen lassen, dass ich Gefühle für sie hatte. Butter bei die Fische: Ich sagte ihr nicht, dass ich mich in sie verliebt hatte. Der eigentliche Grund meiner Anrufe. Wenn ich je einen Zweifel daran hatte, wie verpeilt man als Jugendlicher in Liebesdingen sein kann, dann war ich mit der Aktion selbst mein bestes Beispiel. An der Schule hielt ich immer eine distanzierte Nähe zu ihr. Nicht, dass meine Mitschüler erkannten, was mit mir los war - vor allem, wenn das Mädel null Interesse an mir hätte. So war ich etwas wie ein stiller Begleiter - oder heimlicher Verehrer, auch wenn mir diese Bezeichnung überhaupt nicht in den Kram passt. In den Pausen war ich immer in ihrer Hörweite. Nach der Schule hatte öfter etwas mehr Zeit, fuhr einen anderen Weg, der zufällig auch an ihrer Bushaltestelle vorbeiführte.

Naja, da sie sich aber für alles andere mehr interessierte als für mich lenkte ich meine Aufmerksamkeit auch woanders hin. Da fiel mir dann auf, dass es auch in der Klasse über meine richtige Schönheiten gab. Sie wirkten selbstbewusst, engagiert und auch sinnlich bis heiß. Mir stockte der Atem als eine von ihnen über den Hof ging: Eine feminine, straffe Figur. Hautenge Jeans schmiegten an ihre Beine bei einem sehr zügigen Gang. Die Lederjacke stand offen. Ihre strahlend, blauen Augen blickten zielgerichtet geradeaus und die langen, glatten Haare schwangen sanft mit. Die Botschaft ich bin unwiderstehlich, du hast keine Chance, Kleiner Ganz ähnlich war eine großgewachsene Blondine mit leicht gekräuseltem Stirnhaar. Entschlossen sprach sie mit Lehrern und dem Direktor, blickte sie dabei mit festem Blick an.

Süßer waren dagegen die jüngeren Mädels. Es einem frühen Herbstnachmittag, der Englisch-Leistungskurs plätscherte so vor sich hin. Mein Blick ging aus dem Fenster. Ich wäre lieber draußen. Da lief eine junge Schülerin mit ihren schwarzbraunen Haaren gedankenversunken vorbei. Plötzlich sah sie zur Seite, erblickte mich und lächelte. Auch in ihren braunen Augen lag viel Wärme. Mit ihren zarten Lippen wirkte das noch süßer. Ich schickte ihr ein verlegenes Lächeln zurück und sie ging weiter. Ein Glück, dass ich in der letzten Reihe saß. Ich muss kurz einen knallroten Kopf bekommen haben. Ich glaube, diesen unvorbereiteten Momenten bin ich am besten lesbar. Dann gab es noch ein paar schöne Blondinen, sportliche Brünette. Und mit allen hatte ich kein einziges Wort gewechselt. Ich bin aus allen Wolken gepurzelt als ich ein paar Jahre später erfuhr, was diese Mädels so alles über mich wußten. Ich dachte immer, dass ich für sie ein Fremder bin, ein Älterer. Statt dessen war ich ein unbekannter Bekannter. Zudem bestätigt sich mal wieder, was ich schon eingangs erwähnte - dass ich auch ein gigantischer Esel war. Warum gab ich ihnen keine Chance? Warum gab ich mir keine Chance? Gut, heute kenne ich ein paar bittere Antworten auf diese Fragen. Und trotzdem würde ich gern die Zeit zurückdrehen und meine Abiturzeit nicht ohne eine Liebe zu verschwenden.

09.08.2016 20:03 • #25


H
Eines Abends saß ich an meinem Schreibtisch und grübelte, mal wieder. Was macht sie wohl gerade? Wie geht es ihr? Es wird doch wohl nix schlimmes passiert sein? Seit zwei Monaten hat sie sich nicht gemeldet. Kein Anruf, keine SMS, keine Mail oder sonstwas. Naja, wenn man in einer schwierigen Beziehung steckt gibt es wohl solche Phasen, wo man mehr kämpfen muss. Da hat man keinen Kopf und keine Zeit für Bekanntschaften oder junge Freundschaften. Da muss man sich erstmal um die eigene Beziehung kümmer. So dachte ich mir das. Und doch vermisste ich sie sehr - ihre nachdenklichen Mails, ihre frechen oder lustigen Kurznachrichten oder einfach die Botschaften, die mir sagen ich denke an doch. Ich fühlte mich angenommen wie selten in meinem Leben und dann auch noch von einer schönen, jungen Frau. Das war für meine Verhältnisse ein Traum, fast zuviel des Guten.

Und dann piepte mein Handy dreimal. Ein Briefkuvert erschien auf dem Display. Oh, eine Nachricht von ihr. Ich freute mich und öffnete die SMS. Binnen weniger Zeilen verwandelte sich mein kleines Lächeln in ein Gesicht mit Schockstarre und Bitterkeit. Der Hals schnürte sich mir zu und die Tränen drückten hoch. Sie schrieb mir, dass sie sich getrennt hatte. Das war auch irgendwie zu erwarten gewesen. Doch mein leiser Anflug von Hoffnung, dass ich jetzt vielleicht endlich eine Chance bei ihr habe - sie fand mich ja wie ein Traum, folglich musste sie an mir interessiert sein - zerstörte sie dann mit wenigen Worten. Sie hatte sich auch schon wieder neu verliebt, war glücklich. Wie es mir ging spielte keine Rolle, da war kein liebes Wort mehr für mich dabei. Ich seufzte schwer. War ja irgendwie klar. Bei Verliebtheit in ihren neuen Partner spielte so eine junge Freundschaft wie unsere, die eigentlich keine war, keine Rolle mehr.

Und so starrte ich lange auf das Display. Ich wollte was schreiben, ich konnte nicht. Ich sah den Balken auf dem Display immer wieder blinken, doch kein Buchstabe erschien. Nach einigen Stunden rang ich mich zu einem Satz durch; dass ich mich für sie freute stand drin. Junge, was bin ich für ein Heuchler. Aber ich wollte ihr Glück nicht stören. Ich würde es mir ja auch wünschen, dass man mir mein Glück gönnt - wenn ich es denn Mal gefunden habe - und mich nicht mit Fragen belästigt Hey, was ist mit mir? Du hast doch gesagt...

Bei dem Gedanken musst ich nur bitter Lächeln - welches Glück denn. Schau doch mal auf dein Leben. Selbst die Ansätze von Glück wurden fast umgehend und dann auch noch radikal ausgelöscht. Für jedes bisschen Hoffnung wurde ich kurz darauf mit einer kalten Schulter abgestraft, wo ich nicht mal wußte WARUM diese Härte, dieses Pech. Ich hatte doch nix schlimmes gemacht. Das ist auch einer der Gründe, warum ich selten rede und ungern meine Gefühle komplett erkennen lasse. Eher werfe ich die Leuten läppisch vor die Füße sieh zu, was du draus machst

Ich schickte die SMS ab und saß weiter in meinem Schock da. War es vorher noch eine normale Abendatmosphäre schien mich jetzt überall die Kälte im Griff zu haben: Die Bäume und Blätter im Garten, die Luft im Zimmer und vor allem mein Inneres. Bewegungsunfähig. Vielleicht lenkt mich ja ein bisschen Arbeit ab? Aberich konnte nicht. Mein Kopf streikte komplett. Nur die Tränen standen in meinen Augen. Wenigstens sieht mich niemand - vor allem sie nicht - in diesem Moment mit dieser Bitterkeit.

Wie so oft in meinem Leben schleppte ich mich die nächsten Wochen leer durch die Gegend. In der Bahn blickte ich nur aus dem Fenster. Ich wollte keine anderen Fahrgäste sehen. Ich wollte keine schönen Frauen sehen. Und vor allem wollte ich keine Paare sehen. Das hätte mir das stumpfe, rostige Messer nur noch tiefer ins Herz gerammt.

4 Monate später war ich ins Ausland gezogen. Ich fühlte mich fremd, aber doch irgendwie wohl in der neuen Umgebung. Dort begab ich mich auf Entdeckungsreise, nachdem die Verwaltungssachen erledigt waren. Abends lief ich gern die Hafenpromenade entlang und blickte aufs Meer. Neben mir spielten manchmal Kinder, Jugendliche saßen auf den Bänken und dröhnten sich mit billigem Fusel zu. Reisegruppen, junge und alte Paare, Jogger und auch mal eine Pferdekutsche füllten das weitere Geschehen. Die Cafes waren voll und es gab hier in da Gelächter von den Gruppen um die viel zu kleinen Tische. Im Licht der Stehlampen auf der Promenade fühlte ich mich indiesem Treiben irgendwie wohl, weit weg von den traurigen Geschehnissen zuhause.

Doch die Geschichte holte mich wieder ein. Zwischen Laptop, Bücherregalen, der Forschungsliteratur auf dem Tisch dachte ich gerade drüber nach, ob die Reihenfolge in meiner Argumentation und Beweisfürhung stimmig ist. Da piepte mein Handy, dreimal. Eine Nachricht - von ihr. Ich schluckte und stutzte zugleich. Was kommt jetzt noch? Ah, sie hat eine neue Telefonnummer, die sie mir mitteilen will. Das wars. Das wars? Was soll das? Was für einen Zweck hat das? Zum ersten Mail wurde mir so richtig bewusst, dass ich keine Freundschaft mit ihr will; dass ich eine Freundschaft mit ihr gar nicht aushalte; dass ich mich immer wie das fünfte Rad am Wagen fühlen würde. Sie wünschte sich einmal, dass man manchmal Gefühle unterdrücken müsste, auch wenns schwer fällt. Aber darauf hatte ich jetzt keine Lust mehr, damit war Schluss. Ich massakriere doch nicht meine Gefühlswelt, nur weil irgendso eine schöne Frau das so will. Ich atmete ein paar Minuten lang durch, um nicht völlig zu explodieren. Dann schrieb ich ihr, dass ich in einem solchen Kontakt überhaupt keinen Sinn mehr sehe. Jedes halbe Jahr mal in Kontakt, was soll der Quatsch? Sie bedauerte das zwar, aber so richtig lag ihr auch nichts mehr daran und machte eine halbherzigen Versuch die Freundschaft zu erhalten. Von da an war Ruhe im Karton.

Ich wußte, dass ich nach ganz logischen und rationalen Gründen die richtige Entscheidung getroffen hatte. Schmerzen bereitete mir dieser unermeßliche Verlust ihrer Person jedoch noch jahrelang. Immer mal wieder. Stetig weniger werdend. Ein, zweimal nahm ich noch halbherzig Kontakt zu ihr auf, ließ es aber gleich wieder sein. Ich wünschte mir sehnlich, dass mich eine wieder so behandelt wie sie - bevor diese ganze Sache mit ihrem neuen Partner begann. Doch es sind Weltenunterschiede.

10.08.2016 15:08 • x 1 #26


H
Wie freundlich ist es irgendwo am Fluss? Da steht ein altes Haus. Der graue Verputz hängt gerade so an den Wänden und unterstreicht das Alter. Zusätzlich werfen die gewaltigen Blätterdächer der hohen Kastanien großen Schatten auf die Hauswand, Rasenfläche und einen Weg zum Ufer. Hier unten sitzen ältere Sportler und unterhalten sich bei Kaffee und Kuchen aus bescheidenen Tassen und von kleinen Tellern. Vom ollen Schuppen dringen immer wieder mal ein paar Laute herüber. Irgendwas wird an den Booten gemacht. Ein Boot liegt am Steg und Kinder laufen eifrig herum Offenbar wollen sie gleich ablegen. Im Hintergrund schippern Yachten, ein Motorboot düst vorbei und weicht dann doch dem großen Lastschiff mit Kohlen. Sie hinterlassen im Fluss viele Wellen. Die kleine Insel dahinter mit vielen Büschen und ein paar Bäumen sieht schweigend zu - wie vermutlich schon seit unzähligen Jahren. Immer leuchtet sie auf, wenn sich die abendlichen Sonnenstrahlen ihren Weg durch die vorüberziehenden Wolken bahnen. Kalt ist es nicht, lediglich der Wind bringt ab und zu eine kühle Brise.

Sie streift über mein Gesicht und durch meine Haare. Waren sowieso nicht gekämmt und durcheinandergewühlt. Ich fühle mich hier pudelwohl. Endlich mal kann ich so sein wie ich bin. Keiner ruft mich zur Ordnung. Keiner interessiert sich dafür, ob ich kreuz oder quer aussehe. Niemand verletzt mich - verbal oder non verbal. Zuhause und mein Dorf liegt irgendwo dahinten - hinter den Bäumen, Häusern und Wassergrundstücken auf der anderen Flussseite; von der langen Pflastersteinstraße, dem Bahnhof an ihrem Ende und vom Horizont verschluckt; 40 km weit weg.

Das einsam sein ist weg. Die Ablehnungen, Gemeinheiten und Enttäuschungen dort spielen hier und jetzt keine Rolle. Gott sei Dank. Was für eine Erleichterung. Diese schöne Wasserwelt vermittelt mir eine ungeahnte Freiheit. Auch wenn mich hier niemand kennt und ich allein hier bin, fühle ich mich hier nicht einsam. Langsam gehe ich auf einen ollen Holzsteg. Manche Bretter knarzen. Ich schaue ins Wasser nach Fischen. Und da, am Stegende windet sich eine breite, glänzende Bauchseite eines Fisches an der Oberfläche und hinterlässt einen Strudel. Oh, den will ich haben. Nur wie? Da fällt mein Blick auf eine Senke, Das quadratische Netz hängt an vier verrosteten All-Stangen. Offenbar wurde es schon lange nicht mehr zum Fischfang eingesetzt. Und das hat auch seinen Grund in Gestalt von ein paar dicken Löchern. Na und? Ein paar Knoten rein und schwups ist es irgendwie wieder einsatzfähig. Los gehts. Aufgeregt wartete ich was ich wohl für Fische fangen würde, wie groß sind sie wohl. Ich bekam dann vor allem kleine Süsswasserfische zu sehen. Die dicken sind doch durch die notdürftig geflickten Löcher geplumpst. Aber egal, ich hatte was gefangen: Ein paar Rotfedern lagen drin, Plötzen und auch mal ne Karausche. Sogar ein kleiner Grasskarpfen blieb hängen. So saß ich ein paar Stunden in dieser friedlichen Welt, die mich wie ein Freund zu umarmen schien. Es tat mir richtig gut.

Als es dann doch hieß Abschied zu nehmen, schaute ich noch mehrere Male zurück, um mir diesen Ort einzuprägen. Zuhause würde ich ihn mir oft wieder in den Kopf zurückholen und den Alltag ausblenden oder verträglicher zu gestalten. Diese Welt kann mir niemand mehr wegnehmen.

11.08.2016 13:51 • #27


H
Aus den Augen, aus dem Sinn? Vielleicht liebt es sich als Kind noch einfacher - ohne diese ganzen Regeln, Schuldgefühle, Vorschriften, großen Erwartungen und Enttäuschungen als Erwachsener. Das Forum ist ja auch voll von den Stories mit Hoffnungen auf große Distanz, Geliebten, plötzliche Beziehungsabbrüche. Reindrängeln in andere Beziehungen. Wie unschuldig beginnt das doch alles - wirklich?

Es war einer dieser heißen Sommernachmittage. Die Sonne knallte, die Straße glühte förmlich und jeder noch so kleine, kühle Lufthauch wurde gern entgegengenommen. Mein Großvater fuhr mit mir über die Landstraße durch goldgelbe Weizenfeldern hindurch. Oft hängte ich meinen Kopf raus aus dem Fenster in den Fahrtwind. Nur selten kamen uns andere Autos entgegen. Sie waren entweder schon alle am See oder blieben besser zuhause. Ich freute mich auch schon aufs Badengehen. Ein bisschen störte es mich insgeheim, dass wir dafür mal wieder in diese blöde FKK-Waldsiedlung mussten. Ich schämte mich immer, *beep* rumzulaufen und nahm mir immer ne Badehose mit.

Die Aufregung stieg mit jedem Kilometer. Schließlich verließen wir einen Ort und die Straße machte zwei langestreckte Bögen und auf meiner Seite zeigte sich das riesige Feld mit dem einsamen Haus in der Mitte. Beide gaben mir das Zeichen, gleich sind wir da. Und da breitete sich schon der dichte Kiefernwald aus. Langsam zeigte sich auch der schwarze, hohe Drahtzaun am Waldrand. Es wirkte immer wie eine Armeeanlage auf mich, obwohl dieser hier nur neugierige Blicke von den Nackedeis im Wald abhalten sollte. Nun wurde mir auch schon wieder mulmig. Am Tor schloß mein Großvater kurz auf und fuhr dann auf den Sand-Parkplatz unter den Kiefern. Und hier sah ich schon, dass die Kleidung bei den Leute blitzartig knapper wurde. Fast nur olle Leute. Die sahen alle so schwabbelig aus. Mit diesem Ekel lief ich hinter meinem Großvater her. Bloß nicht in Gammelfleischpalast den Kontakt verlieren, sonst wäre ich fix und fertig.

Und plötzlich sah ich etwas das mir den Atem verschlug. In einem zeltartigem Holzhaus mit dem Dach bis auf den Boden standen die Fenster offen. Schatten fiel auf die Vorderseite. Dort stand eine *beep*, junge Frau - zwischen 20 und 40 muss sie gewesen sein - und machte an einem kleinen Tisch den Abwasch. Ich sah sie von der Rückseite: Glatte, lange blonde Haare mit geradem Abschluss, schlanke, kräftige Arme, gerader Rücken, scheinbar weiche Haut, ein sportlich-kräftiger Oberkörber mit einziehender Taille, dann ein sportlicher, fester Hintern und trainierte Beine. Dann sah ich ihre schönen nicht so große, aber voluminösen Brüste. Und sie stand da als wäre es das natürlichste. Bei mir überschlugen sich die Hormone erstmals so unglaublich. Ich ging schnell weiter und atmete bewusst tief ein und aus. Die Erregung hatte sich an meinem Körper schon bemerkbar gemacht. Durch das Atmen konnte ich das regulieren. Ein Glück, dass ich ne Hose anhatte und mich niemand sah. Nach 5 oder 10 Minuten hatte das Durchatmen den gewünschten Effekt. Und bald hatte ich die Blondine auch schon wieder vergessen.

Ab jetzt begann auch ein anderes Kapitel. Ab jetzt hieß es komplett ohne Hosen. Ich weigerte mich oft und kam mir oft blöd vor zwischen den ganzen ollen Leuten. Ich wünschte mir immer, dass die mich nicht anblicken oder ich sie möglichst nicht sah. Waren keine andere Kinder da? Die meiste Zeit hielt ich immer nach irgendjemand in meinem Alter Ausschau, aber ich fand niemand. Ich rätselte, was man mit dem übergroßen Schachspiel anfangen sollte. Wer würde schon freiwillig bei knalliger Hitze *beep* Schach spielen? Die Tischtennisplatten waren an den Nachmittagen fast immer leer. Auf dem Sandspielplatz fand ich ne Kinder. Wozu der eingerichtet worden war?

Und dann traf ich doch zwei andere Kinder: Ein Mädchen in meinem Alter und ihr kleinerer Bruder. Sie fuhren mit ihren Rädern durch den Wald. Ich fand sie nett, den Bruder betrachtet sich schon von Anfang an als Anhängsel, zugleich aber auch als Aufpasser. Wovor eigentlich? Ich merkte gar nicht, dass ich mit ihr am liebsten allein wäre. Naja so spielten wir mit Schachfiguren herum und dann auch noch etwas Tischtennis. Komischerweise gingen wir nicht zusammen baden. Sie zeigten mir noch, wo sie wohnten. An ihre Eltern kann ich mich nicht erinnern. Die Atmosphäre ist nur noch als abweisend in Erinnerung. Ich bin nie wieder dorthin zurückgekehrt, um mal nach ihr zu schauen.

Allerdings war sie von diesem Moment an in meinen Gedanken. In der Schulzeit dachte ich ab und zu mal an sie, ohne dass ich ihr Gesicht vor dem inneren Auge gehabt hätte. Ich konnte mich nicht erinnern wie sie aussah. Bald begann eine Fantasie ohne Gesicht. Als 11 jähriger wollte ich zu ihr rennen. Um was zu tun? Das wußte ich nicht bzw. bis dahin habe ich nie gedacht. Das sollte noch bezeichnend für mich werden. Es reichte oft nur bis zum So jetzt bin ich da! Für das danach behalt ich mir wieder mit Fantasien. Und wenn alle Fantasien wieder ausgeschöpft waren, herrschte wieder Ruhe im Karton.

So dauerte es bis zum Wiedersehen im nächsten Jahr, wo wieder Gefühle erwachten, mit denen ich als 12 jähriger nix anfangen konnte. Ich wußte nicht, was ich von ihr will. Aber was ich nicht wollte wurde in einem Moment klar. Eines Abends fand in der Waldsiedlung ein kleines Fest statt. Wir Kinder stand in einem Unterstand und sahen zu. Das Mädchen unterhielt sich doch sehr intensiv mit einem anderen Jungen in unserem Alter. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte mich ja schon bemerkbar gemacht, dass ich da bin und versuchte mich immer wieder in die Unterhaltung einzuklinken. Ich war eifersüchtig, doch das war mir nicht klar. Später sagte sie mir, dass sie den Jungen blöd fand und sich mit ihm nur unterhalten hatte, weil niemand sonst da war. Das stimmte mich zwar besser, aber hinterließ trotzdem nen faden Beigeschmack.

Ein weiteres Jahr später wollten wir ein Floß bauen. Sie ging mit voller Kraft an das Tragen einiger Stämme, das ich staunte. Sie war kein besonders kräftiges Mädchen. Doch ihre Muskeln spannten sich so sehr, dass ich Stahlseile zu erkennen glaubte. Bei einem kalten Luftzug bildete sich überall bei ihr eine Gänsehaut. Die aufstehenden Härchen und besonders die hervortretenden Poren, der kleine, feste Hintern wirkten aufregend. In dem Moment fiel mein Blick auf noch auf ihren Vorderkörper. Da entwickelten sich kleine Brüste - Häubchen aus übergroßen Brustwarzen. Ich hatte das noch nie gesehen. Für mich war das so aufregend und zugleich irgendwie verstörend. Da veränderte sich irgendwas komplett, das verstand ich schon. Nur was, begriff ich nicht. Das Ende - zumindest teilweise - der Kindheit?

Ich habe sie danach nie mehr wieder gesehen. Mein Großvater gab unser Domizil in der Waldsiedlung auf, wir fuhren auch nicht mehr in den Ort. Und sie verschwand auch genauso schnell aus meinen Gedanken. Die Mädels aus meinem Ort wurden nun interessant. Sie hatte ich ja jeden Tag vor Augen. Mit den Erlebnissen aus der Waldsiedlung begann nun ein völlig neues Kapitel...

15.08.2016 15:06 • #28


H
Ich kann nicht aufhören, über Frauen nachzudenken. Also genau den Teil meines Lebens, von dem ich am wenigsten Ahnung habe. Ich habe sie beobachtet, mit ihnen gesprochen, sie angelächelt, im Stillen wegen ihnen geweint (vor ihnen Tränen immer runter geschluckt). Ich wollte Freundinnen haben, weil alle eine hatten. Ich wollte mit ihnen schlafen, weil alle anderen das ab einem bestimmten Alter auch so machen. Doch diese Logik und meine Gefühle wollten im Grunde dasselbe, waren aber praktisch immer meilenweit voneinander entfernt. Nur wo beide mal im Einklang waren, da habe ich meine stärksten Tiefschläge hinnehmen müssen. Das ist das diffuse Bild, das in meinem Kopf umherspaziert. Genauer hinschauen birgt ja die Gefahr, dass ich doch nicht mehr so sehr im Selbstmitleid baden kann oder andere Erlebnisse weit schlimmer waren als ich sie bis jetzt überhaupt verstanden habe. Nur eine bittere Erkenntnis steht fest: Bis auf eine Ausnahme fehlte immer das Bedürfnis sie an meiner Seite haben zu wollen, weil ich es spüre - und nicht weil die Logik oder irgendwelche Beziehungsregeln das so wollen. Verrückt!
Eigentlich wollte ich doch gerade wieder in Romantik versinken, über Dampfloks schreiben und über mein Alter sinnieren. Aber da das hier das Trennungsschmerzen-Forum ist, muss ich ja irgendeine tränendrüsenreiche Story über mein Liebesleben - welches denn? - schreiben. Auf der anderen Seite ist es auch wieder bemerkenswert mit welchen Methoden ich mich vor schmerzhaften Themen drücke und statt dessen lieber der Fantasie freien Raum gebe. Aber was soll ich sagen: Es ist doch nun mal so schön in der kindlichen Vergangenheit zu schwelgen, noch einmal die Welt zu entdecken, die ich schon vergessen hatte.
Ein Moment ereignet sich an einem Bahnübergang. Die langen, weiß-roten Schranken mit einem Gitter unten dran sind geschlossen. Ohne Bäume, die Schatten spenden, kochen die wartenenden Radfahrer und Autos vor sich hin. Bis weit ins Dorf haben sie sich gestaut. Damals waren die Schranken schon mal ne Viertelstunde runter, obwohl kein Zug kam. Sie fuhren nicht so schnell. Das registrierte ich halbe Portion auf meinem kleinen Fahrrad als ich mit großen Augen und offen stehendem Mund auf das mächtige, schwarze Stahlross mit riesigen, roten Rädern sah. Es schnaubte tiefschwarzen Dampf aus. Schwerfällig rollte die Dampfliok an und zog die grünen Personenwagen hinter sich her. Heute würde man das ganz normal als einen Regionalzug bezeichnen. Doch ich fragte mich nur, warum ne D-Zug-Lok für unsere kleine Bimmelbahn fuhr. Verwirrt sah ich hinterher bis die Dampfwolke am Horiziont in einer Kurve verschwand.
Ein halbes Jahr später erreichte ich den Bahnhof eines Vororts der Hauptstadt. An diesem Knotenpunkt begegneten sich Fernzüge, Regionalzüge, S-Bahnen und Busse sowie die Reisenden aus und in alle Himmelsrichtungen. Im Strom mit ihnen lief ich eine steile, abgelatschte Treppe hinauf. Die Brücke führte über die Gleise. Bevor mein Zug kam, hatte ich noch etwas Zeit also beschloss ich mal runterzuschauen - auf die Züge und die Loks. War gar nicht so einfach. Das Geländer bestand hier aus einer massiven Bretterwand und ich musste mich mit meinen Pudding-Armen hochziehen. Mühsam bekam ich meinen Kopf über den Rand vom Geländer und blickte mich um. Hinter mir kam ein Zug mit einer Dampflok. Ich freute mich endlich konnte ich mal so ein Lok von oben sehen. So fuhr der Zug unter der Brücke durch und ich blickte runter. Was soll schon passiert sein? Eine tiefschwarze Russschicht legte ich auf mein Gesicht, die Augen tränten. Und mir fiel der schwarze Dampf ein, der ja irgendwo hin muss - nämlich nach oben, in dem Fall zu mir in mein Gesicht. Nein, eine Genieleistung war das wirklich nicht. Aber heute muss ich drüber schmunzeln, dass ich ein pures Klischee - normalerweise nur für Komödien bestimmt - aus Uniwssenheit einmal leibhaftig miterlebte.
Tja, bald endete diese Zeit. Hubschrauber kamen geflogen und setzten der Reihe nach Strommasten an der Bahntrasse entlang. Die Elektrifizierung hielt Einzug. Von da an gab es neue Abenteuer. Bei jedem Zug hoffte ich auf andere, neue Loks. Manchmal machte ich heimlich auch ein Ratespiel, um welche Loks es sich handeln könnte, als ich in der Entfernung nur ihre Umrisse sah. Vielfach zogen Dieselloks - lange weiß-rote oder weinrote, kurze weinrote - die Regionalzüge. Oft hängte ich meinen Kopf raus aus dem Fenster und hatte jedesmal einen feinen Dieselgeruch in der Nase und den kühlen Fahrtwind.
In den Wagen herrschte eine komische Stimmung, ein eigenartiges Schweigen. Selbst wenn die voll waren, kamen nur wenige Gespräche oder auch nur Worte an mein Ohr. Abends gab es oft viele leere Sitze. Ich hörte das Rauschen der Räder, das Klappern der Achsen und Verbindungsplatten zwischen den Wagen oder das Öffnen und Schließen der Schiebetüren. Doch das hielt mich trotzdem nicht davon ab, die Scheibefenster runterzuziehen und meinen Kopf rauszuhängen und abends auch mal in die Nacht zu blicken. Manchmal mache ich das noch heute, wenn ich einen Zug mit älteren Wagen und Schiebefenstern erwische. Aber ich achte schon noch drauf, dass mich keiner bei diesem jugendlichen Unsinn erwischt.
Mir fällt gerade ein, dass ich auf all diesen Zugfahrten fast nie ein schönes Mädchen sah Wahrscheinlich deswegen sind mir diese Reisen deshalb in guter Erinnerung geblieben....

16.08.2016 20:33 • x 1 #29


H
Ich liebe Dich hat einen Freund.

Tagelang ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Tagelang zog es mich zu ihr hin. Ich wollte zum Telefonhörer greifen, sie anrufen, ihre Stimme hören - und ihr sagen, dass ich sie sehen will, innig küssen will. Doch mich schreckte es immer ab, wenn ihre Eltern dran waren. Ob die beiden mich abwimmeln würden? Sagen, dass sie nicht da wäre, obwohl sie zuhause ist. Nein, so gehts nicht, ich muss sie persönlich sehen. Dass sie 17 ist, drei Jahre jünger ist als ich, war mir jetzt endlich egal. Lange hatte ich mich vor meinen Gefühlen für sie gesträubt. Jetzt wollte ich es endlich sagen, was ich wirkich für sie empfinde - obwohl das selbst der Blindeste mitbekommen musste.
Und so kramte ich all meinen Mut zusammen und nahm den Zug, in dem sie meist mitfuhr. Es war eine freundliche Begrüßung wie eh und je. Sie stellte mich noch ihrer Freundin vor. Mit ihr unterhielt sie sich während der ganzen Fahrt. Ich kam nicht so richtig zu Wort - als wollte sie mich abblocken? Ich wartete auf meine Chance. Nebenbei sah ich ihre niedliche Art zu reden, bei der sie ihr Stirnhaar kräuselte und Worte mit Samtstimme aussprach. Und diese zarten Lippen!
Wir stiegen zusammen aus und ich lief noch etwas neben ihr her, um mich mit ihr zu unterhalten. Sie ging reserviert neben mir her. Ich fand das schon ungewöhnlich, doch gab ich dieser Einbildung keinen Raum. Konnte ich auch nicht, wenn ich das durchziehen wollte, was ich vorhatte. Als wir etwas außer Hörweite waren drehte ich mich zu ihr um und sagte - fast schon verzweifelt - ich liebe dich. Nur um es noch mal ganz deutlich zu machen, was ich für sie empfand. Sie wandte ihren Blick ab und antwortet mir Ich weiß nicht, was mein Freund davon hält. Es traf mich wie ein Donnerschlag. Innerlich zitterte ich. Die Kehle schnürte sich mir zu. Und alles was ich noch sagen konnte war na dann ist das wohl. Ciao!
Fassunglos ging ich nach hause. Haderte mit mir War doch klar, dass sie irgendwann nen Freund hat, wenn ich nicht aus dem Tee komme. Aber was nutzte alles hadern? Die nächsten Tage und Woche lief ich nur wie ein Schatten meiner selbst herum. Redete noch weniger als ich ohnehin schon redete. Kein Lächeln. Aber auf Nachfrage ging es mir natürlich gut. Ich hätte nur keine Lust was zu unternehmen oder großartig zu quatschen. Niemand kam an mich ran. Ich saß zuhause im Bett und mir kam alles kälter vor als sonst. Draußen dunkle Wolken und kalter Herbstregen. Das Zimmer mit gemütlicher Temperatur kam nicht gegen die Leere und Kälte in mir an. Und so legte ich mich schlafen.
Sie blieb noch lange in meinen Gedanken. Den Kontakt habe ich nicht mehr zu ihr gesucht. Ich liebe dich habe ich nur dieses eine Mal im Leben gesagt, weil ich es so empfunden hatte. Bei allen anderen nach ihr habe ich mir eher die Zunge abgebissen, als dass ich das noch einmal zuerst sage. Aber naja für den passenden Moment habe ich einfach nicht das Gespühr oder das Talent den passenden Moment vorüberziehen zu lassen.

17.08.2016 16:09 • x 1 #30


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