Eines Abends saß ich an meinem Schreibtisch und grübelte, mal wieder. Was macht sie wohl gerade? Wie geht es ihr? Es wird doch wohl nix schlimmes passiert sein? Seit zwei Monaten hat sie sich nicht gemeldet. Kein Anruf, keine SMS, keine Mail oder sonstwas. Naja, wenn man in einer schwierigen Beziehung steckt gibt es wohl solche Phasen, wo man mehr kämpfen muss. Da hat man keinen Kopf und keine Zeit für Bekanntschaften oder junge Freundschaften. Da muss man sich erstmal um die eigene Beziehung kümmer. So dachte ich mir das. Und doch vermisste ich sie sehr - ihre nachdenklichen Mails, ihre frechen oder lustigen Kurznachrichten oder einfach die Botschaften, die mir sagen ich denke an doch. Ich fühlte mich angenommen wie selten in meinem Leben und dann auch noch von einer schönen, jungen Frau. Das war für meine Verhältnisse ein Traum, fast zuviel des Guten.
Und dann piepte mein Handy dreimal. Ein Briefkuvert erschien auf dem Display. Oh, eine Nachricht von ihr. Ich freute mich und öffnete die SMS. Binnen weniger Zeilen verwandelte sich mein kleines Lächeln in ein Gesicht mit Schockstarre und Bitterkeit. Der Hals schnürte sich mir zu und die Tränen drückten hoch. Sie schrieb mir, dass sie sich getrennt hatte. Das war auch irgendwie zu erwarten gewesen. Doch mein leiser Anflug von Hoffnung, dass ich jetzt vielleicht endlich eine Chance bei ihr habe - sie fand mich ja wie ein Traum, folglich musste sie an mir interessiert sein - zerstörte sie dann mit wenigen Worten. Sie hatte sich auch schon wieder neu verliebt, war glücklich. Wie es mir ging spielte keine Rolle, da war kein liebes Wort mehr für mich dabei. Ich seufzte schwer. War ja irgendwie klar. Bei Verliebtheit in ihren neuen Partner spielte so eine junge Freundschaft wie unsere, die eigentlich keine war, keine Rolle mehr.
Und so starrte ich lange auf das Display. Ich wollte was schreiben, ich konnte nicht. Ich sah den Balken auf dem Display immer wieder blinken, doch kein Buchstabe erschien. Nach einigen Stunden rang ich mich zu einem Satz durch; dass ich mich für sie freute stand drin. Junge, was bin ich für ein Heuchler. Aber ich wollte ihr Glück nicht stören. Ich würde es mir ja auch wünschen, dass man mir mein Glück gönnt - wenn ich es denn Mal gefunden habe - und mich nicht mit Fragen belästigt Hey, was ist mit mir? Du hast doch gesagt...
Bei dem Gedanken musst ich nur bitter Lächeln - welches Glück denn. Schau doch mal auf dein Leben. Selbst die Ansätze von Glück wurden fast umgehend und dann auch noch radikal ausgelöscht. Für jedes bisschen Hoffnung wurde ich kurz darauf mit einer kalten Schulter abgestraft, wo ich nicht mal wußte WARUM diese Härte, dieses Pech. Ich hatte doch nix schlimmes gemacht. Das ist auch einer der Gründe, warum ich selten rede und ungern meine Gefühle komplett erkennen lasse. Eher werfe ich die Leuten läppisch vor die Füße sieh zu, was du draus machst
Ich schickte die SMS ab und saß weiter in meinem Schock da. War es vorher noch eine normale Abendatmosphäre schien mich jetzt überall die Kälte im Griff zu haben: Die Bäume und Blätter im Garten, die Luft im Zimmer und vor allem mein Inneres. Bewegungsunfähig. Vielleicht lenkt mich ja ein bisschen Arbeit ab? Aberich konnte nicht. Mein Kopf streikte komplett. Nur die Tränen standen in meinen Augen. Wenigstens sieht mich niemand - vor allem sie nicht - in diesem Moment mit dieser Bitterkeit.
Wie so oft in meinem Leben schleppte ich mich die nächsten Wochen leer durch die Gegend. In der Bahn blickte ich nur aus dem Fenster. Ich wollte keine anderen Fahrgäste sehen. Ich wollte keine schönen Frauen sehen. Und vor allem wollte ich keine Paare sehen. Das hätte mir das stumpfe, rostige Messer nur noch tiefer ins Herz gerammt.
4 Monate später war ich ins Ausland gezogen. Ich fühlte mich fremd, aber doch irgendwie wohl in der neuen Umgebung. Dort begab ich mich auf Entdeckungsreise, nachdem die Verwaltungssachen erledigt waren. Abends lief ich gern die Hafenpromenade entlang und blickte aufs Meer. Neben mir spielten manchmal Kinder, Jugendliche saßen auf den Bänken und dröhnten sich mit billigem Fusel zu. Reisegruppen, junge und alte Paare, Jogger und auch mal eine Pferdekutsche füllten das weitere Geschehen. Die Cafes waren voll und es gab hier in da Gelächter von den Gruppen um die viel zu kleinen Tische. Im Licht der Stehlampen auf der Promenade fühlte ich mich indiesem Treiben irgendwie wohl, weit weg von den traurigen Geschehnissen zuhause.
Doch die Geschichte holte mich wieder ein. Zwischen Laptop, Bücherregalen, der Forschungsliteratur auf dem Tisch dachte ich gerade drüber nach, ob die Reihenfolge in meiner Argumentation und Beweisfürhung stimmig ist. Da piepte mein Handy, dreimal. Eine Nachricht - von ihr. Ich schluckte und stutzte zugleich. Was kommt jetzt noch? Ah, sie hat eine neue Telefonnummer, die sie mir mitteilen will. Das wars. Das wars? Was soll das? Was für einen Zweck hat das? Zum ersten Mail wurde mir so richtig bewusst, dass ich keine Freundschaft mit ihr will; dass ich eine Freundschaft mit ihr gar nicht aushalte; dass ich mich immer wie das fünfte Rad am Wagen fühlen würde. Sie wünschte sich einmal, dass man manchmal Gefühle unterdrücken müsste, auch wenns schwer fällt. Aber darauf hatte ich jetzt keine Lust mehr, damit war Schluss. Ich massakriere doch nicht meine Gefühlswelt, nur weil irgendso eine schöne Frau das so will. Ich atmete ein paar Minuten lang durch, um nicht völlig zu explodieren. Dann schrieb ich ihr, dass ich in einem solchen Kontakt überhaupt keinen Sinn mehr sehe. Jedes halbe Jahr mal in Kontakt, was soll der Quatsch? Sie bedauerte das zwar, aber so richtig lag ihr auch nichts mehr daran und machte eine halbherzigen Versuch die Freundschaft zu erhalten. Von da an war Ruhe im Karton.
Ich wußte, dass ich nach ganz logischen und rationalen Gründen die richtige Entscheidung getroffen hatte. Schmerzen bereitete mir dieser unermeßliche Verlust ihrer Person jedoch noch jahrelang. Immer mal wieder. Stetig weniger werdend. Ein, zweimal nahm ich noch halbherzig Kontakt zu ihr auf, ließ es aber gleich wieder sein. Ich wünschte mir sehnlich, dass mich eine wieder so behandelt wie sie - bevor diese ganze Sache mit ihrem neuen Partner begann. Doch es sind Weltenunterschiede.