Chatliebe: Sie will mich, sie will mich nicht. Weil sie mich nicht will, will ich sie nicht.
Eines abends besuchte ich meinen Kumpel. Ich stieg die Treppe hinauf, ging in sein Zimmer und schaute mich um. So oft war ich ja noch nicht da gewesen. Nach dem ersten Hallo starteten wir den üblichen Smalltalk. Er erzählte mir, was er so gemacht hatte. Und ich gab ihm auch ein paar Einblicke in meinen Alltag. Dabei fiel mein Blick auf seinen Computerbildschirm. In einem schwarzen Feld tauchten immer wieder bunte Wörter auf. Unten war ein weißer Balken, rechts vom Feld einige blaue Balken. Was war denn das? Er bemerkte meinen fragenden Blick und begann zu strahlen: In dem Chat sind viele gut Mädels drin. Schau mal, mit welchen ich so schreibe Und er zeigte mir Bilder von einigen aufregenden Mädchen. Mit einer schrieb er dann ein paar Zeilen - damit ich sah, dass die wirklich lebten. Doch diese ganze Sprache mit dem *g*, *sfg*, *lol* war für mich ein einziges Rätsel. Was soll das? Das ist doch keine normale Sprache, dachte ich. Aber ihm schien das Spaß zu machen. Mit einer hatte er sich wohl getroffen. Bald darauf verabschiedeten wir uns.
Auf den Heimweg gingen mir die Mädels nicht mehr aus dem Kopf. Junge, sehen die heiß aus. Vielleicht finde ich da ja auch eine in meinem Alter. Und damit stand der Entschluss so gut wie fest. Noch am selben Abend legte ich mein Chatprofil an - und scheiterte fast an dem Wirrwar von Funktionen und E-Mailverkehr: Was wollen die von mir? Was soill ich tun? Naja, mal sehen, ob das geht? Hab ich nun schon ein Profil? Hey ich bin ja drin. Das klingt ziemlich peinlich nach ner alten Werbung für alle, die wie ich das ganze mit dem Internet nicht wirklich kapierten und dort orientierungslos wir in einem leeren Supermarkt rumlaufen. Aber genau so war es.
Dann tastete ich mich langsam in den Chat hinein. Erst mal in einen Raum gehen, schauen was alles anderen so schreiben und dann auch selbst was schreiben - ich hatte keinen *beep* Schimmer was. Doch wie die Suche in dem Chat ging, kapierte ich doch relativ fix. Ich schaute mir alle Profile mit weiblichen Pseudo an. Da waren richtig heiße Frauen dabei, aber auch die uninteressanten. Doch ob heiß oder uninteressant - bei beiden hatte ich keine Ahnung wie ein Anschreiben aussehen könnte. Ich dachte ja noch immer in Briefen. Kann ich die einfach so anschreiben? ich ließ davon erstmal ab und mühte mich im Chatraum mitzuschreiben. Es dauerte mehrere Besuche bis ich wirklich zum Schreiben kam und auch mal zum Pinnen und schließlich Nachrichten schreiben über ging. Und wenn keine Reaktion kam, dann war ich natürlich unattraktiv, ich hatte irgendwas blödes geschrieben, sie fanden mich langweilig oder alle anderen Männern waren schöner als ich. Es war also mal wieder Fütterungszeit für meine Komplexe und Einbildungen.
Und dann begann es doch, ich kam in Kontakt mit einer schönen Frau: Das lustige Lächeln gefiel mir und auch sonst hatte sie eine sympathische Art zu schreiben. Bald ging es los mit Neckereien, Zuneigungsbekundungen und natürlich auch Kopfkino. Die Liebes-Fantasien blühten auf. Dann kam die Sprache auf unseren Wohnorte. Huch, sie wohnte am anderen Ende der Republik. Doch das ließ ich sie nicht spüren, ich wollte sie sehen, ich glühte für sie - zumindest meine Vorstellung. Kurz darauf verabredeten wir uns auf ein Wochenende bei ihr. Ein Traum ging für mich in Erfüllung. Ohne groß zu überlegen holte ich Fahrkarten und freute mich auf die Reise.
Am Tag der Fahrt erlblickte ich aufgeregt meinen Zug, sah die Lok, Wagen und Türen Du bringst mich als zu meiner schönen Freundin? Ich stieg ein und setzte mich auf meinen Platz am Fenster. Über mir lag meine Reisetasche mit einer Flasche Wein und ein Blumenstrauß - das macht man ja so. Kurz darauf holte ich ein Buch aus meiner Tasche, wollte lesen und legte es wenig später wieder aus der Hand. Ich wollte doch nicht den Anblick der Landschaften verpassen. Doch Bewusst bekam ich den sowieso nicht mit. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um meine Verabredung. Und je mehr Kilometer der Zug zurücklegte, je näher ich meinem Ziel kam, desto aufgeregter wurden die Gedanken: Wie begrüße ich sie? Einen Kuss, umarmen oder nur Hand geben? Und was ist, wenn sie mit mir schlafen will? Oh Gott, dann muss ich ja noch Verhütungsmittel besorgen. Aber beim ersten Mal gleich miteinander schlafen? Wenn wir uns lieben, haben wir ja auch beim nächsten Treffen Zeit dafür. Eins stand nun glasklar fest: Ich hatte keine Ahnung.
Als mein Zug dann am Zielbahnhof einfuhr stand ich schon an der Tür. Ich schaute durchs Fenster und suchte den ganzen Bahnhof ab, wo sie stand. Der Zug hielt und ich stieg aus. Auf dem Bahnsteig stehend sah ich sie endlich. Sie lächelte mich mit genau dem süßen, jetzt auch leicht verlegenen Lächeln an. Ich sie auch. Ich ging auf sie zu, umarmte sie. Mein Kopf war völlig durcheinander und irgendwie ging es gleich los mit dem Küssen. Damit waren sämtliche Überlegungen ums Küssen schon über den Haufen geworfen. Wir gingen erstmal zu ihr. Während unseres Smalltalks sah ich wie schön und aufregend sie in Wirklichkeit war. Sie toppte ihr Bild aus dem Chat locker. Sprich: Auf so eine Schönheit war ich gar nicht gefasst. Und das ist für mieh eine ungewöhnliche Situation, habe ich doch sonst nichts mit Mädels zu tun oder nur mit den netten.
In ihrer Wohnung angekommen machte sie mir gleich was zu essen: Drei große Spiegeleier ohne was dazu. Ich zuckte innerlich zusammen. Wenn Frau einem Mann nur Eier vorsetz soll das die Potenz erhöhen hatte ich in einem Bericht vor zwei Wochen erfahren. Oh Gott, weiß sie davon auch? Will sie mit mir schlafen? Soll es heut schon passieren? Leichte Panik machte sich in meinem Kopf breit - ich habe heute keine Ahnung mehr wieso. Es passte doch alles. Sie fuhr mit mir Abends noch auf einen Hügel an einem See. Aus der Ferne kam ein Lichtstrahl zu uns herüber. Am Seeufer unter uns leuchteten viele Fenster der Villen. Ein milde Herbstluft hüllte uns ein. Am liebsten hätte ich sie hier vernascht. Aber ich konnte nicht, und dabei sah sie so zum Anbeißen aus.
Wieder bei ihr zuhause lagen wir bald bei ihr küssend im Bett. Sie öffnete ihren BH, gab mir Öl und bat mich sie zu massieren. Das tat ich auch. Dabei schaute ich natürlich auf ihre schönen Brüste. Als ich fertig war, sagte ich ihr, dass ich nun schlafen wolle - die Zugreise wäre lang und anstrengend gewesen. Das war eine komplette Lüge. Ich war topfit. Sie drehte sie mit einem verhalten Lächeln ab und löschte das Licht. Ich glaube, sie war enttäuscht. Zum Schlafen kuschelte mich an ihren Rücken und legte meine Arme um sie. Und wieder - was für einen aufregenden Köper sie hatte. Selbst jetzt noch hätte ich sie vernaschen wollen - doch die Unterdrücken meines Triebs war stärker.
Asl wäre nichts geschehen frühstückten wir am nächsten Morgen zusammen. Sie musste noch mal für ein paar Stunden auf die Arbeit. Ich wollte mir in der Zeit die Stadt - Kirchen, Architektur, Fußgängerzonen - ansehen und freute mich die ganze Zeit auf ihre Rückkehr, dachte nur an sie. Doch diese Freude endete ziemlich abrupt. Als sie von der Arbeit zurückkehrte war sie merklich reserviert. Ohne große Umschweife sagte sie mir dann, dass aus uns nichts würde. Eine Schock der Verzweiflung traf mich. Warum? Warum denn bloß? Ich holte tief Luft und sagte okay. Wie versteinert stand ich in ihrem Schlafzimmer, wollte weinen, aber unterdrückte die Tränen. Sie sollte nicht sehen, dass es mich so sehr getroffen hatte. Und jetzt haderte ich umso mehr mit mir. Ich hätte alles von ihr haben können, ich hätte eine wunderbare Nacht mit einem happy end mit ihr haben können. Statt dessen redete ich mir diesen Quatsch miteinander schlafen geht ja auch noch beim nächsten Mal ein. Sie fuhr dann mit ihrer Freundin auf eine Party und ließ mich allein in ihrer Wohnung zurück. Ich legte mich ins Bett und ein paar Tränen kullerten hinunter. Am nächsten Tag verabschiedete ich mich mit scherzhaften Gefühlen von ihr.
Im Nachhinein haderte ich viele Male über mich und über sie. Warum sie denn nicht deutlich gesagt hat, dass sie nur mit mir schlafen willen? Warum ich es nicht einfach mit ihr getrieben habe? Warum dieser Schmus och nächstes Mal können wir ja immer noch miteinander schlafen überhaupt in meinen Kopf kam. Sie war eine, junge heiße Frau. Mein Gott habe ich das denn gar nicht kapiert, dass sie ganz natürlich Bedürfnisse hat. Ne, alles muss irgendwelchen Regeln und Vorstellungen unterworfen werden. Und jetzt kommts: Einfach mal die Gefühle sprechen lassen und auf sie hören kann ich anscheinend nicht. Und klar ist nun auch, mit einem Unentschieden ich will sie und ich will sie (noch) nicht passiert gar nichts. Nur das Aus kommt.