Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen. Ich hätte es selbst nicht geglaubt, aber leider kenne ich diesen Zustand und verstehe es deshalb. Es ist irgendwie ein Stockholmsyndrom in einer Parallelwelt. Und es liegt sicher nicht daran, daß man dumm oder schon von Haus aus geschädigt ist, das ist schon sehr gefestigten und normal intelligenten Frauen passiert. Eigentlich ist es ein ziemlich böses Spiel, und es beginnt mit einer großen Liebe. Und der andere ist leider geübt darin, immer das zu bekommen, was er will, und weiß, wie er es am besten macht. Mit Schuldgefühlen, mit Wutausbrüchen, mit plötzlicher Kälte, etc...und das zu möglichst irrationalen Anlässen, und kann es dir aber so verkaufen, daß er völlig im Recht ist und du leider ignorant. Du bist eigentlich noch im verliebt-sein-Hormonrausch und denkst eigentlich eh nur an ihn, ihr habt sonst eine wunderbare Zeit. Du versuchst es richtig zu machen, ihm zu beweisen, daß er dir wirklich viel bedeutet. Und damit hat er dich. Er probiert welche Masche am besten zieht, und du kommst vor lauter Verteidigung oder Beweisführung nicht mehr zum Nachdenken, was da eigentlich passiert. Und deine Verteidigung läuft meist sehr schlecht, weil er nicht fair kämpft. Eifersucht ist super geeignet zur Manipulation, weil sie ja eigentlich voraussetzt, daß er dich liebt. Dann kommt es nur auf deine Beweisführung an. Und das geht nicht von heute auf morgen, sondern ist auf lange Sicht geplant. Irgendwann ist man im Krieg, hat aber gelernt, daß es besser ist auf ständige Niederlagen zu verzichten. Und egal was man tut, es ist nie genug, Man ist sich seines ehrlichen Gefühls so sicher, und die Verwirrung, warum man ständig so mißverstanden wird, ist grenzenlos. Dazu kommt noch, daß er sozial nicht so kompetent ist, und irgendwann mußt du ihn verteidigen, vor deinen sozialen Kontakten. Oder er will einfach verhindern, daß dir jemand die Verwirrung nimmt, und isoliert dich deshalb.
Es gibt unzählige Varianten dieses Spiels und hin und wieder hast du klare Momente, oder der Leidensdruck ist zu groß geworden, dann versuchst du auszusteigen, was neue Manipulationen nach sich zieht. Du hasst ihn leider noch nicht, deshalb wird er dieses Spiel so lange gewinnen, bis du es tust. Übrigens hasst er es zu verlieren, und du bekommst die ganze Frustration ungefiltert zu spüren. Oder er zieht eine Schleimspur wie eine *beep*, denn wenn er dir endlich sagt, was du immer schon hören wolltest, Entschuldigungen, Einsichten, Reflektion, kommt das einer Erlösung gleich. Du mußt nicht mehr kämpfen, es ist alles geklärt, deine Schuld außer Frage. Deine Wahrnehmung stimmt leider nur so lange, wie er es für richtig hält. Und wahrscheinlich steckt er obendrein ständig in diversen Schwierigkeiten und braucht deine Hilfe.
Und wenn man es wirklich geschafft hat, ihn endlich hasst und verlässt, dann sitzt man alleine da, und die Wahrnehmung stimmt noch immer nicht. Man weiß nicht, ob es das Richtige war, er leidet, man selber leidet. Man ist noch immer verstrickt in dem Spiel und trainiert auf seine Bedürfnisse. Von der Umwelt wird man nicht mehr ernst genommen, und es gibt keinen Plan für: was mache ich nach dem Terror. Man hat keinen Halt in der normalen Welt. Man hat geglaubt, jetzt wird alles schlagartig gut, aber das tut es nicht. Das ganze System muß sich an die neuen Verhältnisse gewöhnen, neu anpassen. Dazu kommt der Selbsthass und die guten, alten Schuldgefühle. Bevor man es nicht richtig verankert hat, und die Leere und den Schmerz überwunden hat, ist man leichte Beute. Denn du hast ihm im Vertrauen alle Waffen selbst überreicht, er kennt dich vermutlich besser als du dich selbst. Deine Schwächen auf jeden Fall. Und deine Stärken hat er schon lange untergraben, außer er hat sie gebraucht. Es ist wohl ähnlich, aus dem Krieg zu heim zu kommen. Du hast es überlebt, aber zu viel Unmenschliches erlebt um einfach zur Normalität zurückzukehren. Und du wirst dafür verurteilt, so lange gekämpft zu haben. Und wenn du versuchst dich zu erklären, versteht man dich nicht. Oder unterstellt dir womöglich, daß du zurück willst.
Es scheint, als wärst du in keiner Welt mehr zu Hause, und deine Persönlichkeit hat ordentlich Schaden gelitten. Du merkst gar nicht, wie schlecht es dir geht, du hast dich von deinem Freund getrennt, das passiert in dieser Sekunde 100.000 Male, rund um den Planeten. Natürlich geht es einem da nicht gut, wozu also Hilfe suchen? Das ist normal. Wie abnormal alles vorher war, ist einem nicht so bewusst. Einfach eine miese Beziehung zu einem miesen Typen. Und man hat den inneren und äußeren Auftrag, jetzt doch bitte schnell wieder glücklich zu werden. Aber es dauert Jahre, bis das System wieder halbwegs gut funktioniert, man muß aus den Trümmern was Brauchbares zusammensetzen. Lernt sich und die eigenen Bedürfnisse neu kennen und versucht die Mechanismen des Spiels zu verstehen, damit man sich befreien kann.
Entschuldigt bitte, daß ich so ausführlich geworden bin, war eine kleine Zeitreise für mich. Aber so kann die Gefühlswelt eines notorischen Wiederholungsopfers aussehen, und mich packt das blanke Mitleid, wenn ich lese, wie jemand genauso mit sich ringt, und keiner sagt: Gratuliere, Prinzessin, du hast endlich deinen Drachen erschlagen! Du wirst noch ein bissl brauchen, bis du dich von dem Krieg erholt hast aber du hast bewiesen, wie sehr du um dich kämpfst, weiter so!
Aber das können wahrscheinlich nur Menschen verstehen, die in einer ähnlichen Lage waren. Ich selber würde die Person von damals sicher entnervt aufgeben, hätte kein Verständnis und sicher keine Geduld dafür. Aber vor jedem Rückfall war endlich genug Aggression da, um für mich einzustehen, und ich bin jedes Mal ein kleines Stück weiter gekommen, in die normale Welt.
Ich muß dazu sagen, daß ich wirklich sehr jung war, und es war wohl leichtes Spiel mit mir.
Greets to all
pferdediebin
28.05.2017 02:39 •
x 5 #12