Liebe Sorgenfee
Ich kenne dieses Forum hier schon seit langem, habe mich hier aber nie angemeldet und auch noch nie einen Beitrag geschrieben, da ich keinen (akuten) Liebeskummer habe.
Dein Beitrag jedoch trifft und erschüttert mich bis ganz tief in meinem Inneren. Kurze Zeit hatte ich sogar das Gefühl keine Luft mehr zubekommen.
Warum? Weil es meine Geschichte ist., Ich bin, bzw. war du
Heute, fast 10 Jahre nach meiner Beziehung mit meinem Alki, bin ich nach langem Leidensweg selber in Therapie. Aber erst, nachdem sich Freunde und Familie so gut wie komplett von mir abgewandt haben und ich kurz davorstand meinen Job zu verlieren
Jetzt Rate mal, weswegen ich seit kurzem in Therapie bin? Genau! Ich kann meinen Alk. Konsum nicht kontrollieren, bin süchtig. Habe ausgerechnet die Menschen immer und immer wieder tief verletzt und schlussendlich auch vergrault, die ich doch eigentlich mehr liebte als mein eigenes Leben.
Es fing an, als ich 19 war, mein damaliger Freund 22. Er und seine Freunde waren eine richtige Party-/trink-Gruppe. Feierten jedes Wochenende (natürlich mit viel alk.) von Freitag bis Sonntag. Und damit meine ich wirklich JEDES Wochenende. Auch unter der Woche traf man sich ausschliesslich in einer Bar oder bei jemandem zuhause, wo es genügend B. im Kühlschrank gab.
Natürlich feierten ich und meine Freunde am Wochenende auch gerne, tranken dann auch mal gerne über den Durst. (denke das dies in meinem damaligen Alter noch vielen so ging.)
Unter der Woche tranken wir in der Regel nicht und wenn dann mal, nicht mehr als ein kleines B.. Mehr wäre auch nicht drin gelegen, hatten doch die meisten meiner Freunde (inkl. mir) neben unserer Ausbildung auch noch Nebenjobs.
War ich mit ihm und seiner Gruppe unterwegs fing ich nach und nach an mehr und mehr zutrinken. Aus den selben Gründen die du beschreibst, ich wollte nicht nüchtern und langweilig dumm daneben sitzen. Hierzu muss ich aber auch sagen, dass mein Damaliger nicht einschlief, sondern bester Stimmung war und echt gut drauf, viele Witze machteBis zu einem gewissen Pegel, danach wurde er ein verbales A****loch.
Da er es aber zumeist schaffte einen guten Pegel zu erreichen und diesen auch zuhalten, war mein Leidensdruck als seine Freundin nicht gross genug (auch wenn mich durchaus einige Folgen seines Konsums störten ) um die Reisleine für mich zuziehen. Immerhin war ja seine ganze Gruppe so drauf und wir waren ja auch noch Jung. Ich lernte durch ihn und seine Gruppe auch mehrere Leute kennen die so draufwaren wie er. Langsam fing ich an zu glauben, dass eher ich und meine Freunde die abnormalen die langweiligen Streber sind. Für eindringliche Warnungen von Freunden und Familie war ich taub. So nach dem Moto: Ihr übertreibt doch, kennt ihn nicht so gut wie ich.. Ihr habt kein Recht zu urteilen.
Auf mich bezogen: Ja, mir ist bewusst dass ich mehr trinke als früher, ist aber nicht viel mehr. Ich schreibe immer noch gute Noten mache einen super Nebenjob, was ist den das Problem, wenn ich nun eben etwas lockerer bin und mein Leben mehr geniesse? Dies stimmte irgendwie auch, eine Sucht war es zu diesem Punkt noch nicht (behaupte ich zumindest immer noch).
Jaja
Nach ca. 2 Jahren endete die Beziehung, da er mich in seinem Rausch schlug. Das war definitiv zuviel, schlagen lass ich mich nicht!
Nun könnte man ja meinen, Ende gut, alles Gut. Der Alki ist weg, Freunde und Familie erleichtert.
Nur merkte mein Umfeld nicht (ich selbst am aller wenigsten), dass ich den Alk bereits als Problemlöser kennen gelernt hatte (ich hatte eine sehr unschöne Kindheit und Jugend und viel Zukunftsängste). Er entspannt und enthemmt, macht lockerer. Ist doch schön. Ich habe mich ja im Griff. Für mich war mein damalige Freund ja das Beispiel eines Alki's. Ich trank ja nicht so viel und auch nicht so regelmässig wie er, also konnte ich ja gar kein Alki sein.
In den darauf folgenden Jahren trank ich immer etwas mehr und immer öfters. Es war ein so langsamer und stetige anstieg, dass ich selbst nicht merkte in was ich da geriet. Auch mein Umfeld merkte es lange Zeit nicht.
Irgendwann bekam ich Blackouts. Diese wurden immer massiver. Gegen Ende konnte ich mich teilweise an ganze Wochenenden nicht mehr erinnern oder hatte sie völig falsch in Erinnerung. Zur dieser Zeit hatte ich längst begonnen ab einem gewissen Pegel verbal aggressiv zu werden, meistens aus dem nichts und ohne ersichtlichen Grund.
Mein Umfeld redete seit einiger Zeit auf mich ein, machten sich sorgen. Versuchte mich auf mein Problem aufmerksam zumachen. Jedoch sah ich es nicht als Problem. Sah zwar irgendwann ein, das ich doch übertreibe, ich aber der Meinung war, dass ich nur etwas mehr Disziplin brauchen würde.
Langsam aber sicher verlor ich meine Sozialen kontakte. Wurde auf Partys immer öffers nicht eingeladen (weil es dort Alk. gab). Ich wurde wütend wenn mir meine Leute sagten, ich hätte ein Alk Problem. Füllte mich zu unrecht beschuldigt, nicht verstanden.
Ein Teufelskreis, Ich füllte mich durch die Folgen meines Konsums immer schlechter und je schlechter ich mich füllte, des so mehr trank ich.
Erst als meine beste und mittlerweile einzige Freundin (ich bin mit ihr aufgewachsen) mir unter Tränen sagte sie könne nicht mehr, sie würde an meiner Seite zerbrechen erkannte ich, Hilfe zu brauchen.
Liebe Sorgenfee, bitte entschuldige, das ist extrem viel Text geworden. Aber deine Geschichte geht mir wirklich sehr nah. Ich wollte dir aufzeigen, was du aus Liebe alles riskierst. Und auch, wie beratungsresistent Süchtige sind (eigene Erfahrung von beiden Seiten.)
Ich wünsche dir von herzen alles gute und liebe.
Biella
30.06.2017 17:26 •
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