Ich wollte immer groß, blond, gute Zähne, gute Figur, intelligent.
Mein letzter Partner kam so ziemlich an mein Idealbild ran. Groß, über 1,90, grauhaarig, blauäugig, weiße, strahlende Zähne.. Geschäftsmann-Typ mit starken Oberarmen. Es war himmlisch, ich wollte ihn am liebsten stundenlang anschauen und anbeten.
Mit der Zeit stellte sich dann aber heraus, dass seine innere Schönheit zu wünschen übrig ließ. Schlimmer noch: Er war innerlich leer, zerrissen, suchte ständig nach Selbstbestätigung, orientierte sich stets nach äußeren Dingen... schönes Auto, schöne Frau etc. Oberflächlich ohne Ende.
Und dann fiel mir plötzlich auf, wie schlimm es ist, mit einem schönen Menschen zusammen zu sein, denn man beginnt, sich selbst unter Druck zu setzen, fühlt sich eigentlich immer irgendwie schäbig neben einem Mann, bei dem vom Scheitel bis zur Sohle alles wie geleckt aussieht. Ich bezeichne mich selbst als gutaussehend, als charismatisch, gewitzt und attraktiv. Dennoch habe ich kleine Makel. Kleinere Narben im Gesicht, hier und da Cellulite, ein Bäuchlein etc. Darüber hinaus gibt es nun mal diese Menschen, die nahezu perfekt wirken in ihren perfekt gebügelten Hemden, der perfekt sitzenden Frisur und dem makellosen Teint. So einer war mein Ex. Makellos und dann dieses strahlende Lächeln.
Und dann ich daneben - Fusseln auf dem Pullover, abgesplitterter Nagellack. Es waren nur minimale Kleinigkeiten, die mich selbst immer unsicher machten gegen dieses Bild des perfekten Mannes an meiner Seite. Und was soll ich sagen: Es gefiel mir nicht. Es brachte Seiten in mir zum Vorschein, die mir nicht behagten. Ich begann, ebenfalls nach dem perfekten zu ´streben, fing an, mir trotz natürlich weißer Zähne, die Zähne auch noch aufhellen zu lassen, machte noch mehr Sport als ohnehin schon, um knackiger zu werden, benutzte wie verrückt Fusselroller um diese Fusseln von meinen Pullovern zu bekommen. Bloß, um mich neben ihm gut zu fühlen.
Und schlimmer noch: Seine Blicke wurden irgendwann kritischer. Nicht, weil ich nicht gut aussehe, sondern weil er wohl irgendwann erkannte, dass ich hier ein Pickelchen und dort ein Dellchen hatte und woanders einen abgesplitterten Nagel.. wie ungepflegt.., konnte ich fast schon in seinem Blick sehen.. Ich fühlte mich echt nicht wohl. Dazu kam, dass er innerlich für mich immer hässlicher wurde. Arrogantes Verhalten, aufgesetztes Lachen und aalglatte, einstudierte Sätze, die sich anhörten, wie seit Jahren perfektioniert.
An diesem Typ war kaum etwas echt. Und das, was echt war, hatte er wohl irgendwann weggesperrt.
Ich habe ihn dann irgendwann verlassen. Aber ich frage mich heute noch: Wie kann ein so schöner Mensch, innerlich so hässlich sein? Ich meine, das ist doch Verschwendung von Schönheit!
Mein jetztiger Partner ist ebenfalls gutaussehend, aber er trägt manchmal Hemden aus dem Aldi, seine Zähne sind nicht gebleached, seine Hände unterzieht er keinen stundenlangen Maniküren und er ist groß und schlaksig und das ist völlig in Ordnung. Ich kann bei ihm sein wie ich will, ich präsentiere ihm meine Cellulite ohne Scham und ungeschminkt fühle ich mich vor ihm niemals *beep* und unbehaglich. Ich weiß, dass er mich toll findet, egal, ob ich aussehe, als wäre ich gerade einer Mülltonne entsprungen oder wie aus dem Ei gepellt. Es fühlt sich einfach anders an, als bei meinem Ex und das wichtigste: Der Druck ist weg, mit diesem augenscheinlich perfekten mithalten zu müssen. Dieser Mann hat auch seine Fehler, genau wie ich.
Und es fühlt sich herrlich an! Für mich ist er der absolute Traumtyp, er flasht mich mit seinem Humor und haut mich einfach um! Er gibt mir stets das Gefühl, gut zu sein, wie ich bin und lässt mich in meinen komischen, manchmal neurotischen Gedanken aufgehen. Er sagt, er mag genau DAS an mir: Das verwirrte´, etwas schludrige Wesen. Er rümpft nicht die Nase, wenn ich komische Dinge sage oder komisch aussehe. Ich glaube, er liebt mich wirklich. Etwas, was ich von meinem Ex-Partner nie erfahren habe. Denn da ging es ja nur um die Bling-Bling-Status-Symbole und das falsche Lächeln mit den gebleachden Zähnchen!