Da ich mit niemandem mehr über meine Scheidung und die damit verbundenen Gefühle sprechen kann, hoffe ich, hier auf eine Person zu treffen, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befindet oder die mir ihre Gedanken zu meiner Geschichte mitteilt. Ich werde dieses Jahr 50 Jahre alt und vor sieben Jahren hat mich mein Mann verlassen und nach einem Trennungsjahr die Scheidung eingereicht. Er war eines Tages, als ich nach Hause kam, nicht mehr da und ich habe ihn danach ein paar Tage später noch ein letztes Mal kurz gesehen. Wir haben das Treffen abgebrochen, da er anfing zu weinen und sich nicht mehr beruhigen konnte. Da ich um dieses Treffen gebeten und vor allem, weil ich den Eindruck hatte, dass ich oder meine Anwesenheit diese Weinkrämpfe auslösten und M. sich bereits in ein anderes Zimmer begeben hatte, fragt ich ihn, ob er wolle, dass ich gehe, was er bejahte. Zum Abschied sagte er: Das Schlimmste ist, dass ich immer noch Hoffnung habe. (Dieser Satz galt für mich jahrelang.)
Danach habe ich ihn nie wieder gesehen und so absurd sich das anhört, ich weiß gar nicht, wann bzw. wie er mir mitgeteilt hat, dass er mich verlässt. Den Scheidungstermin hat er so organisiert, dass es keinen gemeinsamen Termin gab - er lebt mittlerweile in einer anderen Stadt. Nach seinem Weggang wollte er seine persönlichen Dinge aus der gemeinsamen Wohnung holen und hat mich gebeten, ihm 3 Tage Zeit zu geben und für diesen Zeitraum die Wohnung zu verlassen, weil er mich nicht sehen wollte. Ich habe seinem Wunsch entsprochen. Wir waren 14 Jahre zusammen. Ich hatte ihn durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt, als ich 23 Jahre alt war. Dieser gemeinsame Freund war damals der Meinung, ich sei die richtige Frau für seinen besten Kumpel und wir hatten eine kurze Affäre, die ich nach ein paar Monaten aber beendet habe, weil ich zu dieser Zeit seit ein paar Jahren mit einem anderen Mann eine Beziehung hatte.
Nach 5 Jahren haben wir uns wieder getroffen und nachdem wir ein Jahr lang eine Liebesbeziehung hatten, bin ich 1997 in seine Wohnung eingezogen, die wir zuvor in wochenlanger Arbeit renoviert und umgestaltet hatten. Dort haben wir 13 gemeinsame Jahre verbracht und es waren die glücklichsten Jahre meines Lebens. 2001 haben wir aus steuerlichen Gründen und weil wir ohnehin zusammen bleiben wollten, bis der Tod uns scheidet, geheiratet. Obwohl ich zu dieser Zeit schon Anfang dreißig war, habe ich zu dieser Zeit ein zweites Studium absolviert, da ich mich beruflich neu orientieren musste. Mein damaliger Mann hatte das große Glück, eine zwar befristete, aber seinen Qualifikationen entsprechende Stelle im Wissenschaftsbetrieb zu finden und durch die Heirat hatten wir 1000 mehr zur Verfügung und ich musste nicht mehr parallel zum Studium arbeiten. Der einzige Nachteil war, dass er in eine andere Stadt ziehen musste und wir somit 5 Jahre lang eine sog. Fernbeziehung hatten. Ich habe ihn sehr vermisst in dieser Zeit, aber es war auch schön, ihn zu besuchen und wir haben täglich telefoniert. Unsere Beziehung war gleichzeitig sehr eng und sehr frei zumindest habe ich das so empfunden. Ich habe diesen Mann sehr geliebt und er hat mir sehr gut getan. Die Liebe hat uns beiden (zumindest mehrere Jahre lang) sehr gut getan, das ist auch unserem Umfeld aufgefallen und vor allem fühlte mich das erste Mal in meinem Leben irgendwo und bei irgendjemandem wirklich zu Hause, erkannt, geliebt und angenommen.
Offenbar habe ich diesen Mann idealisiert und unsere Liebe schön geredet. Ich habe lange nicht daran geglaubt, dass alles endgültig vorbei ist und dass er mich nie wiedersehen möchte. Vor 3 oder 4 Jahren, nach meinen letzten Versuchen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, um zu hören, wie es ihm geht, was er macht, etc., hat er mich des Stalking bezichtigt.
Das war für mich ein massiver Schock und ich habe mich noch immer nicht davon erholt. Ich bin fassungslos, wie es sein kann, dass das jetzt seine Perspektive ist. Wie kann so etwas geschehen? Was ist geschehen? Was war wirklich und was meine Projektionen? und natürlich auch: Was ist/soll/heißt das eigentlich: Liebe bzw. was für eine Bedeutung hat diese Liebe, die offenbar einfach so enden kann? Meine Liebe habe ich als bedingungslos empfunden und ich hätte mich niemals von M. getrennt, außer natürlich aufgrund von (fortgesetzter) psychischer oder physischer Gewalt o. Ä.
Ohne Frage gab es auch Konflikte und Probleme. Da ich es aber für unrealistisch halte, davon auszugehen, dass es nicht/nie zu Konflikten kommt, habe ich das Auftreten auch nie in Relation zur Qualität unserer Beziehung gesetzt. Mit M. habe ich mich das erste Mal in meinem Leben ganz gefühlt, das erste Mal wirklich als Person erkannt und angenommen.
Vielleicht ist das der Hauptgrund für meine derzeitiges trauriges Schicksal. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke und es war zwischenzeitlich auch schon mal etwas besser, aber erst heute wieder vermisse ich ihn sehr und habe wieder um ich geweint nach sieben Jahren. Meine Freundinnen sagen, ich soll mir Hilfe suchen und meinen damit eine Psychotherapie. Meine Mutter schlug einmal sogar vor, ich solle Medikament nehmen. Vor 3 Jahren war ich ca. 20 Stunden bei einem Psychotherapeuten, was mir aber leider nicht sehr geholfen hat, besser mit meiner neuen Lebenssituation klar zukommen. Das einzig Positive war, dass es mir geholfen hat, meine Schuldgefühle zu verringern und dass der Psychotherapeut das Verhalten meines Mannes als passive Aggression bezeichnet hat. An irgendeinem Punkt habe ich akzeptiert, dass es wohl eine Weile dauern wird, bis es mir wieder besser geht und mich vertrauensvoll bemüht, jeden einzelnen Tag so gut wie möglich hinter mich zu bringen und mich an den sog. kleinen Dingen zu erfreuen (z.B. Yoga, Spaziergänge, Treffen mit Freundinnen, gutes Essen, den Sommer, Kinder, etc).
Aber es wurde und wird nicht wirklich besser und ein Grund dafür ist meiner Meinung nach vor allem, dass ich zu dem anhaltenden Kummer auch noch sehr einsam bin. Vor ein paar Monaten habe ich mich sogar im Internet auf die Suche begeben, um zu merken, dass ich keinen dieser Männer will und daraufhin die Suche wieder eingestellt. Ich wollte mir nicht vorwerfen lassen, dass ich mir einen Mann wünsche, mir aber zu fein bin, mich auf eine mittlerweile in weiten Kreisen sowohl akzeptierte als auch praktizierte Form einzulassen. Insbesondere habe ich festgestellt, dass ich keinen Mann will, mit dem ich nicht jung gewesen bin. Das hätte wahrscheinlich auch ein anderer Mann sein können als M., war es aber nicht. Ich kann und will aber auch nicht den Rest meines Lebens, es sei denn es handelt sich nur noch um ein paar Wochen oder Tage, allein sein bzw. allein leben.
Erschwerend ist in diesem Zusammenhang auch das Alter, da es nicht mehr zahlreiche attraktive Männer in meinem Umfeld gibt, die ihr Interesse an mir bekunden. Ich denke auch, es ist weniger eine Frage des Alters an sich, als vielmehr eine der damit häufig verbundenen Lebensumstände.
Ich habe keine Kraft mehr und dieser Verlust war leider auch nicht der erste, den ich erleben musste. Nach einer schwierigen Kindheit und Jugend, aus der ich mit dem Gefühl herausging, nicht liebenswert zu sein, habe ich in der Liebe zu M. eine Heilung vieler alter Wunden erlebt. Glaubte ich zumindest und ich denke, es sind diese Wunden, die nun wieder aufgerissen wurden und natürlich kann nur ich selbst sie wirklich heilen, aber das Verlassen-werden und das Fehlen von Liebe von einem anderen Menschen sind der Heilung alles andere als förderlich und der Verlust bleibt ein Verlust. Ich empfinde es so, dass ich meine gesamte Vergangenheit verloren habe. Die Erfahrung, dass sich das Verhalten eines Menschen derart verändern kann, hat bei mir ein existenzielles Misstrauen hervorgerufen.
Ich habe mich noch nie von jemandem getrennt bzw. jemanden verlassen, nachdem ein gewisser Grad an Nähe existierte. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es anderen gelingt, sich einst geliebte Menschen aus dem Herzen zu reißen? Eine Trennung ist keine Strategie zur Lösung von Problemen und war für mich unvorstellbar. Die Heirat hatte für mich vor allem die Bedeutung einer beidseitigen Erklärung, genau das nicht zu tun. Auf welcher Hoffnung sollte ich jetzt noch versuchen, eine neue Liebe zu leben?
24.06.2017 21:30 •
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