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Wer hat Erfahrung mit Borderline?

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Im Februar letzten Jahres habe ich per Internet einen Mann kennengelernt, mit dem es sofort gefunkt hat: Lange, nachdenkliche m@ils voller Humor. Nach einer Woche beschlossen wir zu telefonieren. Danch nächtelange Telefonate (nach England), danach hat er beschlossen mich zu besuchen. Er kam ohne Rückflugticket (wenn's nix ist, kann ich sofort zurück, wenn's toll ist, kann ich länger bleiben.)

Noch am ersten Abend hat er mir gesagt, daß er an Bulimie leidet, im Jugendknast war (heute ist er 44 genau wie ich), daß er fünf Jahre im Krieg in Simbabwe war und aus dieser Zeit einen echten Hau hat und daß er seit Jahren unter falschen Namen lebt, weil er in England wegen Betrugs gesucht wird. Zusammen mit seinen langen Haaren, seinen Tätowierungen und seinen Ohrringen war das alles schon ziemlich gräßlich. Aber gleichzeitig war ich eben auch schon bis über beide Ohren verliebt und hab gedacht, das kriegen wir zusammen schon alles hin.

Nach den ersten drei wunderschönen Wochen fuhr er nochmal nach Hause und holte seine (wenigen) Sachen. Seither lebten wir zusammen, 24 Stunden am Tag, denn ich bin selbständig und arbeite zu Hause. Gleich von Anfang an, fiel mir auf, daß er unmäßig viel trank und dann oft in eine depressiv-aggresive Stimmung verfiel. Zweimal ging das bis zu kataleptischen Zuständen - also eine völlige körperliche Starre in Embryonal-Haltung und vollkommene Reaktionslosigkeit.

Da begann ich mich über Bulimie zu informieren und stieß dabei auf das Borderline Syndrom, das sehr häufig mit dieser Störung einhergeht. Alle angegebenen Symptome hatte er: Probleme mit der Geschlechterrolle (er trug zum Beispiel bordeauxrot lackierte Fingernägel, als ich ihn kenennlernte, hat das dann aber auf meinen Wunsch hin unterlassen), Erinnerungslücken (Stunden oder Tage waren bei ihm einfach weg), eine völlige Unfähigkeit, Situationen oder Menschen diffenrenziert zu betrachten, Einschätzungen die von total begeistert bis zur völligen Verdammung innerhalb weniger Minuten schwanken konnten, eine fast schon manische Streitlust - also ein echter Dr. Jekyll und Mr. Hide.

Dazwischen war er lieb, zärtlich, unterhaltsam und fürsorglich. Toll war er vor allem mit meinem Sohn. Aber die Beziehung war äußerst schwierig. Er arbeitete kaum, das Geld das er verdiente kam auf sein Konto in England, weil er dort eine 20jährige Tochter zu unterhalten hat. Alle Ausgaben des täglichen Lebens mußte ich bestreiten bis hin zu Klamotten für ihn oder Benzin für sein Auto. Außerdem kann er auch heute nach 10 Monaten fast kein Wort Deutsch - obwohl ich ihm einen Intensiv-Sprachkurs bezahlt habe.

Mit der Zeit kam es immer öfter zu Streit um Geld, da regelmäßig seine Tochter anrief und wegen irgendwelcher persönlicher Katastrophen zusätzliches Geld forderte: Mal ein Auto, mal einen neuen Computer, mal die ausstehende Miete für drei Monate. Insgesamt rund 10.000 Mark innerhalb von 6 Monaten zusätzlich zum monatlichen Unterhalt von DM 1.000. Ich ernährte meinen Sohn, mich und ihn und zahlte dabei noch ein Haus ab.

Außerdem kam es immer öfter zu Streitereien, weil er sehr rechthaberisch ist und oft völlig unhaltbare Behauptungen aufstellte, die er nicht mal zurücknahm, wenn man ihm anhand eines Lexikons beweisen konnte, daß er Blödsinn erzählte. Zunehmend hatte ich den Eindruck, daß er mich unter seinen Dauemen bekommen wollte. Im Zuge dieser Streitereien kam es auch einige Male zu Trennungen, die aber nie lange dauerten. Ich habe ihn fast kniefällig angefleht, mit der Trinkerei aufzuhören und sich in eine Therapie zu begeben - aber er hat sein Alk. negiert und eine Therapie in Deutschland war aufgrund seiner mangelnden Sprachkenntnisse - und seiner fehlenden Krankenversicherung - auch nicht möglich.

Jetzt ist es zu einer endgültigen (?) Trennung gekommen. Ich habe einfach nicht mehr die Kraft, obwohl ich ihn immer noch liebe. Ich weiß, das hört sich alles ziemlich krank an, und jeder wird sich fragem: Was ist eigentlich mit dieser Frau faul, daß sie sich sowas antut. Ich gebe zu, daß ich so eine gewisse Helfermentalität habe und auch alles gern unter Kontrolle habe. Dennoch bin ich sicher, daß mehr daran ist. Er ist in seinen guten Phasen ein unglaublicher Mann, rücksichtsvoll, intelligent und freundlich. Leider kann man ihn wohl nur im Komplettpaket bekommen, also mit seiner Nachtseite und die packe ich nicht - auch wegen meines 6jährigen Sohnes, den seine Ausraster zunehmend verunsichern.

Wer (m oder w) hat ähnliche Erfahrungen gemacht und möchte sich mit mir austauschen?

George (44w)

18.01.2002 12:06 • #1


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Hallo George,

auch wenn meine Erfahrungen (siehe Ein kranker Mann) nicht gar so krass sind wie die Deinen, habe ich mich und meine Beziehung doch in vielem wiedererkannt. Mein Freund war nicht so auffällig wie deiner, aber seine Verhaltensweisen waren ähnlich.
Da war dieses ständige auf der Hut sein vor seinen gar nicht nachvollziehbaren Reaktionen - aber gleichzeitig auch die Trennung zwischen IHM und dem, was ich als seine Krankheit bezeichne. Aber das geht nicht, wie mir in einem langen und schmerzhaften Prozess klar wurde. Ich hatte ständig das Gefühl, ich müsse ihn unter einer Schicht von pathologischem Verhalten herausschälen, wenigstens in meinem Bewusstsein. Darauf habe ich wahrscheinlich deutlich mehr Energie verbraucht als darauf, ihm zu helfen. Wie denn auch? Wenn sich ein Mann einer Therapie widersetzt, kann man ihn nicht dazu zwingen. Wenn er sich mit Alk. oder anderem selbst schädigt, kann nur er sich helfen.
Man kommt leicht in die Falle, sich für so eine Person opfern zu wollen. Warum das? Weil man sich sonst nicht liebenswert fühlt? Hast du Beziehungen zu gesunden Männern gehabt? Was gibt dir der Problemfall, was dir ein gesunder nicht geben könnte? Wäre dir vielleicht sogar langweilig bei ihm?
Ob die Trennung endgültig ist ...machst du dies von seinem Verhalten abhängig oder von deiner Entscheidung? Nimm dir viel Zeit, das zu überlegen. Warte, bis sich der Schmerz soweit gelegt hat, dass du denken kannst und nicht nur fühlst.
Liebe Grüße
Schwester

18.01.2002 13:11 • #2


A


Wer hat Erfahrung mit Borderline?

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Guten Tag,

was ich mit Dir wirklich teilen kann, ist eine Erfahrung: Auch ich habe jemanden im Internet getroffen und ohne wirklich gründliches kennen lernen sogar geheiratet #8211; und nachdem wir zusammengelebt haben, hat sich herausgestellt, dass ich eine andere Person in meinem Haus hatte als die, mit der ich fast ein halbes Jahr korrespondiert habe. Inzwischen bin ich glücklich geschieden .

Was er Dir gesagt hat, mag alles für ihn stimmen #8211; in sich stimmt es nicht. Betrug ist ein Verbrechen, keine Krankheit, und der Alk. ist doch offenkundig ... warum suchst Du dann noch nach einem #8222;Borderline-Syndrom#8220;? Soll es nachträglich noch etwas erklären, was doch ohnehin schon offenkundig ist, nämlich dass Du Dich bös vergriffen hast mit dem Typen?

Ich habe gelernt, zu meinem Fehler zu stehen, und ich kann nicht umhin, es Dir auch zu raten. Wenn wir Menschen Probleme haben, müssen wir immer zuerst bei uns selbst suchen #8211; denn wir können uns immer leichter verändern als andere.

In diesem Sinne


Dein Sehpferd

18.01.2002 16:38 • #3


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Hi Sehpferd,

es ist nicht so einfach, jemanden als Fehlgriff abzulegen, mit dem man nicht die Partnerschaft führen kann, die man sich wünscht, weil man ihn liebt.
Grundsätzlich jedoch hast Du recht. Oft entwickelt man diese Fürsorge, die in die Selbstaufgabe münden kann, weil es einfacher ist, für ein negatives Verhalten des anderen eine plausible und menschlich bedauernswerte Ursache zu finden.
Letztlich jedoch müssen wir alle darauf achten, niemals den gesunden Menschenverstand zu verlieren. Denn jeder Mensch ist für sein Verhalten verantwortlich. Spricht man ihm diese Verantwortung ab, ist er tatsächlich krank und bedarf fachmännischer Hilfe, nicht unser Verständnis allein.
Die Gutmütigkeit ist sehr nahe bei der Dummheit angesiedelt und es obliegt unserer Eigenverantwortung, fein darauf zu achten.

Hubi

21.01.2002 08:47 • #4


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Hallo George,

ich bin auch mit einem bordy zusammen und ich kann deine situation sehr gut nachvollziehen. Ich komme auch nicht von ihm los. Es ist so eine intensive Beziehung die ein normalo nicht nachvollziehen kann.

Aber ich weiss auch für mich, dass ich Probleme mit mir selber habe, denn wenn ich eine gefestigte Persönlichkeit hätte , hätte ich schon lange den Schlussstrich gezogen.

Denn man wird ziemlich massiv verletzt.

Ich empfehle dir ein Buch von Dulz/Schneider
Borderline-Störungen. Vielleicht schaffe ich es darüber mich zu lösen, obwohl ich mich eigentlich mit meinen Problemen befassen sollte. Bei mir arbeiten der Verstand und das innere Kind nicht zusammen, es hängt mit meiner Kindheit zusammen.

Das habe ich aber erst erarbeiten können, nachdem ich mich aus 21 jähriger Ehe über die Beziehung zu einem Bordy aus dieser habe befreien können.

Liebe Grüße und Kopf hoch, es kommen wieder bessere Zeiten.

Angi

04.03.2002 00:14 • #5


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hallo,
ich war 16 jahre mit einer borderline - frau zusammen und kann nur bestätigen: diese menschen sind in jeder hinsicht intensiv !
leider hat das ganze nur einen nachteil: wenn man jahrelang als helfer tätig war und sich gleichzeitig selbst verloren hat, ist das aufwachen umso heftiger.
meine ex hatte ein muster: irgendwann verläßt sie immer ihre männer, wenn diese sie aufgebaut haben und schaltet dann von idyllisch-verklärter liebe auf brutalst-materialistischen egoismus mit kompletter negierung der gemeinsamen vergangenheit und sofortigem stürzen in eine neue himmlische beziehung.

dieser abrupte wechsel macht mich auch noch nach 14 monaten fertig, denn borderline -menschen hören auch nie auf, dich noch im nachhinein verletzen zu wollen.

aber kopf hoch, langsam wird es wieder und mir tut nur mein nachfolger leid....

mick

04.03.2002 09:03 • x 1 #6


A
Falsches Thema. Eine Löschfunktion gibts hier nicht, oder?

03.09.2012 22:17 • #7




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