1

Ehrlichkeit in der Beziehung, vorbeugend

P
Mein Freund hat vor 1,5 Wochen mit mir Schluss gemacht, aus heiterem Himmel. Er sei sich darüber klar geworden, dass er nicht in mich verliebt sei. Er habe sich in seinen Gefühlen getäuscht. Habe geglaubt, dass er verliebt sei und habe sich die Beziehung mit mir gewünscht. Aber nun festgestellt, dass seine Gefühle dafür nicht ausreichen.

Für mich kam das völlig überraschend. Ich habe gedacht, wir seien ehrlich miteinander, haben uns immer alles gesagt. Vor 2 Wochen noch haben wir gemeinsame Zukunftspläne gemacht. Warum hat es mich jetzt aus heiterem Himmel getroffen?

Wan kann man vorbeugend tun? Klingt jetzt vielleicht blöd... aber wie kann man verhindern, dass es einen aus heiterem Himmel trifft? Jede Woche ein Beziehungsgespräch führen? Nach dem Motto: Schatz, wo stehen wir heute? Denkst du über Trennung nach? Was empfindest du für mich?

Derzeit kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mich nochmal auf soetwas Unsicheres einlasse. Eine Beziehung eingehen, mich emotional an jemanden binden... und dann macht er plötzlich Schluss. Ich habe gedacht, dass ich es kommen sehen würde, dass einer Trennung was voraus geht. In unserem Fall war das leider nicht so...

Was denkt ihr? Nützen solche regelmäßigen Gespräche was? Oder was kann man sonst tun?

06.06.2014 14:10 • #1


S
Hallo Plumps,

ich denke nicht, dass es irgendwas bringen würde, solche Statusgespräche zu führen.
Das hat auch vielerlei Gründe, die aber großteils nicht genau abgegrenzt werden können und fließend in bestimmte Normen und Gewohnheiten übergehen.

Ich kann dir meine Sicht der Dinge mitteilen (auch, wenn ich dafür vermutlich wieder mal gelyncht werde):
Da wäre zum Einen der normierte Begriff Beziehung - wenn man sich in der Gesellschaft umsieht, ist die Vorstellung von einer Beziehung recht klar definiert und es gibt nen einheitlichen Konsens. Eine Beziehung stellt sehr große Ansprüche und Forderungen, selbst, wenn man die selber nicht so klar vor Augen hat. Sobald eine Verbindung auf den Status der Paarbeziehung gehoben wird, werden verbindliche und verpflichtende Manschetten angelegt und es kommt ein großer Exklusivitätsanspruch oben drauf. Man spricht nicht umsonst vom goldenen Käfig. Verliebtheit versetzt einen in den Glauben, dem gerecht werden zu können und man verspürt auch den Wunsch danach - ist man jedoch nicht verliebt, sind die Ansprüche und Verbindlichkeiten/Verpflichtungen eher abschreckend. Wäre das nicht so, dann könnte man ja mit seinem besten Freund ne Beziehung führen, aber das tut eben kaum einer, weil Verliebtheit erstmal die Voraussetzung bildet, damit Leute sich überhaupt ne Beziehung mit jemandem vorstellen können.

Dann kommt noch Punkt 2 dazu: Geht man eine Beziehung jedweder Art ein (auch Freundschaften), empfindet man große Sympathie für den Anderen. Oft, wenn ich hier lese, dass nicht verstanden wird, warum der Verlasser solche Dinge sagt wie Wir können Freunde bleiben, frage ich mich, wieso der Zwischenschritt zwischen Wir kennen uns nicht und Totaler Liebe von den Verlassenen komplett wegrationalisiert wird und angenommen wird, wenn der Partner keine Beziehung mehr führen möchte, dass das dann bedeutet, er würde einen komplett hassen oder aber auf den Status Unbekannte Person, zu der ich keinen Bezug hab zurücksetzen.

Eben da liegt ein großer Trugschluss vor. Der Verlasser empfindet nicht die nötige Stärke der Gefühle um eine Beziehung mit all ihren Verbindlichkeiten in Kauf zu nehmen, aber das bedeutet nicht, dass er einen im Umkehrschluss hasst oder man ihm egal ist. Sympathien sind vorhanden, vielleicht auch tiefe Verbundenheit - aber es reicht eben nicht für eine Beziehung. Allerdings ist der Verlasser in einer solchen Konstellation auch nicht blöd - er weiss natürlich, was es für den Liebenden bedeutet, verlassen zu werden. Und da er dennoch Sympathien für einen empfindet, will er natürlich alles vermeiden, um den Liebenden zu verletzen, denn niemand sieht jemanden gerne leiden, den er mag! Und anlügen und ihn falscher Hoffnung wiegen will man die Person auch nicht.
Der allseits berühmte Spruch lass uns Freunde bleiben wäre (würde ich selbst ihn bringen) also kein Synonym für Ich will, dass du aus meinem Leben verschwindest, ich hab nur nicht den Mumm, dir das zu sagen, sondern A) mein ernsthafter Wunsch, mit demjenigen befreundet zu bleiben, weil ich ihn mag und er mir als Person viel bedeutet und B) der Versuch, den Verlustschmerz des Liebenden irgendwie abzufedern, indem ich mich nicht völlig und radikal aus seinem Leben entferne - auch wenn B wohl taktisch unklug ist, da einem Liebenden die Radikalentziehungskur besser hilft, als weitere Konfrontation mit dem Verlasser. Die Intention dahinter ist dennoch gut gemeint.

Ein weiterer Faktor ist, dass es niemals Sicherheiten gibt in keinem einzigen Bereich des Lebens. Man kann die Zukunft nicht determinieren, man kann niemals eine lebenslange Garantie für etwas geben. Das kann dein Partner nicht, aber du selbst auch nicht. Ich verstehe, dass man sich diese Sicherheit wünscht - man sucht sie ja auch in jedem erdenklichen Lebensbereich, sowohl finanziell, materiell wie auch sozial. Man kann versuchen, Tendenzen für die Zukunft zu schaffen, aber garantieren kann man nie irgendwas. Es kann immer irgendwas passieren, was all die Tendenzen zunichte macht und man entwickelt sich sein ganzes Leben lang weiter - nichts stagniert. Man ist mit 25 jemand anderes als man mit 15 war. Wenn man sich selbst vor Augen hält, dass man selber auch nicht davor gefeit ist, sich zu verändern und man sich bewusst macht, dass man im Grunde nie weiss, zu welchen Erkenntnissen und Reformierungen der Persönlichkeit einen das Leben bringt, dann wird man auch diesbezügliche Versprechungen und gesprochenen Garantien eines anderen Menschen mit anderen Augen sehen.

ABER:
Auch das bedeutet nicht, dass nichts, was man sagt, ernstgemeint ist oder nicht von Herzen kommt! Für den Moment, in dem man es sagt, meint man es wohl auch so. Wer also sagt Ich werde dich mein Leben lang lieben - der empfindet es in dem Moment wahrscheinlich auch so, als wäre das der Fall. Es ist also für den Moment die Wahrheit. Aber ein Leben ist verdammt lang und man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass im Grunde die Zukunft unbestimmbar ist - auch in gefühlstechnischer Hinsicht. Der Weg wäre also, sich nicht zu sehr auf die ferne Zukunft zu fixieren, sondern mehr das Hier und Jetzt zu genießen - denn nur das Hier und Jetzt kann Glück bedeuten, wenn man es dazu macht, während die Zukunft eh immer anders kommt, als man denkt. Wer zu sehr über die ungewisse Zukunft nachdenkt, verpasst seine Chance, den Moment zu genießen.

Daher würde ich behaupten, man sollte sich eher mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass es für nichts auf der Welt eine Garantie gibt und sich damit anfreunden, auch wenn der Gedanke für den sicherheitsliebenden Menschen erstmal verstörend ist und einen in Panik versetzt, als immer wieder versuchen, sich Sicherheiten zu schaffen, die im Grunde keine sind und einen beim Einsturz jedesmal den kompletten Boden unter den Füßen wegreissen.

06.06.2014 15:23 • x 1 #2




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag