Freund für mich ausgewandert, seither geht es bergab

P
Guten Abend zusammen!

Ich möchte gerne die Möglichkeit nutzen, hier anonym meiner Verzweiflung Luft zu machen und Einschätzungen von außen zu hören. Schon jetzt vielen Dank dafür.

Meine Situation ist folgende: Seit über zwei Jahren bin ich mit meinem Freund (wir sind beide Anfang 30)) zusammen. Wir hatten zunächst eineinhalb Jahre eine Fernbeziehung, ich wohnte in Deutschland, er in Skandinavien. Ca. alle 6 Wochen konnten wir uns sehen, sind immer hin und her geflogen. Im Dezember hat er schließlich alle Zelte abgebrochen, seinen Job gekündigt und ist zu mir gezogen. Für mich war es das Größte, ich wähnte mich am Ziel meiner Träume. Endlich vereint.

Leider ist es mit unserer Beziehung seither stetig bergab gegangen. Ich verstehe natürlich, dass das ganze für ihn eine wahnsinnige Umstellung und alles andere als eine leichte Situation ist und ich unterstütze ihn, wo ich kann. Aber er suhlt sich oftmals in seinen negativen Sichtweisen, hat regelrechte Negativitätsanfälle, die mich unglaublich runterziehen und aus denen herauszuarbeiten mich wahnsinnige Anstrengung kostet, auch wenn bei ihm die dunklen Wolken schon längst wieder verzogen sind. Auf der anderen Seite zeigt er selbst auch recht wenig Initiative, seine Sprachfähigkeiten verbessern sich nicht wirklich (immer wieder biete ich ihm an, dass wir vermehrt Deutsch reden, das möchte er nicht; in sein Deutschbuch schaut er nicht...), so dass er auch in der Hinsicht nicht unabhängiger von mir wird. Seine Jobs habe ich ihm herausgesucht, die Bewerbungen geschrieben... Das mache ich ja auch alles gerne...wenn dafür was zurückkommen würde. Nicht im Sinne von ich tue dir einen Gefallen, jetzt schuldest du mir einen, sondern in dem Sinne, dass es emotional in der Beziehung stimmt, ich auch mit Unterstützung rechnen kann, aufgefangen werde, Nähe bekomme, gezeigt bekomme, dass ich geliebt und begehrt werde. An all dem hapert es aber leider.
Nur einige Beispiele, um das etwas zu illustrieren: Neulich ist meine Katze verschwunden, ich war verzweifelt und in Panik. Er kommt von der Arbeit, distanziert sich aber sofort vehement vom Geschehen, sagt, er müsse essen und lässt mich mit der Situation komplett allein.
Manchmal, wenn es mir schlecht geht und ich weine, scheint ihn das gar nicht zu interessieren. Ich sehe bei ihm nicht den Wunsch, mich glücklich zu sehen. Ich liebe kleine Überraschungen, romantische Gesten und freue mich, wenn er sich darüber freut. Von ihm kommt da nichts. Selbst zum Jahrestag habe ich nichts bekommen. Ich kenne es nur so, dass es einem ein Bedürfnis ist, den anderen glücklich zu sehen und man sich deshalb nie aufhört, sich um den Partner zu bemühen. Das scheint aber bei ihm nicht der Fall zu sein.
Im Bett passiert so gut wie gar nichts mehr. Wenn ich auf ihn zugehe, findet er Ausreden, schiebt es immer wieder auf. Wir haben schon versucht, gezielt einen Termin für S. zu verabreden, dann zögert er es an dem Tag so lange hinaus, bis es zu spät ist. Das belastet mich extrem, ist für mich ein absolutes Alarmsignal und gleichzeitig eine Situation, mit der ich mich nicht langfristig arrangieren kann oder möchte.

Natürlich habe ich mit ihm schon oft über all das geredet. Er fühlt sich dann immer erst angegriffen, wird sauer und verteidigt sich, sagt, wie schwer die Situation hier für ihn ist, wie anstrengend die Arbeit, er habe keine Freunde, schlimme Existenzängste etc. (Das verstehe ich alles, mache ihm Vorschläge, wie er das ändern kann, zeige ihm aber auch auf, wie sich momentan alles nach und nach verbessert. Es ist wirklich so, er hat eine neue Arbeitsstelle, er hat schon ein paar Freunde, kann jetzt auch mal ohne mich was machen...Diesen Optimismus für ihn hochzuhalten, kostet so verdammt viel Energie.). Ich versuche, ihm verständlich zu machen, dass wir doch ein Team sind, uns gegenseitig unterstützen. Oftmals reden wir am Ende dann wieder nur über ihn. Oder ich breche weinend zusammen, dann wacht er kurz auf und wir haben manchmal einen Tag mit etwas mehr Nähe und er geht mehr auf mich ein. Aber dann kommt wieder ein Problem oder ein stressiger Tag und er verschwindet in seinem Schneckenhaus.

Ich weiß gerade wirklich nicht, wie es weitergehen soll, fühle mich wie in der Falle. (Vielleicht zerdenke ich daher auch vieles? Vielleicht bin ich deshalb panisch und alles ist eine selbterfüllende Prophezeiung?) Er ist meinetwegen hierher gekommen, es gibt jetzt erstmal kein Zurück mehr... Ich möchte diese Beziehung so gern wieder beleben und ich weiß, dass ich es von meiner Seite aus könnte. Ich kann in ihm immer noch den Mann sehen, in den ich mich verliebt habe, ich kann ihm in die Augen sehen und machen, dass sich bei mir die Schmetterlinge regen. Aber das bringt alles nichts, wenn er das nicht auch kann und versucht.
Manchmal hat er durchblicken lassen, er empfinde mich als zu dominant. Evtl. ist das ein Teil des Problems. Auf der anderen Seite will er keine Entscheidung alleine treffen, fragt mich noch für die kleinste Kleinigkeit nach meiner Meinung. Das ist mir selbst auch zu viel, ich möchte das gar nicht, will, dass er auf eigenen Beinen steht. Vielleicht bin auch im Zwischenmenschlichen zu fordernd? Er hat zuvor noch nie mit einer Partnerin zusammengelebt, war immer eher Einzelgänger. Dabei bin ich alles andere als eine Klette, wir haben eher Probleme damit, gemeinsame Zeit freizuschaufeln als dass wir aneinander kleben. Allerdings stresst er sich selbst extrem mit fälschlicherweise in mich hineinprojizierten Erwartungen, die gar nicht der Wahrheit entsprechen. Da gibt es ein großes - schon oft diskutiertes - Kommunikationsproblem. Er denkt dann z.B., ich er müsse mir zuliebe dieses oder jenes tun oder lassen, obwohl mir das völlig egal ist.
Er hat auch schonmal gesagt, er fühle sich als habe er eine Art Depression. Künstlerisch (er ist eigentlich Musiker) steckt er auch in einer sehr tiefen Schaffenskrise. Aber wie soll ich dagegen ankommen? Da möchte ich auch nicht in eine Co-Abhängigkeit geraten.

Er sagt mir schon noch, dass er mich liebt und er kommt auch auf mich zu und umarmt mich... Aber ich wünsche mir soviel mehr. Ich bin ein sehr emotionaler und sinnlicher Mensch, ich brauche Leidenschaft, Aufmerksamkeit, komme mit Kühle nicht klar. Ich bin Romantikerin, denke wenn wir nur einander haben, ist doch alles gut!, er ist unverbesserlicher Pessimist. Ich möchte die Zeit mit meinem Partner genießen, endlich mal wieder unbeschwert sein, vermisse dieses Spielerisch-Leichte zwischen uns so! Aber ich weiß langsam nicht mehr, ob ich noch darauf hoffen kann, dass wir jemals wieder dahin zurückfinden. Oder bin ich zu ungeduldig? Ich merke aber einfach auch, wie mich die Situation zermürbt und meine Kräfte schwinden.

Ich bin für jeden Denkanstoss dankbar.

10.08.2014 20:13 • #1


L
Hallo!

Ich glaube dir gern, dass es eine schwierige Situation für Euch beide ist.

Mir ist vor allen aufgefallen, was für eine ausgeprägte Erwartungshaltung du hast. Du möchtest z. B. überrascht werden usw. Diese Erwartungshaltung solltest du wirklich nicht haben. Jeder Mensch ist anders. Und wenn deine Erwartungen nicht erfüllt werden, bist du enttäuscht.

Alles Gute!

Lisa

11.08.2014 07:06 • #2




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