Hat er ein schlechtes Gewissen oder ist es Eigennutz?

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Liebe alle, ich weiß mir nicht mehr weiter zu helfen als hier zu posten. Schön langsam beginne ich an meinem eigenen Verstand zu zweifeln und ich muss meine Trennungs-Geschichte einfach los werden und mir andere Meinungen dazu einholen.

Wie alles anfing: Mein mittlerweile Ex-Partner und ich haben uns online kennengelernt. War er damals optisch mein Typ? Gar nicht. Aber er hat es geschafft sich über einen Zeitraum von 6 Wochen, in denen wir uns nur geschrieben haben, in mein Leben und Bewusstsein zu schleichen. Das erste was ich in der Früh am Handy hatte war eine Nachricht von ihm. Das letzte was ich gelesen habe bevor ich zu Bett gegangen bin, war sein Gute Nacht!.

Unser erstes Treffen hat sich immer wieder verschoben weil er kurzfristig abgesagt hat: Bin heute nicht gut drauf. Will meine Chance zu 100 % nutzen. Will dich als ICH kennenlernen. Heute bin ich unentspannt.
So oder so ähnlich.

Damals hat er mich auf ein Podest gehoben. Ich war die Frau, die bei Tinder leichtes Spiel und die volle Auswahl hatte. Er hat mit Selbstzweifeln gekämpft.

Dann nach sechs Wochen täglichen Kontakts (wohlgemerkt wir lebten/leben in der gleichen Stadt) unser erstes Treffen. Letztendlich von ihm vorangetrieben, weil er Angst hatte ich könnte mich zwischenzeitlich anders orientieren oder jemanden kennen lernen.

Das Treffen war perfekt und ich wusste Der ist es.. Wir haben uns stundenlang unterhalten. Über vergangene Beziehungen, Musik, Dinge die uns beschäftigen und bewegen. Alles. .

Und von da an ist alles ganz schnell gegangen. Noch bevor wir uns überhaupt ein zweites mal getroffen haben und noch vor unserem ersten Kuss hat er sich schon Gedanken über die Zukunft gemacht. Seinen 30sten Geburtstag den er in Amsterdam feiern wollte (ich bin letztendlich mit geflogen), die Hochzeit seines Bruders auf die ich ihn begleiten sollte (war ich ebenfalls dabei), etc.

Wir haben unsere Beziehung nie definiert. Also es gab nicht dieses eine Gespräch. Für uns war klar, dass wir exklusiv sind - ohne Worte.
Ich habe nach nicht mal einem Monat seine Tochter im Zuge eines verlängerten Wochenendes kennengelernt und im Anschluss sofort seine Eltern.

Nach 6 Monaten ist er aus seiner Männer-WG zu mir gezogen. Zusammenziehen war - immer vorangetrieben von ihm - schon länger Thema. Nägel mit Köpfe hat er gemacht als ich durch einen blöden Zufall herausgefunden habe, dass er mich mit einer Arbeitskollegin betrogen hat (angeblich nur ein Kuss - und das glaube ich auch) und ich mich mit einer Freundin in einen Urlaub verabschiedet habe. Als ich zurückgekommen bin war er mit Sack und Pack eingezogen.

Von da an ist unser Leben perfekt gelaufen. Wir hatten das was man wahrscheinlich eine Bilderbuch-Beziehung nennt. Wenn wir wir waren. Wir haben uns die nötigen Freiräume gelassen die jeder von uns gebraucht hat, haben uns gegenseitig in allen Belangen unterstützt und - am wichtigsten - konnten zusammen lachen bis uns die Tränen gekommen sind.
Ich hatte natürlich schon Beziehungen hinter mir. Aber das Gefühl das er mir gegeben hat war einzigartig. Und auch ich habe mich niemandem davor jemals so geöffnet wie ich es ihm gegenüber getan habe.

Was sich aber innerlich und unterbewusst abgespielt hat: Durch den Betrug ganz zu Beginn unserer Beziehung war mein Vertrauen und vor allem mein Selbstbewusstsein angeknackst.
Hinzu kommt dass er kurz nachdem wir exklusiv waren mit seiner Band durchgestartet hat.
Ich habe ihn noch als IHN kennengelernt und mich - ohne dem ganzen Ruhm und Drumherum - in ihn als Menschen verliebt.
Plötzlich war es aber so dass der Mensch, der so viele Selbstzweifel hatte als wir uns kennengelernt haben und sich selbst nicht durch seine Unsicherheiten friendzonen wollte, von vielen angehimmelt wurde.
Und leider hat er das auch ausgenutzt.
Nicht, dass er mich körperlich betrogen hätte. Aber er hat immer den Kontakt zu Frauen, die ihn - durch die Musik - gut fanden gesucht und aufrecht erhalten.

Was für mich kein Problem gewesen wäre. Flirten ist völlig okay.
Wir haben endlose Gespräche darüber geführt, dass ich der Typ Frau bin der einen einmaligen Ausrutscher im Suff verzeihen könnte. Aber was ich nicht dulden kann ist emotionaler Betrug.
Und emotionaler Betrug beginnt für mich dann wenn man die Partnerin verschweigt. Und das hat er getan. Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass ich realistisch genug bin zu wissen dass es immer und jedem passieren kann, dass man jemanden kennen lernt der die Beziehung gefährden könnte. Aber es genau zwei Wege gibt damit umzugehen: Entweder man sagt, dass man nicht verfügbar ist oder man lässt sich darauf ein .
ER hat sich immer alles offen gehalten. Und mich hat das wahnsinnig verletzt. Ich bin mir nach und nach wie die zweite Wahl vorgekommen. Ich habe ihm nie irgendwelche Vorschriften gemacht. Das einzige worum ich ihn jemals gebeten habe war sich im Umgang mit anderen Frauen so zu verhalten, dass es mich nicht verletzten würde sollte ich irgendwann mal davon erfahren.

Zurück zur Beziehung. Nachdem wir nach 6 Monaten zusammengezogen sind, haben wir uns im letzten Sommer nach 1,5 Jahren Zusammenlebens für eine größere, (noch) schönere Wohnung entschieden. Ich wage zu behaupten dass ich diejenige war, die die treibende Kraft dahinter war. Aber ich hätte ihn niemals übergangen wenn er klar und deutlich etwas dagegen gesagt hätte. Ich wäre mit diesem Menschen auch in einem Pappkarton unter einer Brücke glücklich gewesen.

Wir haben lange nicht gewusst ob wir die neue Wohnung tatsächlich bekommen und als wir dann die Zusage hatten sind wir stundenlang über den Plänen zusammengesessen und haben uns ausgemalt wie wir alles einrichten. Er war gefühlt genauso glücklich und enthusiastisch wie ich - wenn nicht sogar noch mehr.

Im Hochsommer letzten Jahres sind wir dann gesiedelt. Er und ich. Verschwitzt, fertig, mit den Nerven am Ende. Aber so glücklich weil wir wussten wofür wir uns das alles antun. Wir sind jede Nacht kaputt, aber mit einem Lächeln und in den Armen des anderen eingeschlafen.

Jetzt im Nachhinein fällt mir auf dass wir im Jahr 2016 überhaupt keine Zeit für uns hatten. 2015 war unser Jahr. Viele Kurz-Urlaube, Auszeiten, richtige Quality-Time.
2016 gab es nur Stress und Siedelei und viele Wochenenden an denen er mit der Band oder ich beruflich unterwegs war. Wir hatten quasi Null Zeit für uns.
Und wenn wir sie hatten, haben wir sie nicht genutzt. Was zum Teil sicher auch meine Schuld war.

Aber zurück zum Anfang und dem Grund meines Posts hier: Wir sind seit 2 Monaten getrennt. Nach drei Jahren Beziehung und 2,5 Jahren Zusammenlebens.
Anfang April hat mein Ex-Partner sich mit den Worten Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ich habe nur mehr freundschaftliche Gefühle für dich. von mir verabschiedet.
Ich habe das ganze damals für eine Kurzschluss-Reaktion gehalten. Wir hatten wegen seinem Herum-Geflirte und seinem Fehlverhalten im Bezug auf andere Frauen Stress und endlose Diskussionen bei denen ich mich sehr verbissen und ihm Antworten in den Mund gelegt habe.

Als er die Trennung ausgesprochen hat, war ICH die Vernünftige und ER das Häufchen Elend das in Tränen erstickt ist. Ich habe versucht ihm keine Vorwürfe zu machen und ihm dankbar dafür zu sein, dass er ehrlich mit mir war. Niemand wünscht sich einen Partner der aus Bequemlichkeit oder Gewohnheit oder Mitleid mit einem zusammen bleibt.

Er hat dann noch zwei Tage in unserer Wohnung übernachtet und ist dann zu einem Freund verschwunden. Für zwei Wochen. Zwei Wochen die die schlimmsten in meinem bisherigen Leben waren. Ich habe mich wie amputiert gefühlt und tue es immer noch.
Was dann passiert ist: Wir hatten unser abschließendes, finanzielles Gespräch.
Ich bin - nachdem ich unmittelbar nach der Trennung nicht ansprechbar und tagelang im Delirium war - sehr ruhig und sachlich gewesen. Habe ihm gesagt wie es mir geht und ihm angeboten vorübergehend WG-mäßig zusammenzuleben.
Nachdem er ausgesehen hat wie der leibhaftige Tod (abgemagert, Augenringe, übermüdet, etc.) habe ich mir einfach solche Sorgen um ihn gemacht und wollte dass er wieder nach hause kommt.

Hätte ich damit gerechnet dass das passiert? Nein!
Keine Woche später habe ich mitten in der Nacht eine SMS bekommen ob ich noch wach bin. Er würde sich gerne mit mir unterhalten. Es gibt Probleme mit seiner Tochter.
Zwei Tage später ist er mit seinen Koffern wieder auf der Matte gestanden. SMS: Ich komm jetzt heim.

Dieses heim kommen hat sich so gestaltet, dass er im Gästezimmer und ich in unserem Schlafzimmer geschlafen habe. Die Zeit die wir seitdem miteinander verbracht haben war wunderschön und wahrscheinlich sogar hochwertiger als kurz vor der Trennung.
Er hat sich in Sachen unserer Wohnung so sehr engagiert, dass ich nach einem Monat des erneuten, (platonischen) Zusammenlebens sein Verhalten angesprochen habe.
Da hat sich herausgestellt, dass er sich schlecht fühlt weil er mich alleine in der großen Wohnung und mit all den Kosten sitzen lässt. Sein Gewissen eben.

Dann war ich wieder beruflich eine Woche im Ausland. Dachte ich könnte die Zeit nutzen um Abstand zu gewinnen. Fehlanzeige: Er hat sich täglich gemeldet. Was machst du?, Wie war der Flug?, Bitte pass auf dich auf.
Wann kommst du HEIM?, Soll ich dir irgendwas einkaufen?, Sehen wir uns noch wenn du heim kommst? Ich würd dich echt gerne sehen. etc.

Wie auch immer. Seit ein paar Tagen ist er endgültig weg und in seiner neuen Wohnung.
Ich hätte die letzten Tage gerne noch ein paar Antworten gehabt, sie aber nicht bekommen. Seine Ansage war Bitte lass uns die Zeit die wir noch zusammen haben nicht mit sowas kaputt machen.

Eine richtige Verabschiedung hat es nicht gegeben. Es sind auch noch immer Sachen von ihm in unserer Wohnung.
Und jetzt kommt´s. Seitdem er final weg und in seiner neuen Wohnung ist, meldet er sich täglich. Wenn ich nicht antworte kommen Ansagen ala Redest du nicht mehr mit mir? Warum? Ich muss dir was erzählen. .
Dann Anrufe. Ich habe versucht das alles zu ignorieren damit ich mein eigenes Leben wieder auf die Reihe bekomme, aber schaffe es nicht.

Der Mann, für den ich alles getan hätte, mein Mensch und mein Zuhause, der für den ich gelernt habe über meinen Schatten zu springen, wollte mich nicht mehr.
Und er muss doch gesehen haben wie weh er mir damit getan hat zu gehen. Er HAT es gesehen. Ich habe binnen kürzester Zeit über 10 Kilo an Gewicht verloren weil ich einfach nichts mehr essen konnte. Kein Appetit und wenn ich es versucht habe, musste ich mich danach übergeben.

Warum gibt er mir die Zeit zu heilen nicht? Warum meldet er sich täglich und fragt nach meinem Befinden und danach was ich gerade mache. Ich habe das Gefühl dass sobald ich ihm zu entgleiten drohe, er sich wieder verstärkt meldet. Das ist doch alles krank.
Macht er das aus schlechtem Gewissen heraus? Aus Eigennutz?
Ich verstehe es einfach nicht. Er sollte mich doch kennen. Er kennt mich besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt.
Ich kann nicht verstehen wie etwas das sich so normal, einfach und richtig angefühlt hat, auf einmal solche Ausmaße annehmen kann.

Ich habe mich selbst schon getrennt. Ich habe mich getrennt und dann den Menschen gehen lassen. Hatte ich ein schlechtes Gewissen? Klar. Aber in Wahrheit war ich froh nichts mehr mit dem anderen zu tun haben zu müssen. Sonst hätte ich mich ja nicht getrennt.

Das was mir gerade passiert hat nichts mit dem zu tun was ich kenne. Es ist die Trennung schon aus heiterem Himmel für mich gekommen. Ich habe NICHTS geahnt. Konnte nichts ahnen. Wir waren bis zuletzt sehr körperlich und liebevoll miteinander. Einen Tag ohne dass ich in seinem Arm eingeschlafen wäre hat es nicht gegeben. Er hat mir täglich gesagt dass er mich liebt. Am Tag vor der Trennung noch dass er nichts anderes zum glücklich sein braucht außer mich.

Das außen vor gelassen. Aber was hat sein Verhalten JETZT zu bedeuten? Kann ER nicht loslassen? Er war doch derjenige der sich getrennt hat. Und Trennung heißt ich will dich nicht mehr in meinem Leben haben.
Ich versteh es einfach nicht. Und frag mich ganze Zeit wer von uns beiden nicht richtig tickt.

Danke für´s Lesen. Ich musste das alles einfach mal loswerden. Freue ich mich über Antworten? Klar. Vielleicht hat der/die eine oder andere schon ähnliches erlebt. Oder kann mir die männliche Denkweise erklären. Aber es muss nicht sein. Alleine das Niederschreiben - wenn auch so oberflächlich und gar nicht detailliert - hat gut getan.

25.06.2017 16:28 • #1


noeasywayout
Was du gerade durchmachst ist emotionaler Entzug. Und die Zeit dich emotional v ihm zu lösen gibt er dir einfach nicht. Die Zeit dir ihr miteinander verbrachtet war sehr intensiv u schön. Ich glaube er kann sich einfach nicht von dir lösen. Auf der einen Seite will er dich gehen lassen, aber auf der anderen Seite will er dich auch nicht verlieren. Natürlich ist es dir gegenüber unfair, da du weiter ziehen möchtest. Dein Leben wieder ordnen willst. Ordnung in dein Gefühlschaos bringen. Aber die Zeit dafür lässt er dir nicht. Nur weil man räumlich getrennt ist heisst es nicht das sich auch die Gefühle mit getrennt habe. Er hängt an der Zeit, besser gesagt an der Vorstellung der schönen vergangen Zeit. Denn wie ist es denn so oft: wenn man sich trennt fallen einem nur die schönen Momente ein. Das schlechte, aslo die Gründe warum u weshalb man sich getrennt hat verblassen.
Es ist schon ein Graus. Ich kenne das....tut mir leid

25.06.2017 17:38 • #2