Hey!
Nein, das ist nicht so der Fall. Ich helfe natürlich gerne, mein größeres Problem ist aber, mich selbst zu vermeiden.
Durch die Beziehung funktionierte das wunderbar, und ich wurde immer unglücklicher damit. Ich gebe gerne anderen die Aufmerksamkeit, die eigentlich mir zusteht. Das ist definitiv mein Fehler.
Ich glaube, in unserer Beziehung haben sich die Richtigen gefunden für so eine Dynamik. Er, noch bei seinen Eltern lebend und hauptberuflich Computerspieler, nur zu bereit, seine Aufmerksamkeit auf eine Freundin zu richten (er sagte immer, das wäre eines seiner Hauptziele, eine Freundin zu haben. Das passte mir schon damals nicht, aber als ich die Aufmerksamkeit bekam, fand ichs natürlich doch gut).
Ich, mich selbst vermeidend und nur zu bereit, meine Aufmerksamkeit und Liebe auf jemand anderes zu richten, den ich noch dazu als Hauptgewinn empfand.
Als wir dann zusammenzogen, merkte ich, wie unselbständig er ist. In echt jedem Bereich. Naja gut, ich hab es schon vorher gemerkt - mir z.B. viel Mühe mit Geschenken für ihn gemacht, von ihm kam Gedankenloses oder gar nichts. Unternehmungen organisiert - er hatte an nichts Interesse. Klar, er kam immer mit, aber von ihm kam nie Initiative. Er hatte grade sein Studium verbockt. Und als wir dann die ganze Zeit zusammenwohnten, hab ich herausgefunden, dass er keine Bewerbung schreiben kann, keinen Lebenslauf, dass er keine Interessen hat außer 9gag, youtube und Computerspielen, dass er sich für diese Stadt 0 interessiert, dass er teilweise nicht mal die Körperpflege von selbst richtig hinkriegt und auch hier keine Eigenmotivation hat.
Als ich versuchte, ihm zu helfen, weil mir ja daran gelegen war, dass er einen Job hat und sich hier eine eigene Wohnung sucht, wurde er aggressiv und kindisch. Er brachte die selben Argumente wie ich meinen Eltern gegenüber - als ich 19 war oder so. Ich mach das in meinem Tempo, ich verdödele nicht den ganzen Tag, du schaust nur zufällig immer dann, wenn ich ein Spiel spiele, blabla. Aber ich habs ja gesehen. Jeden Tag. Und ich war so enttäuscht, dass er sich nicht bemüht für uns. Für sich. Für mich.
Dazu der Hang, immer alles auf mich abzuschieben. Ich wollte dafür gar nicht verantwortlich sein. Also krachte es dauernd. Kümmerte er sich alleine um seine Ernährung, gab es täglich Cornflakes und Dönerbox. Ich hab mich hingestellt und mit ihm gekocht, aber er hatte irgendwie kein eigenes Interesse dran und er warf mir vor, Schuld daran zu sein, dass er sich nur von Müll ernährt, weil ich ihm nichts anderes beibringe. Auf die Idee, mal selber nach Rezepten zu suchen, einkaufen zu gehen, etwas Neues auszuprobieren, kam er nicht. Oder zum Beispiel mal für uns beide was zu kochen - das hätte mich echt gefreut. Dass ich nach Hause komme und er überrascht mich mit einer vernünftigen Mahlzeit. Stattdessen hängt er im verpupten Zimmer und ist am Zocken, und die Heizung ist überall volle Pulle aufgedreht. Er hat die 150 Tacken Nachzahlung ja nicht berappen müssen. Normalerweise krieg ich die zurück.
Auf die Idee, sich die Stadt auf eigene Faust anzusehen, kam er nicht. Wollte er auch nicht. Er hat sich noch nie um irgendwas bemüht, aber immer rumgejammert. Er habe hier keine Freunde, aber sich welche zu suchen, sei ja keine Zeit, weil er dauernd nach Jobs schauen müsse (bei 6+ Stunden täglich zocken und rumgammeln).
Am Ende war ich jedenfalls der Antichrist, weil ich mich darüber beschwerte, dauernd alles mit ihm zusammen machen zu müssen, weil er das nicht alleine hinkriegt. Ich musste ihn für alles an die Hand nehmen. Dauernd heulte er sich bei seiner Mutter aus. Mir verging die Lust auf ihn. Klar, er war ja auch mein Sohn und kein gleichwertiger Partner. Er sagte, er stelle sich Beziehung eben so vor, dass man immer alles zusammen macht, und mein Bedürfnis nach etwas Zeit für mich und Freiraum sei eben meine Einzelgängerart und nicht normal. Seiner Meinung nach ist das Zusammenleben gescheitert, weil ich ihm nicht genug geholfen habe. Wenn ich mich mal weigerte, ihn zu begleiten, machte er auch nichts. Ich hatte halt nicht immer Bock, beim Dönermann abzuhängen. Dann aß er halt Toast und schrie mich an, egoistisch zu sein. Lol.
Klar, er mag es hier auch nicht immer leicht gehabt haben, so als Eindringling. Aber dass von ihm gar nichts kommt, hatte ich nicht erwartet. Daran ist unsere Beziehung dann auch zerbrochen, weil mir klar wurde, wie eine Zukunft mit ihm aussehen würde. Keinen Bock zu warten, bis er die Windel auszieht. Und wenn ers bisher nicht für uns tat, wieso dann in fünf Monaten?
Wieder zurück bei seinen Eltern war er nur noch aggressiv mir gegenüber, sagte, er fühle sich unterdrückt, und wolle jetzt mal weniger beta sein. Dieses weniger beta sein sah dann so aus, mir bei jeder Gelegenheit eine reinzuwürgen, und mich zu ignorieren. Nicht etwa so, sich einen Job zu suchen und auszuziehen - das haben dann seine Eltern für ihn getan. Sie haben ihn quasi ausgezogen Ich glaube, er zockt immer noch jeden Tag stundenlang. Kann er ja auch machen. Zum Essen geht er nach Hause, und Wäsche wäscht Mutti. Ab und zu schleifen Freunde ihn nach draußen, dann wird gek. . Was sonst.
Seine Sicht ist, er habe alles für uns getan und mir so viel versprochen, und ich habe das nicht zu schätzen gewusst. Er habe weit mehr für die Beziehung getan als ich, und ich hätte ihn zum Dank eiskalt abserviert.
Ich finde nicht, dass meine Erwartungen zu hoch sind. Ein Partner, der ein gesundes Interesse am eigenen Leben hat, es von alleine hinkriegt, sich die Ohren sauberzumachen und von was anderem als Toast zu leben, finanziell abgesichert ist und die nötigsten Alltagsdinge alleine bewältigen kann.
Es war ja echt auch lustig und cool mit ihm, aber nicht im normalen Alltag. Die beste Woche hatten wir, als klar war, dass er auszieht, und er seine Bemühungen offiziell einstellen konnte.
Haha, jetzt, nach einer Woche, fühle ich mich so befreit. Ich bin regelrecht euphorisch. Ich gestalte meine Wohnung um, hab wieder mit Sport angefangen und treffe Freunde. Ich tanze hier regelrecht durch die Wohnung.
Was hab ich mir bei all dem nur gedacht? Ich war so blind.