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Mitternächtliche Schreibergüsse aus den Fingerspitzen

LoveRosie
Ich liege im wohlig warmen Bett, bin bis zur Brut mit einer Daunenfederdecke zugedeckt und starre die Wand an. Ich bewege meine Zehen auf und ab. Diese innere Unruhe lässt mich einfach nicht in Ruhe. Draussen zirpen die Grillen, ich höre die Nachbarn lachend auf dem Balkon sitzen und die kuscheligen Katzen in trauter Zweisamkeit miauen. Doch da ist diese furchtbar enge Korsage, die sich um meinen Brustkorb schlingt und sich nach jedem Atemzug enger zu schnüren scheint. Natürlich existiert sie nur in meinem Kopf und in meinen Gefühlen, doch wenn ich die Augen schliesse, dann ist sie da und raubt mir dir Luft zum Atmen. Doch heute ist etwas anders. Diese furchterregende imaginäre Enge kommt nicht von irgendwelchen Schuldgefühlen oder Selbstvorwürfen. Diese fast schon klaustrophobische Angst kommt von einer Sehnsucht. Ich sehne mich aber nicht nur nach dir, sondern nach etwas Anderem, Grösseren. Und wenn ich in die Traumwelt abdrifte, stehe ich auf einem Berg. Drehe ich mich nach vorne, erstrahlt die tiefe Weite des mitternachtsblauen Meeres vor mir. Drehe ich mich nach hinten, blicke ich auf ewige Steppen, Felder, Wälder und grasgrüne Bäume - Natur pur. Der wohligwarme Wind bläst mir die Haare ins Gesicht und vertreibt einen süsslich salzigen Duft nach einer Mischung von frischgemähtem Gras und dem Salz der Meere. Ich blicke nach vorne gen Sonne und muss die Hände vor die Augen halten, da sie in blutroten Farben mit orangenen Streifen am Horizont verschwindet. Drei kleine Schwalben fliegen der Sonne entgegen, ihr Gefieder erstrahlt im dunkelsten Blau, das ich je gesehen habe. Es erinnert mich schon fast an die blaue Blume, die ich in meinen Träumen sehe. Dieses Bild prägt meine Gedanken jeden Abend, jede Nacht unbewusst und bewusst und ich habe eins herausgefunden: noch mehr Sehnsucht als nach dir, hege ich für die Ferne.

25.07.2017 00:08 • #1


A
Bis zur Brut bist du zugedeckt, werte Rosie? Das ist schön. was wird es denn wenn's mal fertig ist?

25.07.2017 00:26 • x 1 #2


A


Mitternächtliche Schreibergüsse aus den Fingerspitzen

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Eswirdbesser
Zitat von arnoNym:
Bis zur Brut bist du zugedeckt, werte Rosie? Das ist schön. was wird es denn wenn's mal fertig ist?


Puh,die Rubrik heißt Letzte Worte, Liebesbrief, Tagebuch Abschied.

Es muss immer einer was zu kacken haben. Einfach mal Klappe halten. Oder selber was kreatives beisteuern.

Sich über vermeintliche Tippfehler aufregen, ist ja bei manchen schon eine Leistung

25.07.2017 00:36 • x 3 #3


K
Du kannst sehr schön schreiben!

25.07.2017 00:55 • x 1 #4


Eswirdbesser
Zitat von arnoNym:
Ich hab mich in keinster Weise über den (vermeintlichen) Tippfehler echauffiert, liebe @eswirdbesser. Tatsächlich hat er mich zum schmunzeln gebracht und darüber ärgere ich mich nur äußerst selten. Aber du hast schon recht, ich unkreativer Lump werde an meinen poetischen Fähigkeiten arbeiten bevor ich hier nochmal ein Wort poste...


Aha, ja wenn du meinst, ich finde rolleys hinter deiner Ausage wohl ein wenig verwirrend. Um dies als Schmunzeln deinerseits zu verstehen.

Ich möchte den Strang von LoveRosie net weiter unterbrechen.

Man liest sich

25.07.2017 01:38 • x 2 #5


LoveRosie
Es wird aufjedenfall kein Kind. Kindergarten habe ich hier ja schon genug.

Danke, @KBR

25.07.2017 08:27 • x 2 #6


LoveRosie
Manchmal fühle ich mich wie ein Beobachter, der den Menschen beim Leben zusieht. Nicht nur den anderen, sondern auch mir selber, als hätte ich die Realität schon längst verlassen und bin dem Gedankenzug ins Karussell gefolgt. In diesen Momenten kneife oder ohrfeige ich mich selber, nur um die äusseren Rezeptoren zu stimulieren, damit ich mich auf das Hier und Jetzt besinnen kann.
Trotzdem scheint alles so unwirklich.
Du, mein lieber Verwandter, mein alter Mann, bist für mich mehr als Familie. Auch wenn du nicht Teil des Prozesses der Zeugung warst, bist du mehr Vater als mein Erzeuger es je sein konnte. Und jetzt sitzt du da, grinst mich an, wir rauchen beide eine Zigarre und hoffen, dass es nicht die letzte sein wird. Wir reissen übertrieben sarkastische, fast schon masochistische Galgenhumorwitze und können vor lachen nur noch heulen. Oder wir lachen, um zu heulen, damit wir nicht wegen den eigentlich Tatsachen Tränen vergiessen.
Ich versuche gedanklich zu begreifen, wie du dich fühlen musst, wenn es mich schon jedes mal wieder zerreisst und ich bewundere deine Haltung, deinen Stolz und deine Lebensenergie. Aber auch hier schnellt mein Puls in die Höhe und mir fehlt die Luft zu atmen, denn deine Lust weicht jeden Tag mehr aus deinen Augen.

Ich fühle mit dir, alter Mann. Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen würde, jede Woche gesagt zu bekommen, dass es keine guten Nachrichten gibt. Dass sie immer noch keinen Grund für diese abnormale Reaktion gefunden haben. Dass die Therapie nicht richtig anschlägt und sie dich weiterhin nur mit Schmerzmitteln vollpumpen können. Und dass es jede Woche immer schlechter werden könnte oder sofort vorbei sein kann. Durch die Schmerzmittel leidest du, jedoch überdecken sie die grössten Schmerzen und betäuben dich und dein Leben.
Ist es nicht amüsant, dass du sterbenskrank bist, von der Krankheit selber nichts merkst, die Therapie dich jedoch schwächt? Ironie auf dem höchsten Niveau.
Ich hab dich lieb, alter Mann und wünsche mir nichts sehnlicheres, als dass du deine Lust am Leben nie verlieren wirst. Denn verlierst du sie, verlierst du den Kampf und bisher hast du keinen Kampf verloren.
In töchterlicher Liebe,
dein Braten.

27.07.2017 00:03 • #7