Ein wahrhaft liebenswerter Mann. Einst außergewöhnlich erfolgreich, lebte auf seinem großzügigen Anwesen. Er war naturverbunden, liebte die Abgeschiedenheit, Kerzenschein, Kaminabende, Gummistiefel und Zigarre rauchen, wie ich.
Auf meinem Anwesen haben Gänseblümchen eine Chance, im Sommer mähe ich um sie herum. Das mache ich mit Brennesseln auch so. Ganze Inseln lasse ich stehen, weiß ich doch, dass eine bestimmte Schmetterlingssorte sich dann, und nur dann, frei entfalten kann.
Sicher, wenn ich ein Golfsportler auf mein Grün trifft, trifft ihn der Schlag und wenn ich Spazieren gehen möchte, gehe ich nicht auf den Golfplatz.
Bald nachdem ich meinen Freund kennen gelernt hatte, verstarb sein Vater. Eine Woche drauf hatte er selbst Geburtstag. Nach feiern war ihm nicht zu mute, natürlich nicht. Lieber wollte er allein sein. Bald darauf, unterzog er sich einer OP. Nur ein Chefarzt in München kam dafür in Frage, ließ er wissen. Eigens seine Schwester ließ er aus dem Ausland anreisen, die ihn dort hin chauffierte, ihn wieder abholte, eine Woche betreute und dann per Flugzeug wieder gen Afrika flog.
Alles ein wenig übertrieben?
Sein Wunsch nach Distanz und Ruhe war auffallend. Allerdings traf er damit bei bei mir auf eine Gleichgesinnte. Kleiner Unterschied: Ich mag gerne allein sein, leide nicht unter Getrenntsein.
Als ihn einmal Selbstzweifel plagten, meinte ich zu ihm, dass er ein sehr liebenswerter Mensch sei. Darauf antwortete er, das habe noch niemand zu ihm gesagt.
Es waren einige Extreme, die ich an ihm feststellte, jedoch nicht kritisierte. Ich fand es vielmehr bemerkenswert. Alles was dieser Mann tat, meinte er sehr, sehr gut machen zu müssen und ja, er war ein sehr verantwortungsvoller Mann und das was er anpackte, gelang ihm. Doch mit seinem Innenleben kam er nicht klar.
Durch eine Naturkatastrophe erlitt er einen außergewöhnlich derben geschäftlichen Rückschlag, der ihn in den Folgejahren zu Grunde richtete. Ihn, der den Himmel, den Horizont liebte. Er konnte sich nicht mehr aufrappeln.
Ihm fehlte innere Stärke.
Hilfe ließ er nicht zu. Das erachtete er als Schwäche.
„Du bist voller Schuldgefühle“, bemerkte ich leise zum Abschluß, strich ihm dabei über die Wange. „Ja, bin ich auch“, flüsterte er, so das ich es kaum hören konnte.
Nach 3 monatigem Kennenlernen, verließ ich ihn - ehe es richtig begann - hinterließ einen Mann der zur Melancholie neigte, kaum noch Appetit verspürte, unter Schlafstörung litt, der mir sagte: „ ..., ich brauche so viel Liebe“
Ja, viel, viel, viel – von allem auffallend viel.
21.02.2013 15:00 •
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