Scheidungsphase

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Text Martin R. Textor familienhandbuch.de

Die Scheidungsphase beginnt mit der endgültigen Trennung der Ehepartner und endet mit dem Scheidungsurteil. Sie dauert - von einigen Ausnahmen abgesehen - aufgrund gesetzlicher Vorschriften mindestens ein Jahr. In Einzelfällen kann sie sich auch über (mehr als) drei Jahre erstrecken. Über die Scheidungsphase liegen viel mehr Forschungsergebnisse und klinische Beobachtungen vor als über die Vorscheidungsphase. Generell lässt sich die Scheidungsphase in den Zeitraum nach der endgültigen Trennung und in den Zeitraum um die gerichtliche Scheidung unterteilen.



Die Trennung und die Zeit danach
Zumeist wird die Trennung von der Ehefrau initiiert. In der Regel zieht ein Ehepartner aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebt vielfach zunächst in einer provisorischen Unterkunft (zum Beispiel bei Verwandten oder Freunden). Manchmal zieht er in der ersten Zeit mehrfach um, bis er sich schließlich auf Dauer in einem Appartement oder Haus einrichtet. Vereinzelt müssen sich auch beide Partner neue Wohnungen suchen - beispielsweise wenn einer allein die alte nicht finanzieren kann. In einigen wenigen Fällen, die vor allem in Regionen mit Wohnungsknappheit und hohen Mieten vorkommen, sind die Ehegatten zur Trennung unter einem Dach gezwungen. Dabei entsteht eine höchst unnatürliche, spannungsgeladene und emotional belastende Situation. Die Getrenntlebenden kommunizieren wenig miteinander, sie geraten immer wieder in Konfliktsituationen. Da sie kaum Abstand voneinander gewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich mit der Zeit eine akzeptable Beziehung zwischen ihnen ausbildet. Leben Kinder in diesen Familien, so leiden sie zumeist stark unter der für sie unverständlichen Situation. Auch werden sie leicht in Konflikte hineingezogen.

Eine Trennung bedeutet für die Ehepartner eine Vielzahl von Veränderungen im psychischen, sozialen, finanziellen und beruflichen Bereich. Lebensweise, Gewohnheiten, Rollen, Selbstbild ändern sich; die interpersonale Umwelt verhält sich ihnen gegenüber anders. Jeder Getrenntlebende reagiert auf diese Veränderungen auf ganz individuelle und einzigartige Weise. Wohl sind viele Reaktionen typisch, sie treten beim einzelnen aber in einer unterschiedlichen Sequenz, Stärke und Dauer auf. Generell werden sie stark von der Art der Trennung bestimmt. So ist von großer Bedeutung, ob diese plötzlich und überraschend oder nach langen Diskussionen und Auseinandersetzungen erfolgte, ob sie einseitig oder gemeinsam entschieden wurde, und ob eine dritte Partei (Liebhaber) beteiligt ist oder nicht. Beispielsweise hat der Initiator der Trennung zumeist weniger Probleme, da er sich die neue Situation gewünscht hat, sich auf sie psychisch einstellen und notwendige Vorbereitungen treffen konnte. Rein emotional kann er sich aber als der verlassene Partner erleben, wenn zum Beispiel sein Ehegatte ein außereheliches Verhältnis hatte oder sich aus berufsbedingten Gründen kaum um ihn kümmerte. Dann mag er noch starke Bindungen und intensive positive Gefühle empfinden, also in seinen Reaktionen eher einem verlassenen Partner ähneln.

Da Geschlecht, Alter und die jeweilige Phase des Lebens- und Familienzyklus die Folgen einer Trennung entscheidend beeinflussen, sollen diese Faktoren in der nachfolgenden Darstellung besondere Berücksichtigung finden. Von großer Bedeutung ist ferner, ob in der Familie Kinder leben oder nicht. Im letztgenannten Fall treten zumeist weniger Probleme auf, sind die Getrenntlebenden nicht zu einer weiteren Zusammenarbeit und zur Umstrukturierung ihrer Beziehung gezwungen. Die Folgen der Trennung werden außerdem zu einem großen Teil dadurch bestimmt, welcher Schicht die Familie angehört und ob beide Ehepartner (voll-) erwerbstätig sind oder nicht.

Nach der Trennung haben viele Ehegatten Probleme, das Ende ihrer Ehe zu akzeptieren. Dieses gilt vor allem für Personen, die noch positive Gefühle für ihren Partner empfinden, die die letzten Monate als relativ ruhig erlebten, die nur den Gatten oder einen Dritten für die Trennung verantwortlich machen, die sich in der neuen Situation besonders einsam und unsicher fühlen oder die in ihrem Netzwerk auf viel Kritik stoßen. Selbst der Initiator bezweifelt oft, ob er die richtige Entscheidung gefällt hat. Auch mag er starke Schuldgefühle entwickeln, weil er das Auseinanderbrechen seiner Familie verursacht und den anderen Familienmitgliedern so großen Schmerz bereitet hat. Zumeist verspürt er aber Erleichterung, dass er seine Trennungsabsicht in die Tat umgesetzt hat. Er akzeptiert eher die nun entstandene Situation, sieht seine Zukunft relativ positiv und mag sich sogar auf das Leben als Single freuen.

Besonders schwer fällt es dem Partner, der sich als plötzlich verlassen erlebt, das Ende seiner Ehe zu akzeptieren. Er kann die Entscheidung des Ehegatten nicht nachvollziehen, fühlt sich zurückgewiesen und abgelehnt. Oft verneint er zunächst die für ihn unverständliche Situation, durchläuft dann eine Phase des Protests und versinkt schließlich in tiefer Verzweiflung. Manchmal hofft er auch, durch bestimmte Verhaltensweisen die Zuneigung des Partners wieder zu gewinnen. Wenn dieses nicht gelingt, fühlt er sich machtlos und hilflos. Er kann aber auch mit Wut und Hass reagieren, sich dem Ehegatten gegenüber aggressiv verhalten und ihn bestrafen wollen - wobei er vielfach nicht vor Gewalt und, im Einzelfall, auch nicht vor einem Mordversuch zurückschreckt. Natürlich kann auch der Partner brutal reagieren. So sind viele Kinder Zeugen von Gewalttätigkeiten zwischen ihren Eltern.

Befragt man Erwachsene, welche Gefühle sie nach der Trennung verspürten, so berichten sie von Schmerz, Trauer, emotionaler Erstarrung, Selbstmitleid, Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Angst, Unsicherheit, Wut, Hass, Verbitterung, Rachegefühlen, Aggressivität, Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifeln, Schuldgefühlen. Zumeist dauern diese Gefühlszustände lange an und wechseln in Art und Intensität. Oft werden auch entgegengesetzte Emotionen erlebt. Die genannten Gefühle führen leicht zu unüberlegtem und irrationalem Verhalten. Die Beschäftigung mit ihnen zieht vielfach die berufliche Leistungsfähigkeit in Mitleidenschaft. Ferner wird häufig von psychischen und psychosomatischen Störungen berichtet. Generell wird von Schlafstörungen, Erschöpfung, Apathie, Nervosität, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Dro. und Medikamentenmissbrauch, erhöhtem Alk. und Nikotingenuss, Depressionen und so weiter berichtet. Nach verschiedenen Untersuchungen sind bei Getrenntlebenden und Geschiedenen erhöhte Selbstmordraten, eine größere psychiatrische Morbidität, eine überdurchschnittlich große Anfälligkeit für Krankheiten und eine höhere Unfallrate festzustellen.

Es ist jedoch zu beachten, dass es neben den beschriebenen negativen Gefühlen und Symptomen auch entgegengesetzte Entwicklungen gibt. Bei vielen Personen kommt es zu einer Zunahme des Selbstwertgefühls, der Zufriedenheit, der inneren Energie und des Gefühls der eigenen positiven Weiterentwicklung, zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, zu einem Rückgang der Schlafstörungen und zu einer Abnahme von Depressionen. Dies lässt sich auf verschiedene Weise erklären. So ist zum Beispiel die subjektive Bewertung der Trennung im Hinblick auf die eigene Gegenwart und Zukunft von großer Bedeutung. Sieht ein Getrenntlebender die Scheidung in erster Linie als Chance des Neubeginns, so wird er relativ schnell über sie hinwegkommen. Betrachtet er sie hingegen als Verstoß gegen Gottes Ordnung, als Folge des eigenen Versagens oder als Zeichen, dass er unattraktiv und nicht liebenswert ist, so wird er lang an der Trennung leiden. Außerdem bewältigt eine Person diese Situation besser, wenn sie ein großes Repertoire an coping-Strategien besitzt, also schon viele kritische Lebensereignisse erfolgreich angegangen ist. Eine große Rolle spielt auch, inwieweit sie die Trennungssituation als Verbesserung gegenüber der Ehe erlebt. So verschwinden vielfach die in der Vorscheidungsphase erlebten psychischen und psychosomatischen Störungen, da Ehekonflikte, Angst vor dem Partner und ähnliche Belastungen nicht mehr von Bedeutung sind. Manche Getrenntlebende finden auch in einer neuen intimen Beziehung Zufriedenheit und Glück. Hingegen leiden Personen eher unter negativen psychischen Folgen der Trennung, wenn sie frühere Verlusterfahrung unzureichend verarbeitet haben, viel in ihre Ehe investierten, einen großen Statuswert erlebten oder mit den Herausforderungen der neuen Situation nicht fertig werden.

Von großer Bedeutung für das Ausmaß des emotionalen Wohlbefindens nach der Trennung sind ferner die Netzwerkkontakte. Verheimlichen Getrenntlebende ihre neue Lebenssituation vor Freunden, Kollegen und Bekannten, so können sie von diesen keine Unterstützung erfahren und sind in ihrem Schmerz allein. Sind sie Einzelgänger oder verlieren sie mit der Trennung die meisten Freunde und Bekannten, da diese eine engere Beziehung zum ehemaligen Partner haben oder dessen Partei ergreifen, werden sie ebenfalls wenig Rückhalt finden und sich einsam fühlen. Inwieweit sie in einem ausdifferenzierten Netzwerk Hilfe finden, hängt zu einem großen Teil davon ab, ob Verwandte, Freunde und Bekannte der Trennung eher zustimmten oder nicht. Unabhängig von ihrer Haltung ergreifen die Mitglieder der Herkunftsfamilie jedoch in der Regel die Partei ihres Blutsverwandten und helfen ihm - sofern vor der Trennung noch engere Kontakte bestanden.

Bei Freunden und Bekannten ist es zumeist weniger wichtig, ob sie der Trennung zustimmen oder nicht. Aber auch sie entscheiden sich in der Regel für einen der beiden Partner, wobei sie sich von der Intensität und Qualität der Beziehungen leiten lassen. Sie bieten Verständnis und Empathie, vermitteln Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit, helfen beim Umzug, bei der Arbeitssuche, im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, ermöglichen eine befriedigende Freizeitgestaltung und versuchen, neue Partnerschaften zu stiften. Manchmal erleben Getrenntlebende aber auch das Mitleid und die Hilfsbereitschaft von Verwandten und Freunden als übertrieben. Auch fühlen sie sich bald sonderbar in der Gesellschaft von Ehepaaren. So nimmt der Kontakt zu verheirateten Freunden einige Monate nach der Trennung rapide ab (vor allem bei Frauen). Die Getrenntlebenden beginnen, ihr geschrumpftes Netzwerk auszubauen. Sie schließen neue Bekanntschaften, insbesondere mit Singles und Geschiedenen. Dabei ändern sie ihr Selbstkonzept und nehmen sich mehr und mehr als Alleinlebende (beziehungsweise Alleinerziehende) wahr. Zugleich verändern sie ihren Lebensstil, entwickeln neue Lebensziele und -inhalte.

30.10.2004 09:31 • #1


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Neue Partnerbeziehungen
In den ersten ein, zwei Monaten nach der Trennung haben Getrenntlebende in der Regel relativ wenig Kontakt zu S. - sofern nicht ein außereheliches Verhältnis fortgesetzt wird. Sie sind sich oft nicht im Klaren, ob die Trennung endgültig ist und ob sie für neue Beziehungen frei sind. Die Mehrheit beginnt innerhalb von sechs Monaten nach der Trennung mit der Partnersuche. Ausnahmen sind vor allem Getrenntlebende, die noch starke Bindungen an den Ehegatten verspüren, intensiv mit sich selbst (ihrem Leiden, der Selbsterkenntnis, dem Aufarbeiten der Vergangenheit usw.) beschäftigt sind, in der Beziehung zu ihren Kindern aufgehen, ein starkes Misstrauen gegenüber dem anderen Geschlecht entwickelt haben oder große Angst vor Zurückweisung oder einem erneuten Scheitern haben.

Viele Personen, insbesondere wenn sie lange verheiratet waren, fühlen sich bei der Partnersuche sehr unsicher. Sie wissen oft nicht, wo sie potentielle Partner treffen und wie sie mit ihnen Kontakt aufnehmen können. Auch bezweifeln sie häufig, dass sie auf andere Personen (s.uell) attraktiv wirken. Ihre Ängste, Zweifel und Schuldgefühle äußern sich in neuen Beziehungen vielfach in der Form s.ueller Probleme.

Generell lassen sich mehrere Verhaltensmuster bei der Partnersuche beobachten. So erleben viele Getrenntlebende eine zweite Adoleszenz: Sie wechseln häufig ihre Partner und experimentieren mit verschiedenen Ausdrucksformen von S.. Sie wollen sich selbst bestätigen, dass sie noch begehrenswert sind und mit jüngeren Konkurrenten mithalten können - oft suchen sie sich sehr viel jüngere Partner. Getrenntlebende, die sich als wenig attraktiv und liebenswert erleben oder aufgrund ihrer Vorerfahrungen ein niedrigeres Anspruchsniveau haben, akzeptieren auch S., mit denen sie normalerweise keinen Kontakt aufnehmen würden. Da rasch wechselnde s.uelle Beziehungen das Bedürfnis nach Intimität nicht befriedigen und oft als enttäuschend oder desillusionierend erlebt werden, ändern viele bald wieder ihr S.. Auch steigt mit der Zeit das Anspruchsniveau wieder an. Die Getrenntlebenden suchen dann nach längerfristigen und intensiveren Beziehungen. Manche ändern ihr Verhalten jedoch nicht, weil sie große Bindungsängste haben, keine neuen Verpflichtungen übernehmen wollen oder ihre Kinder allein erziehen möchten.

In anderen Fällen haben die Getrenntlebenden schon vor der Trennung eine enge, intensive und intime Beziehung gefunden oder gehen eine solche so bald wie möglich ein. Sie erfahren in ihr Liebe, Zuneigung, Verständnis und Empathie, können in ihr die gescheiterte Ehe aufarbeiten und vergessen. Viele suchen auch von Anfang an einen neuen Ehepartner, insbesondere wenn sie sich einsam fühlen und mit sich selbst nichts anfangen können, wenn sie materielle Probleme haben oder es als schwierig erleben, Berufstätigkeit und Erziehung miteinander zu vereinbaren. Haben sie Kinder, halten sie nach einem Partner Ausschau, der mit diesen gut auskommt, und integrieren ihn langsam in ihre Familie. Nur selten heiraten sie direkt nach der Scheidung. Auch führt nur in Einzelfällen eine außereheliche Beziehung zur Heirat.



Alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede
Im Folgenden sollen einige alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede herausgearbeitet werden. Während Personen, die noch relativ jung sind, nur kurze Zeit verheiratet waren und keine Kinder haben, sehr schnell in den Lebensstil von Singles zurückfallen, wenig Probleme mit der Partnersuche haben und leicht voneinander finanziell unabhängig werden, ergibt sich ein anderes Bild bei Ehepaaren, die lange zusammenlebten. In diesen Fällen wird die Trennung als ein großes Trauma und als Verlust an Lebenssinn erlebt, da die Partner viel in ihre Ehe investiert haben. Sie können ihren Lebensstil nur unter großen Schwierigkeiten ändern, weil es viele eingefahrene Verhaltensmuster und oft noch eine traditionelle Arbeitsteilung in der Familie gibt. So sind viele Frauen nicht erwerbstätig und haben aufgrund ihres Alters und mangelnder Berufserfahrung wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt - sie müssen von den Unterhaltszahlungen ihrer früheren Ehemänner leben, geraten oft in finanzielle Schwierigkeiten und erleben einen großen Statusverlust. Auch ist es für sie schwierig, ihr geschrumpftes Netzwerk auszuweiten. Ältere Männer erleben eine Trennung oft als Zeichen persönlichen Versagens. Sie besitzen aber zumeist eine sichere Selbstidentität und bessere coping-Strategien als jüngere Männer. Auch sind sie beruflich etabliert und können auf ausdifferenzierte Netzwerke zurückgreifen.

In der Regel ist es für Getrenntlebende schwer, ihren Kindern zu erklären, wieso sie sich nach mehr als 20 Ehejahren scheiden lassen wollen. Allerdings müssen sie weniger Rücksicht auf ihre Kinder nehmen, da diese selbständig und oft bereits finanziell unabhängig sind. Große Probleme bereiten aber die Beziehungen zu Schwiegereltern und deren Verwandten, da sie häufig im Verlauf der Zeit sehr intensiv geworden sind. Auch gibt es vielfach Schwierigkeiten bei der Aufteilung des Besitzes, weil er recht groß sein kann und an viele Dinge Gefühle und Erinnerungen geknüpft sind. Eine besondere Situation entsteht, wenn die Ehepartner bereits im Ruhestand leben. Dann muss die Rente geteilt werden (finanzielle Probleme), sind die Getrenntlebenden weniger anpassungsfähig, wird die nach dem Eintritt in den Ruhestand eintretende Reduzierung des Netzwerkes noch verstärkt, ist das Unverständnis bei Kindern und Enkeln besonders groß.

Die Trennung ist auch für Männer und Frauen mit unterschiedlichen Folgen verbunden. So haben erstere oft große Schwierigkeiten mit der Haushaltsführung, insbesondere wenn sie in einer Ehe mit traditioneller Arbeitsteilung lebten. Sie sind frustriert und mit sich selbst wütend, wenn sie mit einfachen Hausarbeiten nicht fertig werden. Da ihnen das Kochen Probleme bereitet, verschlechtert sich ihre Ernährung. Auch essen sie unregelmäßig und nehmen häufig Mahlzeiten am Imbissstand oder in Restaurants zu sich. Hinzu kommt, dass sie ihre Wohnung nicht mehr als Heim erleben, weil sie zumeist umziehen mussten, ihre neue Unterkunft als ungemütlich empfinden und sich in ihr einsam fühlen. Deshalb verbringen sie so viel Zeit wie möglich außer Haus, stürzen sich also zum Beispiel in die Arbeit oder in das Nachtleben. Selbstverständlich ändert sich diese Situation, sobald sie die Haushaltsführung beherrschen oder eine Partnerin gefunden haben. Im Gegensatz zu Frauen unterdrücken getrennt lebende Männer eher Gefühle der Trauer und des Schmerzes, aber weniger Emotionen wie Zorn und Hass. Auch sind sie häufig von der Stärke ihrer Abhängigkeitsbedürfnisse überrascht. Zumeist fällt es ihnen schwer, mit anderen über ihr Gefühlsleben zu sprechen, da dieses der männlichen Geschlechtsrolle widerspricht und weil sie oft keine wirklich engen Beziehungen zu gleichgeschlechtlichen Freunden haben. So beginnen sie bald mit der Partnersuche und sind dabei in der Regel erfolgreicher als Frauen, die hingegen leichter vertrauenswürdige Freundinnen finden.

Frauen zeigen nach der Trennung meist Gefühle wie Trauer, Reue und Angst; hingegen verdrängen sie aggressive Impulse. Ältere Frauen, die viel in ihre Familie investiert haben, werden häufig depressiv, da sie ihren bisherigen Lebenssinn verlieren. Sie erleben es oft auch als sehr schwierig, die zuvor von ihren Männern erfüllten Aufgaben zu übernehmen, insbesondere weil in ihren Familien seit langem bestimmte Muster der Arbeitsteilung praktiziert wurden. Sie fühlen sich in ihrer Rolle als Getrenntlebende lange unsicher, da sie von dem Mangel an Normen und Regeln über das Leben nach Trennung und Scheidung besonders betroffen sind (Anomie). Mit der Zeit entwickeln sie aber einen neuen Lebensstil, neue Hobbys und Freizeitaktivitäten. Jüngere Frauen erweitern ihr soziales Netzwerk und beginnen wieder mit der Partnersuche. Sie verändern oft ihr Aussehen, legen beispielsweise mehr Make-up auf, entscheiden sich für modernere Frisuren und kleiden sich entsprechend der neuesten Mode. Viele Frauen vernachlässigen aber auch ihre äußere Erscheinung und nehmen an Gewicht zu.

Heute wird von Frauen erwartet, dass sie sich nach Trennung und Scheidung selbst ernähren, sofern sie nicht Kleinkinder zu versorgen haben. Für ältere Getrenntlebende, die vor der Ehe nur niedrige berufliche Qualifikationen erworben hatten und dann Hausfrauen wurden, ist es jedoch sehr schwer, eine adäquate Stelle zu finden. So erleben sie oft einen starken sozioökonomischen Abstieg. Da sie ihre Position in Abhängigkeit von dem Beruf ihres Mannes definiert haben, bedeutet die Trennung für sie zugleich einen großen Status- und Selbstwertverlust. Aber auch Frauen, die nur schlecht bezahlte Teilzeitarbeit ausüben beziehungsweise finden, müssen große Einbußen in ihrem Lebensstandard verkraften. Sie haben wenig Geld für die Ergänzung der Wohnungseinrichtung, für Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen; oft benötigen sie staatliche Hilfen. Sozialer Abstieg, Arbeitslosigkeit und materielle Probleme verschärfen noch die Folgen der Trennung und führen zu einer schlechteren Anpassung an die neue Situation. Hinzu kommt, dass sich das Los von getrennt lebenden oder geschiedenen Frauen ohne adäquate Berufsausbildung zumeist im Verlauf der Zeit kaum bessert.

Jüngere Frauen haben heute in der Regel eine gute Schulbildung genossen und eine Berufsausbildung abgeschlossen. Sofern sie zum Zeitpunkt der Trennung nicht mehr erwerbstätig sind, finden sie leicht eine neue Stelle. Auch haben sie mehr Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs, so dass sich ihre materielle Situation mit der Zeit verbessert. Allgemein lässt sich sagen, dass erwerbstätige Frauen eine Trennung psychisch besser überstehen, da die gewohnte Berufssphäre Kontinuität bietet, die Arbeit als Quelle von Befriedigungen und positiven Selbstwertgefühlen erlebt wird, finanzielle Notlagen seltener auftreten und Kollegen vielfach verständnisvoll und hilfreich sind. Vor allem ältere erwerbstätige Frauen haben oft nach der Trennung weniger Probleme, da sie im Beruf gelernt haben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und Entscheidungen zu fällen.

Besonders problematisch ist die materielle und berufliche Situation von Getrenntlebenden, die Kinder haben und diese versorgen müssen. Hier handelt es sich in den weitaus meisten Fällen um Frauen. Da die Kinder zum Zeitpunkt der Trennung in der Regel noch recht jung sind (die meisten Ehen werden im ersten Ehejahrzehnt geschieden), haben viele Mütter ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben oder auf Teilzeitarbeit beschränkt. Im ersten Fall erleben sie es als schwierig, eine mit der Kinderbetreuung zu vereinbarende Stelle zu finden, und sind oft lang arbeitslos. Aber auch im zweiten Fall müssen sie häufig mit der Arbeitssuche beginnen, wenn das Erwerbseinkommen sehr niedrig ist. Die schlechte materielle Situation bedingt, dass manche Mutter nach der Trennung das Sozialamt aufsuchen muss. Oft erlebt sie diesen Gang als Erniedrigung, Kränkung und Ausdruck des Versagens. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Unterhaltspflichtige ihren Verpflichtungen nicht oder nur teilweise nachkommen. Bei Kindern unter 12 Jahren springt dann unter bestimmten Umständen der Staat ein: Dann wird Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für die Kinder gezahlt.

Erwerbstätige Getrenntlebende mit Kindern haben wohl weniger finanzielle Probleme, sind aber häufig überlastet und am Ende ihrer seelischen und körperlichen Kräfte. Dieses gilt vor allem für solche Personen, die erst zum Zeitpunkt der Trennung wieder erwerbstätig werden. So macht die Familie zunächst einen desorganisierten Eindruck: Die Wohnung wirkt unordentlich und ungepflegt; die Familienmitglieder essen unregelmäßig und selten gemeinsam; Bettzeiten werden nicht eingehalten; die Kinder kommen zu spät in Kindergarten oder Schule. Besondere Schwierigkeiten macht auch die Betreuung kleinerer Kinder, da es an Plätzen in Kindertagesstätten und Horten mangelt und da die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen vielfach zu kurz sind. Grundschüler haben unregelmäßige Schulzeiten; zudem gibt es zu wenig Ferienangebote für sie.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Mütter nach der Trennung mit ihren Kindern umziehen. Besonders häufig wechseln sie vom Land in die Stadt, da es dort mehr Berufsmöglichkeiten für Frauen gibt, weil die Kinderbetreuungsangebote in der Stadt besser sind und da sie in der dörflichen oder kleinstädtischen Umgebung stärker diskriminiert werden. Aber auch in größeren Städten werden sie mit Vorurteilen konfrontiert und bei der Wohnungssuche benachteiligt. Zumeist dauert es recht lang, bis sie sich von der negativen Haltung ihrer Umwelt distanzieren können. Insbesondere nach einem Umzug, oder wenn sie wegen der Versorgung kleinerer Kinder nur selten die Wohnung verlassen können, fühlen sich Getrenntlebende einsam und isoliert - wobei diese Emotionen besonders stark bei nichterwerbstätigen Elternteilen auftreten. Sie haben wenig Kontakt zu anderen Erwachsenen und wenig Freizeitmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass sich Mütter häufig als unattraktiv erleben und deshalb in die Partnersuche wenig Energie investieren.

Eine problematische Situation kann entstehen, wenn Getrenntlebende mit Kindern zu ihren Eltern ziehen. Wohl sind Probleme finanzieller Natur und hinsichtlich der Kinderbetreuung größtenteils gelöst; die neue Situation kann aber viel Konfliktstoff enthalten. So wetteifern Mütter und Großmütter oft miteinander, wer am besten die Kinder erziehen kann. Vielfach kommt es auch zu Auseinandersetzungen, wenn sie unterschiedliche Erziehungsstile praktizieren oder favorisieren. Außerdem lehnen es manche Großmütter ab, ihre Enkel zu bestrafen. Selbst wenn sie zu diesen zuvor ein positives Verhältnis hatten, empfinden sie das Zusammenleben mit ihnen oft bald belastend und überfordernd. Sie haben mehr Arbeit, erleben mehr die negativen Seiten ihrer Enkel und geraten häufiger mit ihnen in Auseinandersetzungen. Schließlich kann sich problematisch auswirken, wenn die Mütter wieder eine Tochterrolle einnehmen und einen großen Teil ihrer Erziehungsfunktion abtreten. Sie werden dann zu älteren Schwestern ihrer Kinder, die vielfach Orientierungsprobleme haben, Loyalitätskonflikte empfinden oder den Eindruck gewinnen, dass sie nun auch noch den zweiten Elternteil verloren haben. Natürlich kann sich diese Situation aber auch positiv entwickeln, zum Beispiel wenn die Großeltern einen großen Teil der aus der Trennung resultierenden Probleme auffangen und den Kindern viel Liebe, Verständnis und Empathie entgegenbringen.

Abschließend soll noch kurz auf die Situation von sorgeberechtigten Vätern eingegangen werden, deren Zahl immer mehr zunimmt. Sie erleben zum einen ähnliche Probleme wie die zuvor beschriebenen. Erschwerend kommt aber zum anderen hinzu, dass sie in der Regel nur schlecht auf ihre Rolle als Haupterzieher der Kinder vorbereitet sind, da in den meisten Familien noch immer die Mütter den größten Teil der Erziehungsfunktion ausüben. So müssen die Väter oft erst die alltäglichen Aufgaben der Versorgung, Pflege und Erziehung von Kindern erlernen. Hinzu kommt, dass sie es schwer haben, ihre Hilfsbedürftigkeit in diesem Bereich vor sich und anderen einzugestehen. Viele Väter, die sich in dieser Situation befinden, suchen besonders intensiv nach einer neuen Partnerin, die ihnen die Last der Kindererziehung und Haushaltsführung abnehmen soll. Bei einem hohen Einkommen lassen sie sich dazu aber mehr Zeit, da sie zum Beispiel eine Kinderfrau einstellen können. Väter, die kleine Kinder versorgen und deshalb ihren Beruf aufgeben müssen, erleben einen besonders starken wirtschaftlichen und sozialen Abstieg. Häufig fühlen sie sich von ihrer Umwelt geächtet.



Beziehung zwischen getrennt lebenden Ehegatten
Von großer Bedeutung für das psychische Wohlbefinden ist auch die Beziehung zum ehemaligen Partner. Sie muss individuell und aktiv bestimmt werden, da diese Rolle gesellschaftlich nicht definiert ist. Erschwerend kommt hinzu, dass das soziale Umfeld Kontakte zwischen früheren Ehegatten negativ sieht. Dennoch gelingt es vielen Personen, nach der Trennung eine wenig belastende Beziehung zum ehemaligen Partner aufzubauen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn sie sich gemeinsam für die Scheidung entschieden haben und ohne größere Konflikte auseinander gegangen sind. Sie können in der Regel Beschlüsse über die Aufteilung des Eigentums, die Unterhaltsregelungen und die Erziehung der Kinder (Sorgerecht) auf rationale Weise fassen.

In vielen Fällen spüren Getrenntlebende noch starke positive Gefühle füreinander. Hier wird deutlich, wie stark die Bindungen an den früheren Partner noch sein können. Vor allem Männer erkennen oft jetzt erst ihre Abhängigkeitsbedürfnisse, derer sie sich vor der Trennung nicht bewusst waren. Auch viele Initiatoren stellen zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie ihre früheren Partner vermissen und sich allein fühlen. Hinzu kommt, dass bestimmte Situationen und Gegenstände immer wieder die Erinnerung an den früheren Partner wecken. Es ist offensichtlich, dass für Personen mit intensiven Bindungen und verbleibenden positiven Gefühlen die Trennungssituation besonders belastend ist.

Das Wohlbefinden von Getrenntlebenden ist fraglos stark beeinträchtigt, wenn es zu häufigen Auseinandersetzungen mit dem früheren Partner kommt. Dabei brechen oft heftige negative Emotionen hervor, mangelt es an Urteilsvermögen, gerät das Verhalten leicht außer Kontrolle, führt jede zu klärende Frage zu einem Machtkampf. Häufig kommt es zu Kommunikationsstörungen (wie Inkongruenz oder Fehlen von Rückmeldung), wird über Dritte kommuniziert, die leicht Botschaften verzerren und eine Eskalation von Konflikten hervorrufen können. Viele Getrenntlebende denken das Schlechteste über ihren ehemaligen Partner, begegnen ihm mit tiefstem Misstrauen und weisen ihm die Schuld für die Trennung und alle von ihnen derzeit erlebten Belastungen zu.

Unter diesen Bedingungen können viele nach der Trennung anstehende Fragen nicht rational geklärt werden. Dennoch müssen vorläufige Regelungen hinsichtlich der Aufteilung des Besitzes, des Ehegatten- beziehungsweise Kindesunterhalts und des Verbleibs der Kinder (Sorge- und Besuchsrecht) getroffen werden. Dieses ist in solchen Fällen oft nur unter Einschaltung von Rechtsanwälten, Gerichten und Jugendämtern möglich. Dabei werden viele Konflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen: So mag der Elternteil, bei dem die Kinder leben, Besuchs-, Brief- und Telefonkontakte zu dem abwesenden Elternteil zu unterbinden versuchen, weil der ehemalige Partner keinen oder nur einen Teil des Unterhalts zahlt, den Betrag zu spät auf das Konto überwiesen oder die Besuchsregelungen nicht eingehalten hat. Oft handelt er auch so, weil er die Elternrechte des früheren Ehegatten nicht anerkennt, dessen Erziehungs- oder Lebensstil ablehnt oder seiner Wut auf ihn Ausdruck verleihen will. Oder er kann vielfach nicht akzeptieren, dass die Kinder den abwesenden Elternteil lieben, oder befürchtet, dass er sie an ihn verlieren konnte. Dieser mag in solchen Fällen die Kinder aufhetzen, indem er ihnen attraktive Freizeitunternehmungen bei Besuchen in Aussicht stellt und deren Undurchführbarkeit beklagt.




30.10.2004 09:37 • #2


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Gerichtliche Scheidung
Mit gerichtlicher Scheidung ist hier der zweite Abschnitt der Scheidungsphase gemeint, in dem das Scheidungsverfahren vorbereitet und das Scheidungsurteil ausgesprochen wird - Verfahren über abgetrennte Scheidungsfolgesachen und Berufungsverfahren können sich noch bis weit in die Nachscheidungsphase hinein hinziehen. In der Regel beauftragt jeder getrennt lebende Ehepartner einen Rechtsanwalt, seine Rechte wahrzunehmen. Da dieser in Kategorien der Gegnerschaft denkt, versucht er, für seine Partei das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, und berücksichtigt somit das Wohl des gesamten Familiensystems und der Kinder eher am Rande. Häufig werden überzogene Forderungen an die andere Partei gestellt, die von dieser mit ebensolchen Forderungen beantwortet wird, so dass es zu einer Polarisierung und Eskalation in der Auseinandersetzung kommt. Oft werden unrealistische Erwartungen geweckt oder der Eindruck vermittelt, dass man vom Partner belogen und betrogen wird. Manchmal werden die Klienten angehalten, zum Beispiel bestimmte Informationen zu verschweigen oder im Grunde nicht gewünschte Forderungen zu stellen, um ein besseres Verhandlungsergebnis zu erzielen. So mag beispielsweise ein Vater das alleinige Sorgerecht für seine Kinder beantragen - obwohl er dies überhaupt nicht will. Macht die Mutter dann bei den ihn interessierenden Scheidungsfolgesachen Zugeständnisse, zieht er seinen Antrag wieder zurück.

Es ist offensichtlich, dass derartige juristische Abläufe und Empfehlungen von Anwälten zu einer Verschlechterung der Beziehung zwischen den getrennt lebenden Partnern führen. Diese Situation wird oft noch dadurch verschärft, dass Ehegatten das Scheidungsverfahren dazu nutzen wollen, um sich an ihrem Partner zu rächen, ihn zu verletzen und zu erniedrigen, oder um verloren gegangene Selbstachtung wiederzugewinnen (Der Richter meint, ich wäre der bessere Elternteil). Auch wenn ein Ehegatte dem Scheidungsantrag seines Partners nicht zustimmt, liegen diesem Handeln - neben verständlichen Beweggründen, wie Angst vor den Folgen einer Scheidung, anhaltender Liebe, Hoffnung auf Versöhnung oder religiös fundierter Glaube an eine Ehe auf Lebenszeit - häufig negative Motive zugrunde: Wut und Enttäuschung, Rachegelüste, der Wunsch, den Partner für seine Untreue zu bestrafen oder ihn daran zu hindern, seinen Willen durchzusetzen etc. Derartige Beweggründe und die ihnen zugrunde liegenden Emotionen und psychischen Konflikte werden in der Regel von Rechtsanwälten ignoriert.

Erschwerend kommt hinzu, dass Rechtsanwälte einen Austausch zwischen getrennt lebenden Partnern und deren Suche nach Kompromissen dadurch verhindern, dass sie diese anhalten (und damit Abhängigkeitsbedürfnisse wecken), nur über sie mit der anderen Partei beziehungsweise deren Rechtsanwalt zu kommunizieren. So verschlechtert sich die Beziehung zwischen den Ehegatten, wird eine unter Umständen noch zu erreichende Versöhnung unmöglich gemacht. Auch sind Juristen in der Regel nicht fähig oder bereit, sich auf psychische Probleme ihrer Klienten und den inneren Trennungsprozess einzulassen. In Deutschland wenden sich deshalb immer mehr Scheidungswillige an Mediatoren (Vermittler), die ihnen helfen, gemeinsam und selbstverantwortlich die notwendigen Scheidungsvereinbarungen zu treffen und vertraglich niederzulegen. Da viele Scheidungsfolgesachen bereits vor Beginn des Verfahrens (über die Rechtsanwälte) geregelt oder in separaten Verfahren verhandelt werden, kommen die meisten Scheidungsverfahren vor Familiengerichten mit wenigen Terminen aus. Dies gilt insbesondere für Fälle mit Scheidungsvereinbarungen.

Zu Beginn der Trennung spielen noch viele Väter mit dem Gedanken, das Sorgerecht für ihre Kinder zu beantragen, aber nur wenige stellen schließlich einen Antrag. Die neue Rechtslage - gemeinsame Sorge im Regelfall - hat dazu geführt, dass jetzt wohl das Sorgerecht in den meisten Fällen beiden Eltern zugesprochen wird; dennoch leben die meisten Kindern weiterhin bei ihren geschiedenen Müttern. In manchen Fällen wollen beide Elternteile das alleinige Sorgerecht - sei es aus prozesstaktischen Gründen oder aus den folgenden Motiven heraus: Liebe zu den Kindern, starke Bindungen, Wunsch nach Kontinuität im eigenen Leben, Erhalt des positiven Selbstbildes als Elternteil, Schutz vor Einsamkeit durch Anwesenheit der Kinder, Schuldgefühle ihnen gegenüber, Rachegelüste, Machtkämpfe, Unfähigkeit, den Partner als guten Elternteil anzuerkennen, und so weiter. In solchen Fällen kann es zu einem erbitterten Kampf um das Sorgerecht kommen, unter dem vor allem die Kinder leiden: Sie fühlen sich zwischen beiden Elternteilen hin- und hergerissen, geraten in starke Loyalitätskonflikte und haben Schwierigkeiten, ihre Beziehung zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten.

In strittigen Sorgerechtsfällen kommt dem Gutachten des Jugendamtes eine besondere Bedeutung zu, das im Rahmen der Familiengerichtshilfe für jedes Verfahren erstellt werden muss, in dem über das Sorgerecht für minderjährige Kinder oder über das Umgangsrecht entschieden wird. Das Jugendamt als fachkundige Behörde soll das Wohl und die Interessen der betroffenen Kinder vertreten. Es prüft die Lebensverhältnisse beider Elternteile, die Qualität der jeweiligen Eltern-Kind-Beziehung, die Stärke der Bindungen, die Erziehungsfähigkeit der Eltern und ihre Persönlichkeit. Für das Familiengericht sachdienliches Material wird dann in einem Gutachten zusammengestellt, das auch einen Vorschlag für die Sorgerechtsentscheidung und diesbezügliche Prognosen enthält. Problematisch ist, dass der Jugendamtsmitarbeiter zuverlässige Informationen häufig nur schwer sammeln kann: Die Eltern verhalten sich ihm gegenüber strategisch, zeigen also nur ihre besten Seiten und machen die andere Partei schlecht, während Kinder oft voreingenommen oder verschüchtert sind. Auch sind die zuständigen Jugendamtsmitarbeiter vielfach überlastet und ungenügend geschult. Beratungsfunktionen werden erst ansatzweise übernommen.

Bei sehr strittigen Verfahren wird ein Gutachter vom Familienrichter bestellt. Hier handelt es sich in der Regel um einen Psychologen, der intensive Gespräche mit Eltern und Kindern führt, familien- und kinderpsychologische Tests (auch projektiver Art) einsetzt und das Verhalten der Familienmitglieder beobachtet. Er kann auch Auskünfte von Dritten einholen. Aufgrund seiner Erfahrung, der Verwendung verschiedener Untersuchungsmethoden und im Rückgriff auf mehrere Quellen ist sein Gutachten in der Regel verlässlicher als das des Jugendamtsmitarbeiters, der sich dann leicht als zweitklassiger Fachmann erlebt. Jedoch können auch diese Experten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, da sie möglicherweise anderen Theorien folgen, verschiedene Einstellungen zu den Sorgerechtsalternativen haben oder Daten anders interpretieren.

In manchen Fällen muss das Familiengericht auch über den Versorgungsausgleich, die Aufteilung des Hausrats, den Verbleib in der vormals gemeinsamen Wohnung oder güterrechtliche Fragen entscheiden. Eine besondere Bedeutung kommt der Regelung von Unterhaltsansprüchen zu. Dabei werden Frauen und Kinder oft benachteiligt: Diese erleben in ihrem Lebensstandard einen sehr viel stärkeren Rückgang als geschiedene Männer und verarmen oft sogar, da einerseits die Männer in der Regel nun einen geringen Teil ihres Einkommens an ihre Frauen und Kinder abtreten müssen, und da andererseits heute von geschiedenen Frauen erwartet wird, dass sie sich selbst ernähren und einen Teil der Kinderkosten übernehmen. Dabei wird nicht beachtet, dass Frauen in der Regel ein niedrigeres Einkommen als Männer erzielen können, insbesondere wenn sie nach einer längeren Berufsunterbrechung auf den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind.

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30.10.2004 09:38 • #3