Hi ihr lieben,
erstmal: Schön dass es dieses Forum gibt! Es hilft mir zwar mehr mit Freunden zu reden, die Worte und Tränen purzeln zu lassen wie sie kommen aber die haben auch nicht immer Zeit.
An solchen Tagen zu sehen daß andere ebenso Kopfkino, Chaos und Verwirrung genießen wie ich ist tröstend, wenigstens bin ich nicht allein. Im Grunde können auch nur Leute die in einer ähnlichen Situation sind das Gefühlschaos wirklich nachvollziehen.
Ich hatte vom Hintergrund her schon immer den Wunsch nach Kindern, Familie, und, ja, am Ende miteinander alt werden. Meine Eltern sind auch immer noch zusammen, sie reiben sich auch immer noch und raufen sich immer wieder zusammen.
Kinder habe ich bekommen, zwei wundervolle, quengelnde und nervende Prachtexemplare die jetzt langsam in die Selbständigkeit gehen und auf die ich furchtbar stolz bin.
Mit der Mutter bin ich mit 22 schon zusammen gewesen.
Den Moment als ich sie das erste Mal sah werde ich auch nie vergessen - wie ein Erdbeben und ich hab den Blick von den Haarspitzen bis in die Zehen gespürt. Da war mir sofort klar: Das ist die eine.
Wir hatten ein paar wundervolle Monate bis sie entschieden hat ins Ausland zu gehen um ihrem Vater (der sie zu der Zeit verstoßen und enterbt hat) aus dem Weg zu gehen. Und ja, mit meinem Lebensstil war sie auch nicht zufrieden. Ich habe noch Tagebucheinträge aus der Zeit und da steht alles ganz deutlich drin: Sie hat mich nicht wirklich geliebt, kaum Nähe zu spüren, keine Hingabe, keine Leidenschaft. Will keine Kinder.
Ich habe damals noch ganz gesund reagiert und das beendet auch wenn mir das in der Seele wehtat.
Man könnte meinen ich hätte daraus etwas gelernt, oder?
Es vergehen Jahre in denen ich sie so ein bis zweimal beim Ausgehen beiläufig sehe aber jeden Kontakt vermeide.
7 Jahre später: Ein magischer Tag an dem ich zum ersten Mal seit Jahren an sie denke weil ich über ein Foto gestolpert bin. 2 Minuten später ruft sie an. Sie kommt zurück nach Deutschland, hat sich das mit den Kindern anders überlegt. Bislang war für mich auch noch keine dabei gewesen mit der ich Kinder hätte haben wollen und ich war auch ein ganz kleines bisschen in Torschlußpanik. Ja auch Männer haben eine biologische Uhr, wenn sie denn hinhören mögen.
Jetzt kommt was kommen muß.
Es folgen 13 Jahre emotionale Eiswüste. Enttäuschung wechselt sich mit Hoffnung ab, seelische Grausamkeiten die ihr keiner zutraut weil sie doch immer ein Lächeln auf dem Lippen hat und immer das Richtige sagt. Keiner kann glauben dass sie diejenige ist die die Kinder anschreit und schlägt, unfaire Regeln aufsetzt und mich mit deren Durchsetzung beauftragt und danach mit die Schuld gibt dass die Kinder ambivalent erzogen werden. Naja, in a nutshell: Sie will die Kinder brav und folgsam und ich will sie stark, kritisch und selbständig haben. Mit ihren Freunden humorvoll, spritzig und am besten ohne mich. Mit mir launisch, missmutig und immer um genau halb elf ins Bett.
Ich habe dann emotional Rache genommen: Wenn du mir keine Nähe gibst dann bekommst du auch keine. In den Jahren war glaub ich alles drin was man falsch machen kann in Beziehungen. Inklusive der Beziehungsrettungsheirat die natürlich überhaupt nicht funktioniert hat.
Wenn ich mich neben sie gelegt habe war ich einsamer als wenn ich allein war. S. gab es noch, ja, aber am Ende hat sie es mir vermiest mit ich erfülle meine ehelichen Pflichten. Immerhin: Es gab keine Anderen, weder bei mir noch bei ihr.
Ich war die letzten drei Jahre schwerst depressiv, hatte aufgegeben, war verbittert und kraftlos, habe mich schlecht behandeln lassen und doch keine Liebe dafür bekommen. Kein schönes Wort, keine Nähe, keine Innigkeit. Es war die Hölle und ich war voll angekommen, kein Ausweg, das war es jetzt. Das ganze Programm: Rauchen, Alk., kein Sport (mehr), Computerspiele, Arbeit schleifen lassen und eben _keine_ andere Frau suchen. Es war die Hölle.
Und nun trennt sie sich von mir, zieht zum Dezember aus.
An dem Tag an dem sie mir das gesagt hat ist Alles von mir abgefallen. Die Strukturen und Rituale (und das waren keine guten).
Die Depression weg als hätte es sie nie gegeben. Weil der Grund aus meinem Leben geht.
Ich habe eine Reise zurück zu mir erlebt und der den ich dort finde hat nur geschlafen, ist gottlob nicht zwischendrin gestorben.
Meine derzeitigen Arbeitskollegen erkennen mich kaum wieder, sie kannten mich ja nur aus der Zeit mit ihr. Und freuen sich wie gut es mir geht. Meine langjähringen Freunde müssen weinen vor Freude weil sie mitansehen haben müssen wie ich immer weiter abgerutscht bin.
Ich habe zwei Wochen wie ein Löwe gekämpft um sie doch noch wiederzubekommen. Geheult wie ein Schlosshund, irrationale Hoffnungstage wechseln sich mit Trauertagen ab. Die Phase muß glaub ich auch sein, von dem was ich hier lese ist das normal. Aber normal hat sich das nicht angefühlt!
Erfolglos gekämpft, aber ich muß später nicht die hättest du mal Maschine anwerfen.
Die Phase wurde recht abrupt beendet durch Strohfeuer und durch meine Ex. Danke dir Strohfeuer! Wenn ich dich mal treffe wirst du geknuscht und geknuddelt!
Bei meiner Ex bedanke ich mich jetzt auch, denn sie sagte das was ich eigentlich von Anfang an hätte wissen müssen: Ich glaube ich kann nicht so lieben wie du.
Wir können jetzt wieder lachen, schmusen und reden, reden, reden. S. gibts auch noch, ist aber jetzt nicht mehr das was es mal vorher war. Ich kann jetzt auch gern drauf verzichten. Ich nehme jetzt die Tage wie sie kommen. Jetzt am Ende die Nähe zu bekommen die ich mir gewünscht hatte ist heilsam - ich habe mich dann nicht völlig in ihr geirrt. Und wir können Sachen erklären, ich kann Fragen stellen wie kam dies, warum hast du das und nicht das gesagt. Sie kann kaum glauben dass ich jetzt Widerworte gebe, alleinige Schuld von mir weise sie bitte das Projizieren zu lassen und ganz generell meinen Mann stehe.
Wir trennen uns harmonisch und erwachsen, die Kinder nehmen es mit Humor. Wir teilen die Kinder 7/7 und finanziell ist Alles fair.
Freunde werden wir nicht werden, dafür trage ich zu viele Narben herum. Kontaktsperre ist nicht möglich wegen der Kinder. Sie bleibt die Mutter meiner Kinder und ein ordentlicher Umgang ist was sie sich auch wünscht. Den wird es geben.
Was bleibt?
Ich fühle mich wie frisch geschlüpft, noch wackelig auf den Beinen und unsicher was ich jetzt fühlen soll.
Ich lerne jetzt Tanzen, kümmere mich um mein Kunsttalent das schon seit Jahrzehnten darum bettelt das ich was damit mache. Ich habe großen Respekt vor dem Alleinsein in den Wochen ohne die Kinder im Dezember und knalle mir jeden Tag Termine rein.
Ich genieße Kontakt zu anderen Menschen wie noch nie in meinem Leben, kann authentisch sein und nicht immer nur die Hälfte erzählen.
Ja, professionelle Hilfe hole ich mir auch - das Ganze soll nachhaltig bleiben!
Nachdem die Strukturen weg sind und damit die Gründe sich aufzuregen ist alles von mir abgefallen, und es bleibt nur Liebe übrig. Die Liebe die ich seit dem ersten Moment spürte ist trotz allem noch da und genauso gewaltig wie am ersten Tag. Da habe ich noch jede Menge Arbeit vor mir das irgendwie einzusortieren. Damit abzuschließen. Ihr danken, sie ehren und dann gehen zu lassen. Mein Herz schreit die Liebe deines Lebens aber mein Kopf weis dass wir uns nicht gut tun. Wir haben es ja nicht einmal sondern schon zweimal probiert.
Ich werde nicht allein bleiben. Ich werde wieder lieben. Aber die Liebe zu ihr soll mir nicht im Weg stehen. Ich kann sie anscheinend nicht loswerden, deshalb muss ich lernen mit ihr zu leben. Wie das gehen soll ist mir gerade eben schleierhaft, aber andere können das ja auch, das kommt...
Es ist eine Niederlage. Der Traum von intakter Familie ist vorbei. Das macht mich unendlich traurig, ich muß mir eingestehen dass ich auf ganzer Front verloren habe, versagt habe. Kein zusammen alt werden, mit den Kindern, als Familie. Das macht mich nicht generell zu einem Versager, aber hier habe ich versagt. Ausgeträumt.
Ein gebrochenes Versprechen. Bis dass der Tod euch scheidet. Ich weis viele sehen das anders aber mir bedeutet das sehr viel. Ich war stolz als sie meinen Namen angenommen hat. Ich dachte jetzt schaffen wir es doch noch. Mit der Scheidung wird etwas in mir sterben. Naivität, kindlichkeit vielleicht? Auf jeden Fall etwas Gutes und mir graut davor.
Es bleibt ein bitteres Gefühl der Scham. Ich schäme mich dass ich mich so habe behandeln lassen und selber so behandelt habe. Ich hoffe ich kann mir selber irgendwann vergeben.
Es bleibt ein Ende, ein neuer Anfang, Freude auf das was kommt, Trauer über das was geht, zu merken dass ich Haufenweise Menschen in meinem Leben habe die sich liebevoll um mich kümmern. Ich bin erschüttert, geschockt und doch froh.
Eine sehr bewegende Zeit.
13.11.2015 12:31 •
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