Vielleicht ein Fünkchen Hoffnung

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Ich lese in diesen Seiten schon seit vielen Monaten und habe mich nun entschlossen selber einen Beitrag zu schreiben, um bei all dem Schmerz und der Verzweifelung, die hier zum Ausdruck kommen, vielleicht auch ein Fünkchen Hoffnung verbreiten zu können.

Meine eigene Trennung ist nun 1 Jahr und 9 Monate her. Ich war  mit meinem Freund bis dahin 17 Jahre (Sandkastenliebe seit dem 14. Lebensjahr!) zusammen und wir haben 10 Jahre zusammen gelebt. 1 ½ Jahre vor der Trennung ist er schon mal ausgebrochen, hat mich betrogen, aber wir haben uns danach wieder zusammengerauft. Nachdem diese Wunde langsam verheilt war, begann für uns die, wie ich meinte, schönste Zeit unserer Beziehung. Wir gingen sehr behutsam miteinander um, versicherten uns oft unserer Liebe, erlebten bewusst unser Glück, das ja beinahe verloren gegangen wäre. Wir kauften uns eine Eigentumswohnung und waren in Renovierungs- und Umzugsplanungen, als plötzlich  für mich völlig unerwartet die Bombe platzte. Mit den Worten das kann nicht alles gewesen sein, ich kann nicht mehr verließ mein Freund die Wohnung und unser Leben. Was dann folgte kennt Ihr alle, es war ein einzigartiges Trauma. Fassungslosigkeit, Entsetzen und Unverständnis herrschte bei mir wie auch bei allen Freunden und den beiden Familien. Eine Woche später stand er dann wieder auf der Matte, es täte ihm alles so leid er würde gerne zurück nach Hause kommen. Dieses Flehen habe ich mir drei Wochen angehört und hatte selber schon ein schlechtes Gewissen, ihm sein zu Hause zu verwehren. Ich bat ihn, es sich genau zu überlegen, denn wenn er noch was ausleben wolle, sei dies jetzt der richtige Zeitpunkt. Nein, er wollte nach Hause und kam dann auch freudestrahlend zurück. Das Strahlen hielt nur wenige Tage, nach nur einer Woche sagte er mir es ginge doch nicht, er müsse gehen. Am nächsten Tag ist er fluchtartig mit wenigen Möbeln und jeder Menge Plastiksäcke ausgezogen, zurück blieb ein einzigartiger Alptraum. Ich habe mit einem Schlag meinen Partner, meinen besten Freund, meine Vergangenheit, meine Zukunft und ein Riesestück von mir selber verloren.  ½ Jahr bin ich regelrecht durch die Hölle gegangen und kam mir zeitweise wie ein J. vor, der wirklich körperlichen Entzugsschmerz leidet. Ich hielt mich bis dahin selber immer für stark und wurde so auch von meinem Umfeld eingeschätzt, aber in dem Häufchen Elend, in das ich mich verwandelte, konnte  ich mich selber nicht mehr erkennen. In meinem freien Fall kamen aber glücklicherweise von überall helfende Hände und fingen mich langsam aber sicher auf. Was der Freundeskreis und die Familie in dieser Lebensphase leisteten ist unbeschreiblich. Sie wachten mit Adleraugen über mich und gaben mir den Halt und die Geborgenheit, den ich brauchte bis ich wieder auf die eigenen Füße kam. Ich habe mir eine eigene Wohnung genommen und nach einem halben Jahr kam ich langsam aus meinem Ausnahmezustand heraus und konnte wieder  anfangen das Leben in kleinen Schritten wahrzunehmen und manchmal sogar zu genießen. Aber der ständige  Schmerz hörte erst auf, als ich meinen jetzigen Lebenspartner kennen lernte. Durch ihn habe ich es geschafft 8 Monate nach der Trennung wieder ganz vorsichtig Vertrauen in einen Menschen zu gewinnen. Wir sind jetzt seit einem Jahr zusammen und sind vor 3 Monaten auch zusammen gezogen.  Dass die Beziehung sich so stabil entwickeln konnte, liegt überwiegend an der unendlichen Geduld und das Verständnis, das mein Partner aufbringt, obwohl er selber auch darunter leidet. Gerade in den ersten Monaten, bin ich oft noch weinend morgens bei ihm aufgewacht, weil mich im Traum noch immer die Vergangenheit verfolgte. Er hat mich dann getröstet und räumt noch immer mit mir die Scherben weg, die der Ex hinterlassen hat. Auch heute vergeht noch kein Tag, an dem ich nicht auch zurückdenke, aber obwohl ich mit der Vergangenheit noch überhaupt nicht klarkomme, bin ich in der Gegenwart glücklich und für die Zukunft voller Zuversicht.
Damit komme ich zu dem Thema Verzeihen, das hier auch schon diskutiert wurde. Obwohl ich mit meinem Leben und zum großen Teil auch mit mir wieder im Einklang bin, kann ich nicht verstehen oder vergessen und schon gar verzeihen was eigentlich passiert ist. Ich habe es lediglich akzeptiert und mit dieser Akzeptanz das Fundament für einen Neuanfang geschaffen. Es bleibt jedoch ein schwarzes Loch in einem, das an manchen Tage verschwindend klein, an schlechten Tagen aber wieder groß und schmerzvoll ist. Manchmal wünsche ich mir eine Art Exorzisten, der mir die quälende Vergangenheit austreibt.
Aber ich möchte Euch auf jeden Fall Mut machen, an Euch und Eurer Situation weiter zu arbeiten, denn wenn man einmal so weit ist, lohnt sich wieder jeder Tag und man kann trotz des Erlebten sein Glück genießen. Ich wünsche jedem von Euch, dass er jemanden findet, der die alten, tiefen Wunden nach und nach heilt, mit den Narben allerdings muss jeder für sich alleine klarkommen!
Alles Liebe für Eure Zukunft (glaubt mir es gibt eine)!!!
Flügelrossfisch

29.04.2002 11:57 • #1


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Danke schön, Flügelrossfisch!!! :)
Deine Zeilen machen mir wirklich Mut und zeigen einem auch die Welt, die außerhalb unserer selbstaufgesetzten Scheuklappen liegt.
Ich weiß, daß es nur besser werden kann und auch irgendwann besser sein wird. Aber noch stellt mir die Ungeduld häufig ein Bein.
Danke noch mal, für deine Zeilen!
Nicole

29.04.2002 19:26 • #2




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