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Weiß er, was er will?

J
Ich hatte vor etwa einem Jahr einen neuen Kollegen bekommen, der mir auf Anhieb gefiel. Allerdings ist er verheiratet und deshalb verabschiedete ich mich schnell von dem Gedanken, mit ihm etwas anzufangen.
Doch irgendwie kam es dazu, dass wir uns einfach glänzend verstanden, den gleichen Humor haben, die gleichen Ansichten etc. Wir begannen, über whats app zu kommunizieren, er bot mir das Du an und es entwickelte sich langsam, aber stetig, eine ganz tolle Beziehung. Nach etwa 10 Monaten schliefen wir dann das erste Mal zusammen. Nach den ganzen Erfahrungen, die ich bereits gemacht habe, dachte ich nach dieser Nacht zunächst, dass es das jetzt wohl war und er quasi nur daraufhin zu gearbeitet hatte, um, nach 30 Jahren Ehe auch nochmal was spannendes zu erleben. Aber ich wurde positiv überrascht: Er meldete sich weiterhin per whats app, zusätzlich sahen wir uns ja jeden Tag in der Firma und unser Verhältnis zueinander wurde immer inniger. Er organisierte und plante seinen Tagesablauf so, dass wir uns möglichst oft unter vier Augen sehen konnten - alles natürlich im Geheimen, bis heute wissen die anderen Kollegen nichts davon, im Nachhinein ein Glück. Ich begleitete ihn auf Dienstreisen und wir hatten einfach eine grandiose Zeit, etwa 2,5 Monate, bis er eines Tages sagte, dass er seine Frau nicht weiter anlügen möchte und sich von IHR trennen möchte. Im gleichen Zuge fragte er mich, ob ich mir langfristig ein Leben mit ihm vorstellen könnte und dass er mich so sehr liebe... Ich war höchst erfreut und glücklich und konnte es gar nicht glauben, dass ein Mann seine Frau nach 30 Jahren Ehe für mich verlässt. Er trennte sich dann nicht sofort, sondern traf erst Vorkehrungen, wie Infobesuch beim Scheidungsanwalt, er eröffnete ein neues Konto und organisierte alles, um mit mir in ein neues Leben zu starten. Er plante sogar schon gemeinsame Urlaube..
Der Tag, an dem er sich trennte kam also. Sogar mir war schlecht, weil ich mit seiner Frau dann doch irgendwie Mitleid hatte. Die Tage nach der Trennung waren erstmal komisch, aber o.k. Wir redeten viel, ich nahm ihn viel in die Arme und war einfach für ihn da. Ich rechnete es ihm sehr hoch an, dass er diese Entscheidung getroffen hat, mit allen Konsequenzen. Am meisten litt er darunter, dass seine beiden erwachsenen Kinder nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Ich sprach ihm Mut zu und versicherte ihm, dass sich das schon wieder einrenken würde. Soweit, so gut. Gerade mal eine Woche später suchte er dann das Gespräch mit mir und sagte mir, dass er mit der Trennung nicht klarkommt, dass er gemerkt hat, wie sehr er seine Frau doch noch liebt und wie sehr er an allem hängt (Familie, Erinnerungen, gemeinsam Erreichtes etc.)! Da sie wohl keinen Kontakt zu ihm haben will, ist er von mir ausgezogen und in eine Wohnung auf Zeit, um sich angeblich Gedanken zu machen, wie sein Leben weiter gehen soll. Allerdings weiß ich aus einer anderen Quelle, dass er gerade alles dransetzt, wieder zu seiner Frau zurückzuziehen, schon Urlaub plant, Konzertkarten von ihrer Lieblingsband kauft etc. Er betreibt also den Aufwand, den er für mich/uns betrieben hat nun in der gleichen Geschwindigkeit und im gleichen Ausmaß für sie, also komplett in die andere Richtung. Er betont immer wieder, wie leid ihm alles tut, und auf meine Frage hin, warum er sich nicht vorher über alles Gedanken gemacht hätte, beteuert er immer wieder, das er das hat und alles plötzlich über ihn hereingebrochen sei. Ich sei für ihn immer noch ein wichtiger Mensch, eine tolle Frau und er könne sich nur immer wieder dafür entschuldigen, was er mir (und auch seiner Frau) angetan hätte.
Ich gehe gerade durch die Hölle. Von Wolke 7 auf null, von heute auf morgen. Und das schlimmste: Da wir Kollegen sind, sehen wir uns quasi jeden Tag. Er ist kein schlechter Mensch, ich wünsche ihm nichts Böses, aber ich verstehe nicht, wie man so eine 180Grad-Wendung machen kann. Und ich weiß nicht, wie das jetzt alles weitergehen soll, hier auf der Arbeit und generell. Wie soll ich jemals wieder einem Mann vertrauen? Einem, der sich so für mich ins Zeug gelegt hat, wahnsinnig emotionale Nachrichten geschrieben hat, den ich dafür bewunderte, dass er Entscheidungen traf, der das Ruder in die Hand nahm etc. Ich empfinde einfach nur eine unermesslich große Leere.

10.06.2016 10:51 • x 1 #1


Ricky
Hallo Julia,

das ist natürlich bitter für Dich. Der Kernsatz in Deiner Aussage liegt hier:

Zitat:
Am meisten litt er darunter, dass seine beiden erwachsenen Kinder nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.


Seine Ehefrau (Ex-Frau?) lässt ihn eiskalt stehen, aber dass seine Kinder ihn dafür auch komplett schneiden, das hat er nicht mitberechnet. Da sieht er auf einmal, dass er ALLES, was er in 30 Jahren aufgebaut hat, urplötzlich mit Dir zusammen bricht. Jetzt müsste er wieder bei Null anfangen. Und das kann ein Mann, der sehr wahrscheinlich schon 50 Jahre alt ist, vermutlich nicht so einfach, wenn er denn sowas wie einen Selbstwert hat.

Ihm ist erst in dem Moment klar geworden, was da alles dran hängt. Und das kannst Du nicht auffangen, egal, ob Du Atlas' Schultern zur Verfügung stellst. Das kauft er Dir nicht ab und ganz ehrlich? Ich auch nicht. Weißt Du was für eine Verantwortung da auf Dich zukommt, die Last von drei Menschenleben auf Dir zu tragen? Du wirst darunter zerbrechen wie ein rohes Ei.

Ich kann verstehen, dass Du durch die Hölle gehst, denn Du warst kurz vorm Ziel. Und immer wenn man kurz vorm Ziel ist und es einem dann weggeschnappt wird, ist der Schmerz noch größer, aber glaub mir: Dieses Tor, das er da aufgestoßen hat, wirst Du kaum schließen können. Und das solltest Du auch nicht.

Er denkt sicher viel über Dich nach, und ich wette es ist ihm unfassbar unangenehm (da spricht einfach dafür, dass er sich in der Tat getrennt hat), aber er hat hier nicht weiter gedacht, und das ist ihm zum Verhängnis geworden.

10.06.2016 11:04 • x 1 #2


A


Weiß er, was er will?

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H
Ich stimme Ricky da voll und ganz zu. Und vielleicht tröstet es dich, wenn du dir überlegst, ob du diesen Menschen wirklich in deinem Leben möchtest. Einen Menschen, der vermutlich nie ganz aufhören wird zu zweifeln, ob du die richtige Wahl warst.

10.06.2016 11:42 • x 2 #3


A
Ich bin über den gleichen Satz wie Ricky gestolpert, der mit den Kindern. Er hätte damit nicht nur seine Frau verlassen, sondern auch seine Kinder, was er dank der Verliebtheit offenbar übersehen hat. Ohne dir zu nahe treten zu wollen liest es sich so, als könntest du ihn nicht an deinen Kindern teilhaben lassen bzw. ihr hattet diesbezüglich keine Planungen.

Ich merke, eine Analyse ist schwer.

Mein Rat: nimm es zumindest als Lebenserfahrung hin (so wie bei mir) und zieh die Konsequenz draus, dich nicht mehr auf gebundene Männer einzulassen, wenn nicht eindeutig die Trennung ohne Rückkehr geklärt ist (und das herauszufinden ist eh schwer).

Also Kopf hoch, da gibt's noch andere draußen... nur Mut und Zuversicht. Aber erst einmal trauern und verarbeiten... schön der Reihe nach.

13.06.2016 18:42 • #4


J
Ich weiß nicht. Eure Meinung bzgl seiner Kinder kann ich nicht teilen. Sie sind Mitte 20, stehen mit beiden Beinen im Leben und sie tun das, was sie für richtig halten. Und bei ihrer Partnerwahl richten Sie sich auch nicht danach, wen ihr Vater wohl gut an ihrer Seite finden würde. Wenn sie jetzt wirklich noch klein wären oder zumindest in der Pubertät, könnte ich ihn vollkommenverstehen: Viele Paare bleiben dann zusammen bzw nur zusammen, damit die Kinder eine gute Entwicklung bekommen. Aber bei erwachsenen Kindern sollte man doch erwarten, dass sie ihrem Vater gönnen, mit einer anderen Frau glücklich zu sein. Auch wenn es am Anfang sehr schwerfällt.

13.06.2016 22:32 • #5


Ricky
Zitat von Julia40:
Ich weiß nicht. Eure Meinung bzgl seiner Kinder kann ich nicht teilen. Sie sind Mitte 20, stehen mit beiden Beinen im Leben und sie tun das, was sie für richtig halten. Und bei ihrer Partnerwahl richten Sie sich auch nicht danach, wen ihr Vater wohl gut an ihrer Seite finden würde. Wenn sie jetzt wirklich noch klein wären oder zumindest in der Pubertät, könnte ich ihn vollkommenverstehen: Viele Paare bleiben dann zusammen bzw nur zusammen, damit die Kinder eine gute Entwicklung bekommen. Aber bei erwachsenen Kindern sollte man doch erwarten, dass sie ihrem Vater gönnen, mit einer anderen Frau glücklich zu sein. Auch wenn es am Anfang sehr schwerfällt.


Huh? Sie haben ihn danach ja klar geschnitten Und das wird er in diesem Moment nicht mitberechnet haben und hat ihn mehr erwischt, als ihm lieb war. Seine Frau abzusägen, ist schon ein harter Schritt, dann aber von den Kindern auch noch den Stinkefinger gezeigt zu bekommen, weil man offiziell als der Zerstörer der Familie angesehen wird, ist dann schon ne bittere Pille. Was Du also erwartest oder nicht, spielt gar keine Rolle: Es ist nicht so, denn sie verhalten sich ja so. Und das hat er nicht kommen sehen. Und das wird es auch sein, was ihn dann da belastet. Egal, ob Dir das passt oder nicht. Du möchtest gern, dass es anders ist, ist es aaaber nicht.

Oder ist er mittlerweile zur Einsicht gekommen? Vermutlich nicht. Was die Kinder wie und wann empfinden, ist ihre Sache, so wie es die Deine ist, zu sagen: man sollte das als Kind doch akzeptieren. Nein, sollte man nicht. Man darf das auch besch*ssen finden, und man darf den schwarzen Peter auch auf ihn UND Dich projizieren. All is fair in love and war.

13.06.2016 23:55 • #6