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Die Liebe und der Tod

B
Hallo Forum! In einem anderen Thread ist der Wunsch entstanden, einen Faden zum Thema Tod, Trauer und ihren Einfluss auf Liebe und Beziehung zu eröffnen. Für mich ein sehr spannendes Thema, denn der Tod und die Trauer ziehen sich von Jugend an durch mein Leben und haben immer auch sehr großen Einfluss auf mich und meine Liebesbeziehungen gehabt. Das Siechtum und der Tod meiner Oma haben sogar meinen Berufswunsch beeinflusst. Ich arbeite heute in der Altenpflege und auch dort sind der Tod und die Trauer ständige Begleiter.

Ich habe schon häufiger erleben müssen, das Hinterbliebene nach dem Tod eines geliebten Menschen ihr eigenes Leben radikal veränderten. Manchmal gingen sie Affären ein, manchmal trennten sie sich von langjährigen Lebenspartnern oder veränderten ihre beruflichen Aktivitäten. Witwer und Witwerinnen standen plötzlich alleine im Leben und mussten sich entscheiden, ob sie wieder auf die Suche nach einem neuen Partner gehen oder nicht. Diese neuen Partner mussten sich an dem jeweils Verstorbenen messen lassen und spürten diesen Druck fast körperlich. Nicht immer gelang deshalb der erneute Schritt in die Liebe.

Ich finde dieses Thema sehr lehrreich, spannend und sehr sehr persönlich. Ich bin gespannt auf eure Geschichten und möchte gerade hier noch mal eindringlich bitten, wertschätzend und respektvoll miteinander umzugehen. Der Tod gehört zum Leben sagt man und Leben ohne Liebe ist eigentlich unmöglich. Wie seht ihr das?

25.08.2020 07:39 • x 2 #1


S
Liebe Bernhardine,
der Tod ist der Abschluss eines jeden Lebens und gehört somit sicherlich in diesen Zyklus.
Die Facetten des Todes sind allerdings, wie die der Liebe, sehr sehr vielseitig.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen,das der Tod auch etwas *schönes* haben kann.
Ich habe meine Eltern, die beide innerhalb von vier Wochen gestorben sind, bis zur letzten
Sekunde begleitet und weis daher, das dieses Sterben nicht schlimm war, sondern etwas friedliches
und befreiendes war. Nichts desto Trotz kommt der Tod immer zu früh!
Man kann sich noch so lange darauf vorbereiten, wenn es dann soweit ist, hätte man gerne noch mehr
Zeit gehabt mit seinen Angehörigen....
Was das trauern angeht, gibt es da glaube ich keinen Königsweg...
Ich habe das sehr gut durch viel reden bewältigen können.

Die hässliche Fratze des Todes hat sich mir vor fünf Jahren gezeigt, als eine sehr gute Freundin(Wir waren kein Paar),
bei einem,Juristen nennen es wohl *erweiterten Suicid* , umgekommen ist.
Die Dimension ist dann eine ganz andere. Wenn ich nur an die vielen jungen Menschen denke, deren Leben
ausgelöscht wurde, bevor es richtig begonnen hat.....Die Familien die zerstört wurden.
Ich weis aus sehr sicherer Quelle, das sich vier Paare , deren Kinder umgekommen sind, noch im ersten
Jahr danach getrennt haben.

Trauerarbeit ist auch ein elementarer Punkt, wenn sich Menschen deren Partner verstorben ist, auf
eine neue Beziehung einlassen wollen. Da wird dann das Reden über den Verstorbenen völlig missverstanden!
Das hat nichts mit vergleichen oder auf ein Podest stellen zu tun .....Das ist NUR Verarbeiten und Bewältigen.
Mit den Gefühlen für den neuen Partner hat das gar nichts zu tun.
Wenn der neue Partner dafür kein Gespür hat, ist diese Beziehung zum Scheitern verurteilt.

25.08.2020 09:07 • x 3 #2


A


Die Liebe und der Tod

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M
Schwieriges Thema! Auch für mich war der Tod ständiger Begleiter in meinem Leben. Das fing schon früh an, denn ich war als Kind sehr krank und habe nur knapp überlebt. Wochenlang lag ich als Kleinkind unbegleitet im Krankenhaus. Bewusste Erinnerungen daran habe ich nicht. Ich weiß aber, dass ich mich danach in meiner Familie immer als Fremdkörper fühlte. Sie hatten mich wohl schon abgeschrieben. Mein Vater verbot meiner Mutter allzu häufige Besuche, da ihr das nicht gut täte. All das erfuhr ich später aus Erzählungen. Ich wurde ein überangepasstes Kind das alles tat, um wieder seinen Platz in der Familie zurück zu erkämpfen, doch ich blieb ein Fremdkörper. Später dann erlebte ich die Pflege und den Tod meiner Großeltern ebenfalls sehr belastend. Dennoch wollte ich Krankenschwester werden, was man mir verbot, da man mir die Belastung immernoch nicht zutraute.

Wenige Wochen nach der Geburt meines Kindes, das ebenfalls krank zur Welt kam, erkrankte und verstarb meine Mutter. Mein Vater regelte alles von Beerdigung bis Erbschaft, von der ich natürlich nichts abbekam. Ich blieb Zaungast. Bald darauf suchte er sich neue Frauen und in die erste Freundin war er so verliebt, dass er mir und anderen davon in sehr unpassender Weise vorschwärmte. Die fast 50 jährige Ehe mit meiner Mutter war für ihn kein Thema mehr. Als er dann verstarb, zog es mir endgültig die Füße weg. Ich fiel in eine schwere Depression und suchte Erlösung bei einem Mann, der ebenfalls kurz zuvor einen schweren Verlust erlitten hatte. Natürlich wurde daraus nichts dauerhaftes. Es wurde ein kurzes Abenteuer, dass mich fast meine Existenz gekostet hätte. Immerhin aber holte ich mir nun endlich therapeutische Hilfe. Ein Rat, den ich auch diesem Mann bei unserem letzten Abschied ans Herz legte. Er entschied sich aber leider für den Suff.

Trotz allem - Heute geht es mir wieder gut und mein Leben und mein Umfeld hat sich stabilisiert. Die Trauer um all die verlorenen Menschen, Chancen und Lebensjahre wird mich wohl nie völlig loslassen. Ich weiß, ich muss gut mit mir umgehen, um bindungsfähig und stabil zu sein. Selbstliebe ist etwas, was ich erst lernen musste. Bindung zu anderen Menschen aufzubauen fällt mir schwer. Ich muss jeden Tag daran arbeiten. Ich hoffe sehr, dass mir das eines Tages vielleicht leichter fällt.

Besonders dankbar bin ich meinem Mann und meinem Sohn, die trotz allem immer zu mir gestanden habe. Ohne ihre Liebe wäre ich verloren. Ich hoffe, ich kann ihnen das irgendwann auch nur annähernd zurück geben.

25.08.2020 11:08 • x 2 #3


S
Zitat von Bernhardine:
Diese neuen Partner mussten sich an dem jeweils Verstorbenen messen lassen und spürten diesen Druck fast körperlich. Nicht immer gelang deshalb der erneute Schritt in die Liebe.


Genauso habe ich es auch erlebt.

Ich war zwar der Meinung, nicht zu vergleichen, aber vermutlich habe ich es unterschwellig dennoch getan. Wirklich bewusst wurde mir dieser Druck, den ein sehr netter Mann bei mir vermutlich verspürte, erst, als er mir sagte, er könne mir leider den Verstorbenen nicht ersetzen...

Für mich stellte sich dies Thema völlig anders dar, nämlich so:


Zitat von Sliderman:
Trauerarbeit ist auch ein elementarer Punkt, wenn sich Menschen deren Partner verstorben ist, auf
eine neue Beziehung einlassen wollen. Da wird dann das Reden über den Verstorbenen völlig missverstanden!
Das hat nichts mit vergleichen oder auf ein Podest stellen zu tun .....Das ist NUR Verarbeiten und Bewältigen.
Mit den Gefühlen für den neuen Partner hat das gar nichts zu tun.

25.08.2020 11:38 • x 1 #4


S
Nach dem Tod meiner Freundin konnte ich fast fünf Tage nicht weinen...
Ich weis , das andere das viele Monate nicht konnten. Diese Tage waren besonders schlimm, weil ich dachte , ich würde platzen....
Die ersten Monate konnte ich auch nur mit meiner Frau darüber reden, spontan, ungeplant und natürlich auch immer wieder die selben Geschichten. Für mich war das unheimlich wichtig und hilfreich.
Ich habe bestimmt zwei Jahre gebraucht um mit dem Motorrad die Strecken zu fahren oder die Orte aufzusuchen, an denen wir zusammen waren.... Es wäre früher nicht möglich gewesen ohne das Visier meines Helms von innen nass zu machen...

25.08.2020 11:52 • x 1 #5


S
Zitat von Sonnenblume53:
Ich war zwar der Meinung, nicht zu vergleichen, aber vermutlich habe ich es unterschwellig dennoch getan. Wirklich bewusst wurde mir dieser Druck, den ein sehr netter Mann bei mir vermutlich verspürte, erst, als er mir sagte, er könne mir leider den Verstorbenen nicht ersetzen...

@Sonnenblume53
Bist du mit dem Mann noch zusammen? Wie hat sich das weiter entwickelt?

25.08.2020 12:02 • #6


S
Zitat von Sliderman:
@Sonnenblume53
Bist du mit dem Mann noch zusammen? Wie hat sich das weiter entwickelt?


Wir haben uns als sehr gute Freunde getrennt. Er hat danach eine tolle Frau kennengelernt und geheiratet, da er eine feste Beziehung (vorher auch zu mir ) wollte. Auch mit ihr verstehe ich mich sehr gut.

25.08.2020 12:11 • x 1 #7


S
Zitat von Mathilda54:
Die Trauer um all die verlorenen Menschen, Chancen und Lebensjahre wird mich wohl nie völlig loslassen.


Die Trauer um verlorene Menschen wird niemals GANZ aufhören. Das ist völlig normal. Auch heute gibt es hin und wieder feuchte Augen, wenn ich von Erinnerungen geschüttelt werde. Das Gefühl der Trauer sollte allerdings im Großen und Ganzen von dem Gefühl des Vermissens überlagert werden. Dann, so denke ich, hat man das gut verarbeitet.

25.08.2020 12:12 • #8


S
Zitat von Sonnenblume53:
Wir haben uns als sehr gute Freunde getrennt. Er hat danach eine tolle Frau kennengelernt und geheiratet, da er eine feste Beziehung (vorher auch zu mir ) wollte. Auch mit ihr verstehe ich mich sehr gut.


Bist Du nochmal eine neue Beziehung eingegangen und wenn ja, hast du etwas anders gemacht?

25.08.2020 12:16 • #9


S
Zitat von Sliderman:
Bist Du nochmal eine neue Beziehung eingegangen?


Momentan nicht.
Aber wer weiß - vielleicht funkt es mal im Altersheim beim Rollatorzusammenstoß...

Zitat von Sliderman:
Die Trauer um verlorene Menschen wird niemals GANZ aufhören. Das ist völlig normal. Auch heute gibt es hin und wieder feuchte Augen, wenn ich von Erinnerungen geschüttelt werde. Das Gefühl der Trauer sollte allerdings im Großen und Ganzen von dem Gefühl des Vermissens überlagert werden. Dann, so denke ich, hat man das gut verarbeitet


Die Trauer um einen verlorenen Menschen wird niemals ganz aufhören - absolut richtig, meiner Meinung nach!

Ich habe es für mich so erlebt, dass sie sich wandelt...von einem beißenden, stechenden, alles überlagernden Schmerz in einen dumpfen, zugehörigen.

25.08.2020 12:31 • x 1 #10


S
Zitat von Sonnenblume53:
Momentan nicht.
Aber wer weiß - vielleicht funkt es mal im Altersheim beim Rollatorzusammenstoß...


Klasse !

25.08.2020 12:34 • x 1 #11


M
Leider konnte ich nie wirklich um meinen Vater trauern. Um meine Mutter habe ich intensiv getrauert, daher weiß ich wie sich das eigentlich anfühlen müsste. Bei meinem Vater war es eher so ein Gefühl der Endgültigkeit. Endgültig würden wir nie wieder eine Chance bekommen, unser Verhältnis zu klären. Endgültig würde ich nie wieder meine Fragen beantwortet bekommen, warum er mich nicht lieben konnte. Ich habe mir inzwischen vieles zusammen gepuzzelt und mit Hilfe meiner Therapeutin konnte ich mich von diesen Fragestellungen lösen, um mein Leben wieder weiter zu leben. Gleichzeitig löste ich mich von diesem anderen Mann, in den ich so sehr verliebt war. Im Nachhinein denke ich, er war eine Zeit lang der Stellvertreter meines Vaters in meinem Leben. Ich habe mich so sehr um ihn bemüht wie noch nie zuvor um einen Menschen. Ich hoffte, wenn ich seine Liebe gewinnen könnte, wäre ich erlöst. Und schließlich war er ja auch Witwer und ich wäre nichts lieber gewesen als die neue, liebende, verständnisvolle Frau an seiner Seite. Ich sah mich schon als Ersatzmutter seiner Kinder und Ersatzoma seiner Enkel. Doch er wollte mich nicht und riss damit ohne es zu ahnen eine sehr alte, sehr tiefe Wunde auf.

Inzwischen ist diese Wunde wieder verschlossen. Geheilt ist sie noch nicht ganz aber ich hoffe, auch das kommt irgendwann. Trauer und Liebe liegen für mich sehr nah beieinander. Zwei Gefühle mit denen ich bisher sehr unterschiedliche und z.T. sehr schwierige Erfahrungen machen musste. Wie gesagt, nur die Liebe meines Mannes und meines Sohnes konnten mich am und im Leben halten. Vielleicht ist das mehr als ich erwarten darf.

25.08.2020 13:20 • x 1 #12


S
Zitat von Mathilda54:
Leider konnte ich nie wirklich um meinen Vater trauern. Um meine Mutter habe ich intensiv getrauert, daher weiß ich wie sich das eigentlich anfühlen müsste. Bei meinem Vater war es eher so ein Gefühl der Endgültigkeit. Endgültig würden wir nie wieder eine Chance bekommen, unser Verhältnis zu klären. Endgültig würde ich nie wieder meine Fragen beantwortet bekommen, warum er mich nicht lieben konnte. Ich habe mir inzwischen vieles zusammen gepuzzelt und mit Hilfe meiner Therapeutin konnte ich mich von diesen Fragestellungen lösen, um mein Leben wieder weiter zu ...


Deine Geschichte ist schon krass... Du kannst stolz auf dich sein!
Auch wenn du Hilfe hattest, musstest du diesen schweren Weg gehen.
Hut ab !

25.08.2020 13:23 • #13


A


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