Endgültiges Ende

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Hallo Forum.

Zwei Tage vor Weihnachten habe ich meine Ex-Freundin wiedergetroffen und unser Treffen ist eskaliert. Ich bin hin und hergerissen zwischen völliger Gleichgültigkeit und tiefer Trauer. Besonders am Morgen muss ich mich zwingen, aufzustehen, damit die Panik nicht in mir hochsteigt und mich am Boden hält. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie ich beschreiben soll was in mir vorgeht. Teilweise würde und könnte ich sachlich schreiben, andererseits habe ich die letzten Jahre unfassbar viele Briefe, Gedanken etc. aufgeschrieben, die meist viel besser meine Stimmung beschrieben können. Ich möchte endlich abschließen und meine innere Ruhe finden.

Nachdem meine erste große Liebe und meine langjährige Beziehung, meine Ex-Freundin E., nach einem Jahr im Ausland zurückgekehrt ist, hatte ich kurze Zeit die Hoffnung, dass sich zwischen uns wieder Frieden einstellen könnte.

Was mich am meisten schmerzt ist die Tatsache, dass ich nicht nur endgültig einen geliebten Menschen verloren habe, sondern auch dem Menschen nichts mehr zu sagen habe, der in den letzten Jahren einmal mein wichtigster und engster Freund war.

Vor ihrer Abreise im September 2010 hatten wir regelmäßig Meinungsverschiedenheiten. Ich lasse unsere speziellen Streitthemen aus, aber wie sie mir nach ihrer Rückkehr sagte, hätte sie es verstanden, wenn ich mit ihr kein Wort mehr gesprochen hätte. Es geht auch nicht darum, wer angeblich Recht hatte.

Drei Wochen, bevor sie fliegen sollte, waren die letzten Worte, die ich von ihr hörte, dass sie sich bei mir melden werde. Sie war jedes einzelne der restlichen Wochenenden mit ihrer Band auf Tour. Nachdem sie sich auch in der letzten Woche vor ihrem Flug nicht meldete, wusste ich, dass ich sie wohl nur noch am Tag vor ihren Flug sehen würde. Also rief ich sie wie oft zuvor als Erster an. Nach einem großen Streit und unserer Versöhnung verbrachten wir die letzten beiden Tage gemeinsam bei ihren Eltern (ihre Mutter: „Jetzt werfen wir die anderen raus und verbringen den letzten Abend nur noch in der Familie.“), die für mich in den Jahren zu meiner Ersatzfamilie geworden waren.

Am Tag ihrer Abreise fuhr ich mit dem Auto quer durch Deutschland an meinen neuen Studienort. Frühmorgens, unterbrochen durch eine Kaffepause an der Autobahnraststätte, und geschüttelt von Weinkrämpfen. Unsere Streitigkeiten im vergangenen Jahr hatten wir abgeschlossen, aber im Nachhinein habe ich ihr wohl nie verzeihen können. Es ging dabei meistens um ihre Musik und ihre beiden Bands, mit denen sie in ganz Deutschland unterwegs war und ist. Was mich nie störte – was mich störte war die schleichende Entwicklung, dass sie mich immer mehr aus ihrem Leben ausschloss und begann, keine Zeit mehr für mich zu haben. Am dem Tag an dem sie flog, wusste ich, dass ich sie wohl verloren hatte. Ich schrieb ihr zwei Monate später eine email und brach den Kontakt ab. Ich sah keine Hoffnung auf eine Zukunft mit ihr und konnte kein Jahr in Unsicherheit leben, um danach wahrscheinlich endgültig enttäuscht zu werden.

Das ganze Jahr über dachte ich dennoch jeden einzelnen Tag an sie. Auch wenn ich öfters lese, dass Männer weniger als Frauen längere Zeit mit Trauern verbringen muss ich zugeben, dass ich wohl eine Ausnahme bin. Ich habe das Jahr versucht, mich von ihr zu lösen, ich habe viele neue Menschen kennengelernt und mit meinem alten Leben beinahe keine Berührungspunkte mehr. Über sie hinweggekommen bin ich nicht. Ihre Meinung war mir früher immer die wichtigste und sie war der einzigste Mensch, bei dem ich mich vollkommen geborgen gefühlt habe.

Im September 2011 kehrte sie zurück. Sie traf sich mit meinem besten Freund, sie sahen mich zufällig in der Stadt, riefen mich später an, wir verbrachten die ganze Nacht draußen an einem Brunnen. Dieser Tag war der schönste des letzten Jahres. Am nächsten Abend gingen wir gemeinsam in unsere alte Lieblingskneipe und ich übernachtete bei ihr in ihrer neuen Wohnung, wir standen mittags zusammen auf und redeten stundenlang auf ihrem Balkon. Sie fragte mich, wie wir zueinander stehen wollten. Ich ging nach Hause, versuchte die ganze Nacht zu schlafen. Am Morgen fuhr ich zu ihr, um ihr zu sagen, dass ich mir keinen Kontakt mehr vorstellen kann. Sie wollte mit mir „befreundet“ sein. Aber wie soll ich mit jemandem befreundet sein, auf den ich mich nicht verlassen kann.

Ende November schrieb sie mir eine Email. Sie wollte mich sehen und mit mir reden. Wir verabredeten uns für einen Sonntagnachmittag. Sie meinte, sie sei ab Mittag auf jeden Fall zu Hause und hätte dann Zeit für mich. Ich arbeitete an diesem Wochenende beinahe ohne Pause und Schlaf, um rechtzeitig fertig zu werden. Als ich sie nach der Arbeit anrief, meinte sie, dass sie wegen Studioaufnahmen am Wochenende noch auf der Autobahn bei Frankfurt sei und wir unser Treffen besser verschieben sollten, da sie mit mir in Ruhe sprechen wolle. Und genau dieses Verhalten erinnerte mich so sehr an unsere alten Konflikte, die sich meistens um Verlässlichkeit drehten. Es hat sich nichts geändert und ich verstehe nicht, wie ich jemandem wichtig sein soll, der sein Wort mir gegenüber so oft nicht hält.

Früher hatte sie mir häufig versprochen, mich von meiner Arbeit abzuholen, was sie nie getan hat. Mit mir und ihrer Mutter zu ihrer Familie nach Schlesien zu fahren – um dann drei Tage vorher abzusagen, weil sie einen Auftritt mit ihrer Band hatte. Mich vier Stunden lang an unserem Treffpunkt warten zu lassen – weil sie vergessen hatte, dass ich auf sie wartete und ihr Handy wie meistens ausgeschaltet war.

Kurz vor Weihnachten gingen wir schließlich zusammen auf den Weihnachtsmarkt. Warum? Ich weiß es nicht. Ich hatte eigentlich keine Lust sie zu treffen. Es ist nicht mehr meine Aufgabe ihr Leben mitzuverfolgen und mich mit ihr zu freuen oder zu sorgen. Sie wollte mir wohl erzählen, dass sie einen neuen Freund hat. Es stört mich nicht, denn entweder passt er zu ihr – oder eben nicht. Ich jedenfalls kann damit leben. Womit ich nicht leben kann ist das Gefühl, dass du mir davor keine Chance mehr gegeben hast, als ich für dich da sein wollte.

Du wolltest mich umarmen, wohl damit ich dir noch einmal verzeihe. Ich bin auf dem Heimweg wortlos einen halben Schritt versetzt vor dir gegangen während du von irgendwelchen Bekannten erzählt hast und immer wieder in Tränen ausgebrochen bist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal verstummt bin, weil ich nicht mehr reden konnte. Auch nicht mehr reden wollte. Als du sagtest, dass du jetzt geradeaus nach Hause weitergehst, hat mich das nicht mehr berührt. Ich hatte keinerlei Bedürfnis, zum Abschied deine Umarmung zu spüren, dir alles Gute zu wünschen und zu sehen, wie du gehst. Denn eigentlich hätte ich schon lange derjenige sein müssen der dich endgültig verlässt. Du bist mir hinterher gelaufen und hast mich gefragt, warum ich mich nicht einmal mehr von dir verabschieden möchte. Und das letzte was ich zu dir sagte, ist das, was ich den ganzen Heimweg dachte: „Ich habe dir nichts mehr zu sagen.“.

Meine Respektlosigkeit dir gegenüber hat mich sehr belastet. Für meine Respektlosigkeit erwarte ich kein Verzeihen. Ich weiß, dass du auf mich zugehen wolltest, damit wir als Freunde leben können. Aber ich habe nach allem was war kein Vertrauen mehr zu dir. Und verstehe, dass du mich ebenfalls nicht mehr sehen möchtest.

Ich habe die nächsten Tage kaum geschlafen, bin meist mitten in der Nacht aufgewacht, habe mir ständig Schlafmittel eingeworfen, konnte dennoch nicht schlafen. Mein Tbk lag gewohnt hoch. Ich bin rastlos durch die Gegend gefahren und war häufig lange spazieren, oft in der Nacht oder bei Tagesanbruch. Mit einer Flasche Wein gelang es mir danach meist unruhig einzuschlafen. Meine Eltern haben sich sehr viele Sorgen um mich gemacht, auch wenn sie nicht wissen, was genau letztendlich passiert ist.

Ich habe mit dir den letzten Rest meines alten Lebens verloren, nachdem ich für mein Studium meine Wohnung aufgegeben habe und seitdem seit eineinhalb Jahren ohne einen eigenen Rückzugsort lebe; auch deshalb regelmäßig umziehe. Meine Freunde sind über ganz Deutschland verstreut, meine Arbeit allein kann mich nicht aufrecht halten. Mein Studium habe ich endlich abgebrochen, weil ich nicht weiter halbherzig und aus Kalkül studieren möchte. Wohin ich jetzt gehen soll weiß ich nicht. Was ich machen möchte weiß ich nicht sicher. Ich überlege mir, wie meine Mutter doch eine Ausbildung zu machen. Oder den Traum aufzugeben, an einer guten und anregenden Uni zu studieren und stattdessen realistisch zu sein. Zurück nach Hause zu gehen, eine eigene Wohnung einzurichten, in der ich länger als die nächsten drei Monate leben werde. Wieder Zeit für Freunde zu haben und vor allem in einem ausfüllendem Beruf oder - vielleicht doch - in einem passenden Studium hart zu arbeiten, um meine Unabhängigkeit wieder selbst zu gewährleisten.

Was auch immer ich machen werde, du wirst es nicht mehr erfahren.

06.01.2012 19:09 • #1




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