Erst war ER unzufrieden - jetzt ICH Gibt es einen Weg?

Cat65
Hallo an alle,

da ich mich in den letzten Wochen nur noch im Kreis drehe und sehr ratlos bin, möchte ich euch meine momentane Situation schildern - vielleicht gibt es Anstöße, die ich selbst momentan gar nicht mehr sehen kann.

Kurz zur Zeit davor:
Mein Mann (54) und ich (53) haben uns im Studium kennengelernt, sind seit 30 Jahren zusammen, davon 24 verheiratet. Wir haben 2 Kinder, Haus, Katze und Hund Wir haben in den 30 Jahren viel miteinander durchgemacht und waren trotz allem, oder gerade deshalb immer ein gutes Team. Vor 25 Jahren überstand mein Mann eine sehr ernste Krebserkrankung, die durch die extreme Chemotherapie zur Folge hatte, dass er Impot. wurde. Es folgte eine emotional schwere Zeit, in der wir uns und unsere S. wieder neu finden mussten,- aber im Laufe der Jahre schlief auch das immer mehr ein. Aber wir liebten uns und ich habe mich mit seinem Rückzug arrangiert. .
Wir sind ein attraktives Paar und für unser Alter ) sehr gutaussehend und hanseatisch, wohl dem Klischee eines leidlich erfolgreichen Mittelstandspaares entsprechend. Mein Mann ist ein sehr ruhiger, ausgeglichener und besonnener Mensch. Er hat im Elternhaus nie gelernt, Gefühle zu zeigen, zu streiten, sich auseinander zu setzen. Er ist eher ein großer Schweiger, der sich gern zurück zieht. Ich dagegen bin ein sehr emotionaler Mensch, mir fällt es nicht schwer, Gefühle zu zeigen, oder wütend zu werden, mich zu streiten. Ich bin ganz anders. Gegensätze ziehen sich an?! Dachte ich auch mal, aber so einfach ist das wohl nicht.

Kurz zum Auslöser der jetzigen Situation:
Im Dezember fand ich meinen Mann plötzlich komisch, konnte das aber an nichts Konkretem festmachen, war nur ein Bauchgefühl. Am Abend des 1. Januar, er war mit dem Hund Gassi, ich saß am Schreibtisch, erscheint plötzliche eine Nachricht von ihm im Familien-Chat (in dem nur wir beide und unsere Söhne sind) von WhatsApp eine Nachricht, die ich erst überhaupt nicht verstanden habe. Sinngemäß Komme gleich mit dem Hund aus der Kälte und würde mich gerne aufwärmen. Hast Du eine Idee?! Ich starrte diese Nachricht an und es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass die Nachricht wohl fehlgeleitet und nicht an uns, sondern an eine ganz andere Person war. Obwohl diese Nachricht nicht eindeutig war, begriff ich schlagartig, dass mein Mann mit einer anderen Frau kommuniziert - und mein Bauchgefühl aus dem Dezember fiel mir wieder ein. Also doch nicht falsch gefühlt! Das war wie ein Schock, anders kann ich es nicht beschreiben. Ich kommentierte seine fehlgeleitete Nachricht mit Die musst du wohl nochmal an die richtige Person senden.

Die darauf folgenden Wochen bis jetzt kann ich hier nicht wiedergeben, dann müsste ich ganze Romane schreiben. Die Frau - wie soll es anders sein: eine Kollegin! - hat er auf der Firmenweihnachtsfeier näher kennengelernt, sie ist 25 (Midlife Crisis lässt grüßen) , verlässt aber jetzt die Firma und es war seiner Aussage bis auf einen Kuss auf der Feier nichts zwischen ihnen. Sie würden sich nur schreiben und seien auf der selben Wellenlänge, er fühlte sich gebauchpinselt durch ihr Interesse etc etc etc. . Er hat den Kontakt zu ihr sogleich abgebrochen und sagte mir unter Tränen, dass er mich nicht verlieren will, niemand anders will, aber so viel zwischen uns zur Gewohnheit geworden ist, ihm unsere alte Nähe fehle, die Gefühle abgestumpft seien und wir uns wieder auf uns besinnen müssen.
Ich kann die Nächte, die wir seitdem durchgeredet haben, nicht mehr zählen. Die vielen Tränen meinerseits auch nicht. Das auf und ab, die Verletztheit, die Trauer, dann auch die Wut, dass der Mensch, dem ich so viele Jahre bedingungslos vertraut habe, einfach so alles aufs Spiel setzen wollte. .

Ja, er war offensichtlich unzufrieden mit seinem alltäglichen Leben, ihm fehlte etwas Wichtiges, das er bei jemand anders zu finden meinte. . und ich?!
War ich denn zufrieden?
Glücklich?
Diese kleine falschgeleitete Nachricht war für mich interessanterweise wie ein Weckruf, wie ein Aufwachen. Hatte ich mich so lange Jahre seinetwegen mit einer platonischen Ehe arrangiert, hatte unser freundschafliches Zusammenleben akzeptiert, hatte mir eingeredet, dass so alles ok ist, so merkte ich plötzlich wie mit einem Blitzschlag, dass ich mir selbst etwas vorgemacht habe. Auch ich war NICHT zufrieden und glücklich, mir fehlt S. und Begehren und Zärtlichkeit mehr, als ich mir selbst eingestehen wollte. Ich will Gefühle, will emotionale Nähe, will liebevolle Berührungen im Vorbeigehen, will so viele Gefühle l e b e n . . . . .
Mit ihm?
Immer noch nach so vielen gemeinsamen Jahren mit diesem Mann?
Ja, mit ihm! Mir war klar, dass meine Gefühle noch da sind, seine ebenfalls und wir diese im Laufe der Jahre durch Alltag und Gewohnheiten zugeschütteten Gefühle von Staub und Spinnweben befreien und wieder freilegen können. Nur müssen wir dafür etwas tun, es wird uns nicht in den Schoß fallen und *peng* alles ist wieder gut.

Oh oh, das alles war nur die Vorrede. Jetzt kommt erst die eigentliche Situation:

Ich denke, er ist komplett damit überfordert, was aus dieser kleinen fehlgeleiteten Nachricht geworden ist, was er damit alles losgetreten hat. Es geht schon lange nicht mehr um diese 3wöchige Fast-Affaire - es geht um viel mehr, es geht um einen Neuanfang, um das Wiederfinden alter Aufmerksamkeiten. . und es geht um meine plötzliche Erkenntnis, dass ich mir selbst etwas vorgemacht habe, indem ich glaubte, ich wäre trotz aller Liebe zufrieden mit unserem Leben, unserem Zusammensein.

Konkret heißt das: ich will alles um 180° drehen, alles anders, alles neu machen, alles nachholen, was wir die ganzen Jahre nicht getan haben, will mit ihm unsere verschüttete Nähe wieder freibuddeln, will Zwiegespräche (habe letztens darüber gelesen und finde diese Methode genial!) führen, will wieder Zärtlichkeiten und Aufmerksamkeiten, will spüren, dass ich ihm wichtig bin, will Taten statt Worte. . . . und natürlich will ich ihm all das auch geben, ohne wenn und aber.

Und er? Er scheint total geschockt von so viel Emotion Er, der noch nie ein Mann war, der übermäßig Gefühle gezeigt hat, fühlt sich offensichtlich unter Druck gesetzt und reagiert komplett entgegengesetzt: er zieht sich zurück und kommt mir keinen Schritt entgegen.
Wie oft haben wir in letzter Zeit über Kleinigkeiten gesprochen, Kleinigkeiten, die das Miteinander jedoch ausmachen, die mir (wieder) wichtig (geworden) sind,- sei es einander kurz lächelnd in den Arm zu nehmen, wenn man sich im großen Haus begegnet (anstatt einfach unbedacht aneinander vorbei zu gehen), sei es dem anderen am Tag mal eine liebe Nachricht zu schreiben (anstatt sich nur über die Termine der Kinder etc auszutauschen), sei es einfach mal den anderen in der Dusche zu überraschen (anstatt in der 2. Dusche duschen zu gehen ), sei es. . ach, da könnte ich 1000 Dinge aufzählen. Er weiß, dass mir diese Kleinigkeiten wichtig sind, scheint diese aber ganz bewusst zu ignorieren. Und die Frage nach dem Warum beantwortet er mir nicht, er sagt, die kann er mir nicht beantworten, weil es keinen Grund gibt. Keinen Grund? Kann nicht sein, es muss einen geben. Also beantworte ich mir diese Frage selbst: sein Gefühl für mich reicht nicht mehr aus, um auch all diese kleinen und großen Dingen zu verändern und neu zu wollen.

Nein, nicht dass sich gar nichts verändert hätte. Wir sind uns schon wieder näher gekommen, auch körperlich sind wir wieder aufeinander zugegangen und es ist schön, es ist wie den anderen neu zu entdecken nach all den Jahren, aber mir fehlt etwas. . . mir fehlt das Gefühl, dass er mich liebt, dass er mich will, dass er uns will, dass er neu beginnen will. . Und das macht mich nicht nur unzufrieden, sondern unglücklich! Das zeige ich ihm natürlich auch (verflixt, ein wenig mehr Selbstbeherrschung täte mir manchmal wirklich gut!) und dann scheint er sich noch mehr zurück zu ziehen.

Ein Teufelskreis, aus dem ich momentan nicht heraus komme.

Gerade heute Nacht sagte er zu mir, dass er nirgendwo anders sein will als hier bei mir, dass er uns nicht aufgeben will, dass ich ihm mehr bedeute als irgendjemand sonst auf der Welt (bis auf die Kinder ). Und was tue ich? Zack, rein in den Teufelskreis, anstatt einfach anzunehmen, was er sagt, bekomme ich das große Geheule, weil sich das in meinen Ohren so sachlich anhört. Ich bin wirklich momentan ziemlich nah am Wasser gebaut, ziemlich durch den Wind, erkenne mich selbst nicht wieder, wo ist mein Selbstbewusstsein geblieben?! Wieso fühle ich mich so wertlos? Wieso mache ich mich so klein vor ihm?
Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass er offensichtlich nicht das selbe möchte wie ich und ich somit unsere ganze Ehe in Frage stelle und nicht weiß, ob es dann noch eine Grundlage für uns gibt. Kompromisse müsste dann nämlich nur ich machen.
Ich drehe mich im Kreis. Einmal denke ich, dass ich nicht mehr ohne die Erfüllung meiner neu erweckten Gefühle und Bedürfnisse und Wünsche leben will,- dann wieder denke ich, dass ich doch auch zufrieden sein kann mit den Gefühlen, die er mir gibt (zu geben bereit ist?), es sind ja nicht wenige und sie sind auch ehrlich, eben nur nicht das Optimum. Gibt es das Optimum überhaupt? Und wenn ich mich für die zweite Möglichkeit entscheide, wie komme ich aus dieser Erwartungshaltung und den daraus unweigerlich resultierenden Enttäuschungen wieder raus?

Ich drehe mich und drehe mich. . .

Heute Morgen hielt er mich im Arm und sagte Ich bin doch hier bei Dir und nicht woanders! und küsste mich. . . . und anstatt einfach einmal nichts (Negatives) zu denken, flüsterte mir der Teufel im Kreis zu Ist er das wirklich? Bist Du dir sicher? Ist es nicht nur sein Pflichtgefühl, das ihn hier hält?.
Es ist zum K. . !

Hat jemand von euch schon einmal ähnliches durchgemacht und diesen Zwiespalt für sich gelöst? Es vielleicht geschafft, aus diesem Teufelskreis wieder heraus zu kommen und wieder offen und ohne (falsche) Erwartungen zu sein? Ich habe momentan keine Ahnung, wie ich da wieder rauskomme. . . . und mag mich selbst nicht mehr!

Nun ist das hier doch ein halber Roman geworden, und wahrscheinlich teils auch ein wenig verworren. Es ist nicht leicht, seine Gedanken geordnet niederzuschreiben, wenn in einem selbst alles ziemlich durcheinander ist - aber danke für´s Lesen!

Viele Grüße,
Cat65

19.03.2019 16:00 • #1


K
Hallo und willkommen.

Ich finde, Du schreibst sehr schön und nachvollziehbar.

Nein, Deine Situation kenne ich nicht. Aber ich denke, da kommen viele Komponenten zusammen. Vor allem sein Fast-Ausrutscher und die Mitte des Lebens, in der man so viel in Frage stellt und neu definiert, wie man eigentlich die kommenden Jahre verbringen will, die ja in Wahrheit eher 1/3 sind als eine ganze Hälfte.

Für mich liest es sich, als hättet Ihr gute Anlagen. Ob er nun bleibt, weil er meint, dass er muss, ob es eine Vernunft- oder Herzensentscheidung ist, kann vermutlich nicht mal er beantworten.

Leider liest man hier bei Dir eben auch ein Paradebeispiel dafür, wieviel Misstrauen, Enttäuschung und Verletzungen Affären oder etwas, das darauf hinauslaufen könnte, erzeugen können. Das Ganze löst i.d.R. sehr viele Ambivalenzen aus, denn Du schreibst ja auch von einer gewissen Aufbruchstimmung, die Du verspürst.

Meinst Du, es wäre für ihn vorstellbar, dass Ihr Euch im Rahmen einer Paarberatung einander annähert? Vielleicht eine Mediation, ein Coaching?

Letztlich hat er am eigenen Leib erfahren, wie wohltuend Bauchpinselei sein kann. Aber das gilt eben auch für Dich. Falls Du nicht einmal dieser Situation erliegen sollst, denn die Gefahr besteht bei ausreichend Frust, müsste es in seinem Interesse sein, dass Ihr beide das Gefühl habt, einen guten und angemessenen Weg zu beschreiten.

19.03.2019 17:00 • #2


Löwin45
Ich befürchte du bist zu ungeduldig und überfordert momentan deinen Mann.

Ja, ich kenne das Gefühl. Als wir damals die Affäre meines Mannes aufarbeiteten, ging ich auch durch immer wieder durch unterschiedkiche Gefühlsebenen.
Das war schwierig und schmerzhaft für mich - aber auch für meinen Mann.
Aber es war auch lehrreich für uns beide.
Wir lernten uns selbst und uns gegenseitig in einer Tiefe kennen, die ich nie für möglich gehalten hatte.
Wir mussten uns komplett neu positionieren.
Aber das brauchte viel Zeit.

Auch ich sehnte mich anfangs nach den ultimativen Beteuerungen.
Erst als mir klar wurde und ich akzeptieren konnte, dass jeder Mensch unterschiedlich mit Situationen umgeht, wurde es einfacher und letztendlich auch so, wie ich es mir wünschte.

Zitat von Cat65:
Wieso fühle ich mich so wertlos? Wieso mache ich mich so klein vor ihm?

Und genau das ist falsch.
Dein Wert hängt nicht von der Wertschätzung deines Mannes ab.
Sieh es anders. Er sollte glücklich sein, dass es dich gibt

Nun, vielleicht ist er das ja sogar.
Weiß er denn, was bzw wie du dir so einiges wünschst?

Nur, lass die Brechstange stecken.
Ansonsten geht jede Spontanität flöten.

Zitat von Cat65:
(verflixt, ein wenig mehr Selbstbeherrschung täte mir manchmal wirklich gut!)

Naja, du solltest schon sagen können, was du dir wünschst. Aber, lass ihm auch die Möglichkeit mit seinen Mitteln zu reagieren.
Wertschätze auch seine kleinen Gesten und habe etwas Geduld.
Ein Neustart ist ein langwieriger Prozess, der von euch einiges abverlangen wird.
Seid ihr beide dazu bereit?

Stellt euch Fragen, schildert eure Wünsche und (ganz wichtig) hört einander zu.

19.03.2019 17:15 • #3




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