Liebe nacht,
meine Strategie ist zur Zeit, das zu beeinflussen, was ich beeinflussen kann: Mich.
Ich habe festgestellt, daß man tatsächlich seine Gedanken lenken lernen kann und versuche das jetzt, so gut es geht, umzusetzen. Natürlich bedeutet das, daß man sich erst mal die eigenen Gedanken und Gefühle richtig bewußt machen muß, damit man bemerkt, wenn es wieder besonders abwärts geht und sofort die Gedanken umlenken kann.
Wenn ich merke, daß ich wieder dabei bin, mich durch Gedanken über ihn herunterziehen zu lassen, tue ich momentan folgendes:
1. Ich schreibe eine kurze Nachricht an eine sehr gute Freundin, nur 3 Zeilen oder so, und teile mich mit oder beichte, wenn ich wieder irgendwas Dummes gemacht habe, wie z.B. neue Fotos von ihm bei FB zu suchen. Sie spornt mich dann mit liebevoller Strenge wieder zum Durchhalten an. Ihr Zauberwort ist Baby-Steps. Das gibt mir das Gefühl, angenommen und verstanden zu sein, und ich kann auch mal ironisch sein und über meine kritischen Momente lachen.
2. Ich versuche herauszufinden, auf welche Weise ich am besten schnell aus der akuten Krisensituation herauskommen kann. In meinem Fall ist die Akutlösung oft ein langer Spaziergang im Park, bei dem ich auch gerne mal durchweine. Das Draußen-Sein im Tageslicht ist trotz des Schmerzes tröstlich für mich, und ich fühle mich dadurch schnell zumindest ein bißchen besser. Auch das Auspowern beim Joggen ist gut - da kann man auch ein bißchen Wut-Energie rauslassen
3. Ich versuche, liebevoll mit mir selbst zu sein. Wenn das Selbstbewusstsein so angeschlagen ist, vergisst man das leicht mal. Ich sage mir dann ganz bewußt: Das tue ich jetzt für mich, weil mir das gut tut und ich das mir selbst gegenüber verdient habe, nicht um irgendetwas bei jemand anderem zu erreichen (z.B. wenn man sich schön anzieht und zurechtmacht, obwohl man sich eigentlich nur verkriechen will).
Das Gleiche gilt fürs Thema Essen. Ich habe momentan überhaupt keinen Appetit und bekomme nichts runter. Mein Lösungsversuch ist, zumindest was Kleines zu essen, z.B. 1/3 meines normalen Müslis, und darauf zu achten, daß man öfter auch was Gesundes zu sich nimmt. (Ich sage das, weil ich in Krisensituationen immer sehr zu Junkfood neige.)
Vor ein paar Tagen habe ich auch angefangen, ein Baldrianpräparat für die Nacht zu nehmen, um wenigstens ein bißchen schlafen zu können. Ich komme zwar trotzdem nur auf durchschnittlich 4,5 Stunden pro Nacht, aber diese Stunden schlafe ich dann auch durch.
4. Ich suche mir Hilfe bei anderen. Ich habe eine Psychotherapeutin gefunden, die mir hilft, in dieser Krise aktives Handeln als Werkzeug gegen die Machtlosigkeit zu kultivieren. Aktiv mein Leben gestalten zu können, zumindest den Teil, der nichts mit der Beziehung zu tun hat, gibt mir das Gefühl von Kontrolle zurück. Wenn man verlassen wird, verliert man ja erst mal jede Kontrolle, weil der andere allein entscheidet.
Und ich spreche auch viel mit Freunden, die mir emotionalen Halt geben und mich bei meinen Baby-Steps unterstützen.
5. Ich frage mich: Wenn du ihn nach allem, was passiert ist, jetzt zurück bekämst, wen bekämst du zurück? Welche Beziehung? Wärst du glücklich damit?
Und obwohl es unendlich traurig ist, will ich ehrlich zu mir selbst sein: Mein Mann, wie ich ihn kannte und mit dem ich glücklich war, ist nicht mehr da. Er hat einen anderen Weg gewählt und ist jetzt jemand anders. Er braucht etwas anderes, als er bei mir glaubt finden zu können. Und wenn das so ist und er nicht mehr mit mir zusammen sein will, wo wäre der Wert einer solchen Beziehung?
Ich will jetzt vor allem wieder glücklich werden, und vor allem zuerst mal ohne Mann, einfach nur ich im Frieden mit mir. Das ist momentan mein Ziel. Und um das zu erreichen muß ich mir klar machen, was MEINE Bedürfnisse sind und daß ich diese nicht beschneiden kann, um einem Partner zu gefallen.
Wir sind doch so viel mehr als eine Liebesbeziehung in unserem Leben. Das ist ein sehr wichtiger Teil, keine Frage, aber wenn er nicht mehr da ist, verbleiben so viele andere Aspekte von uns, die es sich zu kultivieren lohnt. Wir sind doch nicht auf der Welt, um einen Partner zu haben, oder?
Also: Kopf hoch und in kleinen Schritten denken - Baby-Steps! Tu schöne Dinge für dich, die dir Freude machen, finde deine persönliche Akut-Lösung, wenn dir die Decke auf den Kopf fällt. Und dann schau ab und zu mal in den Spiegel und sag dir selbst, was für ein toller Mensch du bist und daß du von vielen Menschen geliebt und geschätzt wirst. Das hat seinen guten Grund!