Liebes Gretchen,
eine traurige Geschichte, die Du uns erzählst. Aufgrund Deines besonderen Talents Deine Empfindungen und Gefühle auszudrücken, kann man auch gut nachvollziehen, wie es Dir in den letzten Monaten erging und es jetzt emotional um Dich steht. Ich fühle aufrichtig mit Dir und hoffe, dass es Dir bald besser gehen wird.
Dennoch bleibt es Deine ganz subjektive Art und Weise, diese Situation zu erfassen und zu bewerten.
Offen gesagt habe ich den Eindruck, dass Dein Mann und Du Euch in Eurer gegenseitigen Wahrnehmung überschätzt hattet. Ihr ward Euch vielleicht der vermeintlichen Einzigartigkeit und Belastbarkeit Eurer Beziehung anscheinend sehr sicher und glaubtet, ihr sehr viel zumuten zu können. Bis es dann doch endete wie eben in vielen Beziehungen - man lebte sich über den Alltag auseinander, verlor Nähe und Kommunikation und deckte partnerschaftliche Defizite aus Drittquellen.
Und natürlich kommt es auch jetzt in der Trennung ganz so, wie bei vielen anderen - es wird nach dem Schuldigen gesucht, oder zumindest, wer mehr oder weniger Schuld trägt und die daraus entstandene Antipathie und Wut (die durchaus verständlich und ganz normal ist) auch kontraproduktiv auf Bereiche übertragen, wo es nicht so gut ist.
Als Beispiel möchte ich den geplanten Wegzug mit den Kindern nennen - ich kann durchaus verstehen, warum es für Dich das Beste wäre, wenn Du mit den Kindern in eine andere Stadt ziehen würdest, aber sollte nicht im Mittelpunkt stehen, was das Beste für die Kinder ist? Irgendwie habe ich auch das unterschwellige Gefühl, dass Eure Kinder zu einem Spielball zwischen Dir und Deinem Mann werden könnten (siehe Eure Älteste und Deine Angst davor, wenn sie zu ihm gehen würde, ebenso die unterschwellig spürbare Genugtuung, dass Deine Tochter Deinen Mann kritisch sieht).
Ich glaube, es ist für Dich im Moment die größte Aufgabe, die Paarebene von den anderen zu Deinem Noch-Ehemann bestehenden Beziehungsebenen (Vater Deiner Kinder etc.) zu trennen, um möglichst wenig Kollateralschaden zu verursachen.
Vielleicht könnte das im Moment der beste Schritt sein, um eine möglichst saubere Trennung hinzubekommen.
Wie Du persönlich mit Dir und der Trennung klarkommst, ist ein anderes Problem, dass Du mit Psychologen, Freunden, Familie etc. angehen kannst - Rosenkriege und alte/neue Mephistos führen Dich dabei im Moment sicher nicht weiter, was Du ja auch selbst erkennst.
Und das Du Deinen Mann als Unperson siehst ist eigentlich ganz natürlich, denn die Überhöhung des/der EX im positiven (während der Beziehung) und im negativen (nach der Trennung) ist eigentlich schon ein klassisches Phänomen, dass mir bei Euch besonders ausgeprägt erscheint. So zeigte sich in Deinen anfänglichen Posts eine verblüffende Selbstsicherheit ob der Reflektiertheit und dem Verständnis Deines Mannes - und indirekt Deiner selbst, denn es war ja Deine ganz besondere Beziehung, die Du auch so maßgebend gestaltet hattest. Kurzum - Du hattest nicht nur ihm, sondern auch Dich vollkommen überschätzt.
Bitte verstehe diese Zeilen nicht als Angriff, sondern nur als wohlgemeinte (selbstverständlich absolut subjektive) Reflexion.
Liebe Grüße
Sterngucker
06.08.2018 16:35 •
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