Treffpunkt für Angehörige/r mit Demenz

Zitat von Heavydreamy:

Die Welt ist böse, schon immer gewesen. Letztens las ich in meiner Regionalzeitung, dass einer einer alte Dame ihre Handtasche weggerissen hat, der ...

Und wenn man bedenkt, dass es die betrügerischen Anrufer gerade auf das Geld der Älteren abgesehen hat und sie dadurch nicht nur materiellen Schaden erleiden, dreht sich mir der Magen um

Wenn es darum geht, daß ältere Menschen gezielt betrogen werden, kann ich ein Buch darüber schreiben.
Es ist in der Tat so, daß sie gezielt als schwache Gruppe ausgesucht werden von allerlei Leuten. Und da ist es egal, ob der schnelle Überfall draußen irgendwo, das überrumpeln in den eigenen vier Wänden, der Telefonanruf, der Briefkontakt oder was auch immer.
Ich hatte irgendwann gefühlt eine Standleitung zur lokalen Polizeistation nachdem ich gelernt habe, daß sie auch verunsicherte Anrufe von mir sehr ernst nahmen und Leute raus schickten.
Auch wurde ich regelrecht aufgefordert, daß ich alle Betrugsversuche melden soll, damit sie ein besseres Bild bekommen, was wo gerade los ist um entsprechend reagieren zu können.
Es ging ja soweit, daß ich einmal fast Lockvogel war. Wurde nur von der obersten Betrugsstelle abgebrochen, weil es vor Gericht für den vorliegenden Fall gesetzliche Schlupflöcher gibt. Es wäre also eh umsonst gewesen.
Ja, ich war da oft mindestens genauso betroffen wie mein alter Vater. Denn neben den Überfällen und anderen Übergriffen kommt ja das Bewusstsein dazu, daß man wirklich schwach geworden ist, daß man gezielt für Betrug ausgesucht wurde, daß man noch mehr auf der Hut sein muss,etc. Das macht was mit einem.

In einem Fall von Haustürgeschäften hat mein Bruder diese Firma genauer angeschaut und eine Stellenanzeige gefunden, in der regelrecht erwähnt wurde, daß die Bewerber keine Skrupel haben sollen, ältere oder schwache Menschen zu übervorteilen. Genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr, aber es war eindeutig gewesen.

Bei einer 'fachsimpelei' dazu auf einem Seniorentag mit einem Sozialarbeiter durfte ich feststellen, daß mein Vater bis zu dem Zeitpunkt mit ca 80 % der verschiedenen Maschen kontaktiert worden ist. Es gab noch ein paar Varianten, die wir zum Glück nicht auch noch erlebt hatten.

Den Brief von einem Immobilienmakler, der freundlich anfing und darauf abzielte, daß es Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Seniorenheim und dem Umzug dorthin gäbe, hatte fast die Familie zerrüttet. Denn mein Vater glaubte, das müsse von einem seiner Kinder kommen. Ich habe diesen Brief einigen wildfremden Leuten, zb in einer Pommesbude gezeigt. Jeder war entsetzt über soviel eindeutige Dreistigkeit.

Also die Auswirkungen von Betrugsversuchen / Überfällen / anderen Tricks - selbst wenn die Umsetzung nicht erfolgreich gewesen sein sollte - sind dennoch vorhanden. Erst recht, wo sie gegriffen haben. Das war schon anstrengend, mental, emotional, zeitlich, kräfteraubend, für alle, auch für die Menschen drumherum in der Umgebung.

Bin einfach so grenzenlos traurig und deprimiert...
Seit November vegetiert Papa vor sich hin, mittlerweile massive Kontrakturen in den Beinen und Händen, einfach nur noch grausam dieser Anblick.
Durch die Verkrampfung in den Händen (gepolstert durch ein dünnes Handtuch) entzünden sich nun die Fingernägel, teilweise lösen sie sich, da kaum Luft dran kommt. Nun sollen sie zum Teil entfernt werden, was ihm zusätzliche, unnötige Schmerzen bereiten wird, die ich unbedingt vermeiden möchte...
Wünsche mir so sehr die Erlösung für ihn...

Ich fühle Deinen Schmerz und Deine Hilflosigkeit, liebe @Amaible.
Leider gibt es nichts, was Du tun kannst.
Ist ein Hospiz eine Option für seinen letzten Weg? Das wäre, denke ich, auch für Dich eine Erleichterung.

@Pippa Er ist im Palliativnetz, oberste Priorität ist keine Schmerzen, keine Atemnot und keine Angst. Werde seinen behandelnden Arzt anrufen. Er hat mir versprochen, dass er sich daran halten wird. Er bekommt ein Morphiumpflaster (50 mg, Wechsel alle drei Tage), zusätzlich darf das Pflegepersonal noch Morphium spritzen, was sie bislang allerdings noch nicht gemacht haben, da es eben als aktive Sterbehilfe gesehen werden kann. Kann ich auch verstehen. Hoffe, dass der Arzt das anders sieht. Der Eingriff soll am Dienstag stattfinden, werde dann auch anwesend sein und werde im Vorfeld mit ihm sprechen.

@Amaible
Es ist so schlimm, was schwerstkranke Menschen ertragen müssen.
Für Angehörige ist es nur tröstlich, dass Schmerz, Angst und Luftnot ausgeschaltet werden können. Dennoch ist es ja fernab von Leben.
Ich wünsche Dir, dass der Arzt die beste Entscheidung für Deinen Papa und Dich trifft.

Liebe @Amaible , dein Bericht geht mir sehr nahe und es tut mir Leid, was du und dein Vater aushalten müssen.

Zitat von Amaible:

Wünsche mir so sehr die Erlösung für ihn...

Das kann ich sehr gut nachempfinden.

Wir haben ja leider auch einen Demenzkranken in der Familie. Komplett bettlägerich ist er noch nicht, aber er kann überhaupt gar nichts mehr selbstständig.

Ist dein Vater noch bei Bewusstsein? Erkennt er dich noch?

Ich wünsche dir ganz viel Kraft.

@Umbra_ Heute morgen hat er mich glaube ich aktiv nicht erkannt. Was er so um sich herum wahrnimmt, weiß ich leider nicht. Ich massiere ihm immer ein wenig die Arme, bei den Händen verzieht er das Gesicht, scheint ihm weh zu tun.
Ja, es ist grausam. Er kann nur noch die Augen und den Mund öffnen (essen und trinken) und schließen. Sprechen, bewegen usw. geht leider gar nicht mehr.
Heute morgen war auch essen und trinken nicht möglich. Die Augen halb offen, halb geschlossen wanderten unter die Decke. Einfach nur schlimm...
So eine blöde Krankheit...Keiner (auch sein Arzt) hat damit gerechnet, dass er Weihnachten noch da ist. Jetzt haben wir Mai, die Wärme kommt ins Zimmer, er schwitzt viel und kann sich nicht mitteilen...

Wie sieht es bei euch aus? Ist deine Mutter nach wie vor täglich bei ihrem Mann?

Zitat von Amaible:

Ist deine Mutter nach wie vor täglich bei ihrem Mann?

Ja, zum Leidwesen meiner Schwester und mir. Jeder ihrer Tage ist von 13:30 bis ca 19:00 Uhr verplant.
Als es am Donnerstag und Freitag so heiß war, haben wir sie je eine Tour gefahren. Aber wie soll das weitergehen? Der Sommer kommt gerade erst.

Beide Bushaltestellen verfügen weder über ein Wartehäuschen, noch Sitzgelegenheiten. Sie steht da in der prallen Sonne. Meine Mutter rückt aber nicht ab von ihren täglichen Besuchen. Da ist nichts zu machen.

Am Sonntag habe ich zum Muttertags-Kaffee eingeladen. Da wird es wahrscheinlich so sein, dass sie morgens zum Heim fährt und dann anschließend zu mir kommt (abgeholt wird).

Am vergangenen Dienstag hatte er einen Termin um 10h zur Bestrahlung. Bei ihm ist Hautkrebs festgestellt worden. Es kam ein Rolli-Taxi. Meine Schwester hat die beiden begleitet. Das ganze war um 11:30 erledigt.

Meine Schwester hat meine Mutter dann nach Hause gefahren. Da ist sie aber nicht etwa geblieben, sondern hat sich um 13:30 wieder auf dem Weg zum Heim gemacht. Verrückt, oder?

Der Zustand bei ihrem Mann ist schon eine ganze Weile stabil. Er erkennt uns noch und sagt auch gelegentlich was gescheites. Er sitzt tagsüber im Rollstuhl (meine Mutter schiebt ihn bei schönem Wetter spazieren). Ansonsten kann er körperlich nichts mehr, muss gefüttert werden. Er kann sich auch nicht mehr mitteilen.

Was ist das für ein Leben? Meine Mutter ist total überfordert, auch psychisch. Aber sie will ja nichts ändern.

@Umbra_ Kann sie aber auch verstehen, sie möchte bei ihrem Mann sein in seinem Zustand.
Versuche auch, möglichst oft im Pflegeheim zu sein, da meine Mutter es in seinem derzeitigen Zustand kaum mehr selbst schafft. Der Anblick ist einfach schwer zu ertragen und sie ist keine starke Persönlichkeit.

Lass sie machen. Solange wie ihr nicht ständig Gewehr bei Fuß stehen müsst und permanent eingespannt werdet, würde ich sie machen lassen. Ist eben der letzte Lebensabschnitt ihres Mannes.

Hatte sie nicht eine Mitfahrgelegenheit von einem Angehörigen eines Mitbewohners?

Zitat von Amaible:

Kann sie aber auch verstehen, sie möchte bei ihrem Mann sein in seinem Zustand.

Ich ja auch, aber nicht bis zur Selbstaufgabe. Und das ist es ja bei ihr. Sie macht nichts mehr, was ihr früher Freude gemacht hat.

Man könnte meinen, dass es zwischen den beiden die ganz ganz große Liebe war. So war es aber nicht.

Zitat von Amaible:

Hatte sie nicht eine Mitfahrgelegenheit von einem Angehörigen eines Mitbewohners?

Das war in dem ersten Heim. Er hat doch Anfang des Jahres das Heim gewechselt.

@Umbra_ Ach ja, stimmt, hatte ich nicht mehr parat...
Ich glaube dir das, ist bestimmt nicht einfach für euch, da ihr euch Sorgen macht wegen ihrem hohen Alter.
Allerdings ist es ihr Wunsch bei ihm zu sein. Da wirst du sie wahrscheinlich nicht mehr ändern...

Zitat von Amaible:

Ich glaube dir das, ist bestimmt nicht einfach für euch, da ihr euch Sorgen macht wegen ihrem hohen Alter.

Ja genau. Ende des Jahres wird sie 90. Zu den Strapazen kommt noch ihr Putzwahn. Nur mal als Beispiel: kürzlich hat sie die Gartenlaube von außen abgewaschen. Die Mülltonnen werden nach jeder Leerung ausgewaschen. Gegenüber hat sie den Rinnstein der Straße von Unkraut befreit und gefegt. Ja, sowas macht sie, wenn sie in Haus und Garten fertig ist.

Schlimme Schuldgefühle ploppen bei meiner Schwester und mir auch immer wieder auf.

Wie es mir wohl geht, wenn ich im Schwimmbad liege und weiß, dass die Frau bei Affenhitze an der Haltestelle steht?

@Umbra_ Liebe Umbra, leider wirst du sie nicht ändern können.
Hut ab, was sie noch alles so macht in ihrem hohen Alter.
Vielleicht schaffst du den positiven Blick darauf? Ich weiß, dass ihr euch (berechtigte) Sorgen macht, allerdings glaube ich nicht, dass sie das ändern wird, solange sie es noch kann...
Ja, ich glaube, das ist die Kunst im Leben...sich gesund abzugrenzen ohne schlechtes Gewissen...
An dem Thema bin ich auch dran für mich...und hab auch noch keine Lösung parat