Ich störe ja ungern euer Klein-Klein. Und klar kann man auch an den Symptomen herumdoktern, wenn einem die dahinter liegende Struktur zu unangenehm ist.
Aber was haben denn die Bürgergeldzahlen und die Einwanderung von überwiegend jungen, alleinstehenden Männern und die Kriminalität, die Wehrpflicht und das Erstarken der Rechten als verknüpfende Klammer?
Die (ja gar nicht mehr existente) patriarchalische Struktur.
In dieser (natürlich im deutschsprachigen Raum nicht mehr existenten) Struktur gilt für Männer die Gründung und das Ernähren einer Familie als ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Das Junggesellentum, eine Ehescheidung, die Nichtexistenz oder der Einflussverlust auf die eigenen Kinder gilt als Scheitern. Ebenso, wenn Mann nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit sich selbst oder die eigene Familie zu ernähren. Dann sinkt ein Mann in der Hierarchie der Männer.
Wenn 10 Brote auf dem Tisch liegen, einer sich 9 Brote nimmt und dem anderen Mann sagt, dass der dritte Mann ihm sein Brot nehmen wird, sind die besten Voraussetzungen geschaffen, dass zwei Männer sich um 1 Brot streiten statt gemeinsam dem Gewinner 6 Brote abzunehmen.
Also bleibt von 3 Männern einer ohne Brot zurück und damit auch ohne Chance auf Erfolg durch Heirat und Kinder.
Da dieses Problem der Männer ohne Erfolgschance in China durch die Ein-Kind-Politik und den Männerüberschuss schon wesentlich akuter ist als bei uns, wurde die chinesische Bezeichnung für Männer ohne Erfolgsaussichten kahler Zweig bzw. bare branch übernommen.
Valerie Hudson und Andrea den Boer haben ein faszinierendes Buch dazu geschrieben, was diese kahlen Zweige für eine Gesellschaft bedeuten.
Während alleinstehende oder kinderlose Frauen ohne Reichtum eine Gesellschaft nicht destabilisieren oder zu mehr Gewalt führen, kippt eine Gesellschaft mit abgehängten, unverheirateten, kinderlosen Männern recht schnell. Auch in der Vergangenheit wurden diese kahlen Zweige von den Machthabern gezielt beschäftigt oder dezimiert, um die destruktiven Auswirkungen auf die Gesellschaft zu vermeiden.
Dazu dient auch(!) die Wehrpflicht. Das Binden und Beschäftigen abgehängter Männern und das Kanalisieren der in dieser Personengruppe aufkommenden Gewalt.
Und deshalb hat auch keine Regierung ein besonderes Interesse daran, Frauen in die Wehrpflicht einzubeziehen. Denn von diesen geht weder die Gewalt noch die gesellschaftsschädigenden Tendenzen aus. Die können ungebunden und unbeschäftigt bleiben, weil sie sich eigene Beschäftigungen suchen, die nicht schädlich sind.
Die Rechten versuchen die kahlen Zweige zu dezimieren, indem sie wieder Frauen dazu animieren möchten, die kahlen Zweige in eine Familie einzubinden und damit zum Aufblühen zu bringen.
Außerdem sollen die Grenzen vor den herumziehenden kahlen Zweigen anderer Nationen geschlossen werden. Denn wenn diese nicht durch die heimische Bevölkerung familiär gebunden werden können, geht von ihnen eben genau dieselbe Gewalt und Destruktivität aus, die auch heimische kahle Zweige aussenden.
Auch der Ruf nach längeren Haftstrafen soll kahle Zweige binden und neutralisieren.
Das Bürgergeld selbst bindet kahle Zweige aktuell nicht. Ob ein bedingungsloses Grundeinkommen das ändern könnte, ist noch nicht untersucht.
Der feministische Ansatz ist, die kahlen Zweige und Männer generell aus dem patriarchalen Muster herauszuholen, dass nur Geld zu einer Frau und Familie führt und nur eine Frau und Familie als Erfolg für einen Mann gilt. Die nach diesem Muster halbwegs erfolgreich gewordenen Männer bekämpfen jedoch diesen Ansatz, weil er ihren Hierarchievorsprung vor den kahlen Ästen zunichte machen würde. Und dieser Hierarchievorsprung, ein guter und erfolgreicher Mann zu sein, wird aktuell vom Männern noch höher geschätzt als die allgemeine Freiheit, Erfolgsfaktoren selbst bestimmen zu können.
Für Deutschland gibt es meines Wissens nach nur eine Parship Studie, die die Anzahl von jungen Frauen (18-29 Jahre), die auf der Suche nach einer festen, dauerhaften Beziehung sind, bei 23% sehen, die Anzahl der jungen Frauen, die keine Beziehung zu einem Mann wünschen bei 12-14% und die bereits in Beziehung gebundenen bei 60%. Der Prozentsatz der Männer, die auf der Suche nach einer festen, dauerhaften Beziehung sind, ist aber um 10 Punkte höher (33%).
15% der Männer wünschen im nächsten Jahr eine Familie zu gründen und nur 9% der Frauen.
In Kombination mit einwandernden jungen Männern, die ebenfalls einen Teil ihres persönlichen Erfolgs als Mann an Frau und Kindern festmachen, ergeben sich daraus 6%, 10% oder mehr kahle Zweige, die unter patriarchalen Strukturen in einer Gesellschaft mehr Schaden anrichten als der Gesellschaft nutzen.
Das Zurücksenden von ein paar Zehn- oder Hunderttausend jungen Männern in Herkunftsländer wird daran nur wenig ändern. Das Zurückdrehen der gesellschaftlichen Uhr zu mehr Abhängigkeit von Frauen wird nur unter diktatorischen oder faschistischen Bedingungen gelingen.
Wie wäre es also, die Emanzipation der Männer zu unterstützen? Damit Ronnie in Brandenburg nicht davon ausgehen muss, nur ein halber Mann zu sein, wenn er keine Freundin hat und kein dickes Auto fährt? Und damit Philipp in Duisburg nicht alles verliert, wenn seine Frau lieber ohne ihn leben will.
Alleinstehende Frauen sind keine Gefahr für eine Gesellschaft. Und das können alleinstehende Männer auch für sich erreichen. Sie müssen sich lediglich (wie die alleinstehenden Frauen es schon getan haben) aus patriarchalen Bewertungsmustern lösen.
Lediglich!
Scheint schwerer zu sein als gedacht.
24.09.2025 13:38 •
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