Zitat von Gehirnschlacht:Aber was genau meinst du mit ich soll es alles in mir entdecken und entwickeln?
Angenommen, Dir würde es an eigener innerer Stabilität fehlen und Du würdest diese durch und über eine Partnerin (oder sonst jemanden) gewinnen wollen: Dann wärst Du, fändest Du eine entsprechende Partnerin, darin von ihr abhängig, was wiederum unweigerlich zumindest im Hintergrund zu Unsicherheiten und (Verlust-)Ängsten führt, so daß es in dem Fall nicht einmal eine wirkliche, wenn auch nur geliehene Stabilität bringen würde. Folglich müßte zunächst einmal entdeckt werden, woran es einem fehlt (oft ergeben sich hier ja aus verschiedenen Gründen auch Verschiebungen, die einen das wirkliche Problem gar nicht erkennen lassen), und dann muß man selber die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln, um aus sich heraus zu dieser nötigen Stabilität zu kommen.
Und dasselbe gilt für alles andere genauso. Will jemand, der selber mehr oder weniger dauerhaft unglücklich ist, sich durch einen anderen glücklich fühlen, so mag dies zwar eine Zeitlang gelingen, aber dieses Glück steht auf sehr tönernen Füßen und kann jederzeit zusammenbrechen.
Einem wirklich und wirksam zugehörig ist nur das, was man selber in sich trägt. Und das kann einem auch durch eine Trennung nicht verlorengehen.
Zitat von Gehirnschlacht:Im Grunde brauchen wir für unser wahres Ich,unser wahres selbst(damit meine ich nicht unseren Verstand,unsere Gedanken,unser EGO,mit denen wir uns immer indentifizieren) niemanden.
Mit diesem wahren Ich und Selbst habe ich gewisse Probleme. Denn wer wüßte schon, was dieses Wahre überhaupt ist?
Ich glaube vielmehr, sowohl das Selbst und noch mehr das Ich sind Entitäten, die sich fortwährend verändern und entwickeln. Und ab wann wäre dann dieses und jenes das Wahre? Eine solche Annahme führt eher dazu, sich auf etwas zu fixieren und gewissermaßen mit Gewalt zu meinen, nun sei man beim wahren Ich oder Selbstsein angekommen. Das aber verschließt nur die Spielräume und Möglichkeiten ganz neuer, ganz anderer Erfahrungen, die dann, macht man sie vielleicht zufällig, schicksalsmäßig, auch nicht integriert werden können.
Zitat von Gehirnschlacht:Bis heute hat sie nie aufgehört zu versuchen,mich mit auf diesen Weg zu nehmen,um mein leiden durch die Depression zu beenden und alles viel mehr zu wertschätzen.
Genau das halte ich für ein Grundproblem (und darauf bezog sich auch meine Bemerkung mit der Lehrerin). Eine Beziehung sollte man nie als eine Art von Therapie verstehen. Man kann niemanden mitnehmen auf seinem Weg, weil der eigene Weg ein ganz anderer sein kann als jener des anderen. Ich halte das für übergriffig.
Wenn - metaphorisch verstanden - für jemanden das Durchschwimmen des Ärmelkanals das höchste Ziel und Gefühl ist, so wäre es reichlich vermessen, dies auch einem anderen aufzunötigen, auch dann vielleicht sogar noch, wenn der nicht einmal schwimmen kann.
Ich weiß ja nicht so genau, wie das bei Euch gelaufen ist. Es ist also nur mein ungefährer Eindruck, wenn ich sage, ich halte es für möglich, daß Ihr (oder zumindest Deine Ex) durch irgend etwas inspiriert worden seid und gemeint habt, in diese Richtung müsse es gehen. Es kommt ja nicht selten vor, daß jemand eine bestimmte Lehre aufgreift oder die Vorstellungen irgendeines Gurus zu erfüllen versucht und hierin sein Heil zu finden glaubt. Ein solches Unterfangen hat aber nie etwas mit Bewußtseinsentwicklung oder Bewußtseinserweiterung zu tun, sondern ganz im Gegenteil mit einer Verengung des Bewußtseins. Denn sobald man das Bewußtsein in ein bestimmtes Korsett hineinpreßt (und nichts anderes ist eine Lehre), welches immer es sei, beraubt man es aller seiner sonstigen Wahrnehmungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Jede Lehre ist nur das Schiff, mit dem man untergeht. Eine wirklich sinnvolle und natürliche Entwicklung des Bewußtseins kann nur aus sich selber und den eigenen Erfahrungen heraus gelingen. Allerdings bedarf es dazu zunächst einmal der Fähigkeit, Erfahrungen aus den verschiedensten Blickwinkeln heraus betrachten zu können und nicht lediglich aus einer bestimmten grundsätzlichen Weltanschauung oder Emotionalität heraus.
Allein schon die Vorstellung, alle müßten heil werden, ist schon ein Unheil. Um so mehr das Festlegen bestimmter Wege zu diesem Heil. Jedes Heil ist so individuell wie es jeder Weg zu diesem Heil ist.
Aber das nur so nebenbei gesagt, weil ich das Gefühl habe, hier stecke irgendwo auch eine Art von Missionierung drinnen oder zumindest eine Hinterabsicht.