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Gedankenchaos und Gefühlsmüll

M
Liebe Alle,

zaghaft schreibe ich hier einen kleinen Teil meiner Geschichte. Mir ist nicht ganz Wohl dabei, habe aber die Hoffnung auf konstruktive Gedanken zu stoßen.

Ich bin alleinerziehende Mutter, dies betone ich, weil es wichtig ist zu wissen, dass auch ein Kind existiert.
Ich habe mich bereits im November 22 von meinem Ex Partner getrennt. Er war nicht der leibliche Vater des Kindes und wir haben kein klassisches Patchworkleben geführt, war aber eine wichtige Bezugsperson für Kind.
Es war eine intensive Beziehung, wir hatten viele ähnliche Wertvorstellungen und dennoch genug Probleme. Die Trennung war herzzerreißend und auch, als trennende Person hatte ich oft Kummer. Den Kontakt zum Kind hat er gehalten. Bis zum Schluss hat er gehofft, dass wir wieder eine Familie werden.
Warum war? Warum bis zum Schluss?

Letztes Jahr im August ist er, durch äußeren Gewalteinfluss, ins Koma gefallen und nach vier Wochen verstorben.
Seine Familie und wir stehen uns recht nah.
Als mich die Nachricht letztes Jahr erreichte, habe ich nicht eine Sekunde gezögert an seiner Seite zu stehen. Er hätte das gleiche getan, davon bin ich überzeugt.
Emotional kann ich auf diese vier Wochen und auch die Zeit danach nicht ganz zugreifen. Ich habe funktioniert, war jeden Tag in der Klinik, habe Kind versucht so gut es geht aufzufangen und professionelle Hilfe gesucht.

Nach der Trennung allerdings schon fing ich an, viel Ablenkung im Außen zu suchen. Sei es Arbeit, Projekte, aber auch Feiern mit Alk..
Ich komme aus einer suchtbelastende Familie und habe mir lange ein Bewusstsein erarbeitet, sodass ich vom Verstand weiß, dass auch ich dazu tendiere alles was mich besser, oder nichts unangenehmes fühlen lässt, übermäßig annehmen kann.
Mein Leben wurde schnell, schneller als vorher. Die Flucht nach vorne.

Nach der Beisetzung behielt ich die Flucht. Einladungen zu Veranstaltungen jeglicher Form nahm ich dankend an. Ich habe Sport getrieben, mich gestylt und Männerbekanntschaften gehabt.
Gleichzeitig fing ich das Kind auf, wuppte den Alltag und machte mir vor, dass alles gut sei. Ist wie es ist, das Leben geht halt weiter.

Ja. Stimmt. Ich war geprägt von morgen kann alles vorbei sein. Ich habe ein unglaublich, tolles Netz um mich herrum und bin meinen Freunden unglaublich dankbar, all den Mist mit ertragen zu haben, da zu sein, puh, immernoch auch mal mir den Kopf zu waschen.

Im November letzten Jahres kam dann der erste Knall. Nach einer berauschten Nacht, lag ich einen Tag im Bett und habe durchgeheult. Das Kind war bei ihrer Tante und ich habe mich furchtbar gefühlt, mein Verhalten nicht mehr ausgehalten und einen unglaublichen Schmerz gefühlt und das erste mal realisiert, dass ich Ihn nie wieder sehen werde. Nicht kann.
Dass es nicht weiter geht, so wie es ist.
Schuldgefühle, Vorwürfe, Gefühle, all das.
Also, der Entschluss, erst mal keine Partys mehr zu besuchen und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn ich denn bloß wüsste, was das ist.
Ich wurde wieder etwas langsamer und zwischendurch gab es nun Tage, an denen ich einfach traurig war und ich mir das eingestanden habe.
Ich habe die Stunden auf der Arbeit reduziert und mich zu Hause mehr um Kind gekümmert, immerhin braucht sie jemanden, der sie auffängt.

Anfang Dezember habe ich einen Mann kennengelernt und ich hatte nicht vor, wirklich jemanden tiefer kennenzulernen. Habe immer mit offenen Karten gespielt und bevor jemand fragt: Kind hat davon nie was mitbekommen. Dieser Mann allerdings, mit dem hatte ich Treffen, bei denen weder Alk. floß, noch Partys im Vordergrund standen, die Gespräche waren tief und gut und er ein sehr interessanter Geselle. Körperlich wurde es zunächst nicht und ich hatte überhaupt keine Erwartungen und war seit der Trennung eh der Meinung, dass ich niemanden in mein Chaos lassen kann und möchte. Nachdem weiteren Verlust erst Recht nicht.
Er war hartnäckig und irgendwann auch liebevoll. Bis letzte Woche hatten wir Kontakt, Treffen und ein ich mag dich so gerne und genieße die Zeit mit dir hörte ich auch. Ich war vorsichtig und gleichzeitig fühlte es sich so gut mit ihm an. Bis ich, aus dem Nichts, nichts mehr von ihm hörte. Ich habe ihn noch einmal angerufen und es kam einfach nie wieder eine Reaktion. Dies fande ich Schade, hat mich wirklich geknickt kann ich aber nun nicht ändern.

Allerdings hat mir das aufgezeigt, was ich so schockierend an mir selber finde.
Seit gestern frage ich mich, wo ich falsch abgebogen bin und wie ich es zurück schaffe.

Es ist ein langer Text geworden und ich glaube, es wirkt alles ziemlich wirr.
Ich danke fürs Lesen!

Liebe Grüße, M.

05.03.2024 23:27 • x 1 #1


M
Zitat von Maliblum:
Bis ich, aus dem Nichts, nichts mehr von ihm hörte. Ich habe ihn noch einmal angerufen und es kam einfach nie wieder eine Reaktion.



Tja sowas gibt es leider häufig heutzutage. Die Leute holen sich, was sie brauchen, und dann verschwinden sie in der Versenkung.
Du hast einen sehr schweren Verlust erlitten, könnte sein, dass Du traumatisiert bist.
Auf jeden Fall liest Du Dich mit Deinen Feiern und Suchtmitteln ein bisschen so, als wärst Du ein
entgleister Zug, der mit voller Geschwindigkeit auf den Abgrund zurast.
Schonmal über therapeutische Hilfe oder Ähnliches nachgedacht?
Du musst Dich und Dein Leben wieder mehr in den Griff bekommen, auch für Dein Kind!
Vielleicht hat @Scheol noch einen Tipp für Dich.

06.03.2024 00:19 • x 4 #2


A


Gedankenchaos und Gefühlsmüll

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M
Danke, für deine ehrliche Antwort.

Definitiv muss ich das und will ich auch, deswegen habe ich nicht nur über eine therapeutische Hilfe nachgedacht, sondern sitze mittlerweile einmal die Woche bei einer Therapeutin.

06.03.2024 00:33 • x 1 #3


S
Zitat von Maliblum:
Allerdings hat mir das aufgezeigt, was ich so schockierend an mir selber finde.
Seit gestern frage ich mich, wo ich falsch abgebogen bin und wie ich es zurück schaffe.

Du hattest eine Extremsituation in Deinem Leben und hast versucht diese zu ignorieren durch Ablenkung. Das ist kein unnormaler Vorgang, weil viele Leute versuchen ihren Ängsten, Problemen etc. aus dem Weg zu gehen.

Irgendwann kommen diese Probleme wieder ans Tageslicht. Da helfen Leute im Außen, die Du nicht kennst, erstmal wenig. Der Schlüssel liegt im Inneren. Analysieren, was bei Dir abgeht, ist das Wichtigste in der heutigen Zeit, denn nur so kannst Du es in Zukunft ändern.

Ob der neue Kerl da nun bleibt oder nicht und warum er sich nicht mehr meldet, ist doch komplette Nebensache. Es geht darum, dass Du Dir ein Ziel setzt. Und da ist die Frage: Was willst Du denn? Was möchtest Du im Leben noch? Und was fandest Du an Dir so schockierend?

06.03.2024 00:40 • x 2 #4


M
Zitat von Maliblum:
Danke, für deine ehrliche Antwort.



Gern.

Zitat von Maliblum:
Definitiv muss ich das und will ich auch, deswegen habe ich nicht nur über eine therapeutische Hilfe nachgedacht, sondern sitze mittlerweile einmal die Woche bei einer Therapeutin.


Das klingt gut.
Da kannst Du Dich und Deine Gedankenwelt ein bisschen sortieren,
das wird hoffentlich schon ein bisschen helfen, den Ball wieder flacher zu halten.

06.03.2024 00:58 • x 2 #5


M
Ich möchte Dir gern noch empfehlen,
hier im Forum mitzulesen, das hilft ganz doll!
Vielleicht ist das z.B. schon etwas für Dich.:

trauma-traumauebertragung-und-traumafolgestoerung-t65798.html?hilit=trauma

06.03.2024 01:17 • x 3 #6


M
@Samuel15

Ich bekomme das mit dem Zitieren noch nicht richtig hin.

Keine Frage, ist das irrelevant, ob der Kerl nun verschwunden ist, denn ganz ehrlich, ist ja auch dort der Input vom Außen wieder gegeben. Und genau da ist das schockierende. Dass ich mich auf Wege begebe, die ich vom Verstand als destruktiv einordnen kann und mir es trotzdem unglaublich schwer fällt bei mir und den Gefühlen zu bleiben.

Und genau diese Fragen müssen wieder eine Antwort finden. Ich habe einiges aus dem Blick verloren und oft den Gedanken am Ende ist es doch sowieso egal.

Ich danke auch dir für deine Nachricht.

06.03.2024 14:50 • #7


M
@Multiversum

Ja, ich habe gestern Abend schon grob geschaut.
Ich danke dir!

06.03.2024 14:51 • x 1 #8


Islantilla
Wenn einem so ziemlich alles egal ist, dann könnte das auch auf Depressionen hindeuten.
Dann hat man nämlich auch keine Ziele und nichts worauf man sich freuen könnte.

Manch einer würde jetzt sagen: Denk doch an dein Kind, das braucht dich noch... Ist richtig, aber wenn man selbst nicht mehr weiß, was genau vorne und hinten ist, dann ist einem auch das egal. Da geht es dann nur um die Fragen: Wie komme ich am besten über den nächsten Tag ? und Macht das alles überhaupt noch Sinn, was ich da tue ?
Und genau deswegen sollte man sich mit sich selbst beschäftigen und keine Ablenkung im Außen suchen. Erst dann kann es positiv weiter gehen und du kommst wieder auf deinen richtigen Weg.

Die Therapie ist schon mal ein guter Anfang. Tabletten könnten eventuell auch hilfreich sein.
Ich wünsche dir und deinem Kind alles Gute.

06.03.2024 15:13 • x 3 #9


M
Jetzt wird es ganz spannend, denn mit ist ja nicht alles egal und ich kann mich sogar freuen. Es ist eher ein in dem Moment leben und alles mitnehmen was geht.
Manchmal auch nicht. Es ist halt alles ziemlich wirr und mal so, mal so.

Und ganz ehrlich ist mir Kind überhaupt nicht egal, dass ich nicht hundert prozentig verfügbar für sie bin und sein kann, wie ich es gern hätte und wie sie es bräuchte, wurde mir recht schnell klar, sodass ich auch dort einen professionellen Rahmen schaffen konnte, damit sie für sie einen Raum hat. Sie hat einen unglaublichen Verlust erlitten.

Aber ja, ich denke es wird unangenehme Arbeit der ich mich stellen muss und will. Es wird weh tun und das macht mir Angst.

Tabletten wurden, auch von professioneller Seite, abgelehnt. Das ist besser. Aber danke für den Ratschlag!

06.03.2024 15:28 • x 3 #10


E
Hallo @Maliblum,

Willkommen ins Forum, auch wenn die Umstände nicht schön sind.

Ich glaube nicht, dass du noch länger drin Gefühle unterdrücken sollst, auch wenn sie schmerzhaft sind. Schon im Titel schreibst du Gefühlsmuell. Ich rate dir, dich mit Gefühlen zu befassen, je mehr du sie verstehst, umso wenig bedrohlich werden sie.

Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Du bestimmt auch. Versuche deine Stärken zu erkennen und zu nutzen, um aus dem Erlebten Wachstumsoglichkeiten zu erschaffen. Jemandem zu verlieren ist hart, dass er nicht mehr der Mann an deiner Seite war, als er starb, spielt keine Rolle. Du würdest auch mit der eigenen Sterblichkeit, normalerweise fühlt man sich in deinem Alter unverwundbar.

Die Therapie wird dir bestimmt helfen, dich zu sortieren, das braucht aber Zeit. Bitte versuche bis dahin das exzessive Verhalten zu lassen. Übermäßiges Feiern und Trinken ist in meinen Augen destruktiv.

06.03.2024 17:15 • x 5 #11


Islantilla
Ok, dann könnte es vielleicht auch eine posttraumatische Belastungsstörung sein.

Zitat von Ella:
Übermäßiges Feiern und Trinken ist in meinen Augen destruktiv.

Sehe ich auch so. Das bringt rein gar nichts.
Tu dir das bitte nicht weiter an.

06.03.2024 20:55 • x 3 #12


M
Hallo Hallo,

ich danke für die Beiträge und auch das Lesen durch verschiedene Themen sind hilfreich.

Heute war ich einfach nur für mich, bin heute morgen in der Sonne Rad gefahren und habe auf einer Bank Kaffee getrunken. Diese Stille war kaum aushaltbar, aber ich habe es zugelassen. Ja, auch geweint.

Mit Kind habe ich eben spontan einen Kurztrip über Ostern gebucht.

Morgen sind wir bei seinem Neffen zum Geburtstag und eigentlich fehlt er mir ganz schön dolle.

Einen schönen Abend an alle!

09.03.2024 20:07 • x 1 #13


Brausestäbchen
Die Gefühle müssen gefühlt werden, da musst Du leider durch und es dauert so lange es eben dauert.
(Hab auch keine Lust mehr, will gar nichts mehr fühlen )

Eine Freundin von mir hat vor 2 Jahren ihren Mann verloren und hat genau wie Du versucht den Schmerz zu übertünchen, mit Alk., mit Arbeit mit so tun als wäre alles gut. Ich glaube so ungewöhnlich ist das nicht. Irgendwann bricht man dann zusammen.

Es ist super, dass Du Dir einen Therapieplatz gesucht hast.

09.03.2024 22:56 • x 2 #14


Susanna
Zitat von Maliblum:
@Samuel15 Ich bekomme das mit dem Zitieren noch nicht richtig hin. Keine Frage, ist das irrelevant, ob der Kerl nun verschwunden ist, denn ganz ehrlich, ist ja auch dort der Input vom Außen wieder gegeben. Und genau da ist das schockierende. Dass ich mich auf Wege begebe, die ich vom Verstand als destruktiv einordnen ...

Aber dieser letzte Mann war doch im Prinzip kein destruktiver Umgang für Dich?
Was glaubst Du, warum er sich nicht wieder meldete?
Hast Du versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen?

09.03.2024 23:02 • x 1 #15


A


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