Hallo mein Freund,
im Schreiben bin ich nicht gut, wie du dir vermutlich denken kannst, aber ich versuche es trotzdem.
Du weißt, was du mir bedeutest, aber ich nicht einmal ansatzweise, ob du mich magst, mich ablehnst oder ob ich dir gleichgültig bin. Manchmal ging mir diese Frage den ganzen Tag durch den Kopf, denn ich erhielt niemals eine Antwort auf sie. Doch wenn ich daran denke, wie lieb du zu mir warst, wie ehrlich - und hast mich sogar für das Geständnis meiner Gefühle gelobt. Das war einfach ehrlich, hast du gesagt. Ich habe mich von dir losgerissen, dann einen zerreißenden Kampf mit meinem Herzen geführt, den ich verlor. Ich kam zu dir zurück, reumütig, habe mich nicht getraut, dir in die Augen zu sehen und du sagtest einfach Ok- zu Allem. All das war nie ein Problem für dich. Du hast die Situation professionell gemeistert, meine Hochachtung. Ehrlich. Ich hätte das nicht gekonnt. Heute jedoch, ist es endgültig. Diesmal gibt es kein Zurück mehr. Jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt ohne dich. Jetzt wird der herzlichste, ehrlichste, toleranteste und chaotischste Mensch, den ich kenne nicht mehr jede Woche da sein und mir zuhören, mich anlächeln, mir das Gefühl geben, dass ich aufgehoben bin. Die Stütze meines Lebens rutscht plötzlich neben mir weg und hinterlässt ein tiefes Loch, ein halbes Herz... Ich trenne mich von dem Menschen, der mir immer zuhörte, sich manchmal sehr distanziert verhielt, aber bei dem ich nie verloren war, der mir verzieh, wenn ich barsch war oder verletzende Bemerkungen gemacht habe, die eigentlich immer witzig gemeint sind. Ach, wenn ich doch nur vorher abwägen könnte, wie verletzend bestimmte Aussagen sind. Immer habe ich auf dir herumgehackt, wegen einer Sache. Aber für mich war das ein Spiel, ein Grenzen-austesten. Es war spaßig und wir haben immer gelacht. Dennoch plagte mich manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht weiß, inwieweit der Sarkasmus dich traf oder auch nicht traf. Ich denke jedoch, dass es in Ordnung war. Du hast es immer ausgehalten, meine Laune (gute und schlechte), mir väterlich Ratschläge erteilt, wenn ich nach ihnen verlangte. Du bist nach außen hin eigentlich ein offener Mensch, das sagen alle. Doch je mehr ich dich kennenlernte, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass du Einiges verbirgst und eigentlich zu den introvertierten, verschlossenen Menschen gehörst. Du warst ein Rätsel, eigentlich kalt mir gegenüber, aber doch immer für mich da, auch wenn ich dich fragen musste, damit du es erkennen konntest. Ja, dann warst du immer wie ein Vater für mich. Ich hatte nie einen richtigen Vater, bis du in mein Leben tratst. Ich meine, du bist es nicht biologisch, aber du weißt schon, was ich meine... ich habe es dir ja schon erklärt. Sogar mein Abiturzeugnis hast du dir angesehen, Punktzahl für Punktzahl, mich für das Ergebnis gelobt. Trotz mancher Distanziertheit fragtest du immer nach. Ich war da und du hast gefragt - Nach der Schule, nach Ereignissen, von denen ich dir im Voraus erzählt hatte. Es fiel allerdings nie die Frage Wie geht es dir?. Merkwürdig. Vielleicht wusstest du es einfach.
Durch dich habe ich vielleicht zum ersten mal den Satz Wenn du glücklich bist, bin ich auch glücklich verstanden. Ich könnte auch nie glücklich sein, wenn ich wüsste, dass es dir schlecht ginge. Aber davon bist du dankenswerterweise weit entfernt. Du hast eine intakte Familie - Eine wundervolle liebe Frau (ist sie wirklich!), zwei reizende Kinder, die dir alle Ehre machen. Deswegen wollte ich mich auch nie zu sehr einmischen. Das mit uns hätte nie etwas werden können, nicht nur aufgrund dessen, dass du bereits eine Familie gegründet hast, da gibt es noch viel mehr. Dennoch hat mir noch nie Jemand soviel bedeutet wie du seit fast 2 Jahren. Dass ich nie eine Chance haben werde, weiß ich. Und selbst wenn da von deiner Seite aus etwas gewesen wäre, was ich wohl nie erfahre, hättest du mit mir nicht glücklich werden können. Du kannst alleine mit deiner Familie glücklich sein und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du mit ihr bis ans Ende und darüber hinaus in Harmonie lebst, denn das hast du verdient, weil du ein wundervoller Mensch bist und ich dich liebe. Liebe tut weh. Mir haben uns meiner Meinung nach zu selten gesehen. Die Zeit zwischen unseren Treffen war lange, schmerzvoll und von Tränen bestimmt. Du wusstest sicher, dass ich leide, aber nicht, wie sehr. Das wollte ich dir nicht antun. Weil du ein guter Mensch bist, weiß ich, dass du ein schlechtes Gewissen bekommen und Mitleid gefühlt hättest. Ich wollte und will dich so weit es geht von negativen Gefühlen fernhalten. Ich weiß nicht, inwieweit mir das gelungen ist, aber ich weiß ja so wenig über deine Gefühle. Eigentlich wollte ich dich heute noch fragen, was du von mir denkst, aber irgendwie habe ich es gelassen und mich von dir wie immer verabschieden lassen - mit einem Händedruck. Ich gebe zu, dass ich in diesem Moment enttäuscht war, da ich mir zumindest eine Umarmung erhoffte, aber ich bin selbst Schuld, wenn ich den Mund nicht aufmache. Ich habe dir zuvor mitgeteilt, dass du für mich wie ein Vaterersatz warst, was ich an dir schätze und was nicht. Du sagtest, es habe dich gefreut. Vielen Dank dafür, denn ich wollte und will allein, dass du glücklich bist. Irgendwie hat dieser Abschied auch etwas Schönes. Ich muss die Qual der Sehnsucht nicht mehr ertragen.
Ich liebe dich über alles andere auf dieser Welt, mehr als mich selbst. Noch nie habe ich schlimmere Schmerzen ertragen müssen wie heute. Das war das letzte mal heute und ich habe das Gefühl, innerlich zu sterben.
Ich hoffe ich kann eines Tages bei dir bleiben. Vielleicht, wenn wir irgendwann bei Gott sind.
Vielen Dank für alles, Papa
31.07.2015 22:04 •
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