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Ich will ihn nicht verlieren

N
Hallo ihr. Ich bin neu hier und ich hoffe, ich finde Hilfe.

Vermutlich gibt es viele, die mir sagen würden, wie dumm es ist. Dass ich mich ausnutzen lasse. Oder dass ich einfach verzweifelt bin. Ich weiß es momentan gar nicht. Ich versuche noch, es herauszufinden. Und irgendwie meine Gedanken zu ordnen. Vielleicht gibt es ja irgend jemanden, der mit helfen kann, herauszufinden, was ich tun soll.

Mein Ex-Partner und ich kennen uns inzwischen seit siebzehn Jahren, wir waren aber nicht so lange zusammen. Eigentlich fing alles als Internet-Bekanntschaft an. In dem Sinne ich weiß, dass du existierst und du weißt, dass ich existiere. Nichts spezielles. Man las von einander und schrieb mal mit einander, aber wir waren eben nur zwei Leute, die im Internet zufällig den gleichen Chat besuchen. Wir trafen uns als Teil eines größeren Treffens und es lief immer noch nichts. Es ist nicht so, dass wir schon ewig aneinander interessiert waren. Eigentlich war es zu Anfang so, dass wir uns eben kannten.

Mit den Jahren wurde unsere Bekanntschaft tiefer, weil wir eben Teil einer Stammgemeinschaft waren und man mehr und mehr über den anderen erfährt. Unsere gemeinsamen Interessen. Die Tatsache, dass wir den gleichen Blödsinn mögen und über die gleichen Dinge lachen können, die andere dumm oder nicht witzig finden. Einfach viele Kleinigkeiten, die zeigen, dass man sich gut versteht.

Vor 11 Jahren entwickelte sich schließlich etwas zwischen uns, während wir beide noch in einer Beziehung waren. Mit Leuten, die sich im gleichen Chat befanden und zwischen denen sich auch etwas entwickelte. Eine ziemlich miese, vertrackte Situation, die schlussendlich zum Partnertausch führte, in dem Sinne, dass mein damaliger Lebensgefährte und seine damalige Lebensgefährtin eine Beziehung begannen und wir auch. Wie man sich vorstellen kann, verlief das ganze ziemlich mies und endete nach wenigen Monaten im Desaster.

Wir kamen beide darüber hinweg und er wurde mein bester Freund. Immer noch der Mensch, der mich am besten versteht. Der Mensch, dem ich Dinge erzählen konnte, die ich sonst keinem erzählen konnte. Er ist das auch jetzt noch. Damals vergingen sechs Jahre, in denen wir immer Kontakt hatten und jeder eine neue Beziehung begann, in der wir beide mehrere Jahre lang lebten. Und schließlich haben wir uns beide getrennt und sind wieder zusammen gekommen. Wir wollten es einfach. Wir haben gemerkt, wie sehr wir uns geliebt haben und dass wir nicht ohne einander sein wollen und wir waren jetzt fünf Jahre lang zusammen.

Und vielleicht ist das der Punkt, an dem man mir sagen wird, dass ich so nicht weiter machen kann. Vor etwa zwei Wochen sagte er mir schließlich, dass es aus ist zwischen uns. Wir haben jetzt fünf Jahre lang zusammen gewohnt und alles ist eingeschlafen zwischen uns. Wie das eben passiert. Es ist nicht immer der große Knall, der alles beendet. Wir beide merkten schon seit Monaten, dass es nicht mehr knistert. Dass die Spannung raus ist. Der Job, der Stress. Die Langeweile in einer Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich unheimlich gut kennen und sich unheimlich ähnlich sind. Die Bequemlichkeit. Und wir beide haben uns lange eingeredet, dass es schon wieder wird. Dass es einfach erstmal diese Phase ist. Wir haben uns sogar verlobt. Vielleicht auf die Art, auf die manche Menschen ein Kind kriegen. In der Hoffnung, dass das die Beziehung rettet und wieder Spannung rein bringt. Aber geändert hat es nichts.

Wir wohnen jetzt noch zusammen, natürlich, weil man so schnell keine neue Wohnung findet. Und wir haben sogar darüber gesprochen, gemeinsam eine neue Wohnung zu beziehen (dieses Haus hier wird saniert und wir müssten ohnehin ausziehen, egal wie wir uns entscheiden). Wir beide halten das tatsächlich für eine gute Idee, weil wir uns sehr gut ergänzen. Wir haben beide Berufe, in denen wir uns in den letzten Jahren kaum gesehen haben, unsere Arbeitszeiten sich auf die Art überschneiden, dass jeder stundenlang allein daheim ist und seinen Freiraum hat. Vielleicht war das ja auch eine der Sachen, die alles abgetötet hat: dass wir nicht genug Zeit hatten und immer zu müde waren, um etwas zusammen zu tun.

Derzeit reden wir viel über alles. Wir reden mehr als in den vergangenen Jahren und das tut uns beiden gut, wobei es auch Sachen gibt, die uns schwer fallen. Wie das eben so ist. Dinge, die man nicht zugeben will, weil man genau weiß, wie sehr es den anderen verletzen wird. Wir bemühen uns trotzdem, sie auszusprechen, weil wir uns nicht anlügen wollen. Es ist einfach so seltsam, dass wir immer noch auf eine möglicherweise schwer verständliche Art beste Freunde sind. Wir wollen uns nicht verletzen und es hinkriegen, dass wir uns weiter gut verstehen, weil wir einander so wichtig sind.

Was die Sache kompliziert macht ist, dass er inzwischen eine andere Frau kennen gelernt hat. Nennt mich dumm, dass ich ihm glaube, dass er erst spät gemerkt hat, dass da zwischen ihm und ihr irgendwie etwas ist. Vielleicht liegt das daran, dass wir uns so unheimlich gut kennen und uns immer alles sagen konnten. Ich weiß eben, dass er mich nicht anlügt und dass er mir eher etwas verschweigen würde, um mich nicht zu verletzen, als dass er mir etwas vormachen will. Und ein Teil von mir wünscht sich auch, dass er glücklich wird. Aber ein anderer Teil von mir will um alles in der Welt verhindern, dass ich meinen besten Freund verliere und natürlich ist das das komplizierte.

Kann sowas gut gehen? Jeder, den ich frage, wird mir sicher sagen, dass das eine Illusion ist. Dass ich mir nicht vormachen soll, das so leicht verwinden zu können. Aber ich will es unbedingt. Ich will ihn weiter behalten. Ich würde auch eine WG mit ihm aufmachen und hier raus zu sein aus dieser Wohnung, in der wir fast fünf Jahre lang gelebt haben, würde sicher helfen. Andere Räume. Jeder mit seinem Freiraum und der Möglichkeit, die Tür zu schließen und den anderen auszusperren und seine Privatsphäre zu haben. Es wäre gelogen zu sagen, dass es mir leicht fällt, mich damit abzufinden, dass er vielleicht bald oder irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft eine neue Frau an seiner Seite hat. Aber es wäre auch gelogen zu sagen, dass es mir nicht unendlich schwer fällt, diesen Menschen, diesen wichtigsten Menschen in meinem Leben, wegen so etwas zu verlieren. Und ich weiß, dass wir den Kontakt verlieren würden, wenn wir jeder in eine eigene Wohnung ziehen. Wir würden uns von einander zurück ziehen, um uns den Freiraum zu lassen, den wir brauchen, doch wir sind beide schlecht darin, Freundschaften zu pflegen. Nur das zwischen uns war immer etwas, das nie vergangen ist. Aber wenn wir jetzt auseinander ziehen, dann schläft das alles ein und schlussendlich. würden wir uns wohl von einander fern halten, weil wir uns gegenseitig nicht belasten wollen - auch wenn das irgendwann nur noch eingebildet sein wird - und dann wäre unsere Freundschaft einfach vorbei.

Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich weiß, wie dumm und gefährlich es sein kann, mit ihm weiterhin zusammen zu wohnen. Es ist nicht so, dass mir die Risiken nicht klar sind. Dass ich nicht genau weiß, wie schief das gehen kann. Und ihm ist es auch bewusst. Und gleichzeitig glauben wir beide, dass wir uns immer noch sehr gut ergänzen und mit einander leben könnten, ohne zusammen zu sein. Ist das illusorisch? Reden wir uns etwas ein, weil wir immer noch so viel Zuneigung zu einander empfinden? Nicht Liebe, nicht bei ihm jedenfalls. Bei mir weiß ich es gar nicht mehr. Ich weiß gar nichts mehr, nur dass mir das alles eine höllische Angst macht.

Und ich weiß, dass ich über alles hinweg kommen werde, weil man eben über alles hinweg kommt. Nur wird es seine Zeit dauern. Ich weiß nicht, wie lange. Und er weiß es auch nicht. Wir beide zweifeln daran, dass es gut gehen könnte und gleichzeitig sind wir irgendwie sicher, dass wir gut zusammen wohnen könnten. Nur sind da diese Risiken. Wer möchte schon gerne hören, dass die mögliche neue Freundin/der mögliche neue Freund noch mit dem Ex zusammen wohnt. Wie sieht das denn aus? Das schreckt doch jeden oder zumindest die meisten ab. Aber ich will ihn nicht verlieren. Keine Ahnung, wie viel davon noch immer der Schmerz über diese Trennung ist und wie viel davon die Tatsache, dass er mein bester Freund ist. Keine Ahnung, wie sehr ich noch verstrickt bin in das Gefühl, ihn zurück zu wollen, obwohl mir rein logisch absolut bewusst ist, dass es da niemals wieder etwas zwischen uns geben wird. Das Gefühl, das Bedürfnis, die Beziehung wieder zu kitten, ist immer noch da und es lässt sich nicht durch Logik auslöschen.

Aber jetzt bin ich in der Schwebe. Werde hingehalten von ihm, weil er unsicher ist, oder fühle mich zumindest hingehalten. Kann ich ihm einen Vorwurf machen, dass er das für eine gute Idee hält und gleichzeitig auch nicht? Das ist doch normal. So läuft das eben.

Möglicherweise hat er ja schließlich auch schon jemanden oder auch nicht. Wir haben darüber geredet und er hat mir erzählt, wie es ihm mit ihr geht. Ich will keine Lügen und Beschönigungen hören, was er weiß und respektiert. Ich will an seiner Seite sein und wieder der Mensch, dem er erzählt, wie es ihm geht und was ihn beschäftigt und ich will sogar das hören, so wie er auch meine Seite des ganzen hören will. Derzeit fühle ich mich, als könnte ich damit leben und müsste einfach nur den Schmerz überwinden. Und er will das auch. Und gleichzeitig hat er Sorge, dass seine mögliche neue Partnerin nicht mit mir leben kann. Natürlich nicht. Sie befürchtet, dass das immer noch was zwischen uns ist und wie soll man ihr beweisen, dass das nicht so ist? Und soll er ihr beweisen, dass da nichts mehr ist und in eine eigene Wohnung ziehen, auch auf die Gefahr hin, dass mit ihr nichts läuft, weil es nach ein paar Wochen im Sande verläuft? Mich zurücklassen und mit dieser Endgültigkeit unsere Freundschaft aufgeben, weil wir vermutlich den Kontakt so weit wie möglich abbrechen würden, wenn wir endgültig auseinander ziehen. Diese vielen Dinge, die man befürchtet.

Momentan weiß ich einfach nicht weiter und mein Problem ist auch, dass ich sinnlos zuhause sitze, da ich aufgrund von Corona beurlaubt bin. Überstunden abbauen, weil nicht viel läuft. So viel Zeit, meine eigenen Gedanken in meinem Kopf kreisen zu lassen, ohne die Chance, ihnen zu entfliehen. Vorgestern noch ging es gut, wir haben geredet, weil er frei hatte und wir Zeit hatten. Alles war gut. Gestern merkte ich, dass er sehr nachdenklich ist und nicht mit mir sprechen möchte. Heute haben wir geredet, bevor er zur Arbeit gegangen ist. Er hat mir viele Zweifel genannt, die er hat und auch die Dinge, die er will. Wie weiterhin mit mir zusammen wohnen. Und ja, auf gewisse Weise frage ich mich auch, ob es ein ausnutzen ist. Ein gegenseitiges ausnutzen. Wir haben beide unsere Probleme aus der Vergangenheit, unsere Persönlichkeitsstörung, mit der wir gegenseitig klar kommen, die uns aber das Beziehungsleben mit anderen immer erschwert hat und vermutlich auch in Zukunft erschweren wird, wobei ich selber schon lange daran arbeite, meine Verrücktheiten und Probleme zu beseitigen. Nicht für ihn! Für mich selber. Ich will mich für mich selber gut fühlen und mit selber irgendwann mal wieder selbst mögen können.

Also was nun, was tue ich? Einen krassen Schlussstrich ziehen und gehen? Mich um mich selbst kümmern und ihn im Stich lassen, aber auch jemanden verlieren, der mir trotz allem noch Halt gibt? Ich kann nicht mal sagen, ob ich ihn noch liebe, wie man jemanden in einer Partnerschaft liebt oder ob es bei mir auch eingeschlafen und vergangen ist, so dass das jetzt einfach die Verletzung des Ego und der Schock ist, dass wir zwei einfach nicht mehr zusammen sind. Ich kann es nicht beurteilen. Vielleicht ist das noch zu früh. Und vielleicht will ich ihm ja nicht im Gegenzug auch sagen, dass ich ihn nicht mehr liebe und schon eine Weile nicht mehr geliebt habe? Vielleicht will ich mir das ja nicht eingestehen, weil ich Angst habe, mir einzugestehen, dass ich möglicherweise Beziehungsunfähig bin und nie wieder jemanden finden werde, der mit mir leben und mich ertragen kann? Diese Angst habe ich schon so lange und ich habe schon lange das Gefühl, dass ich niemand bin, den man lieben kann, wenn man ihn erstmal kennt.

Ich bitte um Hilfe. Ernsthafte Hilfe. Ich bitte darum, nicht ausgelacht zu werden für diese Sachen. Er ist mein bester Freund und ich wäre einfach zu allem bereit, um ihn nicht zu verlieren. Ich wäre sogar bereit, ihn zu verlieren, weil er entscheidet, dass er nicht mit mir als WG-Partner zusammen wohnen kann, denn es ist klar, dass das mögliche neue Partner immer abschrecken wird. Mir ist es wichtig, dass er glücklich wird und jetzt gerade habe ich einfach Angst, dass ich dabei auf der Strecke bleibe. Und ich habe Angst, wie es jetzt weiter gehen soll.

Vielen Dank fürs Lesen.

28.10.2020 11:51 • #1


T
Zitat von Nessaia:
Und ich habe Angst, wie es jetzt weiter gehen soll.

Das ist dein Grundproblem. Es wird nur am Ende erwähnt - zum Abschluss.

Ich weiss nicht wie oft du sagst, dass du ihn nicht verlieren willst - als Menschen um dann doch wieder zu relativieren:
Zitat von Nessaia:
Das Gefühl, das Bedürfnis, die Beziehung wieder zu kitten, ist immer noch da und es lässt sich nicht durch Logik auslöschen.

Zitat von Nessaia:
Werde hingehalten von ihm, weil er unsicher ist

Weisst du überhaupt noch, wo ER endet und DU anfängst? Das hört sich alles nach starker Symbiose an. Ich glaube sogar, dass es gesund und gut für dich wäre, wenn ihr wieder Distanz schafft und nicht mehr zusammen wohnt.
Natürlich hast du Angst vor dem was kommt: Es ist neu und unsicher. Aber so ist das Leben. Du kannst ewig darüber nachdenken und dir Gedankenmonster zusammenbauen oder du kann einfach mal ausprobieren, etwas zu machen ohne es vorher zu zerdenken. Deine langes Posting spricht fast ausschließlich nur von ihm oder von euch. Wo bleibst du? Wo bist du die ganzen Jahre geblieben? Weisst du noch wer du bist?

Zitat von Nessaia:
Aber ich will ihn nicht verlieren.

Das WARUM erschliesst sich mir nicht. Ganz ehrlich: das waren so viele Worte so viele (für mich) vorgeschobene Gründe... Aber keine wirkliche Antwort auf diese sich wiederholende Frage.


Zitat von Nessaia:
Ich will an seiner Seite sein und wieder der Mensch, dem er erzählt

Als? Für mich hört es sich danach an, auch wegen ein paar Aussagen am Ende deiner Geschichte, dass du darüber deinen Wert definierst.

28.10.2020 12:10 • #2


D
Du machst Probleme, wo keine sind.
Gute und enge Freunde, Vertraute, die verlieren sich nicht.
Sucht euch eigene Wohnungen, die nicht zu weit voneinander entfernt sind und gut ist.

Neue Partner stehen echt nicht auf gemischte WGs, deren Teilnehmer einst verbandelt waren.
Ihr verbaut Euch beide Entwicklungschancen, aus einer zähen Furcht heraus, loszulassen.

28.10.2020 12:50 • x 1 #3




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