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Vorwort zum Abschiedsbrief

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Früher war es einfacher. Kein Facebook, kein WhatsApp. Selbst wenn man die Nummer auswendig kannte war die Ex einfach weg. Und jetzt? Nach drei Wochen Abstinenz bin ich gestern vor Sehnsucht nach dir schwach geworden. Ich bin so tief gesunken dass ich mich wieder bei FB registriert hab, mit einem Fake Account, um dein Profil anzuschauen. Und was seh ich da? Dasselbe alte Profilbild und auch keine neuen Freunde in der Liste. Nachts hab ich dann den Fehler gemacht und deine Nummer eingespeichert. Und was seh ich da dann? Wie schon an den Wochenenden direkt nach der Trennung warst du zum letzten Mal zu deiner üblichen Schlafenszeit online.

Ist das dein ernst? Als du Schluss gemacht hast, weil du meintest du siehst keine Zukunft mehr obwohl du mich liebst, sagtest du noch du willst wieder viel mehr ausgehen und wieder wie früher deine vielen oberflächlichen Bekanntschaften machen. Und jetzt? Sitzen wir jetzt beide mit Liebeskummer zuhause weil du für deine Pläne, die noch vollkommen in den Sternen stehen, mehr Freiraum brauchst? Genießt du es alleine zu sein oder bricht es dir selber nach fünf Wochen noch das Herz obwohl es deine Entscheidung war? Interessieren sich deine oberflächlichen Bekanntschaften nicht für dich und hast du gemerkt dass du den einzigen Freund hier, der dich wirklich kennt, zum Teufel gejagt hast? Ich weiß dass du hier sonst niemanden hast weil deine engeren Freunde und Familie verteilt in zwei anderen Bundesländern leben. Du hast mal gesagt du müsstest dich immer beschäftigen, sonst denkst zu viel über dich und dein Leben nach und wirst traurig. Vielleicht hast du mittlerweile wenigstens begriffen dass du dich manchmal zurücknehmen musst wenn du keinen Burnout haben willst in ein paar Jahren.

Weißt du, ich wünsch mir manchmal du hättest einfach riesen Bockmist gebaut so dass ich auf dich wütend sein könnte. Aber ich kenn dich zu gut und versteh dich einfach zu sehr, als dass ich das so schaffen würde. Als du mir am Anfang von all der häuslichen Gewalt zwischen deinen Eltern erzählt hast, die du schon von klein auf mitbekommen hast, hattest du Angst ich würde dich deshalb verlassen weil es nicht immer einfach wird mit dir. Du hast dich direkt entschuldigt falls du dich mal blöd verhältst, weil du nie gesehen hast wie eine harmonische und liebevolle Beziehung aussieht. Ich hab dich damals einfach nur in den Arm genommen und dir gesagt dass du dir keine Sorgen machen musst. Du hast eben deine Macken und ich meine, aber zusammen bekommen wir das schon hin.
Wenn ich für dich da sein und dir helfen wollte gab es Streit, weil du angenommen hast ich würde denken du kannst es nicht allein. War mir aber soweit egal weil ich wusste, dass du denkst du müsstest alles alleine schaffen und hättest nie jemanden an deiner Seite. Ich wollte dir einfach das Gegenteil beweisen. Wenn ich mich über irgendwas aufgeregt habe gab es Streit weil du immer dachtest ich würde dir die Schuld geben und wäre sauer auf dich. Aber wir konnten es immer klären, auch weil ich wusste wie sensibel du hinter deiner Fassade bist. Und selbst als du während unserer Beziehung immer mehr und mehr Freiraum brauchtest und sogar noch eine Wochenendbeziehung daraus gemacht hast, hab ich mich dir zuliebe darauf noch eingelassen, obwohl es sehr viel Streit deshalb gab. Aber da war auch für mich eine Grenze erreicht und du hast dich, als du sogar noch mehr Freiraum wolltest, beschwert dass nur du Kompromisse eingehen müsstest und ich dir nie entgegenkommen würde.

Manchmal frag ich mich ob wir jemals eine Chance hatten. Als du mir am Anfang erzählt hast dass du deine anderen beiden Ex-Freunde immer nach eineinhalb Jahren verlassen hast, haben wir noch Witze gemacht. Ich sagte noch dass das aber hart wird, wenn du mich dann kurz vor Weihnachten 2017 verlässt. Du meintest nur das würde bei mir nicht passieren weil du mich sehr liebst und ich sei ja nicht so wie deine Ex-Freunde und einfach sowieso lockerer drauf. Grandiose Leistung dass wir es immerhin bis Mitte Januar 2018 geschafft haben bevor es dir vollends zu eng wurde.
Mag vielleicht sein dass ich anfing ein bisschen zu klammern, aber hast du dich eigentlich mal gefragt, ob du mit deinem ständig wachsenden Bedürfnis an Freiraum genau so ein Verhalten bei deinem Partner provozierst? Lief es bei deinen Ex-Freunden auch so? Was soll man schon machen wenn man dich liebt und irgendwann anfängt zu befürchten dass du bald ganz weg bist? Deine Vorstellung einer Beziehung jetzt ist eher wie eine offene Beziehung in der man nur mit einer Person schläft. Jeder verfolgt nur seine Interessen und wenn man mal am selben Tag Zeit hat kann man sich sehen. Hauptsache keiner kommt in der Beziehung jemals auf die Idee sich nach dem anderen richten zu müssen. Und ja, ich weiß, dass du schon in deiner Jugend beschlossen hast, dass du dich niemals nach einem Mann richten wirst oder dich bevormunden und einsperren lässt. Aber man kann es auch übertreiben. Man muss nicht immer leben wie auf der Flucht. Hauptsache keine tiefer gehende Beziehung damit man jederzeit einfach weiterziehen kann und niemandem verpflichtet ist.

Aber ja, ich weiß ja auch warum du so bist wie du nun einmal bist und kann dir deshalb nicht wirklich böse sein. Eigentlich tust du mir eher schon leid. Ich war immer so stolz auf dich und das was du dir komplett im Alleingang erarbeitet hast bis hin zu deiner jetzigen Promotion. Ich hatte deiner Familie, besonders deiner kleinen Schwester, und deinen engeren Freunden versprochen dass ich immer für dich da sein würde und ich dich niemals hängen lassen würde. Sie fanden es immer toll und haben mir immer gesagt wie sehr sie sich freuen, dass du jemanden wie mich gefunden hast. Aber es hat wohl einfach nicht mehr sein sollen.

Manches hier klingt vielleicht sogar ein bisschen gehässig, aber genau deshalb schreibe ich es separat. Es muss raus und in meinem eigentlichen Abschiedsbrief an dich soll es nur noch um unsere schönen Zeiten gehen. Dein kitschiger und romantischer Schatz eben, wie du mich immer strahlend und lachend vor Freude genannt hast. -.-

19.02.2018 01:07 • x 2 #1




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