Beziehungssucht? Oder wie komme ich da raus?

F
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Und ich frage mich, wer wird das überhaupt lesen, weil es so viel ist.

Ich befasse mich zurzeit mit mir selbst, weil ich das Gefühl habe, in meinem Leben stecken geblieben zu sein. Ich krame in meiner Kindheit, ich krame in den Vorkommnissen meiner letzten Beziehungen. Ich werde bald 47 Jahre alt, und ich lerne einfach keine Männer kennen, bzw. habe regelrecht Angst, wieder in eine Falle zu tappen. Von daher sortiere ich optisch und emotional unaufhaltsam und ungnädig alle Männer aus. OK, abgesehen davon, dass die Männer, die mich optisch und auf den ersten Blick interessieren, immer einen Ring tragen….

In den letzten Tagen schaue ich mir Bilder meiner Kindheit an. Mein Vater war schwer Alk. und Medikamente abhängig. Meine Eltern haben sich viel gestritten, mein Vater hat aus Frust und im Rausch auf meine Mutter eingeschlagen, aber nie so, dass sie ins Krankenhaus musste. Welche Spuren diese Beziehung bei ihr hinterlassen haben, weiß ich nicht. Ich kann sie auch nicht mehr fragen, da sie vor 11 Jahren an Krebs verstorben ist. Ich habe als Kind nur diese endlosen Streitigkeiten und die permanent schlechte Stimmung zu Hause mitbekommen. Wenn ich mir die Urlaubsbilder anschaue, kurz vor ihrer Trennung, dann sehe ich einen bemitleidenswerten, schmächtigen Mann. Er tut mir leid und ich bin angeekelt von seinem Aussehen. Ich war ungefähr 10 Jahre alt, als meine Mutter mit mir auszog – damals macht man „so was“ ja nicht…. Mein Vater hatte einen richtigen Absturz aber rappelte sich die kommenden Jahre wieder hoch. Er konnte die Süchte eine Zeit lang überwinden. Wir wurden Freunde – mit ihm hatte ich mich in dieser Zeit besser verstanden, als mit meiner Mutter. Mit ihm konnte ich reden, er hörte mir zu, nahm mich ernst, zeigte durch seine Aufmerksamkeit, dass ich ihm wichtig war.
Er lernte eine neue Frau kennen, die viel jünger war als er (er war Ende 30, Anfang 40, sie muss irgendwo zwischen Anfang, Mitte 20 gewesen sein; ich war damals irgendwas um die 14/15). Sie zog bei ihm ein und wollte ein freundschaftliches Verhältnis zu mir aufbauen. Dann ging das Drama ein, zwei Jahre später los. Sie wollten heiraten. Irgendetwas war zwischen meinen Eltern wieder passiert, wegen einer Banalität gerieten sie in Streit und er ließ seinen Unmut verbal an mir als 16jährige aus. Es war kurz nach deren Hochzeit. Nach der Feier ist er schwer gestürzt (sternhagelvoll?) und hat sich das Bein gebrochen, war unzufrieden. Er schrie und schrie mich an. Ich wiederum wollte mir das nicht gefallen lassen, habe mich umgedreht und bin gegangen. Das war dann das letzte Mal, dass ich ihn lebend gesehen hatte.

Ein, anderthalb Jahre später rief seine zweite Frau bei uns an, um uns mitzuteilen, dass mein Vater an Gelbsucht gestorben war. Was war passiert? Es gibt nur Mutmaßungen. In der letzten Zeit, die ich ihn noch gesehen hatte, hatte er auch wieder Wein getrunken. Die zweite Frau war Krankenschwester, es gibt in der Familie Vermutungen, dass sie ihn mit Medikamenten versorgt hatte. Das alles ist 1986 passiert; also schon sehr lange her. Ich habe nie richtig getrauert, weil ich mir eingeredet habe, dass er mir egal ist (er hatte mich zu guter Letzt auch enterbt). Ich verspüre auch keine innere Liebe oder so etwas, ich bin nur traurig, weil wir nie ein richtiges gemeinsames Familienleben hatten. Ich hätte gern mal das Gefühl gehabt, eine Prinzessin für jemanden zu sein. Aber im Dauerstreit war das nicht möglich. Mein Vater war viel im Kiosk, dort konnte man ihn treffen, weil er von zu Hause geflüchtet ist, dort B. mit Bekannten trank. Ich ging dann dort hin, weil ich Süßigkeiten gratis bekam, oder aus den Cola-Flaschen die Knibbelbilder (wer sie noch kennt) heraus pulen konnte. Das war alles in den 70ern.

Bei meiner Mutter ging es mir gut, aber emotional war sie auch kaputt, denke ich. Sie hat mich versorgt, aber Liebe habe ich nicht verspürt. Ich denke, sie hat mich sehr geliebt, konnte es aber nicht wirklich zeigen. Selbst im Sterbebett hatte sie mir schwere Vorwürfe gemacht und alles Mögliche aufgetischt, was ich alles in ihren Augen falsch gemacht habe. Ich konnte mich nicht wehren - soll man mit einer sterbenden Frau streiten? Also habe ich alles geschluckt und nur geweint. Aber innerlich bin ich geplatzt und es hat mich zerrissen. Es war so gemein….. Auch wenn sie Schmerzen hatte und sie es los werden wollte (Endstadium Krebs – sie war im Hospiz); aber ich habe sehr darunter gelitten.

Ich hatte Beziehungen, die meisten waren nicht wirklich gut. Irgendwas war immer. Mein erster Freund war wahrscheinlich der „gesündeste“ von allen meinen Beziehungen. Zwar im Heim aufgewachsen, aber er war sehr lieb zu mir. Ich habe mit 21 das erste Mal geheiratet – aus Trotz, weil meine Mutter dagegen war – einen Engländer der British Army. Er trank auch viel und gern. Hier konnte ich immer die Starke, Erwachsene spielen. Irgendwann hatte ich von ihm genug und ging. Ich hätte ihn nicht heiraten sollen.
Ich kam mit einem weiteren Engländer zusammen, einen Maurer. Meine große Liebe – aber verheiratet. Er konnte und wollte sich nicht von seiner Frau trennen. Es war ein ständiges hin und her von mir zu ihr und wieder zurück, bis ich nicht mehr konnte und ihn nach anderthalb Jahren bat, mich nicht mehr anzurufen. Ich habe sehr gelitten, aber das war das Beste.

Dann lernte ich einen Ägypter kennen. Eigentlich faszinierte mich nur, dass er mich toll fand. Aber auch er wollte eigentlich sein Araberleben leben, unabhängig, Frauen sind nebensächlich. Er hat überhaupt gar nicht verstanden (oder verstehen können), was ich von ihm will; meine Vorstellung von Beziehung. Wir kamen aus unterschiedlichen Welten. Nach drei Monaten Beziehung war ich schwanger. Er wollte nicht, dass ich das Kind bekomme. Ich habe meine Tochter dennoch bekommen und allein groß gezogen.

Zweieinhalb Jahre später suchte ich einen Kindergartenplatz für sie. Und bei einer Kita lernte ich meinen zweiten Mann kennen; er war dort Erzieher, meine längste Beziehung überhaupt. Er wollte mich mit Haut und Haaren. Unsere Beziehung begann sofort sehr intensiv zu sein. Er hat mich jeden Tag besucht und ist über Nacht geblieben. Irgendwann schlich sich Respektlosigkeit ein – vielleicht auch bei mir. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsste alles ausbaden, was in seinem kindlichen, egoistischen Köpfchen ausgebrütet wurde („Spinnereien“). Also wieder war es so, dass ich immer nur erwachsen sein musste, um Kontrolle darüber zu haben, dass finanziell oder überhaupt nichts schief geht. Und er hat mir diese Kontrolle vorgeworfen. Er fühlte sich von mir abhängig und war deshalb unzufrieden. Ich sah in ihm nur ein Kind, auf das ich aufpassen muss, sonst läuft alles aus dem Ruder. Vielleicht hätte ich lockerer sein müssen, aber dann hätten wir nie Geld übrig gehabt. Seine Eltern sind versorgt und haben Geld übrig – er wird später mal das Haus erben. Daher hatte er nie Not und Geldsorgen, da „gefühlt“ immer was da war und er auch seinen Vater notfalls um Unterstützung bitten konnte.

Was habe ich anfangs in ihm gesehen? Ich war so sehr verliebt. Bei unserem ersten richtigen Treffen war er auch betrunken und ich dachte so etwas wie „Oh Gott, soll ich es wirklich wagen?“ Dann habe ich an gar nichts mehr gedacht oder denken wollen. Anfangs lief es in unserer Beziehung sehr gut. Er hatte angerufen, wenn er es versprochen hatte; er hat an mich und meine Tochter gedacht; all dies hatte ich seit meinem allerersten Freund nicht mehr erlebt. Wann schlich sich die Missstimmung in unsere Beziehung ein? Ich glaube, das fing mit dem Urlaub auf Sylt an. Ich hatte andere Erwartungen an den Urlaub, als er und ich konnte es nicht richtig rüber bringen. Er wollte viel auf dem Sofa gammeln, und ich kannte so etwas gar nicht. Meiner Meinung nach ist man im Urlaub und will etwas erleben, auch bei schlechtem Wetter. Man macht Ausflüge, schaut sich die Insel an, geht an den Strand. Ich war schon schwanger zu diesem Zeitpunkt und wusste noch nichts davon – vielleicht waren auch teilweise die Hormone schuld; ich war empfindlich und habe lange Spaziergänge allein gemacht, bei denen ich geweint habe.

Nein, es ging damit los, dass wir zusammen mit einem anderen Pärchen zelten waren. Ich hatte meinen Ex gerade kennen gelernt, meine Tochter war so um die 2,5 Jahre alt. Das Pärchen und ich und die Kinder waren am See und deren Tochter zog meine Tochter auf einem Schlauchboot hinter sich her. Ich dachte noch: ob das gut geht? Und meine Tochter fiel vom Schlauchboot. Ich war ca. 10 m entfernt und bin noch stehen geblieben, um zu schauen, ob sie von allein wieder hochkommt. Sie kam nicht hoch. Nach ein paar Sekunden bin ich hin gesprintet und sie schaute mich unter Wasser mit ihren großen Augen panikartig an. Ich habe sie hochgenommen und an mich gedrückt. Es war Gott sei Dank nichts, sie schnappte nur nach Luft. Aber ich war total aufgelöst! Musste weinen und zitterte. Ich bin ans Zelt, mein Ex war am Kochen. Ich erzählte ihm, was passiert war; ich war immer noch unter Schock. Er hat mich nur sehr barsch angemacht, dass ich mal wieder runterkommen soll, es ist nichts passiert und ich würde mit meiner Reaktion das Kind für immer schädigen und beeinflussen. Ich fühlte mich so unverstanden in diesem Augenblick. Er war gar nicht dabei und maß sich an zu beurteilen, wie schlimm es war. Abgesehen davon, dass ich die Situation als lebensbedrohlich angesehen hatte und völlig neben der Spur war. Er hatte nichts getan, um mich zu beruhigen – nötigenfalls mich vom Kind zu trennen und mir Mut zuzusprechen. Er ist Erzieher und irgendwie hatte ich eine andere Reaktion erwartet und war mit meinem Gefühl, so falsch zu sein oder reagiert zu haben total verwirrt und traurig.

Während der Schwangerschaft mit meinem Sohn wollte ich eigentlich behütet und betüddelt werden. Aber das Gegenteil trat ein: ich sollte ganz normal im Haushalt weiterhelfen und auch die schwereren Arbeiten verrichten (Du bist nur schwanger!), usw. Dann die Geburt. Dies war der erste Moment, in dem ich meinen Ex einfach herumkommandieren konnte, trotz der Schmerzen und allem ein super Gefühl! Ich konnte ihn einfach mal herum scheuchen, und er hat alles gemacht, da ja die Ärztin und die Hebamme dabei waren. Schon beim Abholen im Krankenhaus kam es zum Streit: mein Ex konnte den Kindersitz nicht aufbauen bzw. befestigen und ich sagte nur: „Das hättest Du doch schon vorher einmal testen können.“ Und er war stinkesauer und hat die Fahrt über nicht mit mir geredet. Ich war fix und fertig und habe still geweint…. Mein Ex hat es mich stundenlang spüren lassen, dass ich etwas Falsches gesagt habe. Zu Hause hat er weiter nicht mit mir geredet.

Unser Lebenskonstrukt war, dass ich nach der Geburt wieder arbeiten gegangen bin und er Elternzeit nahm. Ich glaube, das hat ihn zeitweise noch unglücklicher gemacht. Er war isoliert zu Hause. Somit konnte er mich noch öfter fertig machen und seine Unzufriedenheit spüren lassen. Als er dann nach der Elternzeit und ein weiteres Jahr zu Hause wieder arbeiten ging, hatte ich ihm seinen Teilzeitverdienst komplett belassen (600€) und kein Unterstützungsgeld eingefordert. Er hatte sich sein Sauf-Tattoo weg lasern lassen wollen, und den Rest hatte er behalten. Wenn er dann davon tanken musste oder etwas aus dem Baumarkt geholt hat, oder einkaufen war, hat er das mehrmals betont und lautstark kommentiert, dass er ja von SEINEM Geld einkaufen war, getankt hatte,…..

Ziemlich schnell war auch klar, dass er gern und viel trank. Es gab einige Momente, wo ich ihn auf dem Klo/Waschküche völlig besoffen aufgefunden habe. Hier fing dann der Ekel an – auch weil ich solche von zu Hause durch meinen Vater bekannten Situationen erneut durchlebte. Des Weiteren kam es dann auch schlimmen Streits, wenn er getrunken hatte. Ich wollte sein Trinken in den Griff bekommen, aber durch diese Kontrolle ist alles immer schlimmer geworden.

Einmal hatte ich Karten für ein Gartenfestival für uns. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut! Die Kinder sollten mit. Aber den Tag zuvor hatte er sich so voll laufen lassen, dass er an dem Abend des Festivals immer noch „krank“ war. Ich war sehr enttäuscht, bin aber mit meiner Tochter hingefahren (sie war gerade 6 oder so) und musste seine Karte verkaufen. Er ist mit unserem Sohn zu Hause geblieben. Ich konnte das Festival einigermaßen genießen, weil ja meine Tochter dabei war und ich unterwegs noch Kollegen getroffen hatte.

Ständig war zu Hause schlechte Stimmung. Manchmal mochte ich von der Arbeit gar nicht erst nach Hause fahren, weil ich nie wusste, wie seine Stimmung sein wird. Die ganze Beziehung glich einer Achterbahnfahrt, nie wusste ich, woran ich war, welche Spielregeln gerade gelten. Alles in Allem hat mich das auf Dauer fertig gemacht. Ich wollte es ihm zu jedem Zeitpunkt recht machen, damit die Stimmung – seine Stimmung – besser wird. Das half, wenn es dann mal half, leider immer nur kurz. Ich bin im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund getreten und habe meine Gefühle gar nicht mehr wahrgenommen.

Wenn ich mal „Geld locker“ gemacht habe, damit wir uns in der Stadt mal neue Klamotten kaufen können, dann war er maximal bis zum nächsten Morgen einigermaßen nett zu mir; zugänglich und ziemlich zuvor kommend.

Er konsumiert Canna. und Alk.. Canna. stört mich gar nicht – Alk. stört mich massiv! Ich ekelte mich dann vor ihm und seiner Schwäche.
S. war auch immer ein Thema. Ihm war es zu langweilig, zu selten (2xdie Woche, wenn man die Häufigkeit überhaupt messen kann), zu unaufregend. Gerade das zu wenig löste in mir immer wieder Druck aus. Irgendwann habe ich meine Gefühle nicht mehr wahrgenommen und war nur für seine Wunscherfüllung da. Ich habe meine Wünsche immer weiter zurück gestellt und auf seine Stimmungen geachtet. Ich wollte immer nur, dass alles wieder gut wird und er mich nett behandelt. Das Gegenteil traf dann ein und ich war jedes Mal traurig und geknickt, wenn er trotz all meiner Bemühungen stinkig, sauer, eingeschnappt oder sonst was war. Das waren die vorgenannten Achterbahnfahrten.

Er hat meinen Widerwillen zwar auch gespürt, war aber dennoch fordernd, weil er Bock auf S. hatte. Er hatte ja schließlich in der Ehe ein Recht auf S. und könnte es auch gerichtlich einfordern! Selbst im Bett gab es dann Sprüche, wenn ich dies oder das nicht mache, dann sucht er sich halt jemand anderen (auch während des miteinander Schlafens!). Gerade dieser Spruch kam mehr als häufig und tat immer mehr weh. Ich wollte ihn ja nicht verlieren; aber innerlich baute sich der Stresspegel immer mehr auf. Er hatte am Wochenende Samstag und Sonntag S. quasi eingefordert. Die Kinder saßen vor dem Fernseher. Aber das war ihm ja eigentlich zu langweilig und nicht spontan genug. Das hatte er mich dann immer nach dem S. spüren lassen, wie sehr es ihn ankotzte, mit mir langweiligen S. zu haben. Ich sollte doch mal auf ihn zukommen, sollte s.y sein, Wäsche kaufen. Aber irgendwie hatte ich das immer blockiert – wozu Wäsche kaufen, wenn ich es ihm sowieso nicht Recht machen kann? Ich kam mir noch billiger und benutzt vor.

Gerade nach Streits hatte ich dann eher Lust auf S., weil ich ihn ja nicht verlieren wollte und auch wollte, dass alles wieder gut wird. Quasi als Entschuldigung. Ich glaube, damit habe ich sein respektloses Verhalten mir gegenüber noch verstärkt.

Seine Anrufe bei mir auf der Arbeit liefen dann irgendwann auch immer nach dem gleichen Schema ab: irgendein Thema – dann habe ich irgendetwas in seinen Augen „falsch“ gemacht – Anfeindungen, Vorwürfe an mich seinerseits und ich konnte mich ja nicht verbal wehren, da ich ja auf der Arbeit war und den Schein gewahrt habe, und mir das peinlich war. Meist war ich am Ende entweder nur geknickt oder habe still geweint. Selten sind solche Telefonate normal abgelaufen. Meist hat er dann wütend aufgelegt und ich war einfach nur ratlos.

Wir hatten jeden Tag zu Hause irgendeinen Streit oder schlechte Laune breitete sich aus. Es war immer ein wenig besser, wenn er beki. war. Alk. machte es eher noch schlimmer und er beschimpfte mich noch mehr. Ich wurde immer sprachloser.

Ich konnte ihm selten etwas Recht machen. Meist war es nicht gut genug, egal wie ich mich angestrengt hatte. Es gab manchmal Momente (im bekifften oder besoffenen Zustand), in denen er seine Fehler mehr oder weniger eingestanden hatte. Er konnte mein trauriges Gesicht nicht mehr sehen. Ich sollte permanent weg, ausziehen, die Kinder da lassen, ohne ihn wäre ich ein Nichts, würde ich untergehen, käme mit den Kindern nicht klar, und ich habe ihm geglaubt… Ich hatte mich so sehr an ihn geklammert, jeden Tag gehofft, dass er gute Laune hatte; dass wir ein zufriedeneres Leben führen können. Es gab auch gute Momente, in denen wir viel Spaß hatten und lachen konnten. Aber die wurden immer weniger. Meist hatte er mich kritisiert. Haus, Garten, Auto, Kinder, meine Erscheinung, meinen Körperbau (168 cm, damals ca. 70 kg), treibe zu wenig Sport, achte nicht auf mich. Aber im Gegenzug gab es gar keine freie Zeit für mich. Immer wenn ich mal etwas für die Schule, für den Kindergarten, allein oder mal mit meiner Freundin etwas machen wollte, musste ich mir die Zeit schwer erkämpfen. Er hat sehr über meine Zeit bestimmt, umgekehrt durfte ich nie über ihn und seine Zeit bestimmen, weil er frei sein wollte. Ich hatte die anderen Mütter immer bewundert, die ihre Männer für irgendwelche Arbeiten im Kindergarten, in der Schule mit eingeplant hatten – das hätte ich niemals wagen dürfen!

Ich sollte beim Einkaufen immer die Kinder mitnehmen, um ihn zu entlasten, sollte nicht trödeln. Er hatte mich mit wütendem Auftreten bestraft, wenn ich seiner Meinung nach zu lange gebraucht habe oder (habe ich leider sehr oft, weil ich schon so destabilisiert war, wie ich jetzt weiß), etwas vergessen habe.
Hobbies: es mussten immer seine Hobbies sein: Flohmarkt besuchen, Klettern gehen, Geocashen. Er hat sehr viele Projekte angefangen und irgendwann wieder fallen lassen. Ich habe es auch getan, aber mir wurde es immer als Makel vorgeworfen.

In einem Buch stand, dass es Kinder gibt, die sich zurückziehen, die ihre ganzen Gefühle einstellen und unsichtbar werden. Ich glaube, so ein Kind war ich auch. Ich habe mich in der Schule mündlich nicht angestrengt, aus Angst, etwas Dummes zu sagen, ich wollte meiner Mutter nicht zur Last fallen und habe mich auch nicht wirklich aufgelehnt. Ich weiß nicht wirklich etwas über mich – vielleicht mag ich mich gar nicht? Wer bin ich eigentlich wirklich? Was macht mich aus? Ich habe mir immer Leute gesucht, die viel mehr Elan hatten und quasi mein Leben dadurch aufgepeppt haben. Ich war und bin eher ein Mitläufer als ein Initiator.

Wir sind seit 2010 nicht mehr zusammen, es gab zwischendurch eine Annäherung für 1,5 Jahre. . Seit Februar diesen Jahres bin ich auch geschieden. Er hatte in dieser Zeit mehrere Beziehungen. Er selbst ist mittlerweile 41 Jahre alt und lebt seit anderthalb Jahren mit einer 24 jährigen zusammen. Auch sie ist sofort eingezogen. Es scheint gut zu klappen zwischen ihnen. Das wurmt mich ein bisschen; dabei weiß ich ja nicht wirklich „was“ die beiden an Beziehung haben. Ob er ihr sein wahres Gesicht schon gezeigt hat? Ich weiß nur, dass auch sie gern trinkt – vielleicht ist das ja auch deren Basis…. Als ich ihn das letzte Mal bewusst sah (am Scheidungstermin), hatte er ein ganz aufgedunsenes Gesicht – für mich sah er wie ein Alk. Mann aus. Aber vielleicht bin ich auch nur vorbelastet.

Aber nach dieser Beziehung lerne ich keine Männer mehr kennen. Ich frage mich ernsthaft, woran das liegt. Ich empfinde mich als für mein Alter entsprechend hübsch, wiege um die 67 kg, bin nett und lustig. Mache ich mich selbst unsichtbar, brauche ich professionelle Hilfe, habe ich das alles noch nicht verarbeitet? Oder liegt es daran, dass es keine „guten“ und gesunden Männer mehr gibt?

Tut mir echt leid, ist sehr lang geworden.

06.04.2015 20:26 • #1


R
Hey,
ich habe mir deine Geschichte in Ruhe durchgelesen. Sie ist sehr bewegend und vieles ist unglaublich traurig.

Ich denke es würde Dir sehr gut tuen, Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Es ist gut möglich, dass vieles aus deiner Kindheit oder Jugend nicht richtig verarbeitet werden konnte.
Das, was Du über deine Beziehungen zu Männern schreibst, könnte sehr gut mit deinem verhältnis zu deinem Vater zu tun haben.
Wenn man als Kind in der Beziehung zu seinen Eltern Verletzung um der Beziehung willen hinnimmt, so fühlt sich diese Verletzung so vertraut an, dass man sie später im Leben immer wieder unbewusst sucht. So ist es zumindest bei mir gewesen.
Ich selber habe mehrere Jahre mehrmals Wöchentlich Therapie gemacht um mich selber besser kennen zu lernen und aus Beziehungsmustern, die mir selber schaden, rauszukommen. Es hat mir gut geholfen. Dinge zu verstehen, Dinge zu ändern und mich selber sehr gut kennen zu lernen.

06.04.2015 21:50 • #2


Feuerelfe
Hi refagl, (vorher als Gast Feuerelfin, nun als angemeldeter Nutzer Feuerelfe)

Danke, dass Du Dir meinen Text angetan hast! Es ist mir im tiefsten Inneren wohl klar, dass ich nicht alleine aus meinen Strukturen heraus komme. Aber es macht mir auch Angst, da ich ja überzeugt bin, dass ich mich kenne. Was ist denn, wenn ich in der Therapie heraus finde, dass ich eigentlich gar nicht so toll, so stark, so nett, bin?

Oder auch: vom Kopf her weiß ich ja, was ich will oder auch, was ich überhaupt nicht will. Wenn ich nun wider Erwarten mal eine Beziehung eingehen sollte, bin ich dann stark genug, meine Meinung, meine Gefühle, meine Werte einzufordern? Oder lasse ich mich wieder allzu sehr von außen steuern? Wie weit lasse ich dann wieder alle meine Grenzen überschreiten, weil man mir sagt, dass man (also ich) in einer Beziehung nachgeben soll, weil es besser für die Beziehung ist?

Fragen über Fragen....

07.04.2015 19:35 • #3




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