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Bindungsängste Trotz Liebe ist er gegangen

K
Hallo zusammen,
ich stelle mich kurz vor: Ich bin Kat, 37 und wurde vor knapp drei Monaten verlassen. Es ging mir schon etwas besser, doch nun hab ich wieder einen Rückfall und weiß nicht, wohin mit mir.

Zu unserer Geschichte: Er ist acht Jahre jünger als ich. Wir waren etwa anderthalb Jahre zusammen, kennen uns seit drei Jahren. Es war eine Liebe, die sich langsam entwickelte. Ich kam grad aus einer 15-jährigen Beziehung, war verheiratet und hatte mich getrennt. Es war eine toxische Beziehung, geprägt von Lügen, Betrug, Gaslighting, Eifersucht und Kontrolle. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich endgültig zu lösen.

Dann kam er und ich fühlte mich wieder lebendig. Nach so langer Zeit war da jemand, der wirklich für mich da war, immer hinter mir stand und mich in allem unterstütze. Wir haben immer über alles offen und ehrlich gesprochen. Wir hatten Interesse am anderen und teilten eine Leidenschaft: die Musik. Uns gingen nie die Gesprächsthemen aus. Ich fühlte mich so angenommen.

Er sprach dann an, dass er sich eine Beziehung mit mir vorstellen könnte. Er suchte viel Nähe, war sehr viel bei mir. Während des Lockdowns wohnte er quasi bei mir. Und obwohl wir beide Homeoffice machten und uns wirklich jeden Tag immer sahen, gingen wir uns nicht auf die Nerven. Wir stritten kaum, verbrachten die Abende mit gemeinsamem Kochen, hatten unsere Rituale am Sonntag. Ich war wirklich glücklich. Er sprach im Sommer vom Zusammenziehen, ich brauchte noch etwas Zeit. Meine Scheidung wurde wirklich hässlich, er stand immer an meiner Seite und ich konnte immer mit ihm darüber sprechen. Er setzte mich nie unter Druck. Ich dachte, er wolle das mit uns wirklich. Ich konnte mir eine gemeinsame Zukunft vorstellen, wie immer das auch aussehen möge.

Ich sprach das eines Morgens an. Und das stürzte ihn ins Chaos, er war völlig durcheinander, zog sich eine Woche zurück in seine Wohnung und machte dann Ende November Schluss. Er sagte, er könne mir nicht das geben, was ich verdiene. Ich würde immer mehr Kompromisse machen für uns und er sei nicht bereit, das zu tun.

Für mich brach eine Welt zusammen. Es fühlte sich an, als würde ich mit 100 gegen eine Wand fahren. Er packte ein paar Sachen, ließ den Schlüssel auf dem Tisch liegen und ging. Ich war am Boden zerstört und brauchte zwei Monate, um wieder klarzukommen. Ich gehe jeden Tag laufen, mache Yoga und Meditation. Ich bin wegen der Scheidung immer noch in Therapie. Ich versuche, an mir zu arbeiten, auf mich zu achten und trotzdem haut mich der Schmerz immer wieder um. Er fehlt mir mit jeder Faser meines Körpers, jeden Tag.

Er meldete sich regelmäßig, rief mich an, weinte auch am Telefon, sagte, es täte ihm so leid. Wir sprachen häufiger, es war immer wertschätzend, nie vorwurfsvoll. Er sagte, es fühle sich nach der richtigen Entscheidung an. Sagte aber auch, dass ich die perfekte Frau für ihn sei. Dass er starke Gefühle für mich habe. Dass er aber Bindungsägste hätte und Chaos in seinem Kopf sei. Er sähe noch eine Chance für uns, aber nicht jetzt. Er wisse nicht, wann. Dann begann er eine Therapie. Nach der ersten Sitzung war er plötzlich sehr nachdenklich. Er überlegte, was er ändern müsse und wie das gehe. Er sagte plötzlich ich habe mich leider getrennt, obwohl ich so glücklich war. Zwischendurch ein kleiner Eifersuchtsanfall seinerseits, weil ich mich zwei Tage auf seine Nachricht nicht gemeldet hatte.

Gestern sprachen wir nach seiner zweiten Sitzung. Mit einem Mal alles anders. Er sagte, ich habe ihm zu viel gegeben, ich sei zu gut für ihn gewesen. Für ihn komme keine Beziehung infrage. Er müsse allein sein, um seine Probleme zu bearbeiten und weil er das alles ohne Hilfe schaffen will. Er sagte, vielleicht klappt es in ein paar Jahren, aber jetzt habe er damit abgeschlossen.

Das wars also für mich. Ich hatte versucht, die Hoffnung klein zu halten, weil ich genau davor Angst hatte. Trotzdem haut es mich weg. Die Therapie hat ihn in die entgegengesetzte Richtung manövriert. Er hat einen Freiheitsdrang, den er nicht mit einer Beziehung vereinbaren kann. Er sagte, er wolle sein Leben nach seinen Regeln leben.

Es tut so unfassbar weh. Ich kann nicht verstehen, wie ich mich so sehr täuschen konnte. Ich habe das Gefühl, mich völlig in dieser Sache verrannt zu haben. Ich möchte einfach nur, dass das alles aufhört. Ich würde mich am liebsten einfach in Luft auflösen.

Ich brauche einfach ein bisschen Zuspruch und vielleicht auch einen Tritt in den Hintern, damit ich ihn endlich vom Sockel heben kann, auf den ich ihn offenbar gehoben habe. Und ich muss mehr Stolz entwickeln und eine Grenze ziehen. Denn eigentlich will ich mich niemals mehr so behandeln lassen. Und trotzdem komme ich da nicht raus.

Ich danke euch!

05.02.2021 10:53 • #1


U
Liebe Kat,
es tut mir leid, was du in deiner Ehe alles erleben musstest. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und auch den Mut, es weiter es verarbeiten und aufzuarbeiten. Du scheinst sehr stark zu sein, sei stolz auf dich.
Nun zu deinem Ex-Freund. Du sagst selbst, er ist so anders als dein Mann. Ja, du hast jetzt die andere Seite einer Beziehung kennenlernen können, liebevoll, zugewandt, offen, ein wenig Eifersucht etc. Du hast diese positiven Dinge nach deiner Geschichte so sehr genossen, dass du die Augen vor seiner Bindungsunwilligkeit verschlossen hast und er, weil er dich so respektvoll behandelt hat, auf ein Podest gestellt. Nun stellst du fest, dass es doch Defizite gab. Aber du musst nicht traurig sein, er tat dir gut, hat dir gezeigt, was Respekt und liebevoller Umgang bedeuten, wie man sich fühlen kann.
Nun kennst du beide Seiten. Was nimmst du aus beiden Beziehungen für dich mit? Ich denke eine ganze Menge. Nun kannst du schauen, nach dem was du wirklich willst. Einen Mann, der liebevoll, unterstützend, humorvoll, geduldig und vor allem bindungswillig ist.
Du bist eine wirklich starke Frau, du schaffst das. Nimm die positiven Seiten mit und versuche, nicht so traurig zu sein (ja, ich weiß, ist leicht gesagt). Aber du stehst jetzt auf eigenen Beinen, hast dein eigenes Leben und du kannst dir jetzt aussuchen, wie es weitergehen soll, was du willst, wie es ausschauen soll. Und glaub mal, dein Exfreund war eine nette Erfahrung und Begegnung in deinem Leben, aber noch nicht der Mann, der wirklich an deine Seite passt.

05.02.2021 11:17 • x 3 #2


A


Bindungsängste Trotz Liebe ist er gegangen

x 3


Snipes
Hey @Kat84 und willkommen hier.

Was Du beschreibst ist leider das typische Verhalten eines bindungsängstlichen Partners und ich kann deine Emotionen wirklich sehr gut nachvollziehen. Dieses von 100 auf 0 folgt ja meist auf ein von 0 auf 100 und das kann einen wirklich fertig machen. Ein bindungsängstlicher Partner zieht sich leider immer dann zurück, wenn sich die Beziehung gerade sehr gut anfühlt und sich in eine zukunftsweisende Richtung entwickelt. Es ist durchaus oft so, dass Pläne wie zusammenziehen für deinen Ex eine wirklich schöne Vorstellung waren, allerdings drängt sich die Angst immer dann in den Vordergrund, wenn diese konkret werden. Für den Partner ist dies dann komplett unverständlich, denn wie Du selber schreibst, liegen absolut keine konkreten Gründe vor, die dagegen sprechen könnten, ganz im Gegenteil meistert man ja auch jetzt schon den Alltag zusammen sehr gut und die Beziehung ist in erster Linie harmonisch und nicht von Streit und Auseinandersetzungen geprägt.

Das Problem ist leider, dass sich Bindungsangst nicht wie eine Angst anfühlt, sondern wie der Verlust der eigenen Gefühle. Am Hochpunkt der Beziehung passiert es dann, dass der bindungsängstliche Partner ohne jede Vorankündigung jedes positive Gefühl für den anderen verliert und alles in Frage stellt. Hintergrund ist auch hier die Angst und zwar die vor zu viel Verletzlichkeit durch Abhängigkeit. Dies äußert sich dann durch die durch dich beschriebene Sucht nach Freiheit und Autonomität, welche der Angst sozusagen ihre Basis entzieht. Eine Grundlage für eine Beziehung ist dies natürlich nicht, denn unbehandelt wird sich dieses Verhalten immer wiederholen und dies in immer kürzeren Abständen. Dass dein Ex seine Persönlichkeitsstörung erkannt hat ist sehr gut, dass er sich in Therapie begibt noch besser, aber ich möchte dir ungern Hoffnung machen. Diese Störung ist sehr gut therapierbar, aber zum einen dauert dies recht lange und zum anderen wird sich der dann ehemals bindungsängstliche Ex anschließend meist sehr bindungsstabile Partner suchen, die für ihn keine Gefahr darstellen, da sie selber auch in der Beziehung sehr autonom sind.

Bedingt durch deine Schilderung zu deiner 15-jährigen toxischen Beziehung bzw. Ehe sehe ich bei dir eine ausgeprägte Verlustangst, denn Du sagst ja selber, dass dir der Absprung aus der Beziehung trotz der Toxitizät sehr schwer gefallen ist. Damit sind Du und dein Ex leider die klassische und nicht minder toxische Verbindung zwischen einem Verlust- und einem Bindungsängstler, die leider nie lange anhält. Es tut mir sehr leid für dich und ich hoffe, dass Du die Stärke hast mit ihm nicht in die zweite Runde zu starten, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass er erneut auf dich zukommen wird, wenn seine Ängste sich abgeschwächt haben und die Phase des Vermissens einsetzt.

Sicherlich wirst auch Du hier noch einige gute Ratschläge bekommen.

05.02.2021 11:20 • x 8 #3


K
Ich danke euch für eure Antworten! Das hilft wirklich sehr, drüber zu schreiben und mit anderen zu reden. Ich mag meine Freunde schon gar nicht mehr mit dem Thema belästigen. Ich habe ein wirklich tolles Netz, das mich auffängt, aber so langsam gehen ihnen die Ratschläge aus.

@unfassbar Ich danke dir für deine lieben Worte. Ich versuche, das zu sehen, was ich geschafft habe. Ich habe nach der Trennung vom Exmann bei Null anfangen müssen. Ich hate wirklich nichts, nur die neue Wohnung. Ich komme gut allein klar und brauche niemanden. Aber mein Exfreund war ein wirklich toller Bonus, der mein Leben reich und bunt gemacht hat. Ich kann nicht glauben, dass er weg ist und nie wieder herkommen wird. Dass wir nie wieder nebeneinander einschlafen, er nie wieder meine Hand halten wird. Diese Gedanken quälen mich sehr. Ich weiß, dass es besser werden wird und dass es irgendwann jemanden neues geben wird. Aber diese Gedanken trösten mich leider gar nicht.

@Snipes Ich hatte mich ein bisschen mit Bindungsangst beschäftigt. Vor allem, weil ich auch gemerkt habe, dass ich offenbar unter Verlustängsten leide. Und dass, obwohl ich immer dachte, ich sei autonom. Ich kann alles alleine, ich hatte immer eigene Hobbys und hatte nie das Gefühl, zu klammern. Auch bei meinem Exfreund ist es so, dass ich überhaupt keine Probleme damit hatte, dass er allein unterwegs war, noch in einer andere Band spielte oder sich allein mit Freunden traf. In meiner Ehe habe ich gelebt wie in einem goldenen Käfig. Allein deshalb war auch mir Autonomie wichtig. Offenbar habe ich das doch etwas falsch eingeschätzt. Deine Erklärung hat mir jedenfalls sehr geholfen!
Ich glaube nicht, dass er nochmal zurück kommen wird. Es sind fast drei Monate um. In der Zeit hatten wir sporadisch Kontakt, haben uns aber nie gesehen. Ich hätte gedacht, dass er mich eigentlich schon vermissen müsste. Deshalb glaube ich nicht, dass da nochmal was kommt. Er ist in seiner Entscheidung sehr fest. Wobei er auch jemand ist, der total sprunghaft ist.

Ich muss mehr Selbstwertgefühl entwickeln. Denn ich möchte einen Partner, der mich respektiert und der sich sicher ist, dass er mit mir zusammen sein möchte. Ich habe im Moment einfach nur Angst, nie mehr so jemanden zu finden. Mein Exfeund hat wirklich toll zu mir gepasst zumindest hatte ich das immer gedacht. Sieht jetzt wohl doch anders aus.

05.02.2021 16:03 • x 1 #4


Plentysweet
Zitat von Kat84:
Denn ich möchte einen Partner, der mich respektiert und der sich sicher ist, dass er mit mir zusammen sein möchte.

Eine 100%ige Sicherheit kann Dir niemand geben.
Zitat von Kat84:
Mein Exfeund hat wirklich toll zu mir gepasst zumindest hatte ich das immer gedacht.

Genau. Du hast es gedacht und hast Dich da hineingewünscht. Aber da gehören halt leider 2 dazu .
So denke ich auch leider für Dich, daß das eintritt was @Snipes geschrieben hat:
Zitat:
wird sich der dann ehemals bindungsängstliche Ex anschließend meist sehr bindungsstabile Partner suchen, die für ihn keine Gefahr darstellen, da sie selber auch in der Beziehung sehr autonom sind.

Diesen Fall halte ich auch für sehr wahrscheinlich. Und glaub mir, ich bin selber eine bindungsängstliche Person. Für mich ist deshalb jemand mit Verlustsangst eine Herausforderung, die ich nicht gemeistert bekomme. Aus den bereits erläuterten Gründen. Deshalb sollten sich Verlust- und Bindungsängstler auch nicht zusammentun. Auch wenn die Anziehung hoch ist. Das geht so gut wie nie gut aus. Sondern sie sollten sich einen bindungsstabilen Partner suchen. Das würde auch jeder Paarcoach raten.

Alles Gute Dir- gib Dir Zeit und verarbeite alles in Ruhe.
Und dann starte neu durch !

05.02.2021 16:39 • x 3 #5


Nicoletta_2
Es tut mir weh zu lesen, dass du das alles durchmachen musstest. Von deinem Ex-Mann und jetzt von deinem Exfreund. Wie geht es dir heute? Sind ja jetzt ein paar Tage nach dem Verfassen des Threads vergangen.

Ich war gefühlt in der gleichen Situation mit meinem Ex. Ich konnte mir alles mit ihm vorstellen, er war derjenige der vom zusammenziehen, heiraten und Kindern gesprochen hat. 6 Wochen vor dem Zusammenziehen hat er den Rappel bekommen. Er sagte mir auch, dass er mir momentan nicht das geben könnte was ich seiner Meinung nach verdiene. Ich wäre die perfekte Partnerin für ihn und er hätte sich immer so eine Beziehung gewünscht wie wir beide sie hatten. Die Beziehung war so wunderschön. Man konnte sein wie man ist und wurde einfach so akzeptiert. Am schönsten Punkt der Beziehung hat er die Flucht ergriffen.
Der Schmerz sitzt dann bei dir tief und man kommt aus dem Gedankenkarussell dann nur schwer raus.

Du brauchst keine Angst haben für immer alleine zu sein. Das kann ich mir echt schwer vorstellen. Ich finde, dass du unfassbar stark bist!
Versuche dich auf dich selbst zu konzentrieren, trotz Corona viel für dich selbst zu tun. Ich habe gemerkt, dass mit einer gesunden Selbstliebe der Schmerz auf Dauer und auch schneller weniger wird. Es dauert immer nur seine Zeit loszulassen, die Gedanken von ihm weg zu lenken, seine Selbstliebe wieder aufzubauen und am Ende wieder Lebensfreude zu haben.
Ich bin mir sicher, dass du das auf alle Fälle schaffen wirst! Und drei Monate sind noch keine lange Zeit. Mach Dir selbst keinen Druck. Es braucht einfach seine Zeit. Die Leute hier sind ja da. Du musst hier nicht alleine durch.

08.02.2021 13:09 • x 1 #6


B
Wieder mal zwei zueinander gefunden! Es hätte so schön sein können, aber dann platzte der Knoten von jetzt auf gleich.

Was ihm fehlt, ist klar. Er bekommt dann, wenn die Beziehung in eine feste Phase übergeht, kalte Füße und flieht. Er hat keine tief empfundenen Ängste im Sinne von Angst haben vor etwas, sondern die Ängste verkleiden sich in Form von Unabhängigkeitsdrang und Freiheitswunsch, dem Wunsch nach einem Alleinsein, um der Umklammerung zu entfliehen.

Mein Ex., ebenfalls von massiven Bindungsängsten befallen, trennte sich von mir per Mail. Ich weiß nicht, was es ist, schrieb er. Aber alles in mir schreit: Nein, nein, ich will nicht! Ich weß, ich müsste es können, aber ich kann es einfach nicht!

Er erinnerte mich an ein kleines Kind, das sich auf dem Boden wälzt und bei Berühurngen um sich schlägt und Nein schreit! Er empfand meine unumstößliche Liebe zu ihm, die alles und jedes nachsah und für alles Entschuldigungen fand, als Bedrohung. Erst war ich die weiße Fee, die ihm endlich das gab, was er sich durchaus wünschte. Ein Ankommen, Liebe, Wärme und Vertrauen, aber in dem Moment, als er merkte, wie erst es mir mit ihm war, begannen die Distanzmanöver, die er immer wieder aus dem Ärmel schüttelte.
Und was geschah? Meine Liebe hielt und wand sich ihm immer mehr zu. So lange, bis ich eigentlich nur noch für ihn und die mittlerweile verkorkste Beziehung lebte.
Ich gab ihm zu viel und das bedrängte ihn, denn er merkte, er konnte (und wollte) es mir nicht zurück geben.

Du warst die perfekte Ergänzung für ihn mit Deiner Verlustangst, Deinem guten Willen, Deinem Verständnis und Deiner Idealisierung. Der eine klammert und das geschieht meist ganz unbewusst und will den Partner vereinnahmen und der Partner spürt es, ebenfalls unbewusst und flüchtet. Aus kleinen Distanzmanövern, die anfangs etwas irritieren, sich aber immer wieder legen, kommt irgendwann der große Knall. Meist dann, wenn sich die Beziehung für den Verlustängstlichen recht gut anfühlt.

Ich habe damals gemerkt, nachdem er es mir über Monate nicht gut mit ihm ging, weil er sich eben immer wieder zurück zog und das trotz Fernbeziehung, aber ein Wochenende ist ja doch recht lang, dass ich mich irgendwann sozusagen emanzipierte und mir einbildete, wir seien nun endlich doch auf einem guten Weg. Ich hatte die untergeordnete Position verlassen, was sofort für mehr Wohlbefinden und mehr Mut und Zuversicht bei mir sorgte. Aber dadurch hatte ich auch die Distanz zwischen uns verringert. Er konnte mit mir umgehen, halbwegs, wenn seine Position gesichert war. Er auf dem Podest, ich zu seinen Füßen, das sorgt für Abstand. Als ich mich neben ihn auf das Podest stehen wollte, ging er. Denn die gefühlte Distanz zu mir, die ihn die Beziehung noch halbwegs ertragen ließ, verringerte sich durch mein Tun. Und dann musste er gehen.

Ich verstehe es heute besser. Und irgendwann erkannte ich auch durch das Leben einschlägiger Bücher, dass unsere Beziehung eine Choreografie hatte. Einen SChritt vor, zwei zurück, einmal im Kreis herum und von vorne. Immer wieder das Gleiche. Er entzog sich, machte sein Ding, ich litt und tat alles, um die ideale Frau für ihn zu sein. Ich gab mich auf für ihn, ich hatte mein Leben mehr oder weniger verloren und ich hing wie eine Klette an ihm und der Beziehung, obwohl ich alles tat, damit er genau das nicht merkte.
Aber was wir zeigen und unbewusst mitteilen, ist oft ein gravierender Unterschied.

Dieser Verlustängstliche, der das perfekte Gegenstück zum aktiven Bindungsvermeider ist, leidet meist selbst unter Bindungsängsten. Er lebt sie nur ganz anders aus und sucht sich unbewusst das passende Gegenstück. Da werden Beziehungen mit Menschen begonnen, deren Biografie schon zeigt, dass Bindungen ein Problemfall sind. Oder es wird sich in Menschen verliebt, die eigentllich unerreichbar sind. Das Unterbewusstsein lehnt sich entspannt zurück, denn es weiß genau, das wird eh nichts.
Soll sie nur Sehnsucht haben, sich verzehren oder in der Beziehung leiden, ich bin sicher, denn die Beziehung, die einstmals als so ideal empfunden wurde, ist zum Scheitern verurteilt.
Der Verlustängstliche sucht sich unbewusst Partner, mit denen eine Bindung letztendlich nicht funktionieren kann, maskiert es aber auch vor sich selbst anders. Ich will doch nur Liebe, eine schöne Beziehung, die mir Geborgenheit und ein Gefühl der Akzeptanz vermittelt! Aber dann lässt sich der Verlustängstliche mit einem Partner ein, mit dem das auf Dauer nicht möglich ist.
Der Verlustängstliche kommt sozusagen von hinten. Vordergründig will er etwas, was er im Endeffekt doch nicht aushalten kann..

Bindungsängstliche Menschen leben in einer Diskrepanz. Einerseits verspüren sie eine große innere Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Ankommen, aber dann wird es doch nichts, denn sie boykottieren unbewusst eine feste Beziehung Der eine durch seine aktive innere Abwesenheit, die spürbar ist, der andere durch seine immense Hinwendung zum Partner, denn man will sich endlich rückversichern, dass sich der innere Traum von Zugehörigkeit doch endlich erfüllen möge. Beide Partner überfordern sich praktisch gegenseitig. Der eine ist die aktive Kraft, der andere die passive, die schmerzhaft darunter leidet.
Ein Teufelskreis!

Ich bin selbst eine von der Sorte. Zeigte mir Jemand seine Zuwendung, sein Interesse, war das oft genug ein Grund für mich, dass sich mein anfängliches Interesse am Gegenüber umgehend legte. Ach der, ist ja langweilig und so berechenbar, nein, ich will den nicht, obwohl ich ihm anfangs was anderes gezeigt hatte. Aber kam einer, der mich brennend interessierte,wurde ich zum Hindernisläufer, der stürzte und immer wieder aufstand und weiter lief, ihm hinterher, den ich doch nie erreichte.

Erst Jahrzehnte später wurde es spürbar besser, als ich akzeptiert hatte, dass ich auch in einer Beziehung innerlich ein Singleleben führe. Mehr geht halt nicht, aber ich kann damit leben und mein Partner auch, denn er ist von derselben Sorte. Wir leben gut miteinander, haben auch viel Spaß miteinander und im Lauf der Jahre entwickelte sich eine innere Verbundenheit, die die Beziehung stabilisiert. Aber dafür mussten wir viele Krisen durchstehen.

Der Deine ist jetzt weg und das ist gut so. Denn es ging zu Ende, ehe die gegenseitigen Verletzungen begannen, die beiden weh tun. Und er gehört zu der seltenen Sorte, die ihr Leben scheinbar tatsächlich ändern wollen. Er hat erkannt, dass er sich selbst damit verletzt, aber er kann nicht anders. Bindungsängste sind nicht leicht heilbar, denn es handelt sich um einprogrammierte Defizite, die oft schon in der Kindheit erworben wurden und die man nicht mit ein paar Sitzungen weg kriegt. Es ist ein langer Weg und ob tatsächlich eine Heilung möglich ist, weiß keiner. Aber man kann Wege finden, mit seinen inneren Ängsten besser umzugehen, ohne gleich das Porzellan zu zerschlagen wie er es tat.

Es ist gut, dass er diesen Weg beschreitet aber den muss er allein gehen. Eine Partnerin wie Du ist dabei eher hinderlich, weil er Dich ja als innere Bedrohung empfindet und genau sieht, dass Dein Invest höher ist als seiner. Einige seiner Äußerungen deuten darauf hin, wie Du hast was Besseres verdient als mich, Du bist zu gut für mich usw.

Spür mal in dich hinein, ob Du nicht auch unter Bindungsängsten leidest, die sich aber geschickt tarnen durch Verlustängste, durch zu hohes Engagement in der Beziehung bis hin zum inneren Verbiegen.. Man tut als ob und empfindet innerlich anders.
Der eine liebt dermaßen, dass er den Anderen damit überfrachtet und der muss dann dem Druck, der unbewusst aufgebaut wird, ausweichen. Erst sind es nur Distanzmanöver wie geistige Abwesenheit bis hin zu zeitaufwändigen Hobbies, die nicht mit dem Partner geteilt werden oder starker Hinwendung zur Arbeit, die ein Fluchtpunkt sein kann. Wenn der Druck dann zu hoch wird, bleibt oft genug nur die Trennung.

Du bist wahrscheinlich in Gefahr, irgendwann wieder einen ähnlich gestrickten Partner zu suchen und zu finden. Nach der ersten Phase der Verschmelzung folgt das Auseinanderdriften, das der eine aktiv herbeiführt und der andere erträgt und durchleidet.
Wo die Lösung liegt, kann ich Dir nicht sagen. Möglicherweise darin, dass man irgendwann begreift, dass Freiheitsdrang keine Lösung für das innere Dilemma ist. Die sogenannte Freiheit bedeutet zunächst für ihn Erleichterung, aber sie führt auch zur inneren Isolation, die sich zwangsläuftig wieder einstellt, wenn die Erleichterung abflaut. Oft genug beginnen dann On-/Off-Beziehungen, da auf Abwendung wieder Hinwendung folgt und wieder von vorne. Und der passive Part muss lernen, dass Liebe nicht in unerschöpflichen Mengen da ist und dass er den Partner überfrachet, indem er zu viel tut, sich zu sehr anpasst.

Kümmere Dich in der nächsten Zeit ausnahmslos um Dich, was Dir anfangs nicht gelingen kann. Aber ihn lass mal sein mit seinen Bindungsängsten. Du kannst sie nicht beheben, im Gegenteil, Du hast sie in ihm sozusagen heraus gekitzelt.
Du hast bereits eine traumatische Ehe hinter Dir. Daher wohl auch die große innere Sehnsucht nach einer guten Beziehung. Ich glaube, dass Du mit der Bewältigung Deiner Ehe noch lange nicht fertig bist. Dein Partner, der Bindungsänstler, hat Dir gezeigt, wie es sein könnte. Aber das ist nur der Konjunktiv. Es könnte, aber wie es wirklich ist, hast Du jetzt erlebt. Du hast - so denke ich - zu viel Input geleistet und wolltest alles gut machen. Du hast dafür viel gegeben, mehr als er nehmen konnte. Weniger ist manchmal mehr.

Begonie

08.02.2021 14:18 • x 3 #7


Plentysweet
Zitat von Begonie:
Wo die Lösung liegt, kann ich Dir nicht sagen. Möglicherweise darin, dass man irgendwann begreift, dass Freiheitsdrang keine Lösung für das innere Dilemma ist. Die sogenannte Freiheit bedeutet zunächst für ihn Erleichterung, aber sie führt auch zur inneren Isolation, die sich zwangsläuftig wieder einstellt, wenn die Erleichterung abflaut. Oft genug beginnen dann On-/Off-Beziehungen, da auf Abwendung wieder Hinwendung folgt und wieder von vorne. Und der passive Part muss lernen, dass Liebe nicht in unerschöpflichen Mengen da ist und dass er den Partner überfrachet, indem er zu viel tut, sich zu sehr anpasst.

Das ist jetzt vielleicht für die TE ein bißchen OT.
Aber: Meinst Du, an einem solchen grundsätzlichen Bindungsproblem, d.h. nicht-zueinander- passen von zwei Bindungsstilen, so wie hier gegeben, könnte man paartherapeutisch arbeiten? Oder sollte das jeder der Beiden für sich selber beackern? Denn das Problem ist ja oft, daß sich Bindungs-und Verlustängstler nicht selten magisch anziehen und auch voneinander profitieren könnten. Aber wie Du geschrieben hast, nicht miteinander zurechtkommen aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse. Oder gibt es Deiner Meinung nach für diese zwei Menschentypen überhaupt keine Chance?
Wahrscheinlich kann man das so pauschal aber auch nicht sagen. Und es ist auch schwierig, den Menschen auf seinen Bindungsstil zu reduzieren. Es macht ihn ja noch wahrlich mehr aus. Nur in dieser Konstellation treten halt die extremen Stile besonders -als jeweils dem eigenen gegenüberstehendes Extrem- hervor. Und können das Beziehungsleben stark bestimmen (so wie Du so schön anschaulich beschrieben hast) und auch völlig vermasseln.

08.02.2021 14:54 • #8


B
Zitat von Plentysweet:
Aber: Meinst Du, an einem solchen grundsätzlichen Bindungsproblem, d.h. nicht-zueinander- passen von zwei Bindungsstilen, so wie hier gegeben, könnte man paartherapeutisch arbeiten?

Vielleicht dann, wenn beide die Beziehung halten wollen. Aber das Problem liegt ja meistens darin, dass das Fluchttier wegläuft, weil das momentan leichter ist bzw. das innere Muster momentan voll durchschlägt, dass eine Trennung unausweichlich erscheint.
Eine Paartherapie hat ja nur dann einen Sinn, wenn beide die Beziehung halten wollen. Solange aber dem einen die Trennung unausweichlich erscheint, ist das nicht gegeben.
Der eine will sich sozusagen retten und der andere wartet oft lange erfolglos und redet sich ein, der kommt schon wieder und wenn ich nur besonders lieb bin, dann sieht er doch meinen Wert. Manchmal stimmt das ja auch, aber das ist der Nährboden für On-/Off-Beziehungen, die keinen glücklich machen.

Meiner Ansicht nach ist jeder mit sich selbst befasst und muss auf seine Weise damit klar kommen. Ich persönlich glaube nicht, dass man das gemeinsam tun kann. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Hätte mein Ex. damals eine Therapie vorgeschlagen, hätte ich sofort zugestimmt. Aber der wollte ja irgendwann auch nur noch weg. Und das ist keine Basis für eine Paartherapie.
Der Ex. hatte ja vor mir mal eine Beziehung, die 11 Jahre hielt. Aber auch nur, weil er genügend Fluchtpunkte hatte, die die Partnerin auf Abstand hielten. Erst musste er über Jahre furchtbar viel arbeiten und zwar so viel, dass er nicht in Urlaub mit ihr fahren konnte. Das war die offizielle Version, die inoffizielle war, dass er 24/7-Paarbetrieb nicht ausgehalten hätte. Und als sich das mit der vielen Arbeit eingespielt hatte, bauten sie ein Haus. Und somit hatte er den neuen Fluchtpunkt: Hausbau und Baumarkt.
Und als das Haus fertig war, zog er aus, weil er das Leben im Paarbetrieb ohne seine Ausweichpunkte nicht aushielt.
Die beiden gingen damals sogar zu einer Paartherapie, was aber sinnlos war, denn seine innere Entscheidung war bereits gefallen. Und so waren die paar Sitzungen nur Kosmetik. Angeblich taugte der Therapeut nicht, sagte er damals. Die Wahrheit war, dass er nur noch weg wollte. Was soll der Therapeut da noch retten, wenn die Beziehung zu einer Bedrohung geworden ist?

Hinzu kommt, dass viele Menschen, die in solchen Beziehungen leben, oft gar nicht wissen, was abläuft. Ich wusste das auch nicht, als ich drinsteckte. Der Durchblick, dass auch mit mir etwas Gravierendes im Argen lag, kam erst viel später. Es hilft nur Bewusstwerdung, aber die setzt meiner Meinung nach auch Abstand voraus. Solange man aber in der Beziehung ist, hat man keinen Abstand sondern bleibt in der Verstrickung.

Zitat von Plentysweet:
Oder gibt es Deiner Meinung nach für diese zwei Menschentypen überhaupt keine Chance?

Höchstens dann, wenn beide den Wert der Beziehung als so hoch einschätzen, dass das ehrliche Bedürfnis dahinter steht, dass eine Trennung die schlechtere Option ist.
Bindungsvermeider und Verlustängstler kommen meistens zusammen, denn der eine lebt das, was der andere nicht hat und kann.
Dem Verlustängstler fehlt es an Selbstwertgefühl und auch an Autarkheit, denn er versenkt sich sozusagen in die Beziehung, die ihm allein selig machend vor kommt. Er klammert unbewusst, braucht immer wieder starke Zuwendung vom Partner und die beständige Versicherung, dass der Partner bleibt. In Wirklichkeit spürt er aber oftmals die Fragilität der Beziehung und die Ängste treten hervor und nehmen immer mehr Platz ein. Der Passive leidet massiv darunter und fühlt sich nicht mehr genug geliebt. Der Passive hat auch starke Defizite, denn oft genug kann der Partner an Liebe oben rein schütten und es reicht doch nie. Der Passive ist einer, der die Liebe praktisch aufsaugt und es muss immer wieder bestätigt werden, dass sozusagen Nachschub kommt. Der Passive ist oft genug das Fass ohne Boden. Egal, wieviel Liebe oben reinkommt, sie reicht doch nie. Zumal der Passive da sucht, wo er sowieso nicht das Maß an Liebe findet, das ihm vorschwebt und nach dem er giert.

Der Passive übt unbewusst einen massiven Druck aus und er tut alles um die Beziehung zu halten, weil er ständig Angst vor einem Zusammenbruch das Kartenhauses hat. Und damit kommen dann eine Art Unterwerfung, ein Sich-Kleinmachen und ein Sich-Klein-Fühlen und Anpassung um jeden Preis. Alles, nur keine Trennung, ist die Maxime. Dabei steht die Trennung oft genug unmittelbar bevor, aber der Passive kann auch nicht aus seinen Mechanismen heraus. Dem Aktiven wird alles zu viel, die Partnerin mit ihrer Anpassung wird zunehmend unattraktiv und es folgt die innere Abwertung. Der Aktive erfährt den passiven Partner als zunehmend reizlos, weil der Passive seine Eigenständigkeit praktisch aufgibt.
Je länger solche Konstellationen andauern, desto mehr kommen die jeweiligen Defizite zum Vorschein. Da hinterher kommt der Passive und sagt sich: Ich habe doch alles für ihn getan und dennoch ist der fiese Hund gegangen!
Ja, weil es ihn erdrückt hat, diese unbedingte LIebe.

Ungefähr zwei Jahre nach der Trennung, als alles längt vorbei war, erlebte ich einen Klick-Moment. Ich saß beim Frühstück und musste dann bald in die Arbeit. Da fällt er mir ein und ich fragte mich, warum? Wollte ich etwa wieder Kontakt haben? Nein, ich spürte kein Bedürfnis. Er sollte sein Leben leben, was mich nicht mehr interessierte. Was dann, warum dachte ich an ihn? Und auf einmal sah ich die Beziehung wie ein Zweipersonenstück auf der Bühne wie ein Zuschauer. Wie sich zwei aneinander abmühten und doch alles umsonst war.
Und dann sah ich auch mich, die vermeintich Unschuldige, die schnöde verlassen worden war. Ich sah mein Verhalten und konnte erahnen, wie es auf ihn gewirkt hatte. Und ich sah noch etwas Anderes, wofür ich mich dann schämte.

Ich hatte eine gewaltige Erwartung an ihn gehabt, denn ich wollte, dass er all das heilte und kompensierte, was bei mir im Argen lag.
Er sollte mich sozusagen retten und mir das Gefühl geben, dass ich genau die wundervolle Partnerin war, auf die er immer gewartet hatte. Er sollte heilen, was ich selbst nicht in mir heilen konnte. Und damit habe ich ihn auch benützt, ja sogar missbraucht.
Er sollte der Ritter auf dem Ross sein, der das arme Aschenputtel abholt und auf sein Schloss, also in ein besseres Leben führt.
Und was brachte ich mit? Nicht viel, außer dem Wunsch, dass er das für mich tun sollte, dass ich glücklich wurde.

Ein Partner ist kein Therapeut, er hat keine neutrale Außensicht. Und daher glaube ich auch nicht, dass solche Beziehungen, die ja fast immer ein starkes Machtgefälle haben, gemeinsam geheilt werden können, denn jeder steckt in seinen Verstrickungen. Und um die überhaupt mal halbwegs zu begreifen, ist Abstand nötig.

Ich glaube eher, dass es besser ist, wenn beide ihren Weg allein gehen und sich ihrer erst Mal bewusst werden. Und dann besteht vielleicht irgendwann die Chance, mit einem anderen Partner eine Beziehung auf Augenhöhe zu leben.

Ja, der Typ von der TE ging aus Liebe., wie sie meint. In Wirklichkeit entfloh er der Erdrückung, die sie verursachte ohne es zu merken.
Wer ist nun Schuld? Keiner, die Schuld liegt immer bei beiden. Sie ziehen sich magisch an, sind aber oft nicht kompatibel.

Zitat von Plentysweet:
Nur in dieser Konstellation treten halt die extremen Stile besonders -als jeweils dem eigenen gegenüberstehendes Extrem- hervor. Und können das Beziehungsleben stark bestimmen (so wie Du so schön anschaulich beschrieben hast) und auch völlig vermasseln.

Da bin ich völlig Deiner Meinung. Beide müssen erst reifen und sich ihren Defiziten auch stellen und den Gründen dafür bewusst werden. Ich merkte damals, dass ich viel aus meiner Kindheit in dieser Beziehung nachlebte, aber eben genau das, was ich nie aufgearbeitet hatte, weil ich die Verletzungen verdrängt hatte. Und er ja genau so. Aber das wurde mir erst irgendwann nach der Trennung klar.
Im Grund genommen waren wir uns erstaunlich ähnlich. Jeder schleppte seine Defizite in die Beziehung und glaubte, dieses Mal wird es klappen, dieses Mal wird alles gut werden.

Aber keiner von uns konnte sich den inneren Dämonen stellen und sie im Zaum halten. Der Passive muss lernen, dass er dem Partner zu wenig Luft zum Atmen lässt und dass das Abdriften eine logische Konsquenz ist. Nur, weil der aktive auch mal was allein machen möchte, heißt das ja nicht, dass es mangelnde Liebe ist. Und der Aktive muss lernen, dass er das Klammern des Partners auch forciert ohne es zu wollen. Und er müsste damit leben können, dass eine Beziehung auch eine Einschränkung seiner Freiheit bedeutet. Aber der Verlust der Freiheit wird oft als so hoch empfunden, dass er nur noch weg will. Dass sich hinter dem Freiheitswillen massive Ängste vor Vereinnahmung verbergen, weiß er ja meistens nicht.
Jedenfalls sind solche Beziehungen immer defizitär weil die inneren Defizite aneinander ausgelebt werden. Die Prognose ist meistens schlecht, jedenfalls so lange, wie sich beide ihrer schädlichen Mechanismen nicht bewusst sind. Aber die Erkenntnis kommt meistens erst hinterher.

Begonie

08.02.2021 17:00 • x 2 #9


K
Ihr Lieben,
das war ziemlich viel Input für mich gestern. Ich musste sehr viel nachdenken darüber, was ihr geschrieben habt.

@Begonie vor allem deine Worte haben mich sehr ins Grübeln gebracht. Dass ich ihn mit meiner Liebe erdrückt haben könnte, hat mich getroffen und auch traurig gemacht. Ich würde so gerne verstehen, was ich falsch gemacht habe. Ich kann mir vorstellen, dass es mir ähnlich ging. Ich dachte, ich komme aus einer 15-jährigen Beziehung, in der ich ständig belogen wurde und in der ich mich selbst verloren habe. Und nun sollte er mich heilen.
Ich habe mich aber nie als Klammeräffchen verstanden, ich hatte immer eigene Hobbys, eigene Freunde. Ich traf meine Freunde öfter ohne ihn, er war dann allein zu Hause. Er bat mich immer wieder bei unterschiedlichen Dingen um Hilfe ich half ihm gern. Ich dachte, er sucht meine Nähe, weil er immer zu mir kommen wollte. Weil er immer nach Treffen fragte. Er fragte immer: Wie sehr liebst du mich? Ich hatte eher das Gefühl, dass er unsicher war. Er war es auch, der mit mir zusammenziehen wollte. Ich sagte im Sommer, dass ich noch Zeit brauche.
Waren es unbewusste Signale, die ich ihm ausgesendet habe? Ich würde das so gern verstehen, meine Defizite erkennen, damit ich daran auch bewusst arbeiten kann.

Zitat:
Erst war ich die weiße Fee, die ihm endlich das gab, was er sich durchaus wünschte. Ein Ankommen, Liebe, Wärme und Vertrauen, aber in dem Moment, als er merkte, wie erst es mir mit ihm war, begannen die Distanzmanöver, die er immer wieder aus dem Ärmel schüttelte.


Das kann ich mir bei ihm auch vorstellen. Er sagte oft zu mir, dass ich ein Engel sei. Dass ich die perfekte Frau für ihn sei.
Und dann wurde es wohl zu viel. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mich für ihn aufgegeben habe. Aber irgendwas muss auch bei uns passiert sein. Dass sich die Konstellation verändert hat. Mit einem Mal der eine höher als der andere stand.

Was mich grad erschüttert ist, dass ich offenbar wieder nicht die Signale gesehen habe. Dass da einiges unterbewusst ablief und ich es verdrängt oder nicht wahrgenommen habe. Daran muss ich arbeiten.

@Nicoletta_2 Ich danke dir für deine lieben Worte. Das Thema Selbstliebe ist wohl vor allem auch bei mir eines, an dem ich arbeiten muss. Es ist total berührend, wie viel Schmerz hier in den Worten vieler Betroffener steckt. Und gleichzeitig ist es sehr aufbauend, dass man so schön unterstützt wird. Durch Verständnis, aber auch durch Gedankenstöße.
Insgesamt gehts heute etwas besser. Ich vermisse ihn, aber ich fühle mich nicht mehr so ohnmächtig und verzweifelt. Er ist ein sehr besonderer Mensch, der mir sehr fehlt. Aber es funktioniert zwischen uns nicht, also muss ich nach vorn schauen und damit abschließen.

@plentysweet Ich frage mich grade, wie man einen bindungsstabilen Partner erkennt. Ich ziehe wohl gern genau die anderen an...

09.02.2021 18:39 • #10


Plentysweet
Zitat von Kat84:
Ich frage mich grade, wie man einen bindungsstabilen Partner erkennt

Erkennen kannst Du sie sicher nicht auf den ersten Blick. Zumal sich viele beim ersten oder zweiten Date ja noch verstellen.
Bindungsstabil heisst für mich eine Person zu sein, die sowohl Nähe, als auch Distanz aushält. Und auch beides geben kann. Einen inneren Spielraum hat und sich auf die Bedürfnisse des Partners einstellen kann. Weil sie ein inneres Gleichgewicht hat und sich selbst 'halten' und ausbalancieren kann. Jemand der kein übertriebenes Nähebedürfnis hat (zu anhänglich) und auch andererseits nicht flüchten muss, wenn es zu eng wird (zu weit weg geht). Jemand der einfach weitestgehend ausgewogen ist im Bindungsverhalten .

09.02.2021 18:50 • x 1 #11


Nicoletta_2
Zitat von Kat84:
Ich danke dir für deine lieben Worte. Das Thema Selbstliebe ist wohl vor allem auch bei mir eines, an dem ich arbeiten muss. Es ist total berührend, wie viel Schmerz hier in den Worten vieler Betroffener steckt. Und gleichzeitig ist es sehr aufbauend, dass man so schön unterstützt wird. Durch Verständnis, aber auch durch Gedankenstöße.
Insgesamt gehts heute etwas besser. Ich vermisse ihn, aber ich fühle mich nicht mehr so ohnmächtig und verzweifelt. Er ist ein sehr besonderer Mensch, der mir sehr fehlt. Aber es funktioniert zwischen uns nicht, also muss ich nach vorn schauen und damit abschließen.

Die Selbstliebe wird durch eine Trennung (oder manchmal auch schon davor, durch Dinge die passieren) rapide geschwächt oder ausradiert. Man sucht alle Fehler bei sich und gibt sich selbst die Schuld. Man denkt, man war nicht gut genug. Sind manchmal ganz banale Dinge aus der Kindheit die einem da mit rein spielen. Am Anfang hat man Verlustängste und Liebeskummer, irgendwann wenn man bereit ist, akzeptiert man die Entscheidung des anderen und die Gesamtsituation. Dann fängt man automatisch langsam an seine Selbstliebe wieder aufzubauen. Ich habe versucht meine Bedürfnisse wieder selbst zu erfüllen und mich selbst wertzuschätzen (war gar nicht mal so einfach). Auch mal "nein" zu etwas oder jemandem zu sagen. Mir selbst meine beste Freundin sein, denn auf sich selbst kann man sich immer verlassen. Mir und anderen Grenzen gesetzt und auf einmal kommt nach und nach meine Lebensfreude wieder durch. Ich persönlich bin noch lange nicht am Ziel aber es wird. Die Sonne scheint öfter.

Die Sache mit dem Vermissen kann dich noch eine Zeit lang begleiten. Geht mir da auch noch ähnlich.. Es war nicht nur der Partner sondern auch der beste Freund. Aber ich versuche das dann einfach anzunehmen und versuche dem ganzen nicht mehr so viel Gewicht zu geben. Klingt leichter als es ist (leider). Ich kann dir nur sagen, dass ich nach 3 Monaten noch richtig drin hing, habe fast jeden Tag geweint und 24/7 an ihn gedacht. Habe dann angefangen mich um mich selbst zu kümmern, das oben erwähnte durchzusetzen und irgendwas ist da dann die letzten Wochen mit mir passiert. Daher: bleib stark und lege den Fokus wieder auf dich!

Wir dürfen die Hoffnung in eine schöne und gute Zukunft nie verlieren. Es werden wieder gute Zeiten kommen und wer weiß was dir die Zukunft bringen wird?

09.02.2021 19:04 • x 1 #12


B
Zitat von Kat84:
Ich würde so gerne verstehen, was ich falsch gemacht habe

Du hast nicht viel falsch gemacht, sicher nicht. Aber Bindungsängstler sind so, dass es ihnen schnell zu viel wird. Und das kannst Du oft gar nicht richtig einschätzen.
Du hast aber auch diese schlimme Ehe hinter Dir, wo Du sicher auch in die untergeordnete Rolle gerutscht bist. Und das kann Dir auch unbewusst und unbeabsichtigt bei ihm passiert sein. Du landest womöglich immer wieder bei problematischen Männern.

Wenn sich so etwas wiederholt, dann ist das eine klare Botschaft Deiner leidenden Seele, die Dir durch die Wiederholungssituationen ganz klar mitteilt, dass da etwas bei dir im Argen liegt, was Du heraus finden und durchleuchten solltest. Die Seele kann sich nicht aus sich selbst heilen, sie braucht Dich, also Deine bewusste Ebene dazu. Die Aufforderung ist, Dich mit dem unbewältigten Leid von früher zu befassen. Die Ursprünge von problematischer Partnerwahl liegen oft schon in schmerzlichen Kindheitserfahrungen begründet.

Das Kind erfährt z.B. mangelnde, instabile Zuwendung oder muss mit Trennungen von Bezugspersonen fertig werden. Das Kind leidet und verinnerlicht, dass feste Bindungen eine Gefahr sind, denn man wird unweigerlich verlassen und es kann sich daher auf nichts und niemand verlassen. Der Schmerz wird ins Unterbewusstsein verschoben und verdrängt, leitet aber oft unser Verhalten in Beziehungen, weil der Erwachsene hier emotional stark engagiert ist. Und so kann es passieren, dass ich mir kategorisch untaugliche Männer aussuche oder Trennungssituationen immer wieder erleben muss.
Hier kann es hilfreilch sein, eine Rückschau zu betreiben und die altbekannten Verletzungen zu erinnern und sich ihnen wieder zu stellen. Das kann sehr weh tun. Aber wenn man Muster erkennt, die man übernommen hat oder sich auch von den Eltern abgeschaut hat, ist das oft durchaus hilfreich. Man lernt sich besser kennen und achtet mehr auf sich und ist ingesamt wachsamer.

Dein Ex. hatte ja erhaltensweisen, die nicht zusammen passten. Erst tituliert er Dich als Engel, was ja schon überzogen ist. Die Botschaft für Dich ist: Du bist prima, Du bist hilfreich, Du stehst mir in jeder Lebenslage zur Seite, was Besseres hätte ich nicht finden können!
Tja, schön, aber dann ging er eben doch. Wieso sollte er seinen Engel verlassen? Es hat eben doch etwas nicht gepasst. Da ist eine Diskrepanz, die er an Dir auslebt. Erst warst Du das wundervolle Wesen und dann wurdest Du aussortiert, weil ihm alles über den Kopf wuchs und er wieder frei sein wollte.

Betreibe mal ein wenig Selbsterforschung. Wie Du bereits erkannt hast, hast du auch ein Problem mit der Selbstliebe und Selbstachtsamkeit. Das war auch bei mir ein großes Problem. Ich hatte nie sonderlich an meinen Wert geglaubt. Und dann suchte ich mir einen Mann, der dasselbe Problem hat, eine instabile Selbstwahrnehmung, eine innere Ablehnung gegen die eigene Person. Da hatten wir viel gemeinsam.
Aber es musste scheitern, weil jeder dem Anderen dadurch zu viel aufbürdet.
Der Partner wird zum Therapeuten, denn er soll heilen, was in Dir im Argen liegt.
Wer sich selbst nicht achtet und schätzt, der bürdet das oft dem Partner auf. Bitte beweise Du mir, dass ich wertvoll bin, weil ich es selbst nicht glauben kann. Bitte liebe Du mich, weil ich mich selbst nicht lieben kann. Bitte achte Du meine Person, weil ich nicht selbst auf mich aufpasse. Ich passe lieber auf Dich auf und ordne mich Dir unter.

Und damit wird der Partner zu einem Heilsbringer, der all das richten soll, was Du selbst nicht kannst. Das ist eine Verschiebung auf den Partner, der unbewusst benützt wird und dahinter steckt wiederum Egoismus. Vordergründig hat man doch alles gegeben, alles getan, aber hintergründig benützt man den Partner für eigene Zwecke und merkst es nicht. Bei mir kam diese Erkenntnis nach ca. zwei Jahren. Das unschuldige und verlassene Opfer wird damit auch zum Täter.

Seither achte ich viel mehr auf mich selbst und versuche, gut zu mir zu sein. Das kann man üben und je öfter man das macht, desto leichter wird es. Ich habe einfach keine Lust mehr auf defizitäre Beziehungen mit seelisch instabilen Männern. Und ich bin einfach zu alt, um mich selbst abzuwerten und abzulehnen. Übe es, es wird Dir gut tun.
Du hast sicher Fehler gemacht, das ist normal, aber vielleicht war es einfach das Falsche, von dem Du glautest, es sei das Richtige bzw. der Richtige.

Begonie

09.02.2021 19:44 • x 2 #13


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