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Bindungsängstler oder so - Verständnis gesucht

Tabea2721
Hallo,

Ich weiss, ich alleine bin für diese Situation verantwortlich und nur ich alleine kann sie lösen. Und doch suche ich Verständnis, mentalen Beistand (ehemaliger) Gleichgesinnter und mitfühlend Worte.
Gerne auch Tacheles von Menschen, die meine Situation persönlich nachvollziehen können.

Seit 3 Jahren befinde ich mich in einer Art on/ off Geschichte. Eine Beziehung war es für mich nie. Immer eher eine Anbahnung, die immer schon nach ein paar Wochen unterbrochen wurde.
Entweder aktiv durch ihn, oder durch mich, nachdem er mal wieder (emotional) abgetaucht war.

Es gibt keine offizielle Diagnose. Aus meiner Sicht hat er entweder wenig Interesse, oder starke narzisstische Anteile oder ist bindungsängstlich (aktiv, zumindest in unserer Konstellation).

Wir sind beide Mitte 40, geschieden, haben den gleichen Bildungsstand, etc.

Wir sind / waren beide lange Jahre Single und haben uns in dieser Autonomie wohlgefühlt.

Beide hatten wir vorher langjährige Beziehungen, was für mich die Frage aufwirft, ob er dann tatsächlich bindungsängstlich sein kann.

Ich selber habe mich immer als Teamplayer erachtet. Dachte, ich würde nach Trennung/ Scheidung bald wieder einen Partner brauchen.
Pustekuchen.
Ich finde keinen Mann.
Sie sind mir alle zu nah, zu sehr Raum-einnehmend.
Hm, passive Bindungsangst?

Mein Muster: ich stosse auf emotional unerreichbare Männer.
Die sind für mich interessant. Komme ich nicht gegen an, trotz Erkenntnis.

Da ist also ER.
Der höchst ambivalent Typ. Der mich am langen Arm verhungern lässt.
Ich weiss, ich sollte längst den Kontakt abgebrochen haben.

Ich komme auch ohne ihn super klar.
Hobbies, Familie, Freunde, Job, Zeit für mich.

Ich fühle mich wie ein trockener Alk., der nach Wochen der Abstinenz, nur ein schlückchen.
Und schon hat er mich wieder um den Finger gewickelt.

Er legt teilweise Ar***lochverhalten an den Tag- und ich , die sich sonst recht gut behaupten und abgrenzen kann, hänge an der Angel.

Ich WILL einem Menschen nicht die Tür vor der Nase zu machen. Ich möchte immer die Möglichkeit zur Klärung geben/ haben.
Auch wenn das in meinem Beispiel offensichtlich keinen Sinn macht.

Wer hat es ähnlich erlebt?
Wie seit ihr losgeworden?

Danke fürs Lesen.

10.08.2021 18:45 • x 3 #1


Nemaj
Da kann einer nicht vom anderen lassen, obwohl ihr beide nichts Positives in die Beziehung einbringt.

Hallo Tabea,
er lässt dich am ausgestreckten Arm emotional verhungern und dabei kennst du doch den Weg zum Kühlschrank oder Supermarkt. Doch statt den Weg anzutreten, dir Nahrung zu beschaffen, bleibst du an der Angel hängen und harrst der Dinge, die da kommen mögen.
Aber außer ein Angebot zum Diäten kommt da nix.
Zitat:
Ich WILL einem Menschen nicht die Tür vor der Nase zu machen.

Um dich abzugrenzen und ihm zu zeigen, dass du seinem Anglerlatein nicht glaubst, solltest du aber genau das tun.
Er fühlt sich sonst in seinem Handeln bestätigt, da du ja alles so mitträgst.

Und auch für dein seelisches Gleichgewicht wäre es besser, hier eine Grenze zu ziehen und dich aus der Geschichte zu entfernen. Denn auch du hast ja augenscheinlich deine Problemchen. Daran solltest du mal arbeiten. Und mit ihm am Angelteichufer wird das nix.

10.08.2021 21:03 • x 2 #2


A


Bindungsängstler oder so - Verständnis gesucht

x 3


CarlCleister
Mein Muster: ich stosse auf emotional unerreichbare Männer.
-Hallo! Weil Du ebenfalls Bindungsangst hast und weißt dass da nix passieren kann, Liebes!

Beide hatten wir vorher langjährige Beziehungen, was für mich die Frage aufwirft, ob er dann tatsächlich bindungsängstlich sein kann.
-Man kann sich über Jahre auf Nähe und Distanz halten, hab ich selbst erlebt und macht einen ganz schön müde!

Ich komme auch ohne ihn super klar.
Ich fühle mich wie ein trockener Alk., der nach Wochen der Abstinenz, nur ein schlückchen.
-Merkste, wah?!

Wer hat es ähnlich erlebt?
Wie seit ihr losgeworden?
-Ich! Du musst loslassen, denn Du bist süchtig und nix anderes! Keine Liebe, nein, einfach abhängig nach ihm! Keinen Kontakt und aufs Trockendock!

11.08.2021 00:36 • x 4 #3


Milly85
Habe ich auch bereits zweimal erlebt, und ich denke auch, dass ich, so wie du, eine Bindungsangst entwickelt habe

das letzte mal ist mir das vor ein paar Tagen passiert, und ich wurde jetzt wie beim letzten Mal vor ein paar Jahren, einfach ausgetauscht. Mit anderen Frauen geht es dann auf einmal. Ich denke also, selbst bei bindungsphobikern KANN es funktionieren, wenn es die richtige Frau ist! Und du musst einsehen, dass du das nicht bist.

Du weißt selber, je länger das sich zieht, desto härter fällst du. Ich bin froh, dass meine letzte Geschichte nicht tief und lange ging (hab ich nicht zugelassen, aber vielleicht ist es auch deshalb kaputt gegangen,,, wer weiß.) bis er es beendet hat, ich hab aber von vornherein gemerkt dass er wieder einer von der Sorte ist, und ich nichts daran ändern werde vielleicht kann man sich so schützen.

ich wollte es jetzt eh auslaufen lassen, trotzdem trifft es mich irgendwie so schnell ausgetauscht worden zu sein

11.08.2021 02:26 • x 2 #4


Hansl
Zitat von Tabea2721:
Sie sind mir alle zu nah, zu sehr Raum-einnehmend.

Tja, schade.

Zitat von Tabea2721:
Mein Muster: ich stosse auf emotional unerreichbare Männer.
Die sind für mich interessant. Komme ich nicht gegen an, trotz Erkenntnis.

Ohjeh.

Zitat von Tabea2721:
Der höchst ambivalent Typ. Der mich am langen Arm verhungern lässt.

Das Grauen.

Zitat von Tabea2721:
Ich möchte immer die Möglichkeit zur Klärung geben/ haben.


Der Bindungsängstliche lebt durch Deinen Schmerz der täglichen Trennung.

Zitat von Tabea2721:
Wie seit ihr losgeworden?

Gehen.

11.08.2021 04:11 • #5


Mel75
Ich durchlebe es gerade. Auf und ab und on und Off. Hab auch einen emotionsarmen Menschen an meiner Seite, der zudem noch sehr egoistisch ist. Take it or leave it. sein Leitspruch. Geht es ihm gut, ist er der tollste Mensch und Partner. Ist er unzufrieden dann knallt es ständig und heute ist mal wieder der Punkt wo er sich getrennt hat. Ein Streit, weil ich motzig war über seine fehlende Aufmerksamkeit ließ das Fass überlaufen. Jetzt liege ich auf der Couch und fühle mich leer. Aber dieses Gefühl ist neu, bei den anderen Malen, wollte ich kämpfen und die Liebe war zu stark. Was jetzt passiert ? Ich weiß es nicht.

11.08.2021 14:32 • x 1 #6


Plentysweet
Zitat von Mel75:
Aber dieses Gefühl ist neu, bei den anderen Malen, wollte ich kämpfen und die Liebe war zu stark. Was jetzt passiert ? Ich weiß es nicht.

Du willst halt nicht mehr kämpfen. Was gut ist. Deshalb wahrscheinlich auch die Leere.
Eine Beziehung erkämpft man sich auch nicht. Sie entsteht aus beiderseitigem Wollen dafür.

11.08.2021 14:51 • x 2 #7


Mel75
@plentysweet

Ich denke auch, das die Grenze erreicht ist. I mog ni mer. Ich bin aber traurig, weil es gescheitert ist. Und ich verstehe nicht, warum er eine Beziehung eingeht, obwohl er nicht investieren will oder gar Kompromisse eingehen möchte.

11.08.2021 15:09 • #8


Plentysweet
Zitat von Mel75:
Ich bin aber traurig, weil es gescheitert ist.

Das ist ja auch ein Grund traurig zu sein.
Zitat von Mel75:
Und ich verstehe nicht, warum er eine Beziehung eingeht, obwohl er nicht investieren will oder gar Kompromisse eingehen möchte.

K.P..
Vielleicht hat er gedacht, diesmal wirds anders ?

11.08.2021 15:15 • #9


CiRa78
Jahre? Warum? Wozu? Nimm die Beine in die Hand und laufe. Was hält Dich an ihm?

Ich hab das 5 Monate mitgemacht und heule nicht mehr ihm, sondern der vergeudeten Lebenszeit nach. Mensch Mädels, wir werden nicht mehr jünger und haben doch keine Zeit für solche Dramen.

Ich habe vor ca. drei Wochen eine Frau (47) bei einer Tanzveranstaltung kennengelernt. Sie saß im Rollstuhl, Schlaganfall mit 46 und hat mehrere Wochen im Koma gelegen und kämpft sich nun mühsam ins Leben zurück. Sie sagte: Ihr Leben war mit einem Mal vorbei.

Dieses Gespräch hat mir soviel gegeben, den Horizont erweitert, dass ich mir bewusst gemacht habe, worauf es im Leben ankommt. Und auf jedem Fall, werde ich von Menschen abstand nehmen, die mir nicht gut tun. Das war auch der Punkt, an dem ich wusste, wenn ich es vermeiden kann, werde ich niemanden mehr hinterherheulen. Basta

Also, denke doch mal darüber nach, was er Dir gibt oder gegeben hat, was Du dir nicht auch selbst geben kannst. Oder mit Freunden beratschern kannst.

11.08.2021 15:41 • x 4 #10


Mel75
@plentysweet immerhin hat es ein halbes Jahr sehr gut funktioniert und seit den Ferien wurde es zunehmend schlechter. Er kann ja, wenn er will. Wenn er aber nicht will wird er zum Ar verletzt, demütigt und eiskalt.

11.08.2021 15:57 • x 1 #11


Plentysweet
Zitat von Mel75:
Er kann ja, wenn er will. Wenn er aber nicht will wird er zum Ar verletzt, demütigt und eiskalt.

Tja. Das ist halt die Crux . Du kannst die Menschen nicht ändern. Nur Dich selber. Und das ist schon schwer genug .
Aber wir sollten hier nicht Tabea' s Thema zuspammen .

11.08.2021 16:32 • #12


B
Zitat von Tabea2721:
ch selber habe mich immer als Teamplayer erachtet. Dachte, ich würde nach Trennung/ Scheidung bald wieder einen Partner brauchen.
Pustekuchen.
Ich finde keinen Mann.
Sie sind mir alle zu nah, zu sehr Raum-einnehmend.

Zu Raum einnehmend? Da muss ich jetzt wirklich darüber lachen, denn da erkenne ich mich selbst.

Motto Nummer eins: Renn mir nach und ich bin ein Erdhörnchen und tauche in meinem Bau ab. Irgendwann schaue ich mal kurz raus aus einem anderen Loch und stelle entsetzt fest: Huch, der ist ja immer noch da. Also nix wie weg!

Motto Nummer zwei: Ach, Du bist so wunderbar! Denn Du bist so tiefgründig, so unglaublich einfühlend (ehe man Dein wahres Ich kennenlernt), Du bist so autark und stark und selbstständig und ich? Ach, ich möchte doch nur bei Dir sein und von Deinem einzigartigen Wesen profitieren. Denn nur Du zeigst mir, dass ich manchmal doch etwas wert bin (ehe ich wieder in den Eiseskeller der Enttäuschung falle). Denn ich habe mich schon längst aufgegeben und lebe von den Bröseln, die Du mir hinwirst (ab und zu). Bei Dir fühle ich mich wie ein Hündchen, das um Liebe und Aufmerksamkeit bettelt. Daher komme ich ja immer wieder aufgeregt mit meinem *beep* wedelnd auf Dich zu und trage Dir die Zeitung nach. Nur damit Du mich ein kleines Bißchen lieb hast, mir einen Happen hinwirfst, ehe Du mich wieder vergisst.

Lauf weg und ich renne Dir hinterher. Ich ertrage alles, wenn Du nur bei mir bleibst und mich mies behandelst, denn ich habe mein Ich schon aufgegeben. Ich bin die Knetmasse in Deinen Händen, die Du formen kannst. Mein eigenes Leben habe ich lange verloren, ich erinnere mich nicht mehr so richtig daran, auch wenn ich mir einrede, ich hätte noch eines. Aber im Grund genommen brauche ich das Heiß und Kalt, das nur Du mir geben kannst. Du hältst mich auf Trab, ich sterbe tausende Tode mit Dir und für Dich und ja, ich hasse Dich für das was Du bist, aber lösen kann ich mich nicht. Alles, nur das nicht!

Tabea, es geht hier um Distanz, die immer gleich bleibt. Er, der aktive Bindungsvermeider, lässt Dich tanzen, er hat Dich an an der Angel und er hat ein ganzes Sortiment an bindungsvermeidenden Verhaltensweisen, das er bei Bedarf aus dem Ärmel schüttelt.
Heute ist er gut drauf und Du bist dann auch gut drauf, und morgen ist er wieder mal mit sich und der Welt uneins und hadert mit sich und auch das kriegst Du ungefiltert mit. Er ist ich-zentriert. Sein Befinden, seine Gefühle steuern sein Verhalten. Sonderlich empathisch ist er nicht, denn das Du ist für ihn zweitrangig. Dass da auch ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen ist, sieht er nicht oder nimmt es nur am Rande wahr.
Er sorgt mit seinem Verhalten für Distanz. Er stellt Dich ins Abseits, hält dich vielleicht mit verschwurbelten Aussagen hin, die alles und nichts aussagen, er plant sein Leben ohne Dich einzubeziehen und er entscheidet, was er tut oder auch nicht.

Damit weckt er bei Dir das Bedürfnis, die Distanz zu verringern und seine Mauern einzureißen.
Und auch Du hast genau dafür die passenden Verhaltensweisen, denn Du bist der passive Part. Der hält alles aus, sieht im Zweifelsfall alles nach und ordnet sich freiwillig unter.

Das sorgt natürlich nur dafür, dass er noch weiter weg rennt. Und Du fetzt wieder hinterher, denn selbstständig entscheiden tust Du schon lange nicht mehr. Du reagierst auf ihn, passt Dich an, sieht über vieles hinweg, erträgst vieles obwohl Dir völlig klar ist, dass es Dir damit besch... geht. Du untergräbst Deinen Stolz, Dein Selbstwertgefühl, das er anfangs mächtig aufpolierte, hat er grandios demoliert, weil Du es zugelassen hast. Er hält nicht mehr sonderlich viel von Dir, irgendwie bist Du auch reizlos und langweilig geworden. Dafür muss er sich nicht anstrengend, das weiß er, denn Du bleibst ihm eh.

Kann natürlich jederzeit passieren, dass eines Tages Miss Ideal um die Ecke biegt, die ihm das Tanzen beibringt. Dann bist Du schnell weg vom Fenster.

Gehst Du auf Distanz, ist Dir das eigentlich sehr zuwider, weil Du merkst, dass es nicht das ist, was Du willst. Aber Du tust halt so und spielst jetzt auch mal die Selbstständige, die ihr Leben im Griff hat und ihn doch nicht braucht. Ja, damit eröffnest Du ihm dann wieder die Möglichkeit, dass er ankriecht und das geht Dir dann runter wie Öl.
Nur, dass keiner von Euch die Nähe auf Dauer gut aushält. Er, der aktive, geht wieder in seinen Turm und lässt Dich im Burghof stehen und am ausgestreckten Arm verhungern. Dass Dir seine Nähe zu viel wird, ist aber völlig unwahrscheinlich, denn er entscheidet über Nähe und Distanz und nicht Du.

Kenne ich gut und habe ich mehrmals durch. Solche Beziehungen existieren, aber sie bringen keinen voran. Jeder bleibt in seinen Mechanismen stecken, sie bieten kein Entwicklungspotential, weil ständig dieselben Muster abgespult werden. Im Grund genommen sind solche Beziehungen langweilig und zum Gähnen, nur nicht für den, der drin steckt und nicht rauskommt.
Jeder ist unglücklich. Er, weil er Dir nicht die Nähe zugestehen kannst, die Du gerne hättest. Das schafft er nicht und er sieht durchaus, dass Du darunter leidest. Da er aber ich-zentriert ist, macht es ihm nicht viel aus. Er merkt vielleicht, dass er alles kaputt macht, kann aber nicht anders, weil sein Unterbewusstsein eine panische Angst vor Nähe hat.
Und Du bist unglücklich, weil Du nicht das bekommst was Du willst. Vordergründig. Würde er nämlich hinter Dir her galoppieren, würdest Du weg laufen.

Also bleibt die Distanz zwischen Euch weitgehend immer gleich. Mal ist sie größer, mal kleiner, aber im Grund genommen hebt es sich auf.

Deine Partnerwahl ist kein Zufall, sondern vom Unterbewusstsein gesteuert. Das witterte zielgenau, da ist einer, an den komme ich nicht ran. Und schon ist er wahnsinnig interessant und aufregend. Eigentlich träumst Du ja von einer echten Beziehung, aber Dein Unterbewusstsein hat auch verinnerlicht, zu enge Bindungen bergen Risiken, sie tun höllisch weh und daher führt es Dich zu solchen Partnern, die passen wie der Deckel auf denTopf.
Dass Du Dich dann an ihm abarbeitest, weinst, unglücklich bist, darunter leidest, ist Deinem Unterbewusstsein egal. Es lehnt sich entspannt zurück und sagt, soll sie ruhig leiden, das tut sie doch gerne, das ist ihr Muster, aber ich bin sicher und ich weiß, es gibt gar keine Beziehung.

Ein Ausweg? Schwierig, weil es dich um verinnerlichte Verhaltensweisen handelt, die auf Ängsten beruhen. Er beschwichtigt seine Angst, indem er sich zurück zieht und Du beschwichtigst sie, indem Du ihm erfolglos hinterher hampelst und Dir einredest, Du würdest doch wunderbar selbstständig handeln. In Wirklichkeit bist du seine Marionette.

Bindungsängste sind nicht heilbar, jedenfalls nicht so, dass man mal fünf Sitzungen macht beim Therapeuten, der das dann gerade biegt. Denn die Ängste werden oft schon in der Kindheit erworben und zeigen sich im späteren Leben in unbefriedigenden Beziehungen.
Wer das los werden will, müsste schon tief in sich reinschauen, aber das wiederum kann auch höllisch weh tun. Warum bin ich so? Warum lehne ich Bindungen innerlich ab?

Ich bin draufgekommen, es hat viel mit meiner Kindheit zu tun. Ich hatte einfach nicht diese wundervolle innige Mutterbindung, die ich mir erträumt hätte und die mir Sicherheit gegeben hätte. Meine Mutter war zuverlässig, fleißig, hatte hohe Selbstansprüche und träumte von Eheglück und Familie, Den Mann dazu fand sie, aber der war dann doch nicht ganz so wie erträumt, denn er war kein Träumer, sondern ein Realist, der sich dem Leben stellte und keine Zeit für romantische Gefühle hatte. Die kannte er nicht und er wollte sie auch nicht.
Dann kam ich, das Wunschkind und das sollte dann alles richten. ich sollte so und so sein und wenn ich das war, dann erfuhr ich das was ich wollte. Liebe, Anerkennung, es machte mich stolz. Aber ich war eben nicht immer so wie ich sein sollte. Und dann erntete ich Zurückweisung, Zurechtweisung, Abkehr und Kälte und Enttäuschung.
Das sorgte oft für innere Ängste und Verzagtheit. ich bin nicht in Ordnung wie ich bin. Wäre ich anders, hätte sie mich immer lieb.
Und mein Vater? Ja, er kümmerte sich großartig um seine Familie, arbeitete viel, aber ich erinnere mich, dass ich schon bei ihm oft gegen Mauern lief. Er blieb mir oft fern, ferner als ich wollte...
Kind lernt, Bindungen wären zwar schön, aber sie tun weh und bereiten Schmerzen. Und dann kommen später eben oft so seltsame Beziehungen, die nichts Halbes sind und nichts Ganzes werden. Letzteres am allerwenigsten.

Ich denke, man kann lernen, damit umzugehen. Man hat halt vielleicht ein seltsames Bindungsverhalten, aber das kann einen auch befähigen, eine Bindung auszuhalten, ja sogar zu schätzen. Man braucht vielleicht mal mehr Freiräume für sich selbst, aber wenn der Partner damit umgehen kann, funktioniert das auch.

Bindungsvermeider können durchaus Bindungen eingehen, aber sie halten sich immer ein Hintertürchen offen. Die können heiraten, Kinder kriegen, aber es gibt viele Möglichkeiten, allzu großer Nähe erfolgreich zu entfliehen. Z.B. viel Arbeit, Überstunden, berufliches Fortkommen und wer könnte dagegen schon was sagen? Aber der wahre Grund liegt vielleicht nicht mal im Ehrgeiz, sondern auch in der Flucht vor Nähe. Oder zeitaufwändige Hobbies, die der Partner nicht teilt. Oder er muss dringend da und dort hin, weil ohne ihn nichts geht, denn er ist ja so wichtig, meint er. Ehrenämter, die einen fordern aber auch ein Hausbau, der so wunderbar ablenkt, können probate Mittel sein.

Ansonsten kommt er halt oft zu spät oder im Extremfall überhaupt nicht. Sorry, es kam was dazwischen, ich konnte da echt nicht oder ich habe es vergessen. Vergessen ist eh sehr beliebt beim aktiven Vermeider. Die Entschuldigung schlechthin, aber vom Unterbewusstsein durchaus gewollt.

Ach und dann die Sache mit der Familie. Ächz, stöhn. Ich soll mit auf den Geburtstag ihrer Oma. Ja, und da werde ich dann als der zukünftige Schwiegersohn begutachtet. Nö, das kann ich nun wirklich nicht. Leider ist es gerade an diesem Tag völlig unmöglich, weil ... Oder er verschläft, sorry, Wecker nicht gestellt oder er hat leider genau dann eine Magendarmverstimmung. Oder einen Anfall von rasenden Kopfschmerzen.
Man kann halt nicht auf ihn bauen und sich nicht auf ihn verlassen. Ist eben so. Leb damit und lass es Dir gut gehen oder lebe nicht damit. Denn es ist zu viel zum Sterben aber zu wenig zum Leben.

Wenn du merkst, dass Du einen innerlichen Hass verspürst, wobei dieser Hass auch Dir selbst gilt, weil Du in Deiner Schwäche verharrst, dann ist es an der Zeit zu gehen. Es wäre schon längst an der Zeit gewesen, aber man hat ja so seine Mechanismen wie sich selbst zu belügen, sich alles schön zu reden und sich alles schön zu reden. Er ist ja nicht so, er hat halt seine Probleme (die er dann an mir auslässt), er ist ja dennoch auch wieder lieb.

Es ist nicht so schwer, das hinter sich zu lassen. Man müsste nur mal den Mut dazu haben und den Schweinehund übertölpeln. Nö, dann wartet man lieber, bis er die Reißleine zieht. Und dann zieht man sich zurück, traurig und verletzt. Er ist erst mal erleichtert, denn er hat sich die Nähe vom Hals geschafft. Aber so auf Dauer ist er dann auch nicht glücklich und zufrieden und dockt wieder an. Ehe das Spiel von vorne los geht. Das ist das Wesen von On- und Off-Beziehungen.
Es braucht zwei Gegenspieler, die gut aufeinander eingespielt sind. Ping pong, aber kein Ende in Sicht. Oder ein Karussell, das sich ständig weiter dreht und von dem man nicht absteigt.

Einer wird irgendwann doch gehen und dann ganz, weil es keine Zukunft hat, weil es wie eine Achterbahnfahrt ohne Ende ist.
Entweder er, weil er sowieso der übergeordnete Part ist. Oder manchmal auch der Schwächere, weil er die Verletzungen leid ist und irgendwann doch der Selbstschutz in Kraft tritt.

Es ist für den untergeordneten Part eine Frage der Leidensfähigkeit und für den übergeordneten eine Frage des Überlebens. Denn nichts fürchtet er so wie Nähe.

Wenn Du es leid bist, zu leiden, dann gehe. Es hilft dann nur Abstinenz. Kein Kontakt mehr, nicht über Geräte und schon gar nicht persönlich. Je konsequenter desto schneller geht die Ablösung. Obwohl sie doch sehr lange dauert und weh tut.
Aber wo ist die Lösung? Es gibt keine, weil zwei defizitäre Menschen ihre Defizite am Partner ausleben.

Bist Du Dir mehr wert? Eigentlich? Dann sei es Dir wert diese Posse zu beenden und dieser never-ending-story den Todesstoss zu geben.

Und dann hast Du mal viel Zeit für Dich. Du kannst Dir ja mal Gedanken machen über Deine seltsamen Mechanismen und wie blöd Du Dich eigentlich verhältst oder verhalten hast. Und woher das wohl kommen könnte, dass Du zwar gerne ankommen möchtest, aber dann doch Angst vor dem Zieleinlauf hast.
Und vielleicht fragst Du Dich mal, wie es um Dein Selbstwertgefühl bestellt ist, wenn Du gerne diese Rolle einnimmst. Die der schwächeren, ertragenden und leidenden? Dass Du leidest, steht außer Frage, sonst wärst Du nicht hier. Auch wenn Du ja eigentlich prima ohne ihn klar kommst. Bleibt Dir schon nichts anderes übrig, denn auf ihn kannst du nicht bauen.

Vielleicht merkst Du irgendwann mal, womit das alles zusammenhängt und dass sich da ein roter Faden durch Dein Leben zieht. Und dann denkst Du Dir vielleicht, dass Du doch lieber mal was Anderes hättest, was Festes, aber dass Du dafür auch was tun musst. Du musst nämlich anfangen Dich zu akzeptieren, Dich zu schätzen. Würdest Du das tun, wärst Du nicht bei solch einem Mann.
Und wenn Du das schaffst, dass Du Dein Leben managen kannst ohne Deinen Bindungsphobiker und dass Du Dir mehr wert bist als das, was er Dir zuteilte, ist das ein Weg zu einem ruhigeren und selbstbestimmten Leben. Wenn Du dann noch verinnerlichst, dass Du völllig in Ordnung bist wie Du bist und Dir selbst einen großen Wert beimisst, dann strahlst Du auch was anderes nach außen. Und Männer wie er, die Frauen brauchen wie Dich, machen dann einen großen Bogen um Dich. Denn Du bist keine Zielscheibe mehr für sie. Was wollte er denn auch mit einer selbstbewussten Frau mit viel Eigenliebe? Nein, er landete nicht umsonst bei Dir. Zwei Starke, die um die Vorherrschaft rangeln, sind kein gutes Team. Ein stärkerer und ein schwächerer Teil sind auch kein gutes Team. Aber eine Partnerschaft auf Augenhöhe kann zu einem guten Team führen.

11.08.2021 19:08 • x 15 #13


Tabea2721
Zitat von Hansl:
Der Bindungsängstliche lebt durch Deinen Schmerz der täglichen Trennung.

Wie meinst du das?
Er zieht daraus Energie?

11.08.2021 19:40 • #14


Snipes
@Begonie: Chapeau und Beifall für diesen außergewöhnlichen Text! Sehr toll! Eine Frau mit diesem Wissen hätte ich so gerne in meinem Leben

11.08.2021 19:41 • x 1 #15


A


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