Zitat von Ben1988:Hallo zusammen, Ich bin ehrlich mit meiner Situation etwas überfordert und hoffe, dass ich hier ein paar neue Denkanstöße bekomme. Ich bin mit meiner Verlobten seit 2014 zusammen. Wir haben uns auf Arbeit, in Leipzig, kennen gelernt und nach ca 2 Monaten kamen wir dann zusammen. Nachdem sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, ging sie zurück zu ihrer Familie in ein ca. 1,5 h Autofahrt entferntes Dorf. Wir führten dann also von 2015 bis 2018 eine Fernbeziehung. Die ersten 2 Jahre lief es auch sehr gut aber irgendwann wollten wir dann beide mehr und zusammen ziehen. Da begannen die Probleme . Wer zieht zu ...
Hallo Ben!
Tja, was soll man da sagen: Du hättest Dir das besser überlegen sollen/müssen. Hinterher ist man zumeist schlauer, aber dann ist es oft schwierig, etwas zu ändern.
Ich habe in meinem Leben beide Seiten der Medaille kennengelernt. Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen und habe dort bis nach meiner Ausbildung gelebt, später dann, auch aus Liebe zu meiner Ex, dann mit Ende 20 auf´s Land gezogen, Dort lebte ich bis zu meiner Scheidung, das waren insgesamt 15 Jahre und ein paar Monate.
Auf dem Land ist vieles sehr schön: Landluft, weniger Hektik als in der Stadt (entschleunigtes Leben), mehr Verbundenheit zur Natur und zu den dort lebenden Menschen, Dorffeste, oft auch Grundbesitz mit Tierhaltung, was in Städten oft nicht einfach oder gar nicht möglich ist. Eventuell eine große Eigenversorgung mit selbst angebauten Lebensmitteln wie Gemüse, Obst etc. Und eben zumeist ein ruhigeres Leben als in einer Stadt.
Die negativen Aspekte sind aber auch nicht ohne und die erkennst Du jetzt. Ob Du Dir dessen vorher nicht bewusst gewesen bist, weiß ich nicht, aber daher sind solche kulturellen Lebensunterschiede auch so deutlich wie kaum etwas anderes:
Auf dem Lande braucht alles in der Regel viel Zeit. Das geht mit einfachen Sachen los: Einkaufen, Arztbesuche, Beförderung der Kinder zu den erforderlichen Schulen und Freizeitaktivitäten, der tägliche Weg zur Arbeit (wenn man nicht auf dem Lande eine Anstellung findet, was gerade auf dem Lande oft nur mit Vitamin B geht) und dann eben die LEUTE, die dort leben.
Viele kennen sich seit Kindheit an, aber sie selbst kennen manchmal nicht mal eine Stadt aus ihrer näherern Umgebung, wenn es sie nicht mal erzwungenderweise dort hinverschlägt. Dafür kennt jeder jeden, Neuankömmlinge müssen sich gegen die Ureinwohner erst einmal behaupten und sich anpassen (die Landbevölkerung tut das i.d.R. nie). Dann schau mal auf die Klingelschilder: Dort, wo ich mit meiner Ex lebte, waren interessanterweise wenige Namen vielfach vertreten - warum? Weil die alle in- bzw. miteinander verheiratet waren, nennt man im allgemeinen Sprachgebrauch I.n.z.u.c.h.t. . Die ist auf dem Lande nicht selten, da ist Nachbar X sowohl mit Nachbar Y verwandt gar mit einerm Angehörigen von Nachbar Z verbandelt usw.
Bist Du nicht willig, Dich dem Verhalten und der Art und Weise, wie die Menschen auf dem Lande leben, anzupassen, hast Du es schwer. Es dauert manchmal Jahre, bis man nur akzeptiert ist, ob man jemals ein Teil der hiesigen Landbevölkerung ist oder wird, ist nie garantiert.
Wie gesagt, seit meiner Scheidung lebe ich wieder in einer Stadt und ich genieße die Vorteile und Vorzüge, die diese bietet. Als ich mit meiner Ex zusammen war, habe ich das Landleben nicht nur akzeptiert, ich habe es gelebt. Das ist sehr wichtig! Sonst geht man da als ehemaliger Stadtmensch ein wie eine Primel.
Wenn man aber dann mit der Liebe Probleme hat, alles nur noch Belastung wird (weite Wege, viele Einschränkungen im Hinblick auf das, was eine Stadt bietet, schlechte Ausweichmöglichkeiten, wenn es in einer Beziehung kriselt,ganz zu schweigen von der Tatsache, dass i.d.R. sofort das ganze Dorf, wenn sie untereinander vernetzt sind, sofort alles kennt und weißt, hast Du ja selbst schon hier beschrieben, weil erlebt.
Ich kann daher nur empfehlen, eine Art Probewohnen zu absolvieren, bevor ein Stadtmensch auf´s Land zieht und umgekehrt natürlich auch. Es sind teilweise gravierende Unterschiede, die man nicht gleich unbedingt sofort sieht und registriert. Wenn man dann festhängt und die Beziehung auch noch Probleme macht, wird´s übel und sehr problematisch!
Sei mir nicht böse, aber ich glaube, Deine Entscheidung, zu ihr auf´s Land zu ziehen, war keine gute Idee. Wenn Du Dich da nicht wohlfühlst, mit Deiner Liebe nur noch streitest und alles für Dich dort negativ ist, dann mach die Fliege, solange es noch geht. Nicht jeder Stadtmensch eignet sich zum Landleben, umgekehrt kommen viele Landeier in Städten nicht immer zurecht, wenn sie dort z.B. nicht nur arbeiten, sondern auch leben sollen/müssen. Das ist halt eine sehr individuelle Geschichte, in Deinem Fall würde ich tendenziell dazu raten, dem Landleben den Rücken zu kehren.
Viel Erfolg und liebe Grüße