Die Frau aus dem Regenbogen..

T
Die Frau aus dem Regenbogen

Es war einmal ein Mann, der in seiner Jugend etwas sehr Seltsames erlebt hatte.
Niemals hatte er darüber gesprochen, niemandem davon erzählt. Doch immer hatte er dieses Erlebnis in sich getragen und keinen einzigen Augenblick davon vergessen.
An einem lauen Sommerabend saß dieser Mann mit seinem Sohn unter einem Baum, um sich ein wenig auszuruhen. Und an diesem Abend begann er zu erzählen, gerade als die Sonne sich verabschiedete, und die Nacht sanft und warm den Alten und seinen Sohn in ihre Arme nahm: 'Unter diesem Baum, mein Junge, da bin ich vor vielen, vielen Jahren auch gesessen, als mir damals etwas Unerklärliches und Geheimnisvolles geschah.'
Sein Sohn blickte ihn erstaunt an. Nie war sein Vater ein großer Erzähler gewesen.
Doch nun fuhr er fort: 'Es war auch so ein warmer Sommertag wie heute.
Ich war noch jung, etwa in deinem alter. Ich suchte ein wenig Ruhe und ging spazieren, als mich plötzlich ein Regen überraschte, einer von diesen kurzen, aber heftigen Sommerregen. Unter diesem Baum fand ich damals Schutz. Und nach dem Regen blieb ich noch ein wenig sitzen, um mich von der Sonne wieder wärmen und trocknen zu lassen.'
Er atmete tief durch, schwieg eine Weile und blickte seinem Sohn forschend in die Augen. Dieser erwiderte den Blick seines Vaters offen und aufmerksam und wartete.
'Ja', sprach der Alte weiter, 'dann geschah es. Ich weiß nicht ob ich eingeschlafen war oder was auch immer geschehen sein mag, jedenfalls schreckte ich plötzlich auf.
Ein unglaublich schöner Regenbogen überspannte den ganzen Himmel.
Doch seltsam: das Ende des Regenbogens schien nur einige Meter von mir entfernt zu sein. Ich war verwirrt und wusste nicht, wie mir geschah. Da trat plötzlich aus diesem Rausch der Farben eine Frau auf mich zu.'
Sein Sohn runzelte ein wenig die Stirn.
Der Alte nahm dies wohl wahr, redete aber einfach weiter: 'ich weiß, daß das verrückt klingt. Aber glaub mir: Genauso ist es damals geschehen.'
Noch einmal holte er tief Luft. 'Diese Frau war ein Traum. Sie war alles, was sich ein Mann bei einer Frau nur wünschen kann, ich meine nicht nur Äußerlichkeiten. Obwohl ich sie ja nie zuvor gesehen hatte,
wusste ich das alles sofort. Wirklich seltsam...'Er schüttelte nachdenklich den Kopf. 'Nun ja, wie dem auch sei', nahm er den Faden wieder auf, 'diese Frau aus dem Regenbogen setzte sich neben mich und sprach mit mir.
Um ehrlich zu sein: Ich sprach mit ihr. Sie selbst sagte eigentlich nur drei Sätze.
Aber ich erzählte und erzählte und konnte gar nicht aufhören. Vielleicht war es die Aufregung, vielleicht meine Unsicherheit, wer weiß? Ich redete von mir und meinen Träumen, von meinen Sorgen und Nöten, von allem möglichen. Später schämte ich mich, weil ich wie ein Wasserfall geredet hatte. Doch ich glaube, sie hat es verstanden. Wohl niemals in meinem Leben habe ich so viel und so lange geredet wie damals.'
Sein Sohn blickte ihn liebevoll an, fühlte sich seinem Vater auf einmal sehr nahe und hätte ihn am liebsten in die Arme genommen. Doch er tat es nicht, sondern fragte: 'Diese drei Sätze, Vater, erinnerst du dich noch an sie?'
'Aber sicher', nickte sein Vater, 'ich habe sie nie vergessen. Es waren eigenartige Sätze. Einer lautete:

'Es liegt in deiner Hand, du bestimmst dein Leben, auch wenn es nicht immer so scheint.'

Nachdenklich blickte er vor sich hin und schwieg.
'Und die anderen Sätze?' fragte sein Sohn weiter.
'Ach ja!' Der Alte schien aus seinem Traum zu erwachen, und es war, als müsse er erst wieder zu sich finden.
Doch dann sprach er weiter 'der zweite Satz war:

Versuche die Menschen zu lieben, auch wenn sie es dir nicht leicht machen werden.

Ich glaube, dass ich diesen Satz einigermaßen verstanden habe. Immer habe ich im Grunde versucht, auch so zu leben, obwohl ich heute fürchte, dass ich viel zu selten geliebt habe.'
Wieder lächelte sein Sohn, und dieses mal war er es, der eine Weile nachdenklich vor sich hinblickte.
'Der dritte Satz', fuhr sein Vater fort, 'war der seltsamste.
Ich habe ihn wohl nie ganz begriffen:

Laß es so geschehen, wie es ist, auch wenn du manchmal lieber gegen vieles kämpfen möchtest.'

Er schwieg, und es schien, als habe er die Erzählung beendet. Gedankenverloren folgte der Blick seines Sohnes einem welken Blatt, daß im leichten Sommerwind zur Erde schwebte. Schließlich sagte er,
'Es lohnt sich, über alle drei Sätze nachzudenken und zu reden, Vater.
Mir scheint , du hast sie meistens nur mit dir herumgetragen und nur wenig davon verstanden, wenn ich dich und dein Leben so betrachte. '
Sein Vater blickte ihm aufmerksam ins Gesicht.
'Da magst du vielleicht recht haben', sagte er traurig und fuhr fort: 'Weißt du, je älter ich wurde, desto mehr habe ich das auch gefühlt. Doch denke ich, dass nicht jeder dieser drei Sätze so stimmen muss. Man kann darüber auch streiten - obwohl ich es manchmal, tief in mir, anders fühle. Und heute ist es für vieles zu spät, mein Sohn.'
'Ich weiß nicht, Vater', sagte der junge Mann.
'Oft ist es nur eine Ausrede, wenn jemand so etwas sagt. Aber wie ging denn die Geschichte mit dieser Frau weiter?'
Jetzt war es der Vater, der seinen Sohn liebevoll anblickte und am liebsten in die Arme genommen hätte. Auch er erzählte stattdessen weiter: 'Es war damals der spät geworden über meinem vielen Gerede und bereits dunkel, als ich auf einmal nichts mehr zu reden wusste. Da setzte sich diese Frau zu mir und nahm mich in die Arme.'
Der Alte lächelte und seufzte tief. 'Und dann war sie sehr zärtlich zu mir. Ich glaube, sie brachte mir die Liebe bei, wie man das zu nennen pflegt. Nie wieder habe ich solch eine Frau erlebt.'
'Du meinst körperliche Liebe?' wollte sein Sohn wissen.
Der Vater nickte: 'Ja und nein. Es war mehr als körperliche Liebe, da war so vieles.'
Wieder schwieg er eine ganze Weile, bevor er stockend weitererzählte: 'Es ist nicht einfach in Worte zu fassen, was da geschah. Weißt du, es war, als würde ich plötzlich losfliegen, mitten in den Sternenhimmel über uns. Der Mond hob mich empor und nahm mich in sich auf. Und die Sonne gab mir Kraft und zündete etwas in mir an, obwohl sie nicht einmal zu sehen war. Und die Sterne tanzten um mich, und ich flog mitten ins All, ins Herz aller Dinge. Und ich fühlte und erlebte, was ich einfach nicht beschreiben kann. Die Zeit stand still, und dann raste sie wieder an mir vorbei.
Mein Körper schien auseinander zu brechen, und doch fühlte ich mich so fest und sicher in mir wie nie zuvor. Manchmal dachte ich, vor lauter Leidenschaft irre zu werden, und doch war es in mir unheimlich still und friedlich.'
Er schüttelte den Kopf.
'Ach, es ist einfach unbeschreiblich gewesen, im wahrsten Sinne des Wortes, was diese Frau damals mit mir gemacht hat.'
Vater und Sohn blickten sich lange an.
Dann sagte der Sohn: 'Es war ja nicht nur die Frau, die etwas gemacht hat. Du hast ja auch dazu beigetragen, oder nicht?'
Sie saßen eine ganze Zeit lang schweigend beieinander. Es war still unter dem Baum und in der Nacht, und ein klarer, wunderschöner Sternehimmel tat sich über ihnen auf. Die beiden Männer hingen ihren Gedanken nach, jeder seinen und doch den gleichen.
Irgendwann räusperte sich der Sohn und fragt: 'Und was geschah dann noch weiter, Vater?'
Sein Vater hob den Kopf, und wieder schien es, als wäre er eben erst aus einer anderen Welt zurückgekehrt.
Schließlich antwortete er: 'Eigentlich nichts Besonderes, irgendwann in der Nacht bin ich damals zu mir gekommen. Es hat lange gedauert, bis ich mich und meinen Verstand wieder beisammen hatte. Die Frau war verschwunden und ich habe sie bis heute niemals wieder gesehen.' Auf einmal schien er dem Weinen nahe.
'Weißt du, mein Junge, ich habe sie immer gesucht. Hier unter diesem Baum, in jedem Regenbogen und in jeder Frau. Aber ich habe sie nie gefunden. Keine Frau war so wie sie, keine hat mir so zugehört, mir solche Sätze gesagt, mich in solche Leidenschaft versetzt. Und glaub` mir, ich habe viele Frauen gekannt. Auch deine Mutter, die ich wirklich sehr gern habe, auch sie ist nicht so wie diese Frau`.'
Seine Stimme wurde leiser.
'Die Frau aus dem Regenbogen...', lachte er vor sich hin, 'ich weiß nicht einmal ihren Namen. Und nie habe ich so richtig begriffen, was sie mir sagen wollte. Vielleicht habe ich deshalb mein ganzes Leben lang im Grund nur nach ihr gesucht.'
Sein Sohn blickte ihn voller Wärme an. 'Ich weiß nicht, Vater', sagte er.
'Vielleicht?'
Er dachte nach, rang nach Worten und fuhr schließlich fort: 'Ich glaube, sie hat dir etwas Großes geschenkt: Liebe aus Leib und Seele.'
Er atmete tief die kühler werdende Nachtluft ein.
'Ja, und du hast dieses Geschenk nicht weitergegeben, sondern dein Leben lang immer mehr davon gesucht, überall und jederzeit hast du noch mehr von dieser Liebe gesucht.'
Er erhob sich und streckte sich ausgiebig. 'Wie wohl jeder Mensch', sagte er dann weiter, 'wir suchen alle nach der Liebe, in jeder Frau und in jedem Mann, auch ich. Und dabei vergessen wir das Wichtigste.'
Der Vater blickte zu seinem Sohn auf, Tränen in den Augen, fassungslos, und murmelte: 'Du hast sie verstanden.' Und noch einmal: 'Ja, du hast sie verstanden.'
Und dann sagte er, noch immer unter dem Baum sitzend und zu seinem Sohn aufblickend: 'Ich glaube, jetzt fange auch ich an zu verstehen. Komm, mein Junge, hilf deinem Vater nun auch noch beim aufstehen.'
Der junge Mann half seinem Vater, und schweigend machten sich die beiden auf den Heimweg in dieser kühler werdenden Sommernacht. Auf einmal raschelten in dem Baum die Blätter, und der Mond schien durch die Äste genau dorthin, wo die beiden Männer gesessen waren.
Weder Vater noch Sohn sprachen noch einmal über die Frau aus dem Regenbogen - aber etwas war zwischen ihnen geschehen, was unauslöschlich war.
Beide hatten sich verändert.
Auch die Frau des alten Mannes spürte das. Doch sie erfuhr niemals von dem Erlebnis des alten Mannes und von dem Gespräch zwischen Vater und Sohn.
Als der Sommer zu Neige ging, machte der Alte, wie so oft, einen Spaziergang am Nachmittag.
Es war warm und roch nach Herbst, und etwas Eigenartiges lag in der Luft. Später regnete es kurz und heftig, und danach verzauberte ein unheimlich schöner Regenbogen den Himmel.
Der junge Mann zeigte ihn seiner Mutter und dacht insgeheim an seinen Vater.
Still lächelte er vor sich hin und verstand auf einmal noch mehr von der Suche seines Vaters. Wie viele Farben so fragte er sich in diesem seltsamen Augenblick, wie viele Farben mag wohl die Sehnsucht haben?
Mitten in der Nacht wurde er von seiner Mutter geweckt. Voller Sorge bat sie ihn, nach dem Vater zu suchen, weil er von seinem Spaziergang nicht heimgekehrt war. Sofort machte er sich auf den Weg.
Aus irgendeinem Grunde wusste er, wo er seinen Vater finden würde.
Und da war er dann auch. Still und friedlich lag er unter seinem Baum, ein glückliches Lächeln in seinem Gesicht. Der Sohn begriff sofort.
Er nahm den alten Mann in seine Arme und drückte ihn liebevoll an sich.
Und während er bitterlich weinend um seinen toten Vater in den Armen unter diesem Baum saß, rauschte es wieder in den Blättern, und der Mond warf ein mildes Licht auf die beiden.
Da huschte ein Lächeln über das tränenüberströmte Gesicht des jungen Mannes, und er flüsterte seinem Vater ins Ohr:
'Du weißt es nun, nicht wahr? Sie hat es dir gesagt.'
Er drückte ihn ein letztes Mal an sich und war sicher, dass sein Vater die Frau aus dem Regenbogen noch einmal gesehen hatte.


im I-net gefunden.... und diese Geschichte möchte ich euch nicht vorenthalten ....

LG
Tato

23.09.2004 19:05 • #1


S
Hi Tato

Ich fand diese Geschichte sehr bewegend und anregend. Ich denke, dass ich noch einige Zeit darüber nachdenken werde.
Ich sehe dies aber auch als eine Gelegenheit an, eine andere Geschichte hintenanzustellen, welche ich nicht minder aussagekräftig finde.


Eines Tages bat eine Lehrerin ihre Schüler, die Namen aller anderen Schüler in der Klasse auf ein Blatt Papier zu schreiben und ein wenig Platz neben den Namen zu lassen. Dann sagte sie zu den Schülern, sie sollten überlegen, was das Netteste ist, dass sie über jeden ihrer Klassenkameraden sagen können und das sollten sie neben die Namen schreiben.
Es dauerte die ganze Stunde, bis jeder fertig war und bevor sie den Klassenraum verließen, gaben sie ihre Blätter der Lehrerin.
Am Wochenende schrieb die Lehrerin jeden Schülernamen auf ein Blatt Papier und daneben die Liste der netten Bemerkungen, die ihr Mitschüler über den einzelnen aufgeschrieben hatten. Am Montag gab sie jedem Schüler seine oder ihre Liste. Schon nach kurzer Zeit lächelten alle.
Wirklich? hörte man flüstern.
Ich wusste gar nicht, dass ich irgend jemandem was bedeute! und Ich wusste nicht, dass mich andere so mögen waren die Kommentare.
Niemand erwähnte danach die Listen wieder. Die Lehrerin wusste nicht, ob die Schüler sie untereinander oder mit ihren Eltern diskutiert hatten, aber das machte nichts aus. Die Übung hatte ihren Zweck erfüllt.
Die Schüler waren glücklich mit sich und mit den anderen. Einige Jahre später war einer der Schüler in Vietnam gefallen und die Lehrerin ging zum Begräbnis dieses Schülers. Die Kirche war überfüllt mit vielen Freunden.
Einer nach dem anderen, der den jungen Mann geliebt oder gekannt hatte, ging am Sarg vorbei und erteilte ihm die letzte Ehre. Die Lehrerin ging als letzte und betete vor dem Sarg. Als sie dort stand, sagte einer der Soldaten, die den Sarg trugen, zu ihr: Waren Sie Marks Mathe Lehrerin?
Sie nickte: Ja. Dann sagte er: Mark hat sehr oft von Ihnen gesprochen. Nach dem Begräbnis waren die meisten von Marks früheren Schulfreunden versammelt. Marks Eltern waren auch da und sie warteten offenbar sehnsüchtig darauf, mit der Lehrerin zu sprechen. Wir wollen Ihnen etwas zeigen, sagte der Vater und zog eine Geldbörse aus seiner Tasche. Das wurde gefunden, als Mark gefallen ist. Wir dachten, Sie würden es erkennen. Aus der Geldbörse zog er ein stark abgenutztes Blatt, das offensichtlich zusammengeklebt, viele Male gefaltet und auseinandergefaltet worden war.
Die Lehrerin wusste ohne hinzusehen, dass dies eines der Blätter war, auf denen die netten Dinge standen, die seine Klassenkameraden über Mark geschrieben hatten. Wir möchten Ihnen so sehr dafür danken, dass Sie das gemacht haben sagte Marks Mutter. Wie Sie sehen können, hat Mark das sehr geschätzt.
Alle früheren Schüler versammelten sich um die Lehrerin. Charlie lächelte ein bisschen und sagte: Ich habe meine Liste auch noch. Sie ist in der obersten Lade in meinem Schreibtisch. Chucks Frau sagte: Chuck bat mich, die Liste in unser Hochzeitsalbum zu kleben. Ich habe meine auch noch sagte Marilyn. Sie ist in meinem Tagebuch. Dann griff Vicki, eine andere Mitschülerin, in ihren Taschenkalender und zeigte ihre abgegriffene und ausgefranste Liste den anderen. Ich trage sie immer bei mir, sagte Vicki und meinte dann: Ich glaube, wir haben alle die Listen aufbewahrt.
Die Lehrerin war so gerührt, dass sie sich setzen musste und weinte. Sie weinte um Mark und für alle seine Freunde, die ihn nie mehr sehen würden.

LG Micha

24.09.2004 01:07 • #2


A


Die Frau aus dem Regenbogen..

x 3


E
noch eine geschichte:
Die Geschichte von der traurigen Traurigkeit



Als die glutrote Sonne am Horizont dem Tag langsam entschwinden wollte,
ging eine kleine zerbrechlich wirkende Frau einen staubigen Feldweg entlang.
Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lächeln
hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Fast am Ende dieses Weges,
saß eine zusammengekauerte Gestalt, die regungslos auf den trockenen,
ausgedörrten Sandboden hinunterstarrte.
Man konnte nicht viel erkennen,
das Wesen das dort im Staub des Weges saß, schien beinahe körperlos zu sein.
Es erinnerte an eine graue aber weiche Flanelldecke mit menschlichen Konturen.
Als die kleine zerbrechlich wirkende Frau an diesem Wesen vorbeikam,
bückte sie sich ein wenig und fragte:
Wer bist du?



Zwei fast regungslose Augen blickten müde auf.
Ich? Ich bin die Traurigkeit. flüsterte die Stimme stockend und so leise,
dass man sie kaum zu hören vermochte.



Ach, die Traurigkeit ! rief die kleine Frau erfreut,
als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.



Du kennst mich? fragte die Traurigkeit vorsichtig?
Aber ja, natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast Du mich ein Stück
meines Weges begleitet.



Ja, aber ..., argwöhnte die Traurigkeit, warum flüchtest du dann nicht und nimmst reiß aus?
Hast du denn keine Angst vor mir ?



Warum sollte ich vor dir davonlaufen ? Du weißt doch selbst nur zu gut,
dass du jeden Flüchtigen einholst. Man kann dir nicht entkommen.
Aber, was ich dich fragen möchte:
Warum siehst du so betrübt und mutlos aus ?



Ich ... ich bin traurig, antwortete die graue Gestalt mit klangloser Stimme.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr.



Traurig bist Du also, sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf.
Erzähl mir doch, was dich so sehr bedrückt.



Und die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören?
Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.



Ach, weißt du, begann die Traurigkeit zögernd, es ist so,
dass mich einfach niemand mag. Niemand will mich.
Dabei ist es doch nun mal meine Bestimmung
unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen.
Aber jedesmal wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück.
Sie fürchten sich vor mir und meiden mich.



Die Traurigkeit schluckte schwer.
Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich verstoßen wollen. Sie sagen:
Ach was, das Leben ist heiter und fangen an zu Lachen.
Aber ihr falsches erzwungenes Lachen
führt zu Magenkrämpfen. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht.
Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muss sich zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen
in den Schultern und im Rücken, im ganzen Körper. Verkrampft sind sie.
Sie drücken die Tränen tief hinunter und haben Atemnot. Sie sagen:
Nur Schwächlinge weinen. Dabei sprengen
die aufgestauten Tränen fast ihre Köpfe. Manchmal können sie dadurch
nicht mal mehr Sprechen.
Oder aber sie betäuben sich mit Alk. und Dro.,
damit sie nicht fühlen müssen.



Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen.
Und dabei will ich den Menschen doch nichts Böses, ich will ihnen doch nur helfen.
Denn wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen.
Ich helfe ihnen ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen und zu heilen.
Weißt du, wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut,
und manches Leid bricht dadurch immer wieder auf,
wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh.
Aber nur wer mich zu sich läßt und all die ungeweinten Tränen weint,
kann seine Wunden erst wirklich heilen.
Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich Ihnen dabei helfe.
Statt dessen schminken sie sich ein grellen Lachen über ihre Narben.
Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit und ewiger Enttäuschung zu.
Ich glaube, sie haben einfach nur unbändige Angst zu weinen und mich zu spüren.
Deshalb verjagen sie mich immer wieder.



Dann schwieg die Traurigkeit. Ihr Weinen war erst schwach,
dann stärker und schließlich ganz innig und verzweifelt
und die vielen kleinen Tränen tränkten
den staubigen, ausgedörrten Sandboden.
Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkenen Gestalt tröstend in die Arme.
Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte das zitternde Bündel.
Weine nur, kleine Traurigkeit, flüsterte sie liebevoll, ruh dich aus,
damit du wieder Kraft sammeln kannst.
Du sollst nicht mehr alleine wandern. Ich werde auch dich von nun an begleiten,
damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt.



Die Traurigkeit hörte zu weinen auf.
Sie sah zu ihrer neuen Gefährtin auf und betrachtete sie erstaunt:
Aber ... aber, wer bist du eigentlich ?
Ich ..., sagte die kleine und zerbrechlich wirkende Frau und lächelte dabei
wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen, ... bin die Hoffnung!

24.09.2004 08:04 • #3


E
Sehr bewegend die Geschichten... und sehr traurig... :'(

Danke an alle Einsteller hier...


Ein Splitter aus meiner Hausarbeit, gelesen und sinngem. weitergegeben...


Es war eine ruhige Szene in einem vollbesetzen Bus...

Plötzlich stieg ein Mann mit seinen beiden Kindern ein. Der Mann setzte sich neben mich nieder und senkte den Kopf. Die Kinder waren sehr laut, schrien, tobten und zerrten an den Zeitungen der Fahrgäste. Sie störten die Ruhe und Stille. Aber der Mann neben mir tat nichts...
Nach einer gewissen Zeit sprach ich den Mann an... Ihre Kinder stören sehr viele Leute hier!

Er hob seinen Kopf. Ja sie haben recht, ich muß da was tun. Wissen Sie, wir kommen gerade aus dem Krankenhaus, wo die Kinder vor einer Stunde erfahren haben, daß ihre Mutter gestorben ist. Ich weiß noch nicht, wie ich damit ungehen soll und die Kinder damit fertig werden sollen...

Können Sie sich vorstellen, was ich in diesem Moment empfand? Mein Paradigma änderte sich - plötzlich sah ich die Dinge anders...

24.09.2004 21:12 • #4


E
Hallo Tatonka!
Eine sehr schöne Geschichte,die Du da geschrieben hast.
Vielen Dank dafür.

25.09.2004 07:34 • #5


R
Auch ich möchte Euch allen für Eure Geschichten danken, trotz aller Traurigkeit und Melancholie, doch Hoffnung, und das ist es doch was wir brauchen.

Ich hatte Gänsehaut.

LG Rainman

25.09.2004 09:16 • #6


E
Wahre Liebe

Einst verliebte sich ein Frosch in eine Maus und auch die Maus fand an dem Frosch Gefallen und erwiderte seine Liebe. Beide hatten sehr verschiedene Arten zu leben und hatten sich viel zu erzählen. Des Abends wenn sie zusammensaßen, erzählte der Frosch von seinem tiefen Teich und all den Dingen, die es darin zu sehen und zu finden gab. Er erzählte von den Fischen und dem alten Seehecht, der auf dem Grund des Teiches lebte und all den Gefahren, die er schon durchgestanden hatte. Die Maus liebte diese Geschichten und fand sie faszinierend und spannend. Sie konnte ihm einfach stundenlang zuhören.

Sie erzählte ihrerseits davon, wie man gefräßigen Katzen entkommt, wie man Vorräte für den Winter zusammensammelt, und wie man tiefe Gänge in die Erde gräbt, und das es gut ist, immer einen zusätzlichen Gang zu graben, falls der Hauptgang einmal verschüttet ist, oder gerade ein bedrohlicher Feind davor wartet. Manchmal ist es einfach gut, wenn man durch einen Hinterausgang verschwinden kann.

Wie sie so erzählten kam der Frosch auf den Gedanken, die Maus könne ihm einmal durch den Hinterausgang entschwinden, und da er sie doch so sehr liebte, begann er zunehmend unruhiger zu werden. Dies merkte die Maus und fragte den Frosch, was ihn beunruhige. Der Frosch mochte nicht so recht erklären, was ihn so unruhig machte und sprach schließlich: Weißt Du, manchmal bekomme ich Angst, wir könnten uns verlieren, und ich liebe Dich doch so!

Ach diese Angst habe ich auch manchmal, sprach da die Maus, denn sie fürchtete, der Frosch könne ihr irgendwann entspringen und auf nimmer Wiedersehen in den tiefen Teich abtauchen. Aber wir könnten doch unsere Hände zusammenbinden, dann könnten wir uns nie verlieren, sprach der Frosch und der Maus war es nur recht, und so banden sie ihre Hände zusammen, die Maus die rechte und der Frosch die linke. Nun fühlten sie sich schon wesentlich sicherer, nur zusammen zu gehen machte nun einige Probleme. So wollte der Frosch oft hüpfen und hatte Schwierigkeiten mit den kleinen Schritten der Maus, die ihrerseits durch den unregelmäßigen Gang des Frosches immer wieder aus ihrem Rhythmus kam und ins Stolpern geriet. Auch konnte die Maus nicht mehr in ihre Gänge schlüpfen, denn der Frosch war zu ungelenk, um sich durch die schmalen Gänge zu zwängen und war es ihm doch einmal gelungen, so stieß er fortwährend mit seinem Kopf an, da er das Hüpfen einfach nicht lassen konnte.

Die Maus hielt das Hüpfen für eine schlechte Angewohnheit und meinte, daß es dem Frosch schon gelingen könne, anständig zu laufen. Er müsse nur ernsthaft den Willen haben, das Hüpfen aufzugeben, denn wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg. Und sie erzählte ihm, wie schwer es manchmal gewesen sei, sich durch harten Boden einen Gang zu graben und dass man, wenn man nur will, mit den scharfen Mausezähnen, die härtesten Dinge durchknabbern kann, und der Frosch versprach es wirklich ernsthaft zu versuchen. Ja, sprach die Maus, es ist wirklich schwierig in der Liebe, doch wenn man sich wirklich liebt, arbeitet man aneinander und versucht dem anderen zu helfen, damit er sich weiterentwickeln und seine schlechten Eigenschaften abstreifen kann.

Der Frosch wiederum versuchte die Maus zu überzeugen, daß es ein Genuß sei, mit einem hohen Bogen in den Teich zu springen und durch die tiefen Fluten hinab zum Grund zu tauchen, um dort in alte weggeworfene Lederstiefel zu schlüpfen und die Fische an sich vorbeischwimmen zu lassen, doch die Maus hatte Angst vor dem Wasser. Der Frosch aber war der Ansicht: Wenn man nur wirklich bereit sei, die Angst zu überwinden, würde es schon klappen, denn aller Anfang sei schwer. Doch die Maus war nicht bereit ihre Angst zu überwinden. Dies alles tat ihrer Liebe jedoch keinen Abbruch, und sie liebten sich weiterhin inniglich.

Nach einer Weile sprach jedoch die Maus: Weißt Du ich kann Deine rechte Hand nicht sehen. Und in der Liebe sollte man sich doch alles sagen und ganz offen zueinander sein, und da sei es doch nicht in Ordnung, wenn man bestimmte Dinge voreinander versteckt. Der Frosch fand dies auch, denn in der Liebe möchte man an allem teilhaben und alles, alles wissen, was der andere tut, und so banden sie die anderen Hände auch noch zusammen.

Das Gehen wurde natürlich noch beschwerlicher, aber wo wahre Liebe ist, erträgt man jegliche Unangehmlichkeiten, denn jede Schwierigkeit schmiedet einen nur fester zusammen. Das Leben wurde ein wenig eintöniger, denn der Frosch konnte nicht mehr von seinen neuen Erlebnissen im See erzählen und die Maus wußte auch nichts Neues zu berichten, da sie nun alles zusammen machten. So erzählte der Frosch von früheren Zeiten, wo er noch im See umhergeschwommen ist, doch nach einer Weile kannte die Maus alle Geschichten und wurde zunehmend ungehalten, wenn der Frosch schon wieder mit seinen alten Erlebnissen im See anfing.

Doch auch die Maus konnte nur noch von Dingen berichten, die sie früher erlebt hatte, und meist kannte der Frosch die Geschichte schon und hörte gar nicht mehr richtig zu. Nie hörst du mir zu, du beachtest mich überhaupt nicht mehr, beschwerte sich die Maus, denn wenn man sich wirklich liebt, schenkt man dem anderen alle Aufmerksamkeit.

Ach, sprach der Frosch, es liegt wohl daran, daß ich in der letzten Zeit, so müde bin, es ist bestimmt das Wetter, es hat wirklich nichts mit Dir zu tun. Doch die Maus meinte: Wenn man jemanden wirklich liebt, hört man ihm auch zu, wenn man müde ist. Obwohl sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, liebten sie sich immer noch und die Maus meinte, daß wahre Liebe ist, wenn man zusammen schweigen kann und sich Verliebte auch ohne Worte verstehen, und der Frosch fügte hinzu: Gerade ohne Worte, denn Reden ist Silber und Schweigen ist Gold.

Doch bei aller Liebe und allem Bemühen wollte dem Frosch der gleichmäßige Gang nicht gelingen, und wer sich wirklich liebt, macht doch alles gemeinsam. Und da die Maus nicht aufhören wollte, das beständige Gehüpfe des Frosches zu bemängeln, denn sie wollte nur das Beste für den Frosch, und er andererseits ihr es doch wirklich recht machen wollte, denn wenn man jemanden liebt, möchte man dem anderen jeden Gefallen tun, kam der Frosch auf die Idee: Wir könnten, doch auch eins unserer Beine zusammenbinden, dann können wir noch besser alles zusammen machen, und ist es in der Liebe nicht so, daß man alles gemeinsam tun will?

Gesagt getan und wie der Frosch es im Geheimen vermutet hatte, hatte es nun mit dem Hüpfen ein Ende. Zwar kamen beide nun nur noch unter großen Mühen und sehr langsam voran, aber sie wußten nun, daß sie richtig zusammengehörten und was ist schöner in der Liebe, als zu wissen, daß man wirklich zusammen gehört.

Laß uns das andere Bein auch noch zusammenbinden sprach da die Maus. Meinst Du wirklich wir sollten das tun? fragte der Frosch, denn er war nicht mehr sicher, daß sie das Richtige taten. Du liebst mich doch? fragte die Maus. Ja, ja natürlich sagte der Frosch und sie banden die anderen Beine auch noch zusammen, und was ist schöner an der Liebe, als wenn man unzertrennlich ist. Aber das war nicht gut, denn nun konnten sie sich gar nicht mehr bewegen. So verharrten sie starr und unbeweglich, und auch ihre heiße Liebe schien allmählich abzukühlen. Ja sie führten ein wahrhaft erbärmliches Leben, bis sie schließlich starben, und das war schon bald, denn als der eine starb, starb auch der andere.



25.09.2004 15:47 • #7


M
Vom Gleichgewicht

Ein Bogenschütze ging durch einen Wald in der Nähe eines Hindu-Klosters, das für die Strenge seiner Lehre bekannt war, als er sah, wie die Mönche im Garten tranken und miteinander scherzten.

Wie zynisch die doch sind, die den Weg Gottes suchen, empörte sich der Bogenschütze laut.
Da sagen Sie, Disziplin sei wichtig, und betrinken sich.

Wenn du einhundert Pfeile hintereinander abschießt,was wird dann mit deinem Bogen geschehen? fragte der älteste der Mönche.
Mein Bogen würde zerbrechen antwortete der Bogenschütze.

Wenn jemand seine Grenzen überschreitet, bricht er auch seinen Willen sagte der Mönch.
Wer kein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhezeit schafft,verliert seine Begeisterung und wird nicht weit kommen.


Paulo Coelho

17.02.2005 20:36 • #8


E
Es wird erzählt, daß alle Gefühle und Qualitäten der Menschen ein Treffen hatten.

Als die Langeweile zum dritten Mal gähnte, schlug der Wahnsinn, wie immer sehr gewitzt vor: Laßt uns Verstecken spielen!

Die Intrige hob die Augenbraue, und die Neugierde konnte sich nicht mehr zurückhalten und fragte: Verstecken? Was ist das?

Das ist ein Spiel, sagte der Wahnsinn.

Ich verstecke mein Gesicht und fange an zu zählen, von eins bis eine Million. Inzwischen versteckt ihr euch. Wenn ich das Zählen beendet habe, wird der erste von euch, den ich finde meinen Platz einnehmen um das Spiel danach fortzusetzen.

Die Begeisterung und die Euphorie tanzten vor Freude.

Die Freude machte so viele Sprünge, daß sie den letzten Schritt tat um den Zweifel zu überzeugen und sogar die Gleichgültigkeit, die sonst keine Interessen hatte, machte mit.

Aber nicht alle wollten teilnehmen: Die Wahrheit bevorzugte es sich nicht zu verstecken, wozu? Zum Schluß würde man sie immer entdecken und der Stolz meinte, daß es ein dummes Spiel wäre (im Grunde ärgerte er sich, daß die Idee nicht von ihm kam) und die Feigheit zog vor, nichts zu riskieren.

Eins, zwei, drei , der Wahnsinn begann zu zählen.

Als erste versteckte sich die Trägheit, die sich wie immer hinter den ersten Stein fallen ließ. Der Glaube stieg zum Himmel empor und die Eifersucht versteckte sich hinter dem Schatten des Triumphes, der es aus eigener Kraft geschafft hatte, bis zur höchsten Baumkrone zu gelangen.

Die Großzügigkeit schaffte es kaum sich zu verstecken, da sie bei allen Verstecken, die sie ausfindig machte, glaubte, ein wunderbares Versteck für einen ihrer Freunde gefunden zu haben.

Ein kristallklarer See , ideal für die Schönheit.

Der Spalt eines Baumes , ideal für die Angst.

Der Flug eines Schmetterlings , das Beste für die Wolllust.

Ein Windstoß , großartig für die Freiheit und sie versteckte sich auf einem Sonnenstrahl.

Der Egoismus dagegen fand von Anfang an einen sehr guten Ort, luftig, gemütlich aber nur für ihn allein.

Die Lüge versteckte sich im Meeresgrund (stimmt nicht, in Wirklichkeit versteckte sie sich hinter dem Regenbogen).

Die Leidenschaft und das Verlangen, im Zentrum des Vulkans.

Die Vergeßlichkeit ich habe vergessen wo sie sich versteckte, aber das ist nicht so wichtig.


Als der Wahnsinn zählte und zählte , hatte die Liebe noch kein Versteck gefunden.


Alle Plätze schienen besetzt zu sein bis sie den Rosenstrauch erblickte und gerührt entschloß, sich in seinen Blüten zu verstecken.

Eine Million, zählte der Wahnsinn und begann zu suchen.

Die erste, die entdeckt wurde, war die Trägheit, nur drei Schritte vom ersten Stein entfernt. Danach hörte man den Glauben, der mit Gott im Himmel über Theologie diskutierte.

Die Leidenschaft und das Verlangen hörte man im Vulkan vibrieren.

In einem unachtsamen Moment fand er die Eifersucht und so natürlich auch den Triumph. Den Egoismus brauchte er gar nicht zu suchen, ganz allein kam er aus seinem Versteck, dass sich als Bienennest herausstellte.

Vom vielen Laufen empfand er Durst und als er sich dem See näherte, entdeckte er die Schönheit.

Mit dem Zweifel war es noch einfacher, er fand ihn auf einem Zaun sitzend, da dieser sich nicht entscheiden konnte, auf welcher Seite er sich verstecken sollte.

So fand er einen nach dem anderen.

Das Talent hinter dem frischen Gras, die Angst in einer dunklen Höhle, die Lüge hinter dem Regenbogen (stimmt nicht, sie war im Meeresgrund) und sogar die Vergeßlichkeit ... die schon wieder vergessen hatte, dass sie Verstecken spielte.

Nur die Liebe tauchte nirgendwo auf. Der Wahnsinn suchte hinter jedem Baum, in jedem Bach dieses Planeten, auf jedem Berg und als er schon aufgeben wollte, erblickte er die Rosen. Mit einem Stöckchen fing er an die Zweige zu bewegen, als auf einmal ein schmerzlicher Schrei aufkam.

Die Dornen hatten der Liebe die Augen ausgestochen.

Der Wahnsinn war hilflos und wußte nicht, wie er seine Tat wieder gut machen sollte. Er weinte, entschuldigte sich bei ihr und versprach der Liebe, für immer ihr Begleiter zu sein.

Seit dieser Zeit, seit dem das erste Mal auf Erden Verstecken gespielt wurde, ist die Liebe blind und der Wahnsinn immer ihr Begleiter.....


09.05.2005 08:29 • #9


E
Veränderungen


Veränderungen im Leben,
das kann bedeuten über eine Brücke zu gehen.
Es kann bedeuten
sich bestärken und zu begleiten ein Stück auf dem Weg,
sich auf dem Weg Mut machen.

Es kann bedeuten
einer kehrt auf dem halben Weg um
bleibt stehen und will zurück,
fühlt sich sicher am alten Ufer
kehrt zurück zum vertrauten Ufer.......
niemals darf man den anderen auf seinem Weg aufhalten
denn jeder ist frei in seiner Entscheidung

Es kann bedeuten
gemeinsam gehen, halten und sich am Leben freuen,
erleben, träumen, austesten,
sich Augenblicke schenken,
kostbare Stunden,
sich im Strudel der Gefühle und der Leidenschaft verlieren.

Ein gemeinsamer Weg über die Brücke kann bedeuten
jemand kommt hinzu und zieht den anderen fort mit sich,
der andere muss allein weitergehen.
Das Wissen darum macht den Weg nicht leichter
aber es ist wichtig Mann oder Frau machen sich auf den Weg.

Es kann bedeuten
ankommen am anderen Ufer und jeder geht eigene Wege.....
trennt man sich dann als Freunde,
hatte man den richtigen Begleiter
und wird sich wiedersehen irgendwann.

Es kann auch bedeuten
gemeinsame Wege gehen.....

sich auf die Brücke trauen
und darüber gehen,
lachend und weinend,
an der Hand haltend
und dann
schreibt das Leben seine Wege
sowieso.


Niemand weiß wie lang der Weg ist
wie stark die Brücke ist, wie gefährlich
der Weg auf ihr ist, ist unbekannt.
Keiner weiß wie es am anderen Ufer aussieht
was wartet dort auf uns?

Sind wir denn immer auf der Reise
immer auf dem Weg zu neuen Ufern?
Lebensabschnitte....Weggefährten....
trägt die Brücke die Last der Vergangenheit?

Gut zu wissen
mit wem man geht.
Der Weg zu neuen Ufern ist schwer

Aber wie erkennt man den richtigen Begleiter - den Freund?
Vertrauen schenken und Hoffnung haben!

Der Weg ist das Ziel.

11.05.2005 17:34 • #10


E
Liebe ist ein Geschenk


Ein Rabenmann traf auf einem abgeernteten Kornfeld eine Rabenfrau.
Da sie ihm gut gefiel und er sich eine Gefährtin wünschte,
sagte er zu ihr: Schenk mir Deine Liebe!
Die Rabenfrau fühlte sich zunächst geschmeichelt,
sie war nämlich nicht mehr ganz jung, doch dachte sie bei sich:
Wenn ich ihm meine Liebe gebe, dann habe ich selbst keine mehr.
Denn sie war es nicht gewohnt, für das, was sie gab,
selbst auch etwas zu bekommen, und hatte daher das Geben eingestellt.
Obwohl ihr der Rabenmann versprach,
seine eigene Liebe gegen ihre zu tauschen,
traute sie einem solchen Handel nicht und wies ihn ab.
Als aber der Winter nahte, fühlte sie sich sehr einsam.
Sie wußte genug über die langen Winternächte,
in denen das Grübeln kein Ende nimmt.
Da fiel ihr das Angebot des Rabenmannes ein,
und sie beschloß ihn zu suchen.

Wochenlang flog sie vergeblich umher.
Fast hätte sie schon aufgegeben,
da fand sie ihn endlich vor einem alten Schuppen
zwischen einigen Körben mit Fallobst.
Sie machte ihm schöne Augen und erinnere ihn an sein Angebot.
Und da der Rabenmann immer noch Gefallen an ihr fand,
willigte er ein und schenkte ihr einen Apfel.
Die Rabenfrau pickte genüßlich hinein und dachte insgeheim:
Sicher merkt er es nicht, wenn ich ihm nur einen
kleinen Teil meiner Liebe abgebe, dann bleibt mir der größere Teil.
Sie blieben den Winter über zusammen und versorgten gemeinsam ihren Haushalt.
Doch waren sie beide nicht so richtig glücklich.
Sie waren zwar sehr freundlich zueinander und hilfsbereit,
hatten auch niemals Streit, doch schien etwas Entscheidendes zu fehlen.
Der Rabenmann spürte es besonders deutlich und drängte auf ein Gespräch.
Doch die Rabenfrau ließ sich nicht darauf ein
und tat seinen Eindruck als Hirngespinst ab.
Geschickt vermied sie Gespräche dieser Art,
bis sie irgendwann nur noch über die Nahrungssuche miteinander redeten.
Da sich jedoch alles in einer harmonischen Atmosphäre abspielte,
fand sich der Rabenmann schließlich mit der Situation ab und stellte das Fragen ein.
Er wurde mit der Zeit bequem und setzte sogar etwas Winterspeck an.

Als das Frühjahr kam, flog er öfter allein aus,
um Material für ein neues Nest herbeizuschaffen.
Dabei war ihm nicht einmal klar, ob die Rabenfrau überhaupt
an einer festen Partnerschaft und Kindern interessiert war.
Auf einem seiner Ausflüge aber lernte er eines Tages ein hübsches
Rabenmädchen kennen, und sie verliebten sich heftig ineinander.
Er spürte plötzlich, wie es ist,
wenn man die ganze Liebe von jemanden bekommt.

Jetzt wußte er auch, was ihm eigentlich gefehlt hatte
und daß er bisher um einen großen Teil seiner Liebe betrogen worden war.
Er stellte die Rabenfrau zur Rede und verlangte von ihr
seine Liebe wieder zurück, da er sie nun einer Anderen geben wolle.
Die Rabenfrau fiel aus allen Wolken und stritt zunächst alles ab,
denn sie hatte sich an das Leben mit ihm gewöhnt und wollte ihn nicht verlieren.
Als er aber nicht locker ließ, gab sie endlich zu,
daß sie ihm nur einen kleinen Teil ihrer Liebe gegeben hatte.
Sie bereue dies und sei nun bereit, ihm alles zu geben.
Während sie das sagte, merkte sie, daß es der Wahrheit entsprach.
Jetzt, da er sie verlassen wollte, empfand sie plötzlich Liebe für ihn
und wollte ihn behalten.
Sie bot ihm ihren ganzen gehorteten Liebesvorrat an,
doch er traute ihr nicht mehr und verschmähte das späte Geschenk.
Er nahm seinen Teil zurück,
von dem kaum etwas verbraucht war und flog davon.

Die Rabenfrau war nun sehr traurig.
Sie hatte schmerzlich lernen müssen,
daß man erst die eigene Liebe verschenken muß,
um Platz für die eines Anderen zu haben.
Und ihr wurde klar:
Wenn jeder seine Liebe verschenken würde,
dann wäre wohl am Ende für alle genug da.
Den Sommer über blieb sie allein und dachte über diese Dinge nach.
Dann nahm sie sich vor, mit ihrer neuen Erkenntnis im Herbst
wieder das abgeerntete Kornfeld aufzusuchen und ohne
egoistische Hintergedanken offen für die Liebe eines Rabenmannes zu sein.

02.05.2006 18:33 • #11


F
Vielen Dank euch allen für diese tiefgründigen Geschichten!
Faxe

20.05.2006 16:39 • #12


E
Dann war es,als würde die Zeit plötzlich stillstehen und die Weltenseele allgewaltig vor dem Jüngling auftauchen.Als er in ihre schwarzen Augen blickte,auf ihre Lippen,die sich nicht zwischen Lächeln und Schweigen entscheiden konnten,verstand er den wichtigsten und weisesten Teil der Sprache ,die die Welt sprach,die alle Menschen dieser Erde in ihren Herzen verstehen konnten.Und der nannte sich Liebe,die Kraft,die älter war als der Mensch oder selbst die Wüste,die alber immer mit der gleiche Gewalt wiedererstand,überall dort,wo sich zwei Augenpaare begegnen,wie sich nun diese beiden Augenpaare vor dem Brunnen begegneten.Die Lippen entschieden sich endlich für ein Lächeln,und das war ein Zeichen,das Zeichen.worauf er,ohne es zu wissen,so lange in seinem Leben gewartet hatte,welche er bei den Schafen un in den Büchern,bei dem Kristall und in der Stille der Wüste gesucht hatte.
Hierin drückte sich die Welt in ihrer reinsten Form aus,die keiner Erklärungen und Erläuterungen bedurfte,damit der Weltenlauf seinen Fortgang nahm.Alles,was der Jüngling plötzlich erkannte.war,daß vor ihm die Frau seines Lebens stand,und ohne Worte zu gebrauchen,mußte auch sie das erkannt haben.Das hielt er für sicherer als alles sonst auf der Welt,selbst wenn seine Eltern und die Eltern seiner Eltern behaupteten,man müsse seine Liebe erklären,sich verloben,sich erst richtig kennenlernen und dann genug Geld haben ,um zu heiraten.Wer so denkt,hat wohl nie die universelle Sprache kennengelernt,denn wenn man in sie eintaucht,ist es ein leichtes zu verstehen,daß es auf der Welt immer einen Menschen gibt,der auf einen wartet,sei es inmitten der Wüste oder mitten in einer Großstadt.Und wenn diese Menschen einander begegnen und ihre Augen sich finden,dann verliert die ganze Vergangenheit und die ganze Zukunft an Gewicht,und es gibt nur noch diesen Augenblick und diese absolute Gewißheit,daß alle Dinge unter der Sonne von ein und derselben Hand geschrieben wurden,von der Hand ,welche die Liebe erweckt und eine Zwillingsseele für jeden Menschen vorgesehen hat,der undter der Sonne arbeitet,ausruht und Schätze sucht.Denn sonst hätten die Träume der Menschen nicht den geringsten Sinn.

Aus Der Alchimist von Paulo Coelho

29.01.2007 13:22 • #13


Desiree
toll, dass sind wirklich sehr sehr schöne geschichten. vor allem der Rabenmann und der Auszug aus dem Alchimist.

08.12.2010 18:35 • #14


A


x 4




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