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Erinnerungen an das, was fehlt oder Die böse Hexe

I
Heute Morgen hatte ich einen schönen Traum von Sechs mit meinem Schatz.
Geweckt wurde ich dabei von einem Vibrationsgeräusch neben meinem Ohr. Ich öffnete die Augen und sah das Handy meines Partners direkt neben mir in seiner Hand. Wieder eine Nachricht seiner Exfrau. Anweisungen für morgen bezüglich des Umgangs mit seinen Kindern und Informationen zum Umgang am kommenden Wochenende. Nichts Dramatisches. Aber die Lust war wieder dahin - dafür startete mein Puls gleich wieder mit 180 in den Tag. Die wütende böse Hexe flog mit 100 km/h auf ihrem Besen aus dem Bett.

Nachdem wir uns das erste Mal geküsst hatten, erzählte er mir, dass er sterilisiert ist. Konnte ich nachvollziehen. Immerhin hat er drei weniger gewollte Kinder mit zwei Frauen. Er meinte jedoch auch, dass man das ja wieder ändern könnte, womit er Recht hatte. Zudem ist mir künstliche Befruchtung ein Begriff und außerdem waren wir noch lange nicht an dem Punkt, an dem man sich ernsthafte Gedanken über das Thema macht. Als es ernster zwischen uns wurde und wir zusammenzogen kam das natürlich wieder auf - doch er meinte, dass er mit mir in die KiWu Klinik fährt, wenn ich das möchte und alles zwischen uns passt.

Ich selbst habe keine Kinder. Ich hatte nie den richtigen Partner dazu bzw. fühlte mich auch noch nicht bereit. Vielleicht tue ich das heute noch nicht. Dennoch kann ich meine Gedanken hierzu nicht länger aufschieben. Ich bin Mitte 30!

Wir haben erneut darüber gesprochen. Er will von dem Thema nichts mehr wissen. Er sagt, es sei meine Sache mich zu entscheiden, ob ich das Leben so mit ihm leben möchte oder nicht. Ohne eigene Kinder. Er empfindet meine Zweifel als Zweifel an ihm. Er versteht nicht, warum er mir nicht reicht.

Aber das würde er. Unter anderen Umständen würde ich vielleicht verzichten können, denn unsere Liebe ist schön. Unsere Beziehung ist toll. Ich liebe ihn über alles. Aber ich fühle mich so, als würde mir nahezu täglich unter die Nase gerieben werden, was ich mir wünsche, aber mit ihm nicht haben kann. Aber zwei andere Frauen haben es. Und ich muss darauf verzichten. Ich finde keinen tatsächlich adäquaten Vergleich. Aber es ist wie wenn man auf Diät ist und zehn Geburtstagseinladungen auf einmal eintrudeln. Natürlich ist das nicht wirklich passend. Ich versuche nur mein Dilemma zu erklären.

Zur Zeit fühle ich mich, als könne ich nicht mal durchatmen. Die Kids sind jedes Wochenende hier und auch öfter unter der Woche (mindestens 1 mal). Wir verstehen uns (meist) gut - darum geht es nicht. Wenn sie nicht hier sind gibt es dennoch immer Dinge zu klären - normal, ich weiß. Und wenn es gerade nichts zu Klären gibt, dann sind Tante oder Großeltern hier und es wird darüber gesprochen. Mir ist durchaus bewusst, dass das normal ist, wenn man Kinder hat und so soll es auch sein. Aber ich habe keine. Wir sitzen mit anderen Paaren zusammen und es geht um deren und seine Kinder. Um Geburten, Arztbesuche, Kommunion, Fußballverein, Einschulung oder sonstwas. Ich kann zum Gespräch nichts beitragen - ich habe keine Kinder.

Und wenn ich dazu übergehe das alles zu vergessen, weil wir tatsächlich ein paar absolut kinderfreie Stunden genießen werde ich kurzerhand wieder daran erinnert, dass ich eine Entscheidung treffen muss, die ich nicht treffen kann. Wie soll ich das entscheiden?
Ich habe Angst davor alt zu werden und gar keine Familie zu haben. Ich wünsche mir eine Familie mit dem Mann, den ich so sehr liebe. Aber er will nicht. Er hat es ja schon. Und wenn ich das auch will muss ich gehen.

Und wenn ich mich nicht entscheide ihn zu verlassen, wird der Frust jedes Gramm Attraktivität an mir auffressen, bis nicht mehr viel übrig ist, was er dann dann verlässt.

Denn wer kann die wütende, frustrierte, böse Hexe auf Dauer ertragen?

Dennoch kann ich einfach nicht gehen. Weil ich nicht ohne ihn leben möchte.

22.09.2020 10:14 • #1


Gorch_Fock
Aus meiner Sicht ein ziemlich mieses Verhalten von ihm. Deine biologische Uhr tickt und er spuckt am Anfang noch große Töne. Um Dich hinzuhalten. Und jetzt hängst Du drin, wahrscheinlich erziehst Du dem Traummnann noch seine Kinder. Ich würde ihn in die Wüste schicken. Es gibt genug Männer die sich auch eine Familie wünschen.

22.09.2020 10:35 • x 1 #2


A


Erinnerungen an das, was fehlt oder Die böse Hexe

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L
Er stellt Dir am Anfang in Aussicht, mit Dir Kinder zu wollen. Nun wohnt ihr zusammen, Du trägst Deinen Teil zur Erziehung seiner Kinder bei (und sei es, kochen, waschen, ihm den Rücken freihalten - das ist nicht wenig, was man da als Bonuselternteil tut).
Und nun will er davon nichts mehr wissen, was er anfangs gesagt hat.

Zitat von iowa:
Er sagt, es sei meine Sache mich zu entscheiden, ob ich das Leben so mit ihm leben möchte oder nicht. Ohne eigene Kinder.

Dann entscheide Dich. Entgegen seiner früheren Versprechungen wird er Dir diesen Wunsch nicht erfüllen.
Ich sehe es wie Gorch Fock. Es gibt einige Männer, die gerne Familie hätten.

Zitat von iowa:
Und wenn ich mich nicht entscheide ihn zu verlassen, wird der Frust jedes Gramm Attraktivität an mir auffressen, bis nicht mehr viel übrig ist, was er dann dann verlässt.

Warum bist Du Dir da so sicher? Dauerfrust ist auf Dauer auch immer eine Entscheidung.

22.09.2020 10:44 • #3


I
Zitat von iowa:
Und wenn ich mich nicht entscheide ihn zu verlassen, wird der Frust jedes Gramm Attraktivität an mir auffressen, bis nicht mehr viel übrig ist, was er dann dann verlässt.

Warum bist Du Dir da so sicher? Dauerfrust ist auf Dauer auch immer eine Entscheidung. [/quote]


Ich kenne niemanden, der dauerfrustriert und dennoch attraktiv. Attraktivität kommt von innen. Wer glücklich ist hat eine positive Ausstrahlung.

22.09.2020 10:48 • x 1 #4


L
Zitat von iowa:
Wer glücklich ist hat eine positive Ausstrahlung.

Und glücklich sein ist auch oft eine bewusste Entscheidung.
Warum glaubst Du, nach einer Trennung dauerfrustriert zu sein?
Ich wäre das vermutlich eher, wenn ich dem Kerl den Rücken für Zeit mit seinen Kindern frei halte, und Abstriche mache, und er mir den Wunsch nicht erfüllt, obwohl er vorher gesagt hat, das wäre alles überhaupt kein Problem...

22.09.2020 10:54 • #5


I
Zitat von LostGirl1:
Und glücklich sein ist auch oft eine bewusste Entscheidung.
Warum glaubst Du, nach einer Trennung dauerfrustriert zu sein?
Ich wäre das vermutlich eher, wenn ich dem Kerl den Rücken für Zeit mit seinen Kindern frei halte, und Abstriche mache, und er mir den Wunsch nicht erfüllt, obwohl er vorher gesagt hat, das wäre alles überhaupt kein Problem...



Hier liegt ein Missverständnis vor. Ich hatte geschrieben:

Wenn ich mich NICHT entscheide ihn zu verlassen, dann wird er es irgendwann tun, weil mein Frust mich für ihn unattraktiv macht.

22.09.2020 10:58 • x 1 #6


L
Zitat von iowa:
Wenn ich mich NICHT entscheide ihn zu verlassen

Aaahhh - Danke -ich habe Dein nicht tatsächlich konsequent überlesen, entschuldige!

So bitter es sein mag, wenn Du Dir Kinder wünschst, und er nich (mehr) dazu bereit ist, würde ich sagen: trenn Dich. Du wirst es sonst irgendwann bereuen. Manchmal passen die Wünsche halt nicht zusammen, ich finde es nur sehr unfair von ihm, dass er Dir erst vorgespielt hat, er würde ebenfalls noch ein Kind wollen oder zumindest willkommen heißen.
Ja, Meinungen können sich auch mal ändern - aber irgendwie liest es sich für mich nicht danach.

22.09.2020 11:17 • #7


N
Bist du dir auch völlig sicher, dass du mit nur BonusKindern nicht auch glücklich sein wirst?

Mein Mann wollte ursprünglich eigene Kinder und erzieht nun meine Kinder mit.
Schön für die Kinder, denn ihr leiblicher Vater war ebenfalls so einer wie dein Partner, der sie weniger gewollt hat.
Noch schöner als ein lieber Bonusvater wäre es für die Kinder, würden sie von beiden leiblichen Eltern gewollt sein.
Also sei doch froh, dass er nun verantwortungsvoll verhütet, statt noch mehr Umgangskinder zu zeugen. Froh, dass du dich nicht in die Reihe seiner erziehenden Expartnerinnen einfügen musst.

Um mit Mitte 30, ohne Partner Mutter zu werden wird man eine Menge Risiken und Konsequenzen in Kauf nehmen (zB dann alleinerziehend zu sein, auf Kinderwunschbehandlung angewiesen zu sein, dass der nächstbeste potentielle Vater nicht taugt, usw).
Das ist es alles wert, wenn man wirklich ein Kind haben will und voll dahinter steht.

Aber wenn dir bisher der Kinderwunsch nicht sehr wichtig war, so dass du das auf eine vage Zukunft verschoben hast, dann fehlt dir jetzt vielleicht gar nicht ein Kind, sondern eher die Aufmerksamkeit und die Gemeinsamkeit mit dem Partner?

In diesem Fall könnte man das ja mit Beziehungsarbeit wieder ins Lot bringen und du müsstest nicht zur bösen Hexe werden.

22.09.2020 11:47 • x 1 #8


B
Liebe @iowa ,

mit Mitte 30 solltest du dir für dich klar werden, ob du einen gefestigten Kinderwunsch hast. Dann solltest du dir auch sehr klug Gedanken darüber machen, ob du dir diesen Wunsch ernsthaft mit deinem aktuellen Partner erfüllen möchtest. Denn dies hier würde mich richtig ins Grübeln bringen:
Zitat von iowa:
Immerhin hat er drei weniger gewollte Kinder mit zwei Frauen.


Es kann sicher passieren, Eltern eines eher weniger gewollten Kindes zu werden, für das dann auch die Verantwortung übernommen wird. Aber dieser ganze Prozess gleich drei Mal, mit zwei verschiedenen Frauen? Siehst du dich nicht bereits jetzt als dritte Mutter des vierten, nicht wirklich gewollten Kindes?

Du schreibst nichts über eure Partnerschaft und wie stark die Bindung ist. Deine Entscheidung wird sein, kinderlos -Du- mit deinem Partner hoffentlich glücklich zu werden oder mit einem anderen Partner Eltern zu werden.

Allerdings lese ich hier schon deine Entscheidung, oder täuscht das?
Zitat von iowa:
Und wenn ich mich nicht entscheide ihn zu verlassen, wird der Frust jedes Gramm Attraktivität an mir auffressen, bis nicht mehr viel übrig ist, was er dann dann verlässt.

Ich finde es klasse, wie realistisch du deine eigenen Reaktionen einschätzt und dabei komplett bei dir bleibst. Respekt!
Zitat von iowa:
Denn wer kann die wütende, frustrierte, böse Hexe auf Dauer ertragen?

Lass es dazu nicht kommen. Du wirkst hier außerordentlich reflektiert und humorvoll. Verlier das bitte nicht.

22.09.2020 11:53 • x 1 #9


I
@n-ever

Danke für deine Anregungen. Es ist tatsächlich so, dass ich auch über diese Fragen nachdenke. Und ich glaube auch, dass der Kinderwunsch nicht so groß und bedeutend für mich wäre, wenn er keine Kinder hätte. Wenn es so wäre, dass die Kids alle zwei Wochen am Wochenende bei uns wären (wie ich es nunmal aus meiner Familie kenne) und wir ansonsten nur zu zweit leben würden, wäre es vielleicht auch anders. Leute, die Kinder haben, wissen das wohl. Die Kids sind ja immer irgendwie da. Wenn auch nicht physisch. Ich kann es nicht beschreiben. Es dreht sich also vieles darum. Daher auch in meinem Kopf. Heute nach der Schule muss jemand irgendwohin gefahren werden, morgen kommen alle nach der Schule, am Tag darauf ist Elternabend in der Schule und dann ist schon wieder Freitag und die Kinder kommen alle übers Wochenende. Es ist ja immer irgendwie Thema. Verstehst du?

Dass ich das Thema vorher immer aufgeschoben habe kann auch daran liegen, dass ich einfach nicht den richtigen Mann an meiner Seite hatte und zu jung bzw unreif war. Ich habe von vielen Frauen gehört, dass der Kinderwunsch erst mit dem richtigen Partner kam.

Da mir bewusst ist, dass das ein großer Schritt ist habe ich ihn aufgeschoben bis ich mich bereit fühle. Und ich finde es ok, wenn man erst mit Mitte/ Ende 30 ein Kind bekommt.

Es macht mir Angst, dass es sein kann, dass mein Partner und ich uns in 5 Jahren oder noch später vielleicht trennen und ich ganz alleine bin. Und für die Erfüllung eines Kinderwunsches ist es dann zu spät.

22.09.2020 12:03 • x 1 #10


I
@Brightness2

Danke für deine Zeilen. Ich verstehe deine Bedenken. Und ja - natürlich würde ich mir wünschen, dass ich nicht Mutter eines vierten ungewollten Kindes werden würde, sondern einen Partner zu haben, der sich ebenfalls ein Kind mit mir wünscht und sich auf eine glückliche gemeinsame Familie freuen würde. So ist es aber leider nicht. Und dennoch ist er irgendwie der Richtige für mich.

Man muss mich ja auch erstmal aushalten können Einfach bin ich auch nicht und dazu mitsamt meiner Bekannt- und Verwandtschaft etwas durchgeknallt. Und er passt perfekt zu mir und dem Rest. So wie ich zu ihm.

Nur ist er sich selbst treuer als ich es mir bin. Er ist straighter und kann seine Gefühle wohl besser ordnen und hinten anstellen als ich es kann. Oder er ist ein Egoist Wer weiß.

Jedenfalls ist es nicht er, der sich seit Monaten mit Fragen und Entscheidungen quält... Ich bin es. Und das sagt alles. Ich weiß. Aber es ist, wie es ist.

Er nimmt es in Kauf mich zu verlieren.
Und ich muss mich entscheiden.

22.09.2020 12:30 • #11


A


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