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Gedanken + Erkenntnisse eines Verlassenen - Revolution!

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Vor fünf Wochen hast du mich verlassen. Die Welt, die für mich ohnehin schon Kopf stand, wurde noch dunkler und schwerer. Nach dem Abschluss meines langen Studiums sind es nun sechs Monate ohne Arbeit. Ich war, eigentlich nur kurzfristig und übergangsweise für einen oder zwei Monate geplant, bis zur Trennung 5 Monate lang im Winter mit dir in deiner 1-Zimmer-Wohnung. Und dann das. Ich habe mich verloren gefühlt, allein gelassen, ungeliebt oder aufgefangen. Im Gegenteil: Der plötzliche, noch viel tiefere Fall hat die Probleme nur größer und schwieriger gemacht. Der Umzug zurück ins Elternhaus stand dadurch an; muss klarkommen, mich berappeln und alleine die Kurve kriegen. All das wirft mich noch weiter zurück. So kann es nicht weitergehen; es muss anders werden, nachhaltig.

Ich will und ich brauche eine Revolution (Umzug, Verhaltenstherapie, Job finden, . ). Ironischerweise sagte ich das mit der Revolution genau in dem Gespräch vor fünf Wochen, was zum Trennungsgespräch wurde. Dass ich mit einer Therapie angefangen habe, erwähnte ich etwa zwei Minuten, bevor du mir sagtest, dass du es schön fändest, dass ich mich zur Therapie entschlossen habe, aber dass mir nicht gefallen würde, was du mir gleich sagst. Was du aber danach und in den nächsten fünf Minuten gesagt hast, weiß ich nicht mehr – Blackout. Es folgten noch fünf Stunden Gespräch, aber die Trennung stand für dich fest. Auch in den fünf Wochen danach habe ich keinen Hauch von Zweifel bei dir wahrgenommen. Nur zweimal hatten wir über WhatsApp Kontakt, auch wenn ich 24/7 an dich denke. Es ging von dir aus und nur um Trennungsorganisation. Freundlich, aber klar distanziert. Ich habe mich beherrscht und dir ebenso freundlich, aber sachlich-distanziert geantwortet. Seitdem nichts. Ich will nicht schwach werden, auch wenn es mir so schwerfällt und ich dich so vermisse. Ich glaube, es wäre viel zu früh und würde alles schlimmer machen. Ich bin noch nicht bereit, mit dir zu sprechen oder dich zu sehen.

Fest steht: Die Revolution hat begonnen. Wenn auch anders, als ich es zunächst dachte und wollte.

Vor allem die ersten vier Wochen waren die Hölle auf Erden für mich. Ich habe so viel geweint wie in den letzten zehn Jahren nicht. Schmerz, Trauer, Verlust, Selbstabwertung, ständige Gedankenspiralen - ich bin zwischen Hoffnung und Realität gefangen, überfordert von den vielen Problemen, die auf mich einprasseln. Ich habe wenig bis gar keinen Schlaf bekommen, was zu keinem Fortschritt in der Jobsuche geführt hat; zwei Bewerbungsgespräche habe ich versemmelt. Soziale Kontakte sind rar, und ich will/kann noch nicht wieder mit unserem gemeinsamen Freundeskreis in Kontakt treten (ich frage mich, ob sie es von dir noch gar nicht wissen oder warum sich sonst niemand gemeldet hat?). Wenige alte Freunde sind da, teils sehr beschäftigt. Ich habe einen Minijob angenommen, der mich erstmal ablenkt, ein bisschen Geld einbringt und für den Übergang Spaß macht.

Mit der Zeit habe ich zögerlich auch darüber nachgedacht, was ich überhaupt von deiner Seite aus in der Beziehung, im Trennungsgespräch und danach blöd fand. Man steckt so sehr in der Opferrolle als Verlassener, mit meinen anderen substantiellen Problemen noch viel mehr. Das ist auch der Grund, warum ich dich nicht hasse oder länger als eine Minute am Stück wütend auf dich sein kann. Ich weiss, warum du es getan hast. Es war keine mangelnde Liebe, sondern Selbstschutz. Du hast es nicht mehr ausgehalten, vor allem die letzten Monate waren viel zu viel. Ich verstehe das und wünschte, ich hätte gerne vieles anders gemacht. Es geht nicht. Vielleicht hast du dich auch getrennt weil du dachtest, dass das vielleicht deine einzige Möglichkeit ist, dass ich alles an der Wurzel anpacke. Dass aus deiner Sicht die bereits zwei Wochen vorher beschlossene räumliche Trennung, nicht ausgereicht hätte, keine Paarberatung sinnvoll, keine Beziehungspause wirkungsvoll und nachhaltig genug gewesen wäre.

Seit etwa drei Wochen verbringe ich (sehr) viel Zeit in diesem Forum. Auf eine Art hat es geholfen; man fühlt sich nicht allein, sieht verschiedene Sichtweisen und bekommt Denkanstöße. Manchmal hat es auf perfide, unschöne Weise geholfen – anderen Menschen geht es teils noch viel schlechter.als mir. Dennoch glaube ich, dass man sich auch in diesem Forum verlieren kann. Es hilft, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass man in Gedanken immer noch beim Thema bleibt, das einen schmerzt, und riskiert, sich darin zu verlieren, etwa indem man endlos nach Antworten sucht, die es vielleicht (oder auch ganz bestimmt) nicht gibt. Ich habe für mich gemerkt, dass ich ab einem gewissen Grad zu viel im negativen Modus war und es mir besser tut, auch mal für mich zu sein, dabei selbst nachzudenken oder auch mal etwas ganz anderes zu tun. Ich denke, es ist hier ein schmaler Grat.

In der letzten Woche habe ich erstmals häufiger und länger gedanklich größere Kreise gezogen. Ich betrachte die Dinge aus verschiedenen Perspektiven und Dimensionen. Es ist nach wie vor ein Auf und Ab der Gefühle. Meine Stimmung hängt vor allem davon ab, wie viel und womit ich mich ablenken kann, wenn ich wieder sinnlose und negative Gedanken habe. Auch das Wetter und die Tageszeit spielen eine Rolle. Gegen Abend, in der Nacht und am Morgen ist es besonders schwer.

Bislang ohne große Ausnahme. Ich träume sehr viel von dir, und in den Träumen tust du mir immer auf die eine oder andere Weise weh und bestätigst meine Ängste. Tagsüber, wenn ich in der Natur bin, um Rennrad zu fahren oder spazieren zu gehen, wird es besser. Die Gedanken sind klarer, nützlicher für mich und meist konstruktiv. Ich habe viel für mich gewinnen können in der letzten Woche, trotz aller Schwere.

Meine einzelnen Gedanken und Gedankengänge werde ich hier wahrscheinlich nach und nach aufschreiben. Im Großen und Ganzen möchte ich folgende Erkenntnisse von mir und aus dem Studium des Forums im Kopf behalten und mein Denken sowie Handeln danach ausrichten:

1. Für meinen Selbstwert und die Erreichung meiner Wünsche, Ziele und Träume – sprich, für mein Glück – bin nur ich verantwortlich und kann nur ich selbst sorgen.
2. Mein Selbstwert hängt von meiner Sicht auf mich selbst ab, nicht etwa von meiner (Ex-)Partnerin, Freunden, Familie oder anderen Menschen.
3. Ich kann nur eine langfristig glückliche Beziehung eingehen und sowohl mich als auch meine Partnerin glücklich halten, wenn ich selbst glücklich bin und immer wieder etwas dafür tue. Sonst stirbt man den langsamen Liebest*d.
4. Schwierige und unglückliche Phasen in der Beziehung und auch persönlich sind normal. Es gehört dazu, dass man diese erfolgreich meistert. Dazu gehört, vor allem für sich selbst, aber auch für den Partner und die Beziehung, möglichst frühzeitig daran zu arbeiten. Zu lange negative, individuelle oder beziehungstechnische Phasen sind wie ein Pulverfass mit unbekannter Zündschnur; es fällt viel leichter, selbst einzuschätzen, wie lange man mit etwas umgehen kann. Beim Partner ist es schwer bis unmöglich einzuschätzen, aber nie bestimmt zu wissen - deshalb nicht auf deren Resilienz hoffen. Ausbleibende oder zu späte Bereitschaft und Versuche einer Verbesserung beschädigen den Wert, Respekt und die Hilfsbereitschaft des Partners und führen im schlimmsten Fall zur Trennung (auch trotz Liebe). Einfach, weil es für den anderen nicht mehr geht.
5. Wenn die Trennung einmal ausgesprochen ist, ist es nötig, den Schmerz anzuerkennen und zu fühlen. Es ist die sehr reale und schmerzhafte Erkenntnis, dass sich *jetzt* etwas ändern muss. So schafft man die Grundlage für einen realen Neuanfang. Die Trennung und ihre Gründe ignorieren oder kleinreden hilft nicht. Einsicht ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung. Man sollte darüber nachdenken, was man selbst an sich verbessern kann – sei es charakterlich, im Lebensstil, in den Kommunikationsfähigkeiten, usw. Hier gibt es kein Patentrezept; jeder Mensch und jede Beziehung hat eigene Probleme, die mal mehr, mal weniger verborgen sind. Daher ist es zwar nicht das einfachste, aber das konstruktivste und nachhaltigste, Zeit in die Reflexion der eigenen Potenziale (positives Framing ist auch wichtig!) zu investieren.
6. Die Konzentration auf sich selbst, das Reflektieren, das Annehmen der Tatsachen (Trennung ist ausgesprochen, Gründe für die Trennung, eigene Verbesserungspotenziale usw.) und der Beginn der Arbeit an sich selbst dienen vor allem dem Selbst. Sie schaffen eine nachhaltige Steigerung des Selbstwertes, der eigenen Zufriedenheit und damit auch der psychischen und physischen Gesundheit – bestenfalls auch des persönlichen Erfolgs und der von außen wahrgenommenen Attraktivität.
7. Die Arbeit an sich selbst schafft konkrete Gewinne, verschafft aber auch Zeit und Gelegenheit, sich über die eigenen Ziele bewusst zu werden und sie anzugehen. Sie ermöglicht es, sich von alten Mustern und Abhängigkeiten in der Ex-Beziehung zu lösen und zu überlegen, was an mir, an Ex und der Beziehung nicht gut lief und was ich selbst bei allen drei Faktoren in Zukunft anders haben möchte.
8. All dies gibt die Möglichkeit, einen nachhaltigen Neuanfang zu schaffen. Vielleicht ist dieser umso nötiger, echter, wichtiger und wirkungsvoller, je schmerzhafter er ist.
9. Man darf keine Wunder und keine Sofortheilung erwarten. Man darf keine Erwartungen ausser an sich selbst haben.
10. Hat man sich die Zeit nach der Trennung genommen, um dem eigenen Ideal näher zu kommen, steht man sich selbst nicht nur wieder viel näher, sondern hat auch vielleicht wieder eine ehrliche Chance, abzuwägen, ob man Ex wieder erobern möchte, welche Schritte von beiden Seiten dafür notwendig wären und ob man sich überhaupt noch eine neue Beziehung mit Ex vorstellen kann.
11. Beantwortet man die Frage Will ich es nochmal wagen? mit Ja, kann man viel selbstsicherer und unabhängig von (nun aber besser schnell zu erfüllenden) Erwartungen Ex gegenübertreten. Man hat die Zeit genutzt, um auf sich zu schauen und erkannt, dass Ex im Zweifel die Kirsche auf, aber nicht die Sahnetorte selbst ist. Die intensive Beschäftigung mit sich selbst zeigt sowohl Ex als auch mir, dass ich ein eigenständiger Mensch bin, der eine sehr schwere Zeit genutzt hat, um sich zu stärken. Ich bin ehrlich mit mir und Ex (kein Betteln, Hinterherrennen, Nötigen, Manipulieren bevor ich soweit bin). Vielleicht ist das die einzige wirklich nachhaltige Chance auf einen Neuanfang, der radikal, ehrlich und vor allem für einen selbst ist. Die Echtheit des Wunsches nach einer Verbindung mit Ex bleibt ungetrübt von Egoismus, Selbst- und Fremdbetrug, unechten oder nicht nachhaltigen Abkürzungen und emotionaler Abhängigkeit.
12. Der Weg bringt zwar ein sehr hohes Risiko mit sich, da man sich nicht innerhalb kurzer Zeit wandeln kann und nie in der Hand hat, was Ex denkt, fühlt und tut. Er hat allerdings auch eine viel geringere Fallhöhe im Falle einer Ablehnung von Ex hinsichtlich eines Neuanfangs. Denn in diesem Fall habe ich mich bereits stark gemacht und bin unabhängig von der Entscheidung. Es wäre (vielleicht, vielleicht auch nicht) schön, aber dann kein Weltuntergang mehr. Ich habe in der Zeit nach der Trennung genügend Ressourcen aufgebaut und mir meinen eigenen Wert vor Augen geführt. Habe gelernt und bin gewachsen an mir selbst. Habe nun mehr zu bieten für mich und die Welt. Weiß, dass man für Liebe und eine Beziehung immer zwei braucht. Weiss, dass es gut und ehrlich von mir war, auch wenn du jetzt oder in der Zwischenzeit schon für immer Abschied von mir genommen hast. Weiss, dass wenn du die richtige Person für mich bist, du auf mich wartest. Dass ich dich nicht drängen oder manipulieren will und es schon gar nicht nötig habe. Dann schließe ich lieber ab, erinnere mich an das was ich Gutes hatte, was ich aus dem Schlechten gelernt habe. Ich habe mir nichts vorzuhalten, bin mit mir und dem was ich geschafft habe im Reinen.
13. Freud und Leid, Kraft und Kraftlosigkeit, gute und schwere Tage, Klarheit und Zweifel, der Wunsch, dich anzurufen, vorbeizuschauen oder zu schreiben, Fortschritte und Rückschritte, Zuneigung und Abneigung dir gegenüber, Lachen und Weinen – all das ist normal und ein positiver Ausdruck des Auseinandersetzens mit mir selbst.
14. Es wird jeden Tag und jede Woche trotz Rückschritten besser. Besser immer zwei Schritte vor und einen zurück, als gar nicht zu tanzen. Selbstvertrauen und Selbstwert, Kontinuität, Ehrlichkeit mit mir selbst und der Situation sowie der Wille, sind die Stichwörter.
15. Diese Gedanken habe ich in einer besseren, sprich erkenntnisreicheren, annehmenden Stimmung in der Sonne auf dem Balkon niedergeschrieben. Schmerz und Zweifel werden bestimmt heute Nacht erst einmal wiederkommen - ich nehme sie an und werde weiterkämpfen. Für mich. Denn ohne mich läuft in meinem Leben nichts.

12.04.2025 18:45 • x 6 #1


Worrior

A


Gedanken + Erkenntnisse eines Verlassenen - Revolution!

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Zitat von N8sWachFckdUp:
Ich bin ehrlich mit mir und Ex (kein Betteln, Hinterherrennen, Nötigen, Manipulieren bevor ich soweit bin).

bevor ich soweit bin (-- streichen, das gehört da natürlich nicht hin)

12.04.2025 19:00 • x 1 #3


W
@Worrior
Hi, erst einmal nichts konkretes, deswegen die Verortung in der Rubrik Tagebuch. Vielleicht werde ich es weiter mit meinen Gedanken füllen. Vielleicht erkennt sich die oder der eine hier wieder, vielleicht hilft manches was ich geschrieben habe, v.a. aus den Stichpunkten. Oder auch nicht. Vielleicht hat jemand etwas zu ergänzen oder mitzuteilen, mglw. auch nicht.
Mir tat es gut, im SMS Thread meine verwundbare Nachricht zu teilen, statt an meine Ex selbst. Denke, das ist mit diesen Gedanken auch so. Wer weiss schon, was wird

12.04.2025 19:09 • x 3 #4