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Geht es in Beziehungen wirklich immer nur um Macht?

S
Hallo,

seit meiner Trennung Ende Dezember lese ich hier viel und denke viel über meine Ex-Beziehung und Beziehungen im Allgemeinen nach.

Vor und während meiner letzten Beziehung hatte ich irgendwie die Ansicht, wenn man zusammen ist, verbringt man eine schöne Zeit miteinander, teilt gute und schlechte Momente und jeder ist so, wie er eben ist und wie er sich gerade fühlt. Und wenn es nicht mehr passt, dann streitet man sich immer mehr und im Idealfall beschließen dann beide, dass man besser getrennte Wege geht oder in weniger idealen Fällen hat einer von beiden schon jemand neuen gefunden, es kommt raus und dann ist Schluss.

Aber wenn man hier so liest, wird oft von einem Machtungleichgewicht als Diagnose für das Beziehungsende geschrieben und es ist auch tatsächlich so, dass das fast immer passt. Auch wenn es um Ex zurück geht, wird immer zu diesen Nähe/Distanz-Spielchen geraten. Ich habe vor etwa 10 Jahren nach einem Beziehungsende schon mal ein Buch darüber gelesen und mich darin wiedergefunden. Dieses Buch habe ich erneut hervorgekramt und tatsächlich habe ich auch jetzt wieder Parallelen entdeckt.

Ist das denn wirklich so? Geht es immer nur um Macht/Abhängigkeit/Nähe/Distanz in Beziehungen? Ich finde das so traurig und ernüchternd.

Ich habe in meiner letzten Beziehung am Ende gespürt, dass er immer distanzierter wurde, wenn ich mehr Nähe und emotionale Abhängigkeit gezeigt habe. Das Buch von damals und auch mein Gespür sagten mir, dass die sinnvolle Konsequenz wäre, selbst auf Distanz zu gehen.
Aber gleichzeitig widersprach das meinen Gefühlen und ich wollte nicht gegen meine Gefühle handeln. Ich dachte mir, was ist das für eine Beziehung, wenn ich vorher nachzählen muss, wer schon öfter Ich liebe dich gesagt hat und es erst dann sagen darf, wenn ich im Rückstand bin, nur damit ich nicht Gefahr laufe, bedürftiger zu wirken. Ich möchte eine Beziehung, wo ich dem Partner jederzeit sagen kann, was ich fühle, dass ich ihn liebe, mein Leben mit ihm verbringen will, mich bei ihm geborgen fühle, er mir wichtig ist, ich froh bin, ihn zu haben.

Muss ich danach jedes Mal Angst haben, dass er fünf Minuten später mit gepackten Koffern vor mir steht, weil ich ihm zu nah gekommen bin und deswegen bedürftig/unattraktiv/unanziehend gewirkt habe? Muss man wirklich so sehr auf der Hut sein? Muss man wirklich ständig nachzählen/abgleichen, wer wann wie aus welchem Grund mehr Nähe oder mehr Distanz wollte und sich dann dem Gleichgewicht entsprechend verhalten, auch wenn es den eigenen Gefühlen widerspricht?

Ist das nicht furchtbar, ständig so berechnend sein zu müssen? Ich möchte keine Beziehung, in der ich ständig kalt und abweisend sein muss, damit mein Partner mich nicht sitzen lässt. Was sind das für Beziehungen? Aber funktioniert es nur so?

Ich frage mich mittlerweile wirklich, ob ich sowas nochmal will oder ob es nicht besser ist, sich das nicht mehr zu geben und einfach alleine zu bleiben.

Gruß
Sina

02.05.2018 18:26 • x 6 #1


U
Hallo Sina!

Eine interessante Frage- hmmmmm.

Ich denke, es ist eine Komponente, aber nicht alles. Es kommt natürlich auch auf den Einzelfall an. Manche Beziehungen sind ja oft auf Machtpositionen gebaut. Dominante Menschen leben vielleicht eher nach diesem Prinzip Macht über alles.

Aber es in jeder Beziehung so zu sehen, denke ich, trifft es nicht.

Siehst Du denn da Parallelen zu Deiner letzten Beziehung? War die toxisch auf Macht aufgebaut?

L.G.

Udi

02.05.2018 18:39 • #2


A


Geht es in Beziehungen wirklich immer nur um Macht?

x 3


froschweg
Hallo Sina, du sprichst mir total aus dem Herzen! Wie oft hatte ich in den letzten zwei Jahren diese Gedanken wie du....

Ich kann leider erst heute später am Abend mehr Gedanken dazu aufschreiben. Aber dieses kurze Statement musste ich erstmal abgeben.
LG

02.05.2018 18:39 • #3


E
Zitat von Sina2018:
Ist das nicht furchtbar, ständig so berechnend sein zu müssen? Ich möchte keine Beziehung, in der ich ständig kalt und abweisend sein muss, damit mein Partner mich nicht sitzen lässt. Was sind das für Beziehungen? Aber funktioniert es nur so?


Nein...musst und solltest Du nicht. Im Idealfall ergibt sich die Waage in einer Partnerschaft von selbst. Es kippt eigentlich nur auf eine Seite, wenn entweder Einer schwere Defizite darin hat oder Einer unbedingt nur sein Machtspielchen spielen will...der hat natürlich selbst Defizite...und dann wird es ungesund

02.05.2018 18:45 • #4


Patschenko
@sina
Ich lese gerade auch ein sehr interessantes Buch zu diesem Thema(Vielleicht das gleiche - Es heißt Ich lieb' dich nicht, wenn du mich liebst). Darin geht es auch um unausgeglichene Machtverhältnisse in Beziehungen und welch fatale Dynamiken sich daraus entwickeln. Ich erkenne mich, meine Ex und die Beziehung auf nahezu jeder Seite wieder. Das schlimme ist, manchmal braucht es nicht viel, um die Waage in's Ungleichgewicht zu bringen. Und ist einer erstmal der Unterlegene und der andere der Überlegene, ist das quasi ein Selbstläufer und die Abwärtsspirale beginnt. Sehr ausführlich und nachvollziehbar erklärt in besagtem Buch.
Übrigens sprichst du, liebe Sina, mir absolut aus der Seele. Es ist schon so, dass ich in bestimmten Situationen wüsste, welche Knöpfchen ich drücken müsste. Aber das sind in meinen Augen Spielchen und darauf habe ich herzlich wenig Lust. Ich möchte auch meiner Partnerin sagen können dass ich sie liebe, wann immer mir danach ist, ohne befürchten zu müssen, dass es sich für sie abnutzt. Und ja, wenn ich es hundert Mal am Tag ausspreche, dann ist das auch hundert Mal aus einem aufrichtigen Gefühl heraus(und nein, ich habe noch niemandem so oft meine Liebe bekundet. Das war bewusst überspitzt dargestellt ). Meine Ex und ich hatten nach der Trennung noch eine ganze Zeit lang Kontakt, weil sie, wie sie sagte, ambivalent war, was die Trennung betraf(lustiger - bzw. traurigerweise finde ich uns auch in diesem Punkt in besagtem Buch wieder). Jedenfalls rief sie mich einmal Abends an, um mir eine gute Nacht zu wünschen und mich kurz zu hören. Ich sagte ihr zu Anfang des Gesprächs, dass ich mich freue, dass sie anruft und sagte ihr zum Schluß NOCHMALS, dass es schön war und ich mich darüber freue, dass sie angerufen hat. Das war einmal freuen zu viel. Sie wies mich darauf hin, dass ich ihr das schon mitgeteilt habe und dass ich das nicht so oft sagen soll. Als ich entgegnete, dass ich ihr doch mitteilen kann, dass ich mich freue und das ich das doch auch zweimal innerhalb eines Gesprächs kann, sagte sie: Ja, kannst du schon, aber dann läufst du halt Gefahr, dass ich mich langweile. Wenn die Machtverhältnisse(Gott, ich hasse dieses Wort)ausgeglichen sind, spielt das eigentlich keine Rolle, ganz im Gegenteil, da wäre das eher schmeichelhaft. Gibt es aber bereits ein Ungleichgewicht, sind überschwängliche Liebesbekundungen und dergleichen ziemlich kontraproduktiv. Was ich glaube: dein Partner sollte sich deiner nie ZU sicher sein. Andernfalls geht wohl der Reiz flöten...

02.05.2018 20:38 • x 2 #5


S
Hey,

vielen Dank für eure Antworten und Gedanken.

Ja, ich sehe schon Parallelen zu meiner letzten Beziehung. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, dass sie toxisch auf Macht aufgebaut war. Aber ich hatte den Eindruck, dass eben genau diese Dynamiken von Überlegenem und Unterlegenem eine entscheidende Rolle gespielt habe. Sicher gab es noch mehr Faktoren, die zum Ende geführt haben (u.a. dass er mit seiner vorherigen Beziehung noch nicht abgeschlossen hatte), aber das hatte sicher auch damit zu tun.

Genau das finde ich eben so ernüchternd. Dass man offenbar in einer Beziehung ständig aufpassen muss, dass man nicht unter- oder überlegen wird. Das hat doch nichts mit unbeschwerter Liebe und Vertrauen zu tun das ist nur Berechnung, Kontrolle, Macht.

Bei uns damals lief es so, dass ich anfangs zwar interessiert, aber auch stark distanziert war, weil ich generell lange brauche, um zu vertrauen und auch weil ich mir nicht ganz sicher war, wo das hinführen soll. Ihn hat das nicht abgeschreckt, wahrscheinlich eher sogar noch weiter angeheizt, und er blieb hartnäckig, aber nicht aufdringlich. Das hat mir gefallen. Es ging anfangs alles von ihm aus, die Dates, die Annäherung, der erste Kuss, das erste Ich liebe dich, so viele Herzchen über WA, dass mein Handy abgestürzt ist etc.

Und dann habe ich mich über alles in ihn verliebt und angefangen ihm zu vertrauen. Ich hatte den Eindruck, dass es ausgeglichen ist und alles gesagt, was ich gefühlt habe, ohne irgendwelche Überlegungen anzustellen, ob ich mich damit unterlegen mache. Ich dachte, ihm würde es genauso gehen, denn schließlich hatte er auch so viele tolle Sachen gesagt und sich damit auch weit aus dem Fenster gelehnt, da er noch nicht wusste, ob ich auch so fühle. Ich dachte, es wäre toll für ihn, wenn er hört, dass es sich gelohnt hat und ich ihn auch so sehr liebe.

Ich hatte z.B. mal gesagt, dass ich für immer mit ihm zusammen bleiben will. Ich weiß gar nicht mehr genau, was er geantwortet hatte, aber er hat nicht so reagiert, wie man es sich wünscht mit Ich mit dir auch, sondern er hat eher drumherum geredet. Mich hat das schon nachdenklich gemacht, aber ich dachte mir, das wird schon noch.

Das Kuriose ist, dass ich das Gefühl habe, dass er mich auch irgendwie in diese emotionale Abhängigkeit hineingedrückt hat. Er hat schon gerne die Zügel in der Hand gehabt. Aber ich hatte auch gar nicht so das Problem damit, diese abzugeben. Ich habe zwar auch meinen eigenen Kopf, aber ich muss nicht unbedingt immer die Führung übernehmen.

Mir fällt so als Beispiel ein, dass ich anfangs bei Unternehmungen dachte, dass wir immer ungefähr abwechselnd unsere beiden Autos benutzen und jeder mal fährt. Aber er hat das komplett abgeblockt und wir sind immer nur mit seinem Auto gefahren. Genauso hat er z.B. recht schnell übernommen, die Getränke in meine Wohnung (2. Stock) zu schleppen und zugegeben, ich mag es, wenn ein Mann so Gentleman ist. Obwohl sich irgendetwas in mir auch dagegen gewehrt hat, vielleicht, weil ich schon geahnt habe, dass es besser wäre, sich daran nicht zu gewöhnen, da es dann umso schwerer wird, sich wieder umzugewöhnen. Irgendwann hat er dann sogar den kompletten Getränkekauf für mich übernommen. War schön zu der Zeit, aber hatte zur Folge, dass ich nach der Trennung erstmal kaum in der Lage war, Getränke zu kaufen. So blöd es klingt.

Ich weiß nicht, ob bei sowas schon Ungleichgewicht oder Macht anfängt. Aber es ist daraus anscheinend eine Abhängigkeit entstanden, die sicher jetzt auch verursacht, dass ich so lange mit der Trauer zu kämpfen habe.

Aber das kann doch nicht der Sinn sein, dass ich künftig immer alle Hilfe ablehnen muss und in jeder Hinsicht selbstständig bleibe, nur damit der Partner nicht denkt, dass ich abhängig bin und dann Panik bekommt oder mich nicht mehr anziehend findet. Liebe scheint mir so unfassbar kompliziert zu sein momentan.

Und natürlich stelle ich mir die Frage, was wäre gewesen, wenn ich meine Liebesbekundungen entsprechend zu seinem Verhalten eingeschränkt hätte? Wären wir dann noch zusammen? Seine vorherige Beziehung hatte auch einiges Potential für Ungleichgewicht und dennoch hat es ja funktioniert. Ich würde gerne mal wissen, wie meine Vorgängerin mit ihm umgegangen ist. Ob sie ihn auf Abstand gehalten hat und distanziert war und er deshalb bei ihr geblieben ist. Leider werde ich das wohl nie erfahren.

@Patschenko
Ja, interessant, genau dieses Buch meine ich.

03.05.2018 19:26 • x 1 #6


K
Sina, ich habe bedauerlicherweise nichts Erleuchtendes beizutragen, aber ich wollte unbedingt kundtun, dass ich mir wirklich haargenau dieselben Fragen stelle (ohne das Buch gelesen zu haben).

03.05.2018 19:37 • #7


MissGeschick
Hallo,
interessantes Thema... ich denke so ganz banal ich liebe dichs zählen ist nicht, was das Gleichgewicht in einer Beziehung herstellt.
Ich hatte schon Beziehungen, da stimmte garnichts. Da wurde ständig um Macht gerangelt. Was faszinierend war und spannend. Ich hab das mitgemacht, bis es ernst wurde. Dann habe ich mich dagegen entschieden. Und nach einigen fails habe ich jetzt gelernt eine Beziehung zu führen, die sich ausgeglichen anfühlt (toitoitoi!).
Ich denke jeder ist in einer gesunden Beziehung mal der Stärkere und mal derjenige, der sich anlehnen will. Das halte ich für vollkommen normal. Und auch, dass jeder mal mehr Distanz braucht, sich mal wieder selber entdecken und ausleben will. Damit meine ich keine Untreue, aber vielleicht mal eine Zeit lang allein mit Kumpels losziehen, Urlaub machen und ja, vielleicht auch mal flirten und das Ego stärken. Ich kann das mittlerweile einfach passieren lassen und ihm gönnen. Ich genieß dann meine Abende allein, geh zum wellnessen oder mit Freunden was trinken. Ich denke früher wäre mein Fehler gewesen, mich dadurch verunsichern zu lassen. Meinen Selbstwert nicht mehr zu spüren und das auch (dooferweise!) zu zeigen und auszudrücken! Das habe ich mittlerweile besser im Griff. Ich zweifle nicht an seiner Liebe, nicht an seiner Treue und gönne ihm den Freiraum den er braucht. Und dadurch verlieren wir die Augenhöhe nicht. Und wo ich früher gezetert, silent treatment probiert oder Machtspielchen mitgemacht habe, da buche ich heute ein Wochenende in Lissabon, Rom oder Barcelona. Wo wir drei Tage im Bett verbringen, abends die Stadt erkunden und uns wieder neu finden und verlieben können. Ich denke, Zweifel an der Liebe/Treue des anderen sind meist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Und wenn man selbstbewusst und autark bleibt, dann kann man auch tausend Mal ich liebe dich sagen. Der Partner wird das wertschätzen, solange es ein Geschenk und keine Forderung ist.
Ich glaube tatsächlich das Selbstwert in einer gesunden Beziehung das Zauberwort ist. Jemand, der sich selbst den Wert gibt, den er verdient, wird von seinem Partner immer einen gewissen Respekt erwarten und einfordern und im Gegenzug die Gelassenheit mitbringen, auch Phasen der Distanz zu überstehen ohne die bekannte Abwärtspirale zu betreten.
Ich orientiere mich an den schlauen Worten: amo: volo ut is was bdeutet: ich liebe, das heisst ich will, dass du bist
Manchmal heisst das eben auch loslassen. Und das zerstört mich nicht mehr, weil ich meinen Wert und mein Glück selbst in der Hand habe. Mein Partner begleitet mich auf meinem Weg , solange ihn das erfüllt. Und geht dabei seinen, ganz eigenen , Weg.

04.05.2018 10:05 • x 2 #8


S
@MissGunst

Zitat:
interessantes Thema... ich denke so ganz banal ich liebe dichs zählen ist nicht, was das Gleichgewicht in einer Beziehung herstellt.


Klar, das war etwas übertrieben dargestellt, aber am Ende der Beziehung habe ich mich halt tatsächlich gefragt, ob ich ihm jetzt schreiben oder sagen kann/darf, dass ich ihn liebe, oder ob ich warten soll, bis er es sagt. Und ich dachte mir, ich will nicht überlegen müssen, wer jetzt gerade dran ist, mit ich liebe dich, sondern ich will es sagen, wenn mir danach ist, ohne nachdenken zu müssen.

Ich verstehe aber sehr gut, was du mit dem Beitrag sagen willst. Es geht weniger darum, was man sagt, sondern was man ausstrahlt.

Allerdings gibt es mir nicht so richtige Antworten, was meine letzte Beziehung angeht. Ich muss sagen, dass ich eine ähnliche Einstellung habe wie du. Ich bin auch der Meinung, in einer gesunden Beziehung verlangt niemand vom anderen, dass er sich einschränkt oder sogar ein Hobby/Freunde aufgibt. Ich hätte mir das von ihm nicht bieten lassen und habe es auch in keiner Weise von ihm verlangt.

Ich habe ihm immer allen Freiraum gegeben; er konnte sich treffen mit wem er wollte (er hat hobbybedingt vor allem online, aber hin und wieder auch real relativ viel Kontakt zu anderen Leuten, tendenziell mehr Frauen als Männer gehabt - so hatte er mich und auch meine Vorgängerin kennen gelernt), aber ich hatte da überhaupt keine Bedenken. Ich habe vielleicht mal gefragt, wenn er sich mit weiblichen Bekannten getroffen hat, ob die Person vergeben ist, aber das war immer so und dann war es für mich überhaupt kein Thema. Ich habe ihm jede Freiheit gelassen und war null misstrauisch oder eifersüchtig.

Eigentlich war er in dieser Hinsicht sogar derjenige, der mehr Probleme mit sowas hatte. Ich hatte mal einen Mädelsabend mit Kolleginnen geplant und als ich ihm sagte, wie die Kollegin heißt, bei der es stattfinden soll, sagte er Ach, also bei X und er setzte den Namen der Kollegin in die männliche Form. Ich wusste gar nicht so recht, was ich dazu sagen soll, weil ich mir überhaupt nicht erklären konnte, wie er auf sowas kommt.
Ich treffe mich auch ab und zu mit einer anderen Gruppe von Kollegen (50:50 Männer und Frauen) und da ist es halt nicht üblich, dass auch die Partner mitkommen. Als ich das sagte, war er auch ein wenig pikiert. Aber ich habe ihm hinterher auch oft Fotos gezeigt, damit er sieht, dass ich mich wirklich mit der Gruppe treffe und als wir mal nur eine kleine Runde waren, hatte ich ihn doch mitgenommen, damit er sieht, dass die Leute existieren und es eben kein einzelner Typ ist.
Ich hätte ihn NIE im Leben betrogen oder angelogen. Ich habe bis heute keine Erklärung, wie er auf diese Idee kam - außer, dass er vielleicht selbst in diese Richtung Tendenzen hatte und es auf mich projiziert hat.

Was ich leider gemacht habe und was ich heute wirklich bereue, ist, dass ich wohl bezüglich der Häufigkeit unserer Treffen ihm offenbar ein schlechtes Gewissen gemacht habe. Wenn ein Treffen oder Übernachten seinerseits nicht klappte, dann habe ich immer deutlich gezeigt, dass ich es schade finde (auch wenn ich ihn nie unter Druck gesetzt habe, dass wir uns trotzdem treffen).
Er hatte das mal thematisiert und dann erklärte ich, dass ich sehr gut auch mal einen Abend alleine sein kann, aber ich es halt trotzdem schade finde, wenn wir uns nicht sehen. Mir hat es widerstrebt, so zu tun, als würde ich mich freuen, wenn ich traurig darüber bin. Ich dachte, es wäre komisch, wenn er mir sagt, dass er keine Zeit hat und ich dann Juhu schreie, also zeigte ich, dass es mich traurig macht, denn ich dachte, es ist ja auch schön für ihn zu hören, dass ich gerne mit ihm zusammen bin. Aber ich glaube, ich habe mich in dieser Hinsicht damit selbst zur Unterlegenen und ihm ein schlechtes Gewissen gemacht. Das war ein Fehler.
Dennoch weiß ich nicht, wie ich es in Zukunft halten soll. Ich finde das wirklich unnatürlich, wenn ich mir vorstelle, dass ich künftig quasi aus taktischen Gründen auf Distanz gehen soll, auch wenn das so völlig meinen Gefühlen widerspricht.

Wie sind eure Erfahrungen?

05.05.2018 21:20 • #9


Gorch_Fock
Hey Sina, meld Dich mal richtig an hier, Du stellst gute Fragen
Ich habe mich nach der Affaire meiner Ex intensiv mit dem Beziehungsdynamiken, dem Machtungleichgewicht, Ex-Back-Techniken und den PUA-Techniken beschäftigt.
Und dabei auch festgestellt, dass man - als Mann der Mitten im Leben steht - doch einiges nicht gesehen hat. Weil man die Dynamiken nicht kannte.
Aus meiner Erfahrung kannst Du ganz natürlich und authentisch in einer Beziehung sein und auch in eine neue gehen. In einer guten Beziehung herrscht meist ein ausgeglichener Machtzustand. Man muss aber erkennen können, wann es anfängt zu kippen. Hier gibt es bestimmte Auslöser, bei denen man wachsam werden sollte und seiner Beziehung besondere Aufmerksamkeit widmen sollte. Das sind immer wieder die selben Punkte: Krankheit (eigene / die des Partners), Stress auf der Arbeit / Prüfungsstress Uni, Todesfälle in der Familie, plötzliche Veränderungen beim Partner, fehlende / ausbleibende Sechsualität). In diesen Situationen ist die Gefahr gegeben, dass ein Partner gefühlsmässig ablascht. Damit ist immer ein Verlust an Attraktivität verbunden. Gerade Frauen als stark nach Gefühl handelnde Menschen reagieren sehr empfindlich auf solche Störungen.
Wichtig ist, dass der eigene Selbstwert nicht unter diesen Situationen leidet. Dabei ist das eigene Mindset von Bedeutung. Eine Beziehung besteht nicht deshalb, damit man nicht allein ist oder versorgt wird. Sondern es ist das I-Tüpfelchen, etwas Besonderes im Zusammensein zweier Menschen.
Zitat:
Klar, das war etwas übertrieben dargestellt, aber am Ende der Beziehung habe ich mich halt tatsächlich gefragt, ob ich ihm jetzt schreiben oder sagen kann/darf, dass ich ihn liebe, oder ob ich warten soll, bis er es sagt. Und ich dachte mir, ich will nicht überlegen müssen, wer jetzt gerade dran ist, mit ich liebe dich, sondern ich will es sagen, wenn mir danach ist, ohne nachdenken zu müssen.

Klar darfst Du das. Dafür sollte Dein Selbstbewußtsein vorhanden sein. Ich hab das sogar nach der Affaire meiner Ex noch getan. Weil sie mir als Mensch wichtig war und ich das Bedürfnis hatte. Am Ende der Beziehung hatte das natürlich nichts verändert.

05.05.2018 22:29 • #10


Ema
Zitat von Sina2018:
@MissGunst



Klar, das war etwas übertrieben dargestellt, aber am Ende der Beziehung habe ich mich halt tatsächlich gefragt, ob ich ihm jetzt schreiben oder sagen kann/darf, dass ich ihn liebe, oder ob ich warten soll, bis er es sagt. Und ich dachte mir, ich will nicht überlegen müssen, wer jetzt gerade dran ist, mit ich liebe dich, sondern ich will es sagen, wenn mir danach ist, ohne nachdenken zu müssen.



Was ich leider gemacht habe und was ich heute wirklich bereue, ist, dass ich wohl bezüglich der Häufigkeit unserer Treffen ihm offenbar ein schlechtes Gewissen gemacht habe. Wenn ein Treffen oder Übernachten seinerseits nicht klappte, dann habe ich immer deutlich gezeigt, dass ich es schade finde (auch wenn ich ihn nie unter Druck gesetzt habe, dass wir uns trotzdem treffen).
Er hatte das mal thematisiert und dann erklärte ich, dass ich sehr gut auch mal einen Abend alleine sein kann, aber ich es halt trotzdem schade finde, wenn wir uns nicht sehen. Mir hat es widerstrebt, so zu tun, als würde ich mich freuen, wenn ich traurig darüber bin. Ich dachte, es wäre komisch, wenn er mir sagt, dass er keine Zeit hat und ich dann Juhu schreie, also zeigte ich, dass es mich traurig macht, denn ich dachte, es ist ja auch schön für ihn zu hören, dass ich gerne mit ihm zusammen bin. Aber ich glaube, ich habe mich in dieser Hinsicht damit selbst zur Unterlegenen und ihm ein schlechtes Gewissen gemacht. Das war ein Fehler.
Dennoch weiß ich nicht, wie ich es in Zukunft halten soll. Ich finde das wirklich unnatürlich, wenn ich mir vorstelle, dass ich künftig quasi aus taktischen Gründen auf Distanz gehen soll, auch wenn das so völlig meinen Gefühlen widerspricht.

Wie sind eure Erfahrungen?


Ich glaube, letztlich ist es eine Gratwanderung, die man nur hinbekommt, wenn man sowohl auf sich selbst, als auch auf den Partner schaut.

Zu zählen, wie oft jemand Ich liebe dich sagt, ist natürlich völlig albern. (Auch, wenn man es nur als Beispiel nimmt).

Nicht albern ist es hingegen, seine Eigenständigkeit nicht zu verlieren.
Das heißt nicht, dass man sich von einem Kerl keine Getränkekisten schleppen lässt.
Es heißt aber wohl, dass man im Hinterkopf behält, dass es nicht das Ende der Welt ist, wenn man keinen mehr haben sollte, der die Kisten schleppt.
Es heißt vielleicht auch, dass man etwas anderes tut und kann, womit man wiederum den Partner ein kleines bisschen abhängig macht. Gut kochen oder gut organisieren oder was auch immer.

Was dein letztes Beispiel betrifft:
Natürlich schreit man nicht juhuu, wenn der andere absagt.
Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, sein Bedauern auszudrücken, ohne dass der andere ein schlechtes Gewissen bekommt.
Wenn es hingegen oft derselbe Partner ist, der Treffen absagt oder mehr Freiraum braucht, dann gibt es zwei Möglichkeiten:
Die eine ist, mal in sich zu gehen und zu überprüfen, ob man tatsächlich zu viel klammert, weil man zuwenig Freunde oder eigene Interessen hat.
Die andere ist, ebenfalls in sich zu gehen und sich zu fragen, ob das Nähe- und Distanzbefürfnis beider Partner grundsätzlich einigermaßen ausgewogen ist.
Wenn dies völlig unterschiedlich ist, wird man in dieser Partnerschaft vermutlich nie glücklich.

Grundsätzlich gilt, dass klammern immer eine schlechte Idee ist.
Sobald man merkt, dass der andere in irgendeiner Form auf Distanz geht (mit Treffen, Liebesbekundungen oder was auch immer), ist es sinnvoll, sich erstmal relativ gelassen zurückzulehnen und ihn vorerst in Ruhe oder ziehen zu lassen.
Nicht gleich in Panik oder das Gefühl, nicht geliebt zu werden auszubrechen.
Selbst etwas Abstand nehmen.

Wird das Gefühl chronisch, dann eben die oben dargelegten Überlegungen anstellen.

Wenn man das einigermaßen beherzigt, muss man keine Liebesbekundungen zählen und kann sich durchaus Getränkekisten schleppen und Regale anbringen lassen.

Man muss dann allerdings auch die Kraft und Selbstliebe haben, eine Beziehung notfalls zu beenden, wenn es gar nicht passen sollte.

Und das ist letztlich die Crux: Weder sich auf Dauer selbst verbiegen, noch klammern und dem anderen Vorwürfe machen, sind erfolgversprechende Strategien.
Wenn Leute dies als dauerhafte Lösung trotzdem praktizieren, dann fast immer deshalb, weil sie sich außerstande und zu schwach fühlen, im Zweifel die nötigen Konsequenzen zu ziehen.

05.05.2018 22:43 • x 1 #11


Y
Liebe Sina,

Zitat:
Ist das nicht furchtbar, ständig so berechnend sein zu müssen? Ich möchte keine Beziehung, in der ich ständig kalt und abweisend sein muss, damit mein Partner mich nicht sitzen lässt. Was sind das für Beziehungen? Aber funktioniert es nur so?


wenn es so läuft, stimmt etwas grundlegendes in der Beziehung nicht. Dann kannst Du natürlich durch gespielte Ignoranz oder was auch immer, wieder Interesse bei Deinem Süßen erzeugen, aber es ist dann einfach keine gute Beziehung.

Es kann z.B. sein, dass Du grundlegend etwas zu anhänglich bist, oder dass Du selbst Angst vor Nähe hast und Dir deswegen Kandistaten aussuchst, denen Du nicht zu nahe kommen darfst.

In einer gut laufenden Beziehung musste ich nie strategisch handeln,wie Du es obe beschrieben hast, wohl aber auch meine Defizite überdenken und an mir arbeiten. Beziehung bedeutet auch mit sich selbst konfrontiert zu werden. Eigentlich etwas gutes, da es unsere Entwicklung fördert, aber nicht immer schmerzfrei.

05.05.2018 23:40 • #12


Y
etwas wichtiges vergaß ich- die Liebe
Es ist eben nicht immer so, dass auf beiden Seiten die Liebe gleich groß ist. Auch ist der Anhänglichere nicht immer unbedingt derjenige, der mehr liebt. Oft ist es nur Verlustangst.
Wenn ich mich geliebt fühlte, war ich entspannt und locker. Und dazu brauchte ich keineswegs ständig hören, dass ich geliebt werde. Ich selbst benutze diese drei Worte verdammt selten.
Spüre ich aber, dass es keine Liebe ist, selbst wenn ich einen guten Partner habe, werde ich nervös, usnicher, labere zu viel usw.
Da gehts dann eben nicht um ein Machtungleichgewicht, sondern einen Liebesmangel. Manche Menschen versuchen das dann durch Distanz etc. auszugleichen, suchen den Fehler bei sich. . ., hilft aber alles nichts, wo keine Liebe ist. Da hilft dann nur Adieu.

05.05.2018 23:55 • #13


S
Ganz lieben Dank für eure Antworten. Das ist wirklich interessant.

Ich weiß auch nicht, vielleicht habe ich wirklich komplett falsche Vorstellungen. Das, was ihr beschreibt, hätte ich eher 20-jährigen ausgelaugten Beziehungen zugeordnet, wo beide nur noch nebeneinander her leben, jeder sein eigenes Ding macht und man aus Gewohnheit zusammen bleiben. Oder eben Affären, wo beide anderweitig verheiratet sind und jeder nur ein bisschen Spaß haben und sonst unabhängig und bei seiner eigenen Familie bleiben will. Sowas war für mich nie erstrebenswert.

Ich weiß nicht, ob ich grundsätzlich zu anhänglich bin. In der letzten Beziehung als wir unser letztes Treffen planten (zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass es das letzte sein würde) war ich diejenige, die es auf einen Tag später verschoben hat, weil ich eine Weihnachtsfeier hatte. Mein Ex fragte damals sogar, ob ich sie nicht ausfallen lassen würde, damit wir uns sehen können. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich hingehen möchte und das habe ich auch gemacht. Also so ist es auch nicht, dass ich nur an seinem Rockzipfel hing. Er hat mir bei sowas aber auch oft widersprüchliche Signale gegeben. Mal waren es ihm zu viele Treffen, dann wieder zu wenige. Was soll ich davon halten?

Aber zugegeben, es gab sicher viele Momente, wo ich die anhänglichere war. Das traurige ist, er hat das nie so mit mir kommuniziert, dass es ihn stört und bis zu dem Zeitpunkt, als ich anfing, dieses Ungleichgewicht zu spüren, hatte ich auch überhaupt keine Ahnung. Eigentlich hat er mir das Gefühl gegeben, dass es für ihn auch schön ist. Als ich zum Ende merkte, dass er sich zurückzieht, bin ich natürlich innerlich in Panik ausgebrochen. Da kam die Frage in mir auf, ob ich mich auch zurückziehen soll und dann aber die Entscheidung, es nicht zu tun, weil das keine gute Beziehung sein kann, wenn man solche Spielchen spielen muss.

Was ich nicht verstehe, es gibt so viele Leute, die als wesentlich unselbstständiger, hilfloser und auch (finanziell) abhängiger sehen würde als mich, die auch Beziehungen haben. Und ich kriege es nicht gebacken.

Ich habe gerade das Gefühl, dass mir das alles zu kompliziert ist. Vielleicht bin ich auch völlig beziehungsunfähig. Vielleicht reihe ich mich doch ein zu meinem Bruder und meinem Cousin, die beide so frustriert von Beziehungen sind, dass sie alleine bleiben wollen.
Eigentlich wollte ich das nie. Aber dieses jetzt schon monatelange Trauern nachdem ich sitzen gelassen wurde und vielleicht die Erkenntnis, dass eine Beziehung, so wie ich sie mir vorstelle, nie funktionieren wird, lässt mich echt zweifeln, ob ich mir das nochmal antun soll.

06.05.2018 20:14 • x 1 #14


A


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