Zitat von Flavie:Er hat sich nicht mehr bei mir gemeldet, begonnen viel Alk. zu trinken, nur zu schlafen und Medikamente gegen seine Depression zu nehmen.
Ich habe versucht ihm eine Stütze zu sein. Zu verstehen, zu helfen. Und dabei hab ich mich selbst verloren. Ich hatte das Gefühl, dass meine Ängste und Zweifel bezüglich unserer Beziehungen nebensächlich wurden.
Dass ich sie nicht ansprechen darf, weil es ihn nur belästigt. Ich habe zurückgesteckt und ihn sich mit seinen Freunden treffen lassen, bei denen er sich seine Probleme wegtrinken konnte, weil es so einfacher für ihn war seine Probleme nicht anzugehen.
Liebe Flavie,
Wie gut ich das kenne.. Ich habe eine fünfjährige Beziehung mit einem Mann geführt, der m. E. schwere psychische Probleme hat oder hatte. Mir ist dann, vor ca. einem halben Jahr,
ebenfalls nach der Trennung von ihm aufgefallen, dass ich nicht ihn... Sondern mich verloren habe.
Mir, der starken, erfolgreichen, fröhlichen jungen Frau fiel vor einer grossen Reise plötzlich auf, dass ich mich
nicht mehr freuen konnte. Nicht nur auf diese Reise - Ich freute mich eigentlich auf gar nichts mehr, ich erlebte nicht mehr, ich überlebte. Lange Zeit habe ich was ich tat und empfand darüber definiert, dass es zwar toll ist,
er aber war halt nicht hier. Wie soll ich mich da freuen können? Zu lange Zeit.. War meine Frage immer: Wie geht es ihm, was braucht er? ...
Das Schlimmste an der Sache war nicht nur, dass ich mich nicht mehr freuen konnte.. Sondern das ich das
nicht mal bemerkt habe.
Nun gut, da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich wohl an mir arbeiten muss. Dummerweise kreuzte sich dies mit dem Comeback eines Mannes, der so ganz anders war und mir gab, was ich mir selber nicht geben konnte. Aber erst jetzt, nachdem ich mental auch mit diesem Mann abgeschlossen habe, sehe ich, was mir wirklich fehlt.
Wieviel von mir ich wirklich verloren habe. Und ja.. Was mich hierher bringt, ist nicht in erster Linie der klassische Liebeskummer wegen eines Mannes. Ich denke, ich bin vielmehr hier wegen der Trauer über den Verlust meiner selbst. Denn.. Was gibt es Schlimmeres, als nicht zu wissen, woher man kommt, wohin man geht.. Was gibt es Schlimmeres, als sich über das, was andere über einen denken zu definieren statt überzeugt zu sein, dass man gut ist.. Was gibt es Traurigeres, als morgens in den Spiegel zu schauen und die Person darin weder zu kennen, noch schön zu finden, ...
Naja, soviel zu mir. Das einzige was ich für Dich tun kann ist, meine bisherigen Erfahrungen mit Dir zu teilen. Auch wenn sie erst einige Tage alt sind.. Bitte siehe unten.
Vorab: Ich bin nicht der spirituell/esotherisch angehauchte Mensch. Trotzdem sind viele meiner Ratschläge/Erfahrungen sich wiederholende Rituale/Strategien. Weshalb? Anfangs habe ich mich an Dingen zu orientieren versucht wie sei wieder Du selber / Sei Selbstbewusst / ... und habe dann festgestellt, dass mir dies speziell in Zeiten übler Downs absolut gar nichts bringt. Was ich dann brauche ist etwas Konkretes, etwas, dass ich zuvor schon tausendmal geübt habe. Daraus ist der Rückgriff auf Rituale und Strategien entstanden. Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Selbstfindung. Kann mir vorstellen, dass sich meine Herangehensweise noch ändern wird. Momentan jedoch, bringt mir Untenstehendes am meisten.
Bewusstsein entwickeln:
Ich glaube, der erste und wichtigste Schritt für mich war, mir bewusst zu werden, dass ich mich verloren habe. Erst dadurch entstand die Möglichkeit, dies zu ändern. Mein Tipp deshalb: Rede nicht drumrum, überdecke dieses Gefühl nicht mit anderen Gefühlen oder Tätigkeiten. So schmerzhaft es auch ist, deal with it...
Einen Schlussstrich ziehen:
Weiss nicht, wo Du stehst, ob Du wirklich abschliessen möchtest... Mir hat es jedoch geholfen, einen definitiven Schlussstrich unter meine bisherigen Männergeschichten zu ziehen. Konkret heisst dies: Zwei Männer, die ich sehr gern habe, melden sich regelmässig bei mir. Einen davon muss ich täglich sehen... Nun ist es so, dass ich innerlich beide Geschichten sehr bewusst beendet habe. Was sich dadurch ändert ist, dass ich mich nicht mehr darüber definiere
wie sie mich sehen oder wie ich auf sie wirke, sondern was
ich im Moment fühle oder empfinde. Gerade der Mann, den ich täglich sehe, beeinflusst natürlich mein Tag und mein Leben recht stark. Was sich jedoch geändert hat ist, dass sich mein Fokus nicht mehr darauf richtet, was ich ihm antworten könnte, damit ich interessant bin/werde, welche Klamotten ihm wohl am besten gefallen, welche Scherze ich wohl machen könnte, ... Sondern nur noch darauf, wie ich mich fühle, was ich machen möchte, was ich anziehen möchte, ...
Ich selber habe entschieden, dass es kein Comeback, kein Warmhalten mehr gibt, weil
ich es nicht mehr will . Da dies nicht mehr mein Ziel ist, ist es irrelevant, was er von mir denkt.
Gut sein zu mir:
Ich habe mich lange darüber definiert, wie andere mich sehen und behandeln. Nun ja, hat mich dann einer in den Wind geschossen, war dies natürlich mein Fehler. Ich war nicht gut genug, ich musste mehr leisten, besser aussehen, ihm mehr gefallen, ...
Einer meiner Leitgedanken momentan ist: Gerade
weil andere nicht gut sind (und dies bezieht sich ja nicht nur auf Liebesbeziehungen - Dies gibt's ja im Job, in der Schule, ... überall) muss
ich es zu mir sein. Heisst konkret: Ich kenne meine Bedürfnisse am besten. Weshalb brauche ich jemand anderen, um sie zu erfüllen?
Ich wollte dann damit anfangen, meine Lebensziele zu definieren.. Habe extra einen Block zur Hand genommen um ich auch ja daran zu erinnern, um schriftlich Ziele und Massnahmen definieren zu können. Und siehe da - Mir kam kein einziges Lebensziel in den Sinn. Nach einigen Versuchen, zumindest ein 10-Jahres, Jahres- oder Halbjahresziel zu definieren, merkte ich dann, dass das so nicht funktioniert.
Ich habe dann, ebenfalls mit Block und Stift, bei den ganz einfachen Dingen begonnen. Meine erste Frage an mich selber war, was ich schon lange nicht mehr gegessen habe, das jedoch gerne wieder einmal würde. Der daraus resultierende Zwetschgenkuchen führte mich über einige Umwege dahin, dass ich mir schon lange wieder einmal einen gemütlichen Abend zuhause wünsche anstatt immer weggehen zu müssen, damit ich etwas zu erzählen habe. Nun ja, so ging es dann weiter...
Zumindest muss jetzt mein bester Kollege dieses Wochenende mit mir Zwetschgenkuchen backen, Filme schauen und brunchen. Und weisst Du was?
Ich freue mich darauf!
Zusätzlich werden wir Ferien planen.
Wir planen Ferien! Das erste Mal ohne Gedanken, dass er dann nicht dabei ist.
Rituale:
Nun ja, ich habe auch einige Rituale begonnen. Diese sind v. A. gegen negative Gedankenspiralen da...
Zuerst einmal habe ich dazu gelesen, dass man sich fragen muss, ob man den Gedanken an sich akzeptieren kann. Danach kommt die Frage, ob und wann man ihn loslassen kann. Hab' ja nicht dran geglaubt.. Hatte jedoch seit drei Tagen keine Spirale mehr, die sich darum drehte, was ich anders machen bzw. künftig an mir verändern könnte, ...
Ich verbinde das damit, dass ich mir einige Sätze aufgeschrieben habe, die positiv mit mir zu tun haben. Einer ist z. B., Ich freue mich auf
meinen Neuanfang. An diesen Satz denke ich nach dem Loslassen der Selbstzweifel, ... Nun ja, klingt doof, funktioniert aber. Er bringt mich jedes Mal wieder zu mir.
Mir meiner bewusst sein:
Nun ja... schlussendlich läuft irgendwie alles darauf hinaus, dass ich mich sehr bewusst hinterfrage, was ich eigentlich will, was mein Bedürfnis ist. Und mir dies dann
sehr bewusst gönne / zugestehe. Heisst: Ich trinke momentan gerade Chai-Latte, weil ich einfach den ganzen Tag Lust drauf hatte. Dass ich denk trinke, ist nichts Neues. Neu ist, dass ich mir bewusst bin
dass ich mir etwas Gutes tue..
Tagebuch schreiben:
Schreib auf, wie Dein Tag war. Und schreibe nicht nur Erlebnisse auf... Befasse Dich damit, was Dir an diese Tag besonders gut gefallen hat. Was war schwer? Was hat Dich verunsichert? Wie wirsd Du damit umgehen etc.? Konkret: Wie nimmst Du Deine Aussenwelt wahr.. Und nicht wie könntest Du auf sie reagieren.
Nun ja.. Schlussendlich helfen mir diese Strategien momentan, immer wieder zu mir zu gelangen, positives mit mir selber zu erleben, mich nicht mehr nur entsprechend meiner Reaktion auf andere zu verhalten. Und ja, es tönt doof, dass ich auf der Weg meiner Selbstfindung bewusst mit mir Tee trinke - Ich bin jetzt aber soweit, dass ich, zumindest vage, wieder ein Lebensziel für mich definieren kann, dass ich morgens fröhlich bin, ... Und das scheint mir doch ein Fortschritt zu sein!