Interessant und so treffend

E
Scheint ein gutes Buch zu sein!
Und auch noch von Frauen geschrieben,ein Wunder!!!!!!!!!
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Frauen sind höchst widersprüchliche Wesen. Sie haben sich ihre Freiheit erkämpft, geben sich stolz und selbstbewusst, zugleich sind sie in ihrem Innern aber hoffnungslose Romantikerinnen geblieben. Sie träumen den Traum von der großen, einzigen, wahren, erfüllenden und erlösenden Liebe. Partnerschaftsanzeigen, Singlebörsen, Blinddates, Zufallstreffer: Manche Frauen finden problemlos ihren Prinzen im Froschteich, doch andere stolpern währenddessen munter von einer Beziehungskatastrophe in die nächste. Warum? Wenn Frauen wüssten, was sie wollen, erhöhten sie damit ihre Chancen, auch genau das zu bekommen. Für alle, die den Teufelskreis von daten, lieben, jammern und verlassen gründlich satt haben und dennoch unbeirrbar hoffen: Es gibt viele Wege ins dauerhafte Liebesglück.

Prinzenrolle rückwärts

Frauen sind sensible Wesen und Männer gefühlskalte Idioten. Das ist ein Elend. Und genetisch. Oder biologisch? Schuld am ewigen Geschlechterdrama hat jedenfalls die Evolution. Von wegen, sagen die Buchautorinnen Angela und Juliana von Gatterburg und werfen den Frauen wenig schmeichelhafte Wahrheiten an den Kopf: Um glücklich zu werden, müssen sie endlich aufhören, Männer für emotionale Trottel zu halten und sich selbst für Beziehungsprofis.
In meinem Freundeskreis gibt es viele tolle Frauen. Seltsamerweise ist die Mehrzahl von ihnen unglücklich. Die Singles sehnen sich nach einer Beziehung, und die einen Partner haben, sagen: Wenn du dann einen Kerl hast, fängt der ganze Ärger erst an. Die wenigsten sind glücklich. Warum ist das so?

Angela von Gatterburg: Frauen sind heute zwar selbstbewusst und eigenständig. Gleichzeitig sehnen sie sich aber nach einem starken, stabilen Mann, haben sehr romantische Vorstellungen, träumen von anhaltender Idylle und Verschmelzung mit dem Liebsten. Diese meist unbewussten Sehnsüchte führen zu fatalen Verstrickungen, früher oder später.
Juliana von Gatterburg: Das Liebesideal im Sinne von Darling-lass-uns-möglichst-viel-zusammen-machen bekommt der Liebe nicht. Wenn Frauen lieben, lieben sie heftig. Männer lieben auch, haben aber zwischendurch zu tun. Sie sind pragmatischer, und das ist ja nicht unbedingt schlecht. Leider halten viele Frauen sich für Sachverständige beim Thema Liebe und versuchen deshalb, den Männern Nachhilfe zu erteilen, sprich: sie zu erziehen. Das haben die natürlich nicht so gern.

Lassen Sie uns mal den letzten Punkt vertiefen. Es gibt doch hundert Beispiele dafür, dass Frauen in Gefühlsdingen tatsächlich kompetenter sind, z. B. kapieren Männer Zwischentöne nicht - denen muss man Gefühle in Großbuchstaben auf dem Silbertablett servieren. Soll ich das etwa einfach so akzeptieren?

Juliana: Warum glauben Sie, dass Ihre Gefühlskompetenz besser ist als die eines Mannes? Männer gehen anders mit Gefühlen um als Frauen. Häufig haben Frauen sich gerade in diese Andersartigkeit verliebt, und sie sorgt auch für eine positive Spannung in der Beziehung. Viele Frauen halten ihre Gefühlskultur für richtig, sie fühlen sich überlegen und stellen sich zu wenig in Frage. Der Mann ist in ihren Augen, überspitzt gesagt, ein emotionaler Trottel, und so behandeln sie ihn auch. Die Überlegenheit führt zu einer konstanten Herabsetzung, zu einer Entwertung. Daran muss eine Beziehung scheitern. Wir haben in den letzten 25 Jahren ja viel über Frauenverachtung gesprochen und debattiert, über offene und subtile Formen, Frauen oder Mädchen herabzusetzen. Aber umgekehrt gibt es das eben auch: Manche Frauen halten Männer insgeheim für lernunfähige s.uelle und soziale Idioten.

Inwiefern s.uelle Idioten?

Angela: Das ist natürlich übertrieben formuliert. Trotzdem: Der Mann hat s.uell ein schlechtes Image. Dauernd sei er auf Eroberungen aus, seine Gene und sein Testosteron treiben ihn angeblich dazu. Außerdem muss man ihm beibringen, wie eine Frau zu befriedigen ist und dass er danach nicht immer gleich einschlafen soll. Die Mängellisten der Frauen sind groß. Aber für guten S. ist nicht nur der Mann verantwortlich. Wenn Frauen sich Spaß, Neugier und Experimentierfreude am S. erhalten, profitieren beide davon.

Zugespitzt lautet Ihre These also, dass es jetzt an den Frauen ist, sich zu ändern, und die Männer dürfen einfach so bleiben, wie sie sind. Das ist doch nicht fair! Da machen doch wieder die Frauen den Beziehungsjob.

Juliana: Was ist falsch daran, wenn Frauen sich fragen, welchen Anteil sie selbst haben an ihrem Liebesunglück? Frauen sollten aufhören, an Männern herumzuerziehen, als wären sie kleine Jungs. Es ist doch so: Frauen fahnden nach dem Mann fürs Leben: charakterfest, kinderlieb, gut situiert, kochtalentiert, Pferd kein Hindernis. Sie träumen von einem wunderbaren Prinzen - und dann treffen sie einen ganz normalen Mann. Und wie im Märchen werfen sie den Frosch gegen die Wand und hoffen auf seine Verwandlung. Und leben mit einem beschädigten Frosch zusammen. Unser Buch ist ein Buch für Frauen, die Männer lieben wollen, statt sie zu maßregeln.
Angela: Wenn eine Beziehung lieblos und abgestanden ist, sollte sich die Frau nicht ändern, sondern weggehen und einen Neubeginn wagen. Es geht in unserem Buch auch um Frauen, die sich nicht trennen - aus purer Angst vor dem Alleinsein. Oscar Wilde hat gesagt: Sich selbst zu lieben ist der Beginn einer lebenslangen Romanze. Dem können wir uns nur anschließen.

Was ist denn der häufigste Konfliktpunkt zwischen den Geschlechtern?

Angela: In einer neuen großen Studie wurde untersucht, was Partner sich gegenseitig vorwerfen. Frauen beklagen an Männern, dass sie keine Gefühle zeigen, nicht reden wollen, bindungsunfähig sind. Männer finden, dass Frauen zu emotional sind und dauernd an ihnen rumerziehen wollen. Ergebnis: Sie meckert, er schweigt. Das sind die gleichen Muster wie vor 50 Jahren.

Auch in anderer Hinsicht scheint sich erschreckend wenig verändert zu haben. In Ihrem Buch sprechen Sie sogar von einer kindlichen Heilserwartung der Frau an den Mann. Hat die Emanzipationsbewegung, die uns heute so überholt erscheint, denn gar nichts genützt?

Angela: Doch, natürlich. Aber die äußere Selbstständigkeit von Frauen führt nicht automatisch zu einer inneren Selbstständigkeit. Heilserwartungen und Erlösungsfantasien geistern in unseren Köpfen herum, wenn wir ehrlich sind. Wir Frauen marschieren zwar durch unser Leben, ohne mit der getuschten Wimper zu zucken, aber wir sind nach wie vor auch von archaischen Mustern bestimmt. Deshalb kommt es ja zu diesen Liebesdramen. In den 60er und vor allem 70er Jahren gab es ein sehr viel größeres Interesse für diese unbewussten Abläufe. Ein Beispiel: In der Regel verlieben wir uns in einen, der uns etwas abfordert, mit dem wir, im guten Sinne, ringen können. Früher wusste man, warum das so ist, nämlich dass der Partner einem oft das spiegelt, was man bei sich selbst vermisst, sich aber nicht eingesteht. Dieses Verständnis fehlt heute, und wir wollen es wieder wecken.

Also leiden wir Frauen an eklatant falscher Selbsteinschätzung. Außerdem attestieren Sie uns mangelnden Optimismus und fehlende Lebenslust. Von Opferrolle ist da die Rede, von Selbstmitleid, Zögerlichkeit und Grunderschöpfung - das klingt, als tränken wir mehr Rheumamittel als Prosecco.

Angela: Man kann Prosecco trinken und trotzdem unglücklich sein. Sie selbst haben ja gerade Ihren weiblichen Freundeskreis als ziemlich unglücklich beschrieben. Viele der Frauen, die wir interviewt haben, empfinden sich als resigniert, verzagt, da ist wenig Schwung, Frechheit, Leichtigkeit. Zwar nicht immer, aber immer öfter, gerade so, als müssten sie dauernd die unendliche Traurigkeit des Seins beklagen. Oder sie werden von wilden Leidenschaften hingerissen, hergerissen, umgerissen. Auch Psychologen beobachten, dass junge Frauen häufig nach rund drei Jahren Beziehung jede Leichtigkeit verlieren, die Freude an sich und dem anderen. Und dass es am selbstironischen, humorvollen Blick fehlt.

Das klingt ja düster. Wie kann unsereine denn mehr Schwung und Spaß in ihr Leben und in ihre Partnerschaft bringen?

Angela: Frauen sollten sich mit Entschlossenheit, Aufrichtigkeit und Hingabe für ihr eigenes Lebensglück einsetzen und dabei gelassen und humorvoll bleiben. Sie sollten sich mit ihren Widersprüchen und Problemen befassen, statt sie zu leugnen, sie sollten lernen: Man muss auch in einer Liebesbeziehung auf eigenen Füßen stehen - die Liebe lebt von der Spannung, den anderen nie ganz und gar zu verstehen. Wenn Frauen sich selbst näher kennen lernen und was über die Gesetzmäßigkeiten der Liebe begreifen, wird das Leben spannender und schöner. Man muss sich dem eigenen Ich stellen, oder man stirbt, sagt die englische Schriftstellerin Fay Weldon.

Und bis dahin erwarten wir Frauen all das Glück von den Männern und überfordern sie damit heillos?

Juliana: In mancher Hinsicht ja. Wir erwarten häufig zu viel von unserer Beziehung, sie ist der Fixpunkt unseres Daseins. Also wird dauernd an ihr rumgebastelt. Ich glaube, wir Frauen sind emotional viel labiler und unselbstständiger, als wir uns eingestehen. Frauen wollen heute einen Mann wie Rhett Butler aus Vom Winde verweht, einen, der sie leidenschaftlich die Treppe raufschleift. Die er vorher gewissenhaft geputzt hat.

Das dürfte schwierig werden. Was raten Sie eigentlich den von unseren extremen Ansprüchen schwer gebeutelten Männern?

Juliana: Lasst euch nicht dressieren wie ein Pudel!

Sie schreiben, unsere Generation sei insgesamt viel zu angepasst und harmoniesüchtig. Sollten wir uns denn mehr streiten?

Angela: Ja, sich gut streiten können ist sehr wichtig. Übertriebenes Harmoniebedürfnis und Angepasstheit kaschieren junge Leute häufig durch eine schicke Optik und coole Posen. Man versucht, den anderen zu beeindrucken. Dabei geht man häufig emotional nicht aus der Deckung. So entsteht eine Art Pseudo-Intimität. Man beteiligt sich an diesem Spiel und versucht, die Traurigkeit zu verdrängen, die daher rührt, dass man nie jemanden richtig wahrnimmt. Das ist eine Art Verrat am eigenen Selbst. Denken Sie nur an dieses Spiel mit den Marken, wie wichtig uns das geworden ist. Nix gegen Marken - das Problem dabei ist die Pose der kühlen Unnahbarkeit, mit der man sich zur Schau stellt, um seine Unsicherheit zu verbergen. Auch wegen dieser Spielchen hat es die Liebe nicht leicht.

Inwiefern ist die Vorstellung der romantischen Liebe mitschuldig an unserer traurigen Situation?

Juliana: Die Idee der Liebe ist ja relativ neu, sie entstand im Zeitalter der Romantik, also im 19. Jahrhundert. Vorher machte man nicht so ein Gewese um Gefühle und Herzensangelegenheiten. In Japan, erklärt der Bestsellerautor Haruki Murakami, existiert die Idee von der perfekten Liebe nicht. Er hat den Eindruck, in der christlichen Welt müsse die Liebe perfekt sein, sonst sei sie nichts wert. Es ist gerade dieses Ideal der Perfektion, das die Liebe scheitern lässt.

Und wenn wir uns endlich vom Ideal der Perfektion verabschiedet haben: Besteht dann überhaupt noch Hoffnung, oder wird die Aussicht auf eine gute Beziehung mit jedem Liebeskummer trüber?

Juliana: Paarwissenschaftler wissen inzwischen: Wer sich auf die Liebe einstellt, emotional und kognitiv, erhöht seine Chancen enorm, sich auch zu verlieben. Das kann man regelrecht lernen. Gefühle altern zwar nicht, trotzdem spielt das Alter bei Liebesgeschichten eine Rolle: Wer 20 Jahre alt ist und sich verlieben will, marschiert unbekümmert und optimistisch los - wir wünschen alles Gute. Mit Ende 20 sieht die Sache anders aus. Die Endzwanziger sind weniger unbekümmert, sie haben schon einige Liebesversuche und Enttäuschungen hinter sich. Für sie wäre es gut zu wissen, in welcher Weise jede neue Liebe den Schatten der Vergangenheit in sich trägt. Und für jede längere Beziehung ist es ist wichtig, die Erkenntnisse aus dem Liebeslabor zu kennen, etwa die Vier apokalyptischen Reiter, die jede Beziehung zerstören.

Wer oder was sind denn die Vier apokalyptischen Reiter?

Angela: Grob gesagt: Kritik in destruktiver Form, Verachtung, Gegenangriff in massiver Form, totaler Rückzug. Aber die Sache ist kompliziert. Manche Reiter kommen über Gestik und Mimik daher, manche über eine kleine, flapsige Bemerkung, manche wirken harmlos, sind aber trotzdem Todsünden für jede Beziehung. Man muss sich intensiv damit beschäftigen, um sich selbst auf die Schliche zu kommen.

Und gibt es auch ein positives Pendant, so was wie die Vier Schutzengel der Liebe?

Juliana: Respekt, Humor, Offenheit und Fürsorge tun jeder Beziehung gut. Und es gibt auch eine Glücksformel für die Liebe. Sie lehrt, wie man das emotionale Konto einer Beziehung immer wieder positiv auffüllen kann. Grundsätzlich gilt: Liebe ist schön, macht aber viel Arbeit.

25.11.2005 13:17 • #1


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Vier von fünf jungen Deutschen glauben an die Liebe fürs Leben. Träumen wir von einer unmöglichen Idee?



Es ist schon die dritte Frau, die mein Freund Johann die »Liebe seines Lebens« nennt. Ich stelle die Umzugskisten auf dem Boden ab und gebe ihr kurz die Hand. Sie ist sehr hübsch: groß und schlank, ihre dunklen Haare trägt sie wie Ally McBeal, nur die Augen sind irgendwie … rot. Und geschwollen. Sie sieht mich kaum an. Johann hat schon damit angefangen, seine Sachen in Kisten zu packen. Wir schrauben Lampen ab, räumen Regale aus, trennen die Waschmaschine vom Wassernetz. Damit wir seine Sachen von ihren unterscheiden können, hat er sie mit kleinen grünen Aufklebern versehen, sogar die Suppenlöffel und das Geschirr. Ally McBeal hilft uns nicht, sie sitzt auf einem Wohnzimmerstuhl. Der Stuhl trägt ebenfalls einen grünen Punkt. Ich bin mir sicher, dass sie anfangen wird zu weinen, wenn sie von diesem Stuhl aufstehen muss, weil der auch mit soll. Ich bin mir auch sicher, dass ich sie nicht darum bitten werde aufzustehen.

Wann immer Johann eine Frau die »Liebe seines Lebens« genannt hat, stand am Ende dieser Liebe eines: der Umzugswagen vor der Tür. Seine verdammte Waschmaschine habe ich schon aus drei Wohnungen geschleppt, dreimal musste ich Frauen wie Ally McBeal bei dem krampfhaften Versuch zusehen, beim Abschied nicht zu heulen. »Ich war mir sicher, Mann. Ich war mir so sicher: Das ist die Frau für die Ewigkeit«, flüstert Johann mir zu, als wir die Waschmaschine im zweiten Stock kurz abstellen, um Luft zu schnappen. Ich stöhne. »Das warst du jedes Mal. Vielleicht ist genau das dein Problem.«

Irgendwie träumen fast alle davon, dass es auf dieser Welt den perfekten Partner für sie gibt: 90 Prozent aller jungen Deutschen wollen laut einer repräsentativen NEON-Umfrage heiraten und mit ihrem Partner alt werden – wenn sie nicht schon verheiratet sind. Vier von fünf Befragten sind davon überzeugt, dass die große Liebe irgendwo auf sie wartet. Aber eigentlich ist völlig unerklärlich, woher diese Überzeugung kommt: In der Hälfte aller Ehen geht ein Partner fremd – und die Zahl der Frauen, die sich auf Seitensprünge einlassen, ist kaum niedriger als die der Männer. Die Heiratsrate sinkt stetig, die Zahl der Scheidungen hat sich in den vergangenen 30 Jahren fast verdoppelt. Viele wechseln ihre Beziehungen häufiger als ihren Freundeskreis, jeder dritte Dreißigjährige hatte schon S. mit mehr als fünf Partnern – und wer stolz erklärt, von Jugend an immer mit demselben Menschen zusammen zu sein, wird eher als Sonderling betrachtet als für sein Glück bewundert. Also warum glaubt überhaupt noch jemand an die ewige Liebe?

Und warum, zur Hölle, muss mein Freund Johann jedes Mal sofort und mitsamt Waschmaschine mit einer Frau zusammenziehen, wenn er glaubt, dass es die Frau fürs Leben ist? Wir sitzen im Umzugswagen. Jedes Möbelstück hinten auf der Ladefläche trägt einen grünen Punkt. Johann erzählt davon, wie schwer es war, zusammen mit Ally McBeal zu entscheiden, wer welches Stück des eben erst gemeinsam eingerichteten Hausstands bekommt. Wie mühsam die Gespräche darüber waren, wer ausziehen muss, wer bleiben darf. Wer Schuld hat. »Man fühlt sich wie ein Versager, wenn man ein Versprechen wie ›Ich liebe Dich‹ nicht einhalten kann.«

Dass wir eine sehr romantische Vorstellung von der Liebe haben, ist erst mal nicht überraschend. Wir bekommen ja nichts anderes beigebracht. Von Shakespeares »Romeo und Julia« bis zu »Pretty Woman«, von Elvis Presleys »Can’t Help Falling In Love« bis zu Kanye West oder Madonna oder Belle Sebastian, auch jede Telenovela oder Seifenoper im Fernsehen und so ziemlich jedes Buch erzählen uns dieselbe Geschichte: die von der großen Liebe. Unsere Wirklichkeit ist überzuckert mit Träumen von absoluter Erfüllung und völliger Harmonie – aber die Geschichten hören auch immer dann auf, wenn sich die Liebenden endlich gefunden haben. Wie sie dann zusammen klarkommen – ob Richard Gere und Julia Roberts miteinander streiten oder einander verzeihen können … ob sich Elvis mit diesem Mädchen, das er gerade noch so leidenschaftlich angesungen hat, auf ein gemeinsames Ikea-Bett einigen kann – wir wissen es nicht. Es sind so schöne Geschichten. Wir glauben sie einfach und fragen nicht weiter. Die ewige Liebe ist die schönste Lüge der Welt.

Diese Lüge gibt es noch gar nicht so lange – über Jahrhunderte haben Menschen ganz anders zusammengelebt. »Nichts ist schändlicher, als seine Frau wie eine Mätresse zu lieben«, erklärte der Römer Seneca. Sein Prinzip galt vom Altertum bis ins späte Mittelalter. Männer wählten sich eine Geliebte oder gingen zu Prost., das S. der Frauen war nicht von Interesse. Bis ins 20. Jahrhundert galt das Miteinander von Mann und Frau vor allem als Versorgungsmodell für schlechte Zeiten – die Ehe war ein Zweckbündnis, körperliche Erfüllung suchte man sich, wenn überhaupt, woanders.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwarfen deutsche Dichter und Philosophen die Idee der romantischen Liebe. Der Schriftsteller Friedrich Schlegel beschrieb im damals skandalösen Roman »Lucinde« eine Beziehung, in der s.uelle Anziehung und leidenschaftliches Gefühl zusammenfallen: »Wenn man sich so liebt wie wir, kehrt auch die Natur im Menschen zu ihrer ursprünglichen Göttlichkeit zurück«, fordert Lucindes Geliebter Julius – in der höfischen Dichtung wäre die Verbindung von Lust und Liebe noch undenkbar gewesen. Zum ersten Mal wird die Liebe zur einzig berechtigten Begründung für die Ehe. Und Treue ist selbstverständlich: »Deine Liebe«, spricht Julius, »kann nicht ewiger sein als die meinige.«

Ungefähr so hat mein Freund Johann auch das Herz von Ally McBeal gewonnen. Er hat sie bequatscht. Er hat sie in eine romantische Welt geträumt. Und sich selbst dazu. »Wie sollte eine Beziehung auch sonst funktionieren? «, fragt Johann, als ich ihn auf das Bügelbrett hinweise, das ihm einst eine andere »Frau fürs Leben« geschenkt hat – und das er jetzt bei Ally McBeal zurücklässt. »Soll ich einer tollen Frau erklären: ›Hey du, an die ewige Liebe glaube ich nicht. Willst du trotzdem mit mir zusammen sein … so lange es eben gut geht?‹« Für eine Sekunde würde ich ihm das gerne empfehlen, aber ich sage nichts. Er schaut mich an. »Sie würde sich kaum auf mich einlassen, oder?« Er hat Recht. Wir wollen alle angelogen werden.

Wer ist schon so abgebrüht, eine Liebesbeziehung auf Zeit einzugehen – ohne den Glauben an die Ewigkeit? Das Problem ist, dass die Wirklichkeit kaum Schritt halten kann mit unserer Idee von Liebe. Der Dresdner Soziologe Karl Lenz spricht von der »Maßlosigkeit der romantischen Liebe« und wie wenig sie Rücksicht nimmt auf »praktische, existenzsichernde Notwendigkeiten des Lebens«. Da ist Zeit, die man für sich alleine braucht oder für seine Freunde. Da sind eigene Hobbys. Stress. Dann sind da die Dinge, die man am anderen zunächst nicht bemerkt hat: dieser komische Mundgeruch nach dem ersten Kaffee. Wie komisch er grunzt beim S.. Die Haare im Abfluss der Badewanne. Und dann sind da noch: das hübsche Lächeln der Barfrau. Oder die Erinnerung an den Exfreund. Es gibt unendlich viele Gründe dafür, warum eine Liebe eigentlich auf keinen Fall gut gehen kann. Und selbst wenn ein Paar all diese Hürden nimmt, ist da noch der tödlichste Killer der Liebe: die Gewohnheit.

Sozialwissenschaftler weisen auf Bruchstellen hin, die entstehen, wenn das romantische Ideal mit der Wirklichkeit moderner Menschen kollidiert. Für die Liebe gelten heute keine Regeln mehr, jeder kann seine Beziehung selbst definieren – enger, offener, zarter … alles ist denkbar, jeder wie er mag. Dieses Prinzip der Individualität widerspricht der Idee der Dauerhaftigkeit. Denn sobald einer der Partner entscheidet, dass eine Beziehung doch nicht seinem persönlichen Ideal entspricht, kann er sie wieder aufkündigen. Wir pochen auf Freiheit und Selbstbestimmung, setzen uns dabei aber hohe Hürden: Je mehr wir versuchen, das Ideal einer romantischen Liebe zu leben – desto unfähiger werden wir, Liebe auf Dauer zu erleben. Ein unlösbarer Widerspruch.

Die Liebe hat heute mehr denn je den Anspruch, wahrhaftig zu sein – auch aus diesem Grund funktioniert sie so selten. Wenn wir uns nur von einem aufregenden Moment hinreißen lassen oder heimlich für einen anderen Menschen als unseren Partner schwärmen …es zerstört bereits das Ideal, von dem wir doch gerade noch so überzeugt waren: Für 65 Prozent der von NEON befragten Personen beginnt Fremdgehen schon, wenn man einen anderen Menschen küsst, mit ihm flirtet oder nur an einen Seitensprung denkt.

Zwei Monate, nachdem sie zusammengezogen waren, hat Ally McBeal meinen Freund Johann nachts geweckt. Sie kam von einer Party, sie war betrunken und sie gestand ihm auf der Bettkante, dass sie ihn an diesem Abend mit ihrem Ex-Freund betrogen hatte. »Weil sich bis dahin alles so richtig angefühlt hat, wollte ich ihr verzeihen «, erklärte mir Johann damals. Aber irgendwie … es ging nicht.

Wir wagen alle ein gigantisches Experiment. Immer wieder. Wir versuchen, so zu leben, wie es sich eine Hand voll Dichter und Träumer ausdenkt. Wir wollen absolut lieben, drunter machen wir es nicht. Bei den Idioten aus »Dirty Dancing« und »Titanic« hat es auch geklappt … warum nicht bei uns? »Johann«, frage ich, »was gibt dir diese Sicherheit, immer wieder an dein Glück zu glauben? Da war die Kölnerin mit den großen Vorderzähnen. Immerhin drei Jahre… aber dann: ihr Putzfimmel. Dann die angehende Diplomatin aus Moldawien, die sich für dich scheiden lassen wollte, ehe du sie mit diesem Dresdner Hippiemädchen betrogen hast. Auch wenn diesmal Ally McBeal Schuld an eurer Trennung hat – du hast es oft genug selbst durchtrieben. Ich hab dir heute zum dritten Mal geholfen, deine Waschmaschine aus einer Wohnung zu tragen … bitte, lass dir beim nächsten Mal ein bisschen Zeit …«

Johann nickt und zitiert Stendhal: »Die Liebe gleicht einem Fieber; sie überfällt uns und schwindet, ohne dass der Wille im Geringsten beteiligt ist.« »Damit hast du bestimmt schon ein paar Frauen rumgekriegt.« »Stimmt. Das Hippiemädchen.«

Text: Michael Ebert und Oliver Stolle

22.12.2005 14:02 • #2




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