Na geh, da ist man noch beim Frühstück und hier gehts schon wieder rund.
Zitat von Amyontour:meine deeskaliernde Art und mein Mitgefühl muss ich jetzt erstmal zur Seite schieben. Ich muss diese Eigenschaften ja nicht verlieren, momentan helfen sie mir aber nicht.
Weiß gar nicht, ob das wirklich so stimmt. Warum nicht auch aus Mitgefühl handeln? Es ist ja noch immer nicht ganz klar, wie die Diagnose von Ex so ausschaut und ich kann das auch nur bedingt beurteilen, bin ja nicht vom Fach. Aber ich würde schon denken, daß im besten aller Fälle, dem ja auch geholfen werden soll. Eine Form der Hilfe, ist sicherlich, daß Ihr Euch jetzt schützt. Will sagen, jede Maßnahme die Du jetzt zu Eurem Schutz ergreifst, hilft in der Konsequenz auch ihm.
Stell Dir mal vor, nach langem hin und Her würde dem geholfen und dann muß er sich auch noch mit der Erkenntnis rumschlagen, Euch wirklich körperlich angegriffen zu haben. Nicht schön.
Dein Mitgefühl ist eigentlich überhaupt nicht verkehrt. Weil alle Maßnahmen, die Du jetzt ergreifst, nicht gegen ihn gerichtet sind, sondern auch ihm zu Gute kommen. Schützt Du Euch, schützt Du auch ihn vor den Auswirkungen seiner momentanen Eingeschränktheit.
Auch Deine deeskalierende Art ist eine richtige. Der hat also keine Kohle aus der Kasse genommen im Laden. An der Stelle und irgendjemand hat das schon angemerkt (kontra?), verfügst Du über eine wirklich gutes Bauchgefühl. Was im Grunde ja auch der gestrige Abend gezeigt hat. Deine Antennen funktionieren ziemlich gut. Ich fände es schön, wenn wir da schauen, inwieweit wir das noch stärken können.
Deine deeskalierende Art ist im Übrigen auch etwas, was bei den jeweiligen Behörden Dir zumeist mehr Gehör verschaffen wird. Die Angst, daß Dir keiner glauben könnte, kann ich richtig gut verstehen. Bist Du Dir sicher, daß das Angst ist? Meiner Erfahrung nach ist es eher eine Form von Irritation, ein tiefes Gefühl der Unsicherheit in der Fähigkeit eine Situation zu beschreiben und einzuordnen. Ich denke, Du bist schlau genau, zu wissen, woher das kommt. Ist halt so, daß psychische Labilität alle betrifft, eben auch die, die drumherum stehen.
Was mir da am Anfang ganz gut geholfen hat, ist beschreiben von einordnen zu trennen. Das ist nicht ganz leicht in der Umsetzung, insbesondere weil es für Angehörige in bestehenden Systemen, täglich Brot ist, Einordnungen zu treffen, um dann vermeintlich Gegenzusteuern. Das Liebes, ist aber nicht mehr Dein Job. Und jedes Mal, wenn Du Dich dabei erwischt, den wieder machen zu wollen, sagst Du Dir einfach, daß Du dafür über nicht die richtige Ausbildung hast . Die Einordnung kannst und darfst Du jetzt Leuten vom Fach überlassen. Versuch einfach, Dich auf das Beschreiben zu konzentrieren. Nur hinschauen, was gerade ist. Dabei kann Dir die deeskalierende Art Hilfe sein, weil sie Ruhe rein bringt.
Womit wir eigentlich auch bei @Sohnemann sind. Hätte man natürlich jetzt auch anders formulieren können, aber der Grundgedanke ist kein falscher. Nein, nicht die Frage nach dem Warum. Das muß Ex für sich selbst klar kriegen, so er kann und will. Aber er spricht etwas an, was uns noch einmal zur Unterscheidung von beschreiben und einordnen bringt. Ich glaube nicht, daß @Sohnemann Dich angreifen wollte oder weiter verunsichern, er hat einfach nur Unbehagen über die verschiedenen Einordnungsversuche zum Ausdruck gebracht.
Es ist nicht Dein Job oder meiner darüber zu urteilen, welche From und Art der Unterstützung Ex braucht. Das ist zunächst Aufgabe von Ex, ja auch wenn dessen Einsichtsfähigkeit offensichtlich nur bedingt gegeben ist, so ganz können wir ihm das ja nicht absprechen und darüber hinaus ist es Job, der Leute, mit denen Du jetzt zusammenarbeitest.
Es klingt ein bißchen verrückt, aber das hat eben etwas mit der Verrückung der Situation zu tun, aber es geht darum, Kontrolle abzugeben und Kontrolle wieder zu erlangen. Schau mal, ist ein bißchen so wie Ex im Laden, unser erstes Gefühl hält das für eine reine Machtdemonstration. Im Grunde aber war es Demonstration absoluter Ohnmacht. Ex scheint auf nicht zu akzeptierende aber sehr verzweifelte Art und Weise, das alte System wiederherstellen zu wollen. Die Mittel, die er dazu nunmehr wählt, sind aber völlig ungeeignet, das Ziel zu erreichen. Das ist keine Macht, das ist Ohnmacht.
So ist das auch mit Kontrolle. Die Dinge und Aufgaben, die Du im System übernommen hast, waren wichtig zur Aufrechterhaltung, da war missverstandene Hilfe, Abwiegelung, Kampf um Fortbestand dessen, was ja eigentlich schön war etc Jetzt ist das aber alles verändert. Die Trennung hat das verändert und jetzt wird ganz viel von dem sichtbar, was halt vorher schon problematisch war.
Deine Aufgabe ist sichtbar machen und das Sichtbare zu dokumentieren. Die Einordnung dessen erfolgt jetzt aber in einem Team. Du Mut nicht entscheiden, ob sein Verhalten für eine EV reicht, das macht der Anwalt. Du Mut nicht entscheiden, ob das, was Ex tut, schwerwiegend genug ist, um zur Polizei zu gehen. Sondern Du gehst hin berichtest und die entscheiden, was schwerwiegend ist. So bei JA, so bei Deinen Freunden, Nachbarn und allen, die Du mit ins Boot holst. Deshalb ist Unterstützung so wahnsinnig wichtig.
Sichtbar machen fühlt sich im ersten Moment, wie Kontrollverlust an, weil es so gegenläufig ist zu der Vertuschung und Schadenbegrenzung, welche Angehörige zum Teil jahrelang betreiben. Aber überleg mal, wenn Ex blutend mit offener Bauchwunde auf der Straße liegt, warum auch immer, dann zerrst Du den doch auch nicht heim, klebst ein Pflaster drauf und sagst, wird alles wieder gut. Nee, Du rufst nen Krankenwagen. Warum, weil Du kein Arzt bist. Genau so. Kontrolle abgeben, um Kontrolle wieder zu erlangen.
Es ist nicht (mehr) Dein Job einzuordnen. Es ist Zeit für Beschreiben, Sichtbarmachen und ganz viele Leute mit ins Boot holen, dann nämlich wird Dir und Deiner Tochter geholfen und vermutlich so gar Ex.
Fühl Dich geherzt.