Klarheit über die eigenen Gefühle - wie erreichen?

H
Hallo allerseits,

ich lese hier seit dem 19.7.15 mit - an diesem Tag hatte ich das erste Krisen-/Trennungsgespräch mit meinem (Ex-)Freund. Kurz zu uns: wir waren gut drei Jahre zusammen (er ist 48, ich 47). Wir haben jeweils eine gescheiterte Ehe hinter uns - und waren natürlich überzeugt davon, genügend daraus gelernt zu haben...

Die Noch-Frau meines Ex-Freundes hatte ihn in der Ehe ziemlich im Griff und hat ihn in eine Richtung verbogen, die er nicht wollte, was zu einer langen Leidenszeit bei ihm und schließlich Trennung seinerseits (nach Paarberatung) führte. Seine Noch-Frau hat dies, obwohl 2011 geschehen, bis heute nicht wirklich überwunden, weshalb er auch noch Schuldgefühle und ein gewisses Verantwortungsgefühl hat.

Bei mir war es so, dass ich mich meinem Ex-Mann ziemlich angepasst hatte, obwohl ich ihn, wie ich jetzt weiß, nach einer kurzen Verliebtheitsphase, nicht wirklich geliebt habe. Ich fand ihn toll, aber Liebe war das wohl nicht. Ich weiß jetzt, dass ich nicht wirklich glücklich war, aber ich hatte mich gut arrangiert. Daher bin ich auch aus allen Wolken gefallen, als er sich (für mich unerwartet, aber natürlich hatte ich die Zeichen, die dies andeuteten sehen wollen) Knall auf Fall von mir trennte - Grund: fehlende Liebe beiderseits, aha... Ich war erst mal sehr verzweifelt, dachte, mein Leben sei vorbei. Dabei hatte er mich nur aus meiner Komfortzone geworfen, in der ich mich so schön eingerichtet hatte mit Bequemlichkeit/Gewohnheit und vermeintlicher Zukunftssicherheit. Damals habe ich mir geschworen, nie mehr so vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Mir war das sehr wichtig, daher habe ich meinem Ex-Freund auch deutlich gesagt, dass ich, wenn irgendwelche Probleme in unserer Beziehung auftauchen, die Gefühle sich ändern etc. unbedingt darüber sprechen möchte.

Nach zwei sehr schönen Jahren (sehr harmonisch, wobei es mir jetzt ungut vorkommt, dass wir uns nie gestritten haben oder mal uneins waren) gab es immer wieder Momente, in denen ich Zweifel bekam, ob er mich noch liebt. Es gab keine liebevollen Gesten mehr, keine Kuss-Nachrichten mehr etc. etc. Dazu muss ich sagen, dass er mir nach einem halben Jahr gesagt hat, dass er mich liebt (das einzige Mal!) - ich habe dies jedoch nie zu ihm gesagt. Ich weiß immer noch nicht, warum - ob es nicht wahr gewesen wäre, oder ob ich zu gehemmt war?!

Immer, wenn ich in den späteren Momenten/Phasen, in denen ich an seiner Zuneigung zweifelte, nachgefragt habe, ob etwas nicht stimmt, kamen nur Gründe, die nichts mit unserer Beziehung zu tun haben. Das hat mich dann wieder eine Zeitlang beruhigt... bis zum nächsten unguten Gefühl.

Der Körperkontakt beschränkte sich irgendwann auch immer mehr, und ich fühlte mich zunehmend schlechter und unglücklich. Trotzdem wagte ich es nicht, wirklich mal eindrücklich nachzufragen, weil ich letztlich Angst vor einer Antwort hatte...

Nachdem der Leidensdruck für mich immer größer wurde, habe ich ihn am 19.7. darauf angesprochen, warum wir nur noch selten S** haben, worauf er nach ein wenig Rumdrucksen meinte, dass er mich seit ca. einem Jahr nicht mehr anziehend findet. Wir haben dann ziemlich ruhig geredet. Als erstes habe ich ihn natürlich gefragt, warum er mir das nicht vor einem Jahr gesagt hat. Er ich wollte Dich nicht verletzen und ich wollte mir erst mal selber darüber klar werden, was da passiert, ob es nur eine Phase ist. Letzteres nachvollziehbar, ersteres, nun ja. Er meinte, er habe zunehmend Liebe und Leidenschaft vermisst. Auf meine Nachfrage, ob er das auf sich bezieht, meinte er beiderseits. Dann gestand er mir, dass er vor ca. einem Jahr eine mehrwöchige Affäre hatte, in der er sich das holte, was er mit mir vermisst hat. Ist natürlich sehr verletztend und letztlich auch eine sehr schwache Art, mit dem Problem umzugehen, aber ehrlich gesagt kann ich ihn dafür nicht wirklich verurteilen. Komisch... Er hat die Affäre nach ein paar Wochen beendet, wohl aus schlechtem Gewissen gepaart mit der diffusen Hoffnung, dass wir uns wieder annähern.

Mir ist klar, dass die fehlende Anziehung meinerseits nur ein Symptom der zunehmende emotionalen Entfremdung ist, daher trifft mich das nicht wirklich in meinem Selbstwertgefühl. Ums jetzt doch mal bisserl abzukürzen: wir haben uns seitdem einmal getroffen und jetzt auch nochmal länger telefoniert. Das wohl erste Mal in unserer Beziehung haben wir wirklich offen über unsere Gefühle geredet! Sein Empfinden war, dass ich angefangen hatte, auf Distanz zu gehen (wenig Reaktion auf liebevolle Zeichen), worauf er wiederum mit Distanz reagierte. Diese wiederum verunsicherte mich - ich interpretierte sie als Wunsch nach mehr Distanz, worauf ich mich noch mehr zurück zog. Emotional, ansonsten waren wir weiterhin ein super Team - aber zunehmend auf freundschaftlicher Ebene. Und letztlich beide nicht glücklich darüber. Haben beide gespürt, dass eine wirklich tiefe Verbundenheit, eine absolute Verlässlichkeit und letztlich auch Vertrauen zu- und aufeinander zunehmend fehlte.

Wir haben uns also einvernehmlich getrennt. Es war auf jeden Fall erst mal die richtige Entscheidung. Ich kann es aber irgendwie noch gar nicht fassen, dass ich von einem Moment auf den anderen keinen Partner mehr habe. Ungläubigkeit/Nichtwahrhabenwollen gehört aber wohl zu den Trennungsphasen dazu. Fühle mich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert, manchmal bis zur vermeintlichen existentiellen Bedrohung (nicht materiell, eher emotional).

Wir mögen uns noch sehr, vermissen beide unsere Beziehungsgewohnheiten und betrauern den Verlust unserer gemeinsamen Zukunftsperspektiven. Dazu kommt bei mir wieder eine gewisse Zukunftsangst. Die aber hoffentlich mit zunehmendem Vertrauen in mich selbst und dass es noch viel Schönes für mich geben wird, wieder vergehen wird.

Ich will mich jetzt erst mal auf mich konzentrieren, Neues ausprobieren, Altes, was vielleicht ein wenig zu kurz gekommen ist in der Beziehung, wieder aufleben lassen. Auch wenn ich dafür viel Energie aufbringen muss - ist halt alles leichter und irgendwie unbeschwerter, wenn man das vor dem Hintergrund und in der Geborgenheit einer schönen Partnerschaft machen kann.

Was mich nun sehr beschäftigt: warum habe ich mich (für mich absolut unbewusst aber für ihn deutlich wahrnehmbar!) von ihm distanziert? Ich weiß zwar, dass ich ihn im Gegensatz zu seiner Noch-Frau nicht einengen und vereinnahmen wollte - und schon gar nicht klammern. War vielleicht zuviel Abgrenzung, da bleibt letztlich das Wir-Gefühl, das parallel entwickelt werden sollte, auf der Strecke. Aber warum war ich nicht fähig (oder willens?) ihm meine Liebesgefühle zu sagen und zu zeigen? Nur aus Angst, ihn zu sehr zu bedrängen und unter Druck zu setzen?

Ich habe grad so wenig Zugang zu den Gefühlen meinem Ex-Freund gegenüber. Wenn man mal die oben genannten Gefühle des offensichtlichen Verlustes (Geborgenheit, Zukunft etc.) außer Acht lässt, was bleibt? Ich mag ihn sehr, vermisse ihn - aber liebe ich ihn noch? Habe ich ihn jemals wirklich geliebt (nach der schönen Verliebtheit)? Ich würde mir so gerne klar darüber werden, um mir selbst mein Verhalten ihm gegenüber erklären zu können.

Fang ja trotz aller gelegentlichen Verzweiflung über die Trennung schon an zu zweifeln, ob ich überhaupt wirklich wirklich liebesfähig bin? Ich sehne mich nach Innigkeit, Verlässlichkeit, tiefem Vertrauen zueinander, aber auch leidenschaftlicher Liebe... Warum kann ich das nicht in dem Umfang leben, wie ich das Bedürfnis danach habe? Oder schätze ich das Bedürfnis falsch ein? Oder weiß ich einfach nicht, wie ich das ausleben kann? Ihr merkt, ich bin echt verwirrt...

Ich danke schon mal allen, die diesen Roman überhaupt gelesen haben. Ist sooo schwer, die ganze Flut an Gedanken und Gefühlen, die in dieser Situation auf einen einprasseln, in möglichst wenig Worte zu packen. Auf die Gefahr, dass manches nicht so rüberkommt wie gemeint oder empfunden...

29.07.2015 21:45 • #1


Hey
Ersteinmal Kompliment, du hast einen sehr klaren und gefälligen Schreibstil, alles sehr nachvollziehbar niedergeschrieben

Rein intuitiv vermute ich, dass deine Verwirrung darüber, warum du etwas distanziert und zurückhaltend geblieben bist, etwas mit seiner Intransparenz zu tun hat, die du als solche vielleicht gar nicht wahrgenommen hast oder gar nicht wahrhaben willst.

Ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass jemand, der so strukturiert und bewusst wie du klingt, mit Blindheit geschlagen ist, außer er wird 'für dumm verkauft', sorry

Er hat vor ca. einem Jahr fremdgev****t ? Dann hat er es nach einigen Wochen beendet? Er? Aha. Und seit dem findet er dich nicht mehr anziehend, obwohl er in eure Beziehung zurück kehren wollte? Und Schuld an seinem Ausflug war dein Verhalten, weil du nicht mehr so auf kleine Zeichen reagiert hattest? Soso.

Also für mich klingt das nach einem geschickten Versuch, dich an deinen Schuldgefühlen zu packen, um nicht selbst in die Verantwortung genommen zu werden und (noch immer) nicht mit offenen Karten spielen zu müssen

Nicht du hast versagt sondern er. Und dass er ein Pokerface hat, beweist sein doppeltes Spiel und dich ein Jahr ahnungslos zu lassen.

Frag' dich mal, ob diese Selbstzweifel hinsichtlich Beziehungsfähigkeit, etc. wirklich zu dir passen und deins sind, oder ob du nicht eventuell doch manipuliert wirst - wie bereits ein ganzes Kalenderjahr zuvor

Meine Version seiner Geschichte ist, dass er von seiner Affäre abserviert wurde. Weitere Details 'meiner Version' möchte ich dir lieber ersparen. Aber da stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Zumal mit jemandem, der so ein falsches Spiel spielen konnte, ohne dass du etwas geahnt hast. Geht ja wohl GAR NICHT. Werd' mal langsam bisschen wütend!

30.07.2015 17:08 • #2


A


Klarheit über die eigenen Gefühle - wie erreichen?

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H
Oh, es hat doch noch jemand geantwortet - danke!

Seine damalige Affäre war übrigens verheiratet samt zweier Kinder und wollte wohl mal aus ihrem Ehealltag ausbrechen. Warum sollte ich ihm nicht glauben, dass er es beendet hat? Er hätte sich ja gleich wieder in die nächste Affäre stürzen können, wenn die erste ihn tatsächlich abserviert hat, oder?
Dass er das nicht getan hat, dessen bin ich sicher... Ob dafür die Schuldgefühle zu groß waren, oder ob er wirklich glaubte, unsere Beziehung retten zu können, weiß ich nicht. Aber für letzteres hätte er halt auch endlich mal mit mir reden müssen. Also letztlich ganz schön inkonsequent von ihm. Hat aber auch nicht viel davon gehabt - das letzte Jahr war ja für ihn auch nicht wirklich schön.

Es ist jetzt nicht so, dass ich Schuldgefühle habe, ihn in die Arme dieser Frau getrieben zu haben, weil uns Liebe und Leidenschaft (warum auch immer) in der Beziehung abhanden gekommen ist. Denn wie er mit diesem Zustand (der letztlich uns beide belastet hat) umgegangen ist, liegt ja letztlich in seiner Verantwortung!

Er hat den feigen, erbärmlichen Weg gewählt - anstatt mit mir zu reden. Letzteres ist natürlich nicht leicht, aber es wäre der respektvollere und ehrlichere Weg gewesen. Insofern klingt natürlich die Erklärung Ich wollte Dich nicht verletzen ziemlich mau.

Vielleicht will ich ja auch nicht wahrhaben, dass er überhaupt solche Seiten an sich hat. Alle Freunde, denen ich von unserer Trennung und den Umständen erzählt habe, fielen aus allen Wolken, weil sie das nie nie nie von ihm gedacht hätten. Er ist eher sanft, künstlerisch veranlagt, wirkt unheimlich sympathisch, natürlich und lieb, wenn ich das mal so formulieren darf. Trotzdem selbstbewusst und in sich ruhend sozusagen.
Bis zum ersten wirklich offenen Gespräch zwischen uns hätte ich Stein und Bein geschworen, dass ich alle Seiten von ihm kenne - da habe ich mich wohl getäuscht.

Warum aber wollte er so eine lieblose Beziehung weiterführen? Nur Bequemlichkeit, Gewohnheit, vermeintliche Sicherheit etc. kann es nicht sein, denn die hatte er mit der Trennung von seiner Nochfrau auch aufgegeben, um wieder glücklich zu werden. Wie lange hätten ausschließlich unsere sehr freundschaftlichen Gefühle, die Vertrautheit, die schönen gemeinsamen Erlebnisse das Ganze noch getragen? Bis die nächste Affäre sich ergibt oder er sich gar ernsthaft verliebt? Das kommt mir grad so dermaßen blöd vor, dass ich lachen muss

Ich glaub' langsam, ich rede mir das alles immer noch irgendwie schön. Ich glaube ihm und merke es ihm auch an, dass er auch unter der Situation leidet und um die Beziehung trauert, sozusagen. Aber letztlich sollte ich versuchen, einen unverstellten Blick auf die Gesamtheit der Person zu bekommen. Klingt sehr analytisch und nicht wirklich romantisch. Aber ich hab' wohl bislang nur eine Teilpersönlichkeit wahrgenommen. Ob ich diesen Menschen mit all seinen Seiten, also vollumfänglich überhaupt lieben kann?

Wow, ich komme, obwohl ich quasi pausenlos alles im Hirn hin und her wälze, was mir dazu in den Sinn kommt, doch immer wieder auch auf neue Gedankengänge, die mich total umhauen! Wie weit Selbsttäuschung doch gehen kann.

31.07.2015 00:28 • #3


H
Übrigens habe ich durchaus seit einem Jahr immer wieder sehr ungute Gefühle und auch richtige Verzweiflungsphasen gehabt. Aber der Leidensdruck war nicht groß genug, bzw. meine Feigheit und Angst vor der Antwort war größer - so dass ich nie wirklich vehement nachgefragt habe.
Hätte er mich diesbezüglich arglistig in Sicherheit wiegen wollen, hätte er es aber wesentlich geschickter anstellen müssen

31.07.2015 00:39 • #4


H
Und somit komme ich weg von der Frage, ob ich überhaupt lieben kann, ob ich ihn noch liebe bzw. geliebt habe zur Frage Was will dieser Mann überhaupt? Ist vielleicht wenig zielführend, weil es mir letztlich egal sein kann - viel wichtiger ist, was ich will -, aber ich würd's wirklich gerne verstehen...

31.07.2015 00:42 • #5


Hippo
Ich schlage eine Partnerberatung vor, denn bei Euch scheint einiges im Argen zu sein. Toll, wenn Ihr beide dazu bereit wärt. Es muss da einfach alles auf den Tisch... Belügt Euch nicht selbst. Ihr seit sehr geprägt durch ältere und lange Beziehungen. Da hat man häufig den Kopf nicht frei und entwickelt Ängste, wo keine sein sollten.

31.07.2015 00:53 • #6


H
Ich frag' mich grad, ob für eine Partnerberatung überhaupt noch genug Substanz bei uns vorhanden ist. Aber diesbezüglich schwanke ich ja grad noch sehr extrem zwischen ja, es gibt noch eine Chance für uns und hm, ich glaube nicht, dass ich ihn überhaupt noch will. Mal überwiegt das Eine, mal das Andere. Je nachdem, welche Art Trennungsschmerz grad am meisten drückt (also Angst vor Einsamkeit, Vermissen des Partners, Vermissen der vermeintlichen Sicherheit etc. etc.).

Er hatte übrigens mit seiner Nochfrau eine Partnerberatung, bevor es zur Trennung kam. Er meinte, er ist nur ihr zuliebe hingegangen, weil er definitiv wusste, dass nichts mehr zu retten ist. Insofern wäre eine diesbezüglich Anfrage meinerseits und seine Antwort darauf vielleicht schon ein Indiz dafür, wieviel Hoffnung auf Wiedervereinigung er überhaupt hat... Auch wenn es bei einer Partnerberatung nicht darum geht, sondern um Klarheit und eine Entscheidung.

Wir stehen ja noch in Kontakt, sehen uns auch noch und haben noch ein paar gemeinsame Aktivitäten vor uns, auf die wir nicht verzichten wollen. Ich erhoffe mir von diesen Begegnungen mehr Klarheit über meine Gefühle. Sollte ich allerdings merken, dass es mir nicht gut tut und ich leide, werde ich den Kontakt erst mal komplett einstellen.

31.07.2015 01:14 • #7


H
@Hippo
Ich glaube übrigens, Du hast sehr recht mit Deiner Einschätzung, dass wir durch unsere vorherigen Beziehungen sehr angstbehaftet sind und daher beide (!) bis auf die Verliebtheitsphase nicht wirklich authentisch in der Beziehung waren.

31.07.2015 01:17 • #8




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