Ufff, habe mich gerade ein wenig durch diesen Thread gearbeitet und es liest sich alles seeeehr anstrengend. Schwierige Familienverhältnisse, untaugliche Männer, schwierige Kinder mit Diagnosen, die ich noch nie gehört habe.
Ist egal, eigentlich habe ich dazu nichts zu sagen, mangels Erfahrung und mangels eigener Kinder und mangels psychologischer Kenntnisse.
Es ist unglaublich, was Mütter wie PuMa alles schaffen und bewältigen (müssen) und doch nie aufgeben und verzagen! Meine ausdrückliche Hochachtung von Euren Leistungen und Euerer steten Sorge um die Kinder! Das wollte ich jetzt nur mal sagen.
Familie ist ja immer ein wenig schwierig und über jeder Familie hängt ein Kreuz, habe ich mal gelesen. Es scheint zu stimmen, nur dass die Kreuze offenbar unterschiedlich groß sind.
Ich möchte Euch eine Geschichte erzählen, die Euch vielleicht ein wenig aufbaut und Trost spendet.
Es geht um einen meiner Cousins. Theo wuchs in den ersten Lebensjahren mit Vater und Mutter auf. Die Eltern des Vaters, der der jüngste Sohn der Familie war, waren gegen die Ehe. Die Frau war geschieden und hatte nicht den allerbesten Ruf. Es half natürlich nichts, es wurde geheiratet und bald kam das erste Kind, eben Theo.
Als Theo drei Jahre alt war, kam der Vater mit seinem Sohn und stand bei seinen Eltern (meinen Großeltern) vor der Tür. Er brauchte einen Unterschlupf denn er kam drauf dass ihn seine Frau mit ihrem Ex. wohl betrogen hatte.
Er packte das Nötigste, nahm sein Söhnchen und suchte ein neues Zuhause.
In der Wohnung war noch ein relativ geräumiges Zimmer frei, wobei die Zimmer in dem Haus aus den 50iger Jahren nicht geräumig sind.
Dort zog er ein, mit Theo. Zwei Betten, ein Schrank, ein Ofen, das Nötigste halt. Der Vater arbeitete und das Söhnchen wurde in erster Linie von den Großeltern erzogen und schlief die erste Zeit bei ihnen im Bett. Er war ein Schreikind und brüllte Tag und Nacht. Die Großeltern waren dem kaum gewachsen und der Vater kümmerte sich viel zu wenig um seinen Buben. Er ging nach der Arbeit lieber aus als nach Hause und so wuchst Theo alles in allem wohl sehr einsam auf.
Ein Glück war, dass meine Familie im OG wohnte und meine Schwester ziemlich das gleiche Alter wie Theo hatte. Ich war 4 Jahre älter und selbst noch ein Kind. Es hat mich nicht so sonderlich interessiert und vieles erfuhr ich nicht. Aber mit meiner Schwester spielte Theo täglich.
Ich kann nicht sagen, ob Theo überhaupt noch eine Verbindung zu seiner Mutter hatte oder ob er sie regelmäßig sah. Das weiß ich nicht und ich habe es nie erfahren.
Theo war selbstredend ein schwieriges Kind. Mit 3 Jahren von der Mutter entfernt und ein Vater der sich zu wenig kümmerte. Theo hätte viel, viel Liebe gebraucht und die Liebe der Großeltern reichte da natürlich nicht aus.
Theo wuchs heran, spielte viel mit meiner Schwester und zeigte oft seltsame Verhaltensweisen.
Er hatte die Angewohnheit, oft mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, ein klarer Fall von Selbstverletzung. Und er warf sich öfters am Tag auf den Boden. Wenn er einschlafen sollte, wiegte er sich im Bett von einer Seite auf die andere, in einem unglaublichen Tempo. Das ist ein Anzeichen von Hospitalismus, wie ich später erfuhr.
Kinderpsychologen gab es damals nicht, ein anderes Scheidungsrecht auch und wenn Jemand nicht mehr weiter wusste, ging er schamerfüllt zum Nervenarzt und ließ sich Beruhigungsmittel verschreiben. Theo wurde nie ärztlich betreut und erfuhr nie eine besondere Förderung. Das alles gab es damals nicht oder ich wusste einfach nichts darüber. Ich war ja selbst noch Kind, was interessierte mich das?
Oft stellte er seinem abwesenden Vater ein Schälchen mit Obst auf den Nachttisch - es war wohl seine Art, um Liebe zu betteln, die ausblieb.
Die Schule schaffte er, wie, weiß ich nicht. Ich war überzeugt, dass Theo später mal ein Verbrecher oder so was werden würde. Mein Vater, Leiter der Lehrlingsausbildung in einer großen Fima, verschaffte ihm eine Lehrstelle und Theo schaffte auch die Lehre und er muss sich gar nicht so dumm antgestellt haben. Später arbeitete er in dieser Firma und so weit ich weiß, arbeitet er noch immer dort.
Wozu erzähle ich Euch das, die Ihr selbst so belastet seid? Und oft überfordert. Und manchmal hoffnungslos und ausgelaugt.
Die Geschichte über Theo geht noch weiter. Theo wurde in der Jugendzeit ruhiger. Seine Tendenz zur Selbstverletzung legte sich, auch sein Sich-auf-den-Boden-Werfen wuchs sich irgendwann aus. Er hatte relativ früh eine Freundin, die meine Oma nicht mochte. Die blonde Hexe, sagte sie öfters.
Noch recht jung wurde die blonde Hexe schwanger und Theo heiratete. Keiner glaubte wohl so recht daran, dass das was werden würde.
Aber es wurde. Theo wurde Vater von drei Töchtern, er ist immer noch mit der blonden Hexe verheiratet, geht seiner Arbeit nach, baute das Haus seiner Schwiegereltern aus und lebte sein Leben. Er spielte viel und gerne Tennis und war recht sportlich.
Zu seinem Vater hatte er, obwohl der ihm eine Zeitlang beim Bauen sehr unterstützte, in den letzten Jahren kein gutes Verhältnis mehr. Der Vater hatte sich einfach viel zu wenig um das Söhnchen gekümmert und die Beziehung war wohl zerrüttet, sodass sie sich lange Zeit nicht sahen. Der Vater verstarb mit knapp über 70 an einem plötzlichen Herzversagen. Er war einfach umgefallen. Theo wirkte darüber nicht sehr erschüttert oder traurig.
Und jetzt ist die Geschichte zu Ende. Ich wollte Euch damit nur eines sagen: Auch sehr schwierige und besondere Kinder, die nicht so recht in ein Schema passen und oftmals die Regeln sprengen , die Tendenzen zur Selbstverletzung haben, müssen als Erwachsene nicht scheitern. Sie können wie Theo eben auch in ein geordnetes Leben finden, Familien gründen, Kinder aufziehen und arbeiten und ein gutes Leben haben
Das wollte ich Euch nur sagen, weil es gerade zum Thema passt.
06.08.2021 11:51 •
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