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Mein Trennungsreview - bis jetzt

R
Vorneweg,

Danke an dieses Forum und alle aktiven und passiven User die sich hier austauschen und teilweise sogar verantwortlich fühlen. Es hat mir besonders in der Anfangsphase so sehr geholfen nicht alleine zu sein und ich konnte mich in so vielen Schicksalen zumindest in Varianten wiederfinden.

Der Text ist leider sehr lang geworden, ich musste das aber mal loswerden, evtl. erkennt sich der ein oder andere und es hilft.

Da meine Trennungsgeschichte den meisten anderen in vielen Bereichen ähnelt lasse ich das mal weg und konzentriere mich lediglich auf meinen bisher zurückgelegten Weg zurück ins Leben und wie ich die einzelnen Verarbeitungsphasen in den 2,5 Monaten empfunden habe.

Trennung

Überraschend, Fassungslos, Schockzustand. Das trifft es wohl recht zuverlässig. In diesem Moment bricht nicht nur die Beziehung in sich zusammen. Mir kam es vor als hätte sich der Boden geöffnet und ich bin nahtlos in den freien Fall übergewechselt. Alles woran ich bislang geglaubt hatte, mein ganzer Antrieb, Zukunftspläne und das wofür ich meine Hand und mehr ins Feuer gelegt hätte, sind oben geblieben und haben mir nach gewunken.

Die ersten 1-2 Tage war ich wie im Schockzustand, keine Trauer, keine Träne, komplette Leere. Nachdem ich realisiert habe was da gerade passiert ist, unwiederbringlich und endgültig, haben mich Emotionen überrollt die ich so in meinem Leben noch nie gespürt habe. Tatsächlich hat mein Körper physisch auf den psychischen Schmerz reagiert. Nichts ging mehr. Essen, Film schauen, Musik hören, lesen, irgendetwas machen. Keine Chance. Abends war mein Körper so erschöpft, dass ich wenigstens schlafen konnte. In dem Augenblick in dem ich morgens die Augen aufgemacht habe war der Schmerz wieder so tief dass ich teilweise bereits mit Tränen in den Augen ins Bad gewankt bin. Den Stein den ich heute noch im Magen rumtrage und ab und an spüre, war damals ein ganzer Felsen.

Ich weiss nicht mehr genau wie lange dieser extreme Zustand angehalten hat. Mir kam es vor wie Wochen. Wahrscheinlich waren es eher Tage. Da ich in der Arbeit nicht viel Spielraum für Fehler habe, musste ich mich wenigstens dort irgendwie selbst in einen halbwegs stabilen Zustand fahren. Ich denke das hat mich ein wenig vorm Komplettzusammenbruch bewahrt.

Verarbeitung

Schätzungsweise nach einer Woche konnte ich wieder halbwegs denken . Die Schmerzen waren keineswegs weniger oder gar weg. Ganz im Gegenteil, die Emotionen haben in dieser Phase nochmals eine nie gekannte Qualität erfahren. Es war nicht mehr die plötzliche Verzweiflung, eher eine andauernde brennende Wunde in die sich zu dem Verlust nun langsam auch ein tiefsitzendes Gefühl des Verrates mischte. Der Felsen in mir war präsent wie nie zuvor und teilweise habe ich ohne ersichtlichen Grund mit den Tränen gekämpft. Zumindest war ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hilflos ausgeliefert und habe mich ganz bewusst für eine Verarbeitung der Trennung entschieden ohne wirklich zu wissen wie man das Thema angeht.

Geholfen hat mir hier das Internet, insbesondere dieses Forum. Ich glaube ich habe Tagelang nur gelesen, mich in hunderten von Geschichten wiedererkannt und was weiss ich wie viele Tipps und Empfehlungen zum Umgang mit der Trennung gelesen. Parallel dazu habe ich angefangen einschlägige Bücher zu lesen (ohne wirklichen Mehrnutzen). Was mir ein wenig geholfen hat war die wissenschaftliche Annäherung an das Thema Liebe und Beziehung. Der wissenschaftliche Blick auf die Emotionen sind zwar teilweise recht ernüchternd, haben aber bei mir ihren Zweck erfüllt.

Ich habe mich in der Zeit eigentlich nur mit mir selbst beschäftigt, viel über Verlustängste und Mechaniken einer funktionierenden Partnerschaft gelesen. Teilweise auch Kindheitstraumata erkannt (aber nicht verarbeitet), mich mit mir sehr nahestehenden Personen ausgetauscht und viel hier im Forum gelesen und geschrieben.

Zwischendrin taten sich immer wieder tiefe Löcher auf in die ich dann auch fast schon bewusst reingesprungen bin. Teilweise auch provoziert habe, ich wollte einfach dieses Gefühl in mir auflösen solange ich noch die Chance dazu hatte. In dieser Zeit bestand aus organisatorischen Gründen noch Kontakt mit meiner Ex was mich aber zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr verunsichert hat.

Direkt bei der Trennung habe ich zwei Entscheidungen getroffen:
1) Sie wird für mich nie wieder als Partner in Frage kommen (evtl. nach genügend Zeit als Freund)
2) Ich werde sie nicht mehr kontaktieren

Damit habe ich bereits damals instinktiv alle Brücken abgebrochen. Wie ich später unter anderem auch hier lesen konnte war das genau das richtige.

Während dieser Zeit habe ich mir immer wieder vor Augen geführt was für eine unglaubliche Chance dieser Beziehungsbruch war und immer noch ist. Ich habe angefangen mich ehrlich zu reflektieren und objektiv… so toll war die Beziehung dann auch wieder nicht. Der Alltag und die Routine waren natürlich auch bei uns eingekehrt. Aktivitäten wurden weniger, Freundeskreis war eher statisch denn dynamisch, S. eher zur reinen Triebbefriedigung degradiert.

Dazu kamen noch die großen Pläne die wir hatten, Familie gründen, Haus bauen, was weiss ich noch alles tolles. Es gab niemanden um uns herum dem nicht der Kinnladen runtergefallen wäre nach der Trennung. Wir waren bereits so sehr mit den nächsten 40 Jahren beschäftigt, dass wir vergessen haben das hier und jetz zu leben und zu lieben. Denn wenn alle Bekannten und Freunde von Traumpaar und Dreamteam, alle Verwandten von großer Liebe und Heirat reden, muss man dass dann auch durchziehen, oder? Ich denke ziemlich viel ist an der äußeren Erwartungshaltung zerbrochen, naja.

Aufatmen

Ich kann den Zeitpunkt nicht mehr richtig eingrenzen, aber ich denke es war etwa vor 2-3 Wochen. Die Schmerzen waren abgestumpft, immer noch vorhanden aber nicht mehr intensiv. Vielmehr war es jetzt eine tiefe Traurigkeit die ich wie einen Schatten mit mir rum trug. Nichts was von außen sichtbar gewesen wäre. Eher eine tiefe innere Melancholie die ich auch jetzt noch ab und zu spüre.

Es war keineswegs so dass ich immer noch Trübsaal geblasen habe. Ich habe mich durch diese permanente Auseinandersetzung mit mir selbst ziemlich weiterentwickelt (subjektiv) und bin dankbar dass ich mich teilweise mit tief sitzenden Ängsten auseinandersetzen musste, die ich normalerweise einfach hätte schlummern lassen.

Ich habe meinen Fokus auf den Sport gelenkt, bin fit wie nie, alte Kontakte reaktiviert und bestehende intensiviert. Trotzdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt das Gefühl nicht mehr weiterzukommen.

Bis ich wie gesagt vor ca. 3 Wochen bei Freunden sass und mich vollkommen unerwartet in einem Lied verloren habe. (wen es interessiert Army of me – Bjork (Sucker Punch Remix)). Ich habe mir die Kopfhörer geschnappt und das ganze bestimmt 30 mal im endlos Loop gehört und mich vollkommen verloren. Und auf einmal hat es klick gemacht. Wahrscheinlich war es einfach nur der richtige Zeitpunkt und nicht das Lied an sich, aber ich habe in diesem Moment eine so tiefe unbestimmte Sehnsucht in mir gespürt dass es fast schon weh getan hat. Nicht nach meiner vergangenen Beziehung sondern nach mir selbst. Nach dem Menschen der ich vor der Beziehung war. Dem Mann den ich aus den Augen verloren habe im Laufe der Zeit. Die Erkenntnis wie sehr ich mich in meiner Beziehung von mir selbst entfernt habe hat mich ehrlich erschreckt.

Alle Kompromisse die ich eingegangen bin, alle Grenzen die überschritten wurden, mein ganzer verlorener Selbstwert waren schlagartig so offensichtlich vor mir ausgebreitet, dass ich mir echt an den Kopf gefasst habe. Seitdem hat sich etwas verändert.

Der Hunger nach Leben den ich momentan spüre übersteigt den Trennungsschmerz bei weitem. Soweit es geht habe ich jedes Nein aus meinem Kopf verbannt. Ich breche meinen Bekanntenkreis auf und lerne aktiv neue Leute und insbesondere neue Frauen kennen. Es gibt keinen Tag in der Woche an dem ich nicht etwas zu tun habe, irgendjemanden treffe, irgendetwas geplant habe. Selbst wenn ich absolut KO von der Arbeit komme sage ich eine Verabredung nicht ab, ganz im Gegenteil, ausruhen kann ich mich auch irgendwann anders.

Nach all der Verarbeitung die ich geleistet habe und der Geduld die ich mit mir hatte, Ruhe und Trauerphasen akzeptiert habe ist das wahrscheinlich der nächste Schritt zu einem neuen Lebensabschnitt. Ich lasse mich nicht zur Ruhe kommen, deswegen kann ich wieder aufatmen.

Das Leben muss auch ohne Ex Lebenswert sein. Das kann jeder für sich selbst bestimmen. In diesem Augenblick behaupte ich sogar dass die eigene Freiheit zumindest eine Zeit lang sehr viel mehr bietet als eine Beziehung. Das einzige was dafür nötig ist eine Lebensbejahende Einstellung.

Ich konnte es am Anfang auch nicht glauben. Alles wird gut, wahrscheinlich sogar besser!

22.11.2011 18:37 • x 15 #1


H
Hallo ReCharge

danke ür deinen tollen Bericht der mir Mut macht weiter zu machen.

LG Hasennase

22.11.2011 18:52 • x 1 #2


A


Mein Trennungsreview - bis jetzt

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U


Sehr aufbauende Worte!
Danke

22.11.2011 18:54 • x 1 #3


A
großartig.... du solltest unbedingt ein lehrbuch darüber schreiben.

22.11.2011 19:20 • x 1 #4


M

23.11.2011 00:51 • x 1 #5


G
Sehr gut geschrieben . verdammt du hast so recht ! dieses klick muss nur kommen ! (:

Du kannst echt ein buch schreiben ^^

23.11.2011 12:58 • x 1 #6


R
Ui, nett von Euch

Mal abgesehen von der Lesbarkeit wollte ich vorallem die positive Energie die ich gerade habe weitertransportieren. Man liest so viel von Löchern, da kann das ja nicht schaden.

Im übrigen bin ich natürlich noch Lichtjahre weg davon dass ich darüber lachen könnte, aber zumindest hoffe ich wenigstens die richtige abzweigung genommen zu haben

23.11.2011 13:57 • #7


U
Hey, verdammt gut, wie du uns aus der Seele sprichst! Genau wie du es beschreibst, fühlt sich dieser Schmerz an, der einen zerreißt. Besser hätte es ein anderer nicht beschreiben können.

23.11.2011 16:27 • x 1 #8


Träumer
Respekt, ReCharge, Respekt


TRÄUMER

23.11.2011 17:07 • x 1 #9


L
Du hast wahnsinnig schöne Wörter benutzt. Ich habe mich total wiedererkannt.

Vielleicht kann ich Euch dazu ja auch noch was schreiben.
Ich bin auch verlassen worden, vor fünf Wochen....ich weiss, dass er eine Neue hat, die er überall hin mitnimmt, allen Freunden vorstellt. Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, wie weh das tut...

Ich habe aber nicht aufgegeben...ich habe gefunden, dass ich ihm ein Jahr von meinem Leben geschenkt habe in der Beziehung. Ich darf jetzt einfach nicht noch mehr Zeit in etwas investieren, wo es keinen Sinn mehr hat.

Was soll ich sagen. Wenn ich mich schlecht fühle oder es mir wirklich mies geht, dann denke ich daran. Ich versuche daran zu denken, dass es besser kommen wird und eigentlich merke ich es ja schon von Tag zu Tag. Für einen ungeduldigen Menschen wie mich sind es enorm kleine Fortschritte. Aber es SIND Fortschritte.

Ich kann sogar wieder alleine zu hause sein und ein Buch lesen. Das war in den ersten zwei Wochen einfach undenkbar, schier unmöglich.

Ja mir kommen ab und an die Tränen...die Gedanken. Ich versuche es nicht mehr zu unterdrücken, sondern ein wenig zuzulassen. Was soll ich sagen, das ist wohl ein Tief. Jedoch kommt dann das Hoch und das ist höher...jedesmal ein Stückchen mehr.

23.11.2011 17:33 • x 1 #10


G
DANKE!

Mein Brunnen der Tränen ist auch schon versiegt.
Aber mach momentan ne andere blöde phase durch. Denk mir immer, was ich alles falsch gemacht habe und muss mir eingestehn, mädchen , du warst auch nicht immer eine prinzessin- und irgendwie kotzt mich das voll an- das war immer so ein kreislauf und es ist ständig schlechter geworden und ich hab nichts dagegen getan.
Und ich habs erst jetzt erkannt-wo alles verloren ist, und denk mir, mein gott, wie hätte das alles schön sein können, wenn ich nur mal über meine fehler nachgedacht hätte.
Mir fällt einfach das Loslassen so schwer, dieser mensch war mein leben, der vater meines kindes , MEIN mann und und ich bin so blöd und und check es zu spät.
Ich hoffe für mich, dass diese phase bald vorbeigeht und ich mir irgendwann sagen kann, es ist besser so und alles kommt wie es kommen muss.
Kann mir aber nicht vorstellen, dass dieser tag einmal kommt

23.11.2011 21:15 • #11


S
Toller Text, beschreibt in etwa wie es mir gerade geht - zumindest der erste Teil. Vom neuen Mut fassen bin ich noch sehr weit entfernt. Ich denke ständig nur hätte ich doch und wie schön wäre das alles wenn wir es nur nochmal probieren würden und man sieht erst was man hatte, wenn man es verloren hat.....

Wie lange wart ihr denn zusammen? Klingt nach einer langen Beziehung!

24.11.2011 01:38 • #12


R
Zitat von Sorrow1:

Wie lange wart ihr denn zusammen? Klingt nach einer langen Beziehung!

Naja, die Länge ist ja nicht so entscheidend, es gibt hier auch Leute die nach einer 2 Jahres-Beziehung genauso leiden. Bei mir waren es 5,5 Jahre, und keines davon umsonst. Das habe ich jetzt auch verstanden

24.11.2011 16:11 • #13


R
Hier ein Update:
Ich bin zwar körperlich ausgepowert aber ich habe sie 2 Tage einfach vergessen. Bislang verging kein Tag an dem ich nicht ab und zu an sie gedacht habe. Keine Ahnung wohin der eingeschlagene Weg führt oder ob ich demnächst einen fiesen Absturz durchmachen muss, aber für den Moment funktioniert es.

27.11.2011 20:51 • #14


H
':grinsen:'

Wünsche dir von ganzen Herzen das es so bleibt.

Lieben Gruß
Hasennase

27.11.2011 20:56 • #15


A


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