Hallo liebe Forengemeinde,
ich möchte euch meine Geschichte erzählen.
Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet seit 2004, eine Tochter (11), berufstätig.
Mein Mann war toll, bevor er eine Wandlung vollzogen hatte, Midlife-Crisis vielleicht, vielleicht auch Burn-Out, er ist selbstständig und irgendwann fing es an, dass der Alltag nur noch aus Streit, Gezeter, Nörgeleien und Diskussionen bestand. Keine gemeinsamen Aktivitäten: Grund: seine Arbeit. Aktivitäten als Paar komplett Fehlanzeige.
Seit ca. Sommer 2015 kann ich verlässlich sagen, dass es einfach nur noch unzufriedenstellend für mich lief, er sich sehr an Alk. geklammert hat (hat es natürlich voll im Griff), sich immer mehr hat gehen lassen, sowohl verbal als auch äußerlich. Meine Versuche, hier gegenzusteuern, schlugen fehl. Dezente Hinweise, evtl. zu überdenken, sich therapeutische Hilfe zu suchen wurden abgewehrt: ich wolle ihn nur in die Klapsmühle stecken. Völliger Blödsinn, ich wollte nur meinen Mann zurück, den der Stress, die Existenzangst und der Alltag mir schleichend genommen haben. Ich habe versucht, es schön zu machen, die Fassade aufrecht zu erhalten, mich attraktiv zu halten, Job, Haus und Kind unter einen Hut gebracht. Nach außen Vorzeigefamilie! Innendrin zerstritten und zermürbt.
Anfang 2017 ein Jobwechsel. Neue Gesichter für mich, neue nette Kollegen, neue Perspektiven, absoluter Traumjob!
Einen netten Chef obendrein.
Zuhause lief es immer weniger. Immer mehr Theater, keine Gemeinsamkeiten mehr, immer wieder (nd nur von meiner Seite aus!) Versuche, ihn zu einer Paarberatung zu bringen, damit wir beide unsere Fehler finden und ausmerzen können. Keinen Erfolg.
In der Arbeit lief es bestens. Wir habe uns oft ind er Mittagspause alle zusammengesetzt, gegrillt, gelacht, richtig toll war das.
Ende 2017/Anfang 2018 viele Gespräche mit meinem Chef geführt, der in einer ähnlichen Konstellation zuhause gefangen war.
Sommer 2018 war klar, ich werde mich trennen, ich hatte die Demütigungen und die Respektlosigkeiten satt, es gab kein einziges liebes Wort mehr für mich, keine Anerkennung, nichts. Ich fühlte mich sehr einsam und verlassen. Ich war alleinerziehend in meiner Ehe, was ich niemals sein wollte. Wir wollten zusammen ein Kind und ich wurde mit allem alleine gelassen. Am Wochenende war für ihn entweder arbeiten angesagt oder sein Hobby (Tennis), etwas mit der Familie zu unternehmen: Fehlanzeige.
Mein Chef wollte sich zu dieser Zeit auch trennen, ganz unabhängig von mir.
Wir fingen an, uns mit anderen Augen zu sehen. Er zog zuhause aus in seine neue Wohnung.
Mein Mann sah plötzlich seine Felle davonschwimmen und wollte retten, was nicht mehr zu retten war.
Es folgte ein halbes Jahr Krampf, bis ich Anfang 2019 endlich die Koffer packte.
Ich war frei! Und mein Chef und ich glücklich. Wir wollten es probieren miteinander.
Es war wunderschön, wir waren sehr, sehr glücklich. Wir hatten uns, wir hatten unsere Arbeit, wobei wir Privatleben und Arbeit strikt trennten, was aufgrund der Tätigkeit und der Hierarchie tatsächlich möglich war (ja, war es, so unglaubwürdig es sich anhört!). Unser übergeordneter Abteilungsleiter hatte keine Probleme damit.
Wohl aber seine Frau. Denn diese kontaktierte umtriebig meine Kollegen und erzählte alles brühwarm. Ohne Worte. Was wir für uns behielten, was niemanden etwas anging, trat sie breit.
Es wurden unglaubliche Lügen verbreitet, wir wurden sehr, sehr übel gemobbt, er versetzt und ich reichte die Kündigung ein.
Danach war alles anders. Wo früher Liebe herrschte, Vertrautheit und ein WIR, zerstörten dies alles Selbstzweifel, Unzufriedenheit mit dem neuen Job und ein tiefes Loch. Psychischer und finanzieller Absturz bei ihm par excellence. Nachvollziehbar!
Aber ich war ja da. Ich war, ich blieb, ich dachte nicht eine Sekunde aufgeben, wozu, es lief weiterhin alles.
Aber es blieb ein Stachel.
Im August 2019 verließ er mich zum ersten Mal. Er räumte hinter meinem Rücken seine Sachen aus der Wohnung und verschwand.
Er sehe Gespenster und Dämonen holten ihn ein (?), ich solle stark sein und durchhalten, er wolle mich nicht verlieren.
Es gab keine andere Frau!
Er hielt den Kontakt mit mir, sagte mir immer wieder, dass er mich liebt, dass er mich braucht, aber es derzeit nicht zulassen könne.
Nach 8 Wochen intensiver Gespräche sah er wieder klar(er) und er war mir dankbar, dass ich ihn nicht im Stich gelassen hatte, dass ich immer für ihn da war. Er kam zu mir zurück.
Wir planten unsere gemeinsame Zukunft für irgendwann, wenn wir beide geschieden seien und bis dahin sind wir auch so glücklich.
Wir planten Urlaube und Konzertreisen.
Dann kam Corona. Und mit Corona die Dämonen zurück. Keine Unternehmungen, nur noch ans Haus gefesselt, Perspektivlosigkeit, Anrtiebslosigkeit, Zukunftsangst.
Im Juni mein Geburtstag. Ich bekam kein Geschenk, das sei noch in der Post.
Stattdessen Chrysanthemen. Keine Rosen etwa.
6 Tage später war er weg.
Wieder räumte er in einer Hau-Ruck-Aktion innerhalb von einer Stunde seine persönlichen Sachen, warf den Schlüssel in den Briefkasten und war verschwunden.
Ein Abschiedsbrief war da: seine Gefühle hätten sich nicht geändert, aber er könne das so nicht, er suche ruhigeres Fahrwasser und keine Herausforderungen mehr, ich solle nicht trauern, er sei es nicht wert, er hätte mich nicht verdient.
Handynummer existiert nicht mehr.
Ich saß da: Urlaub gebucht und angezahlt, Konzertreisen gebucht, die Miete für die mittlerweile gemeinsam bewohnte Wohnung.
Ich schrieb ihm eine Rechnung an die Adresse, wo er nicht wohnt, wo ich aber wusste, er hat einen Nachsendeantrag.
Danach meldete er sich, es tue ihm alles so leid, er habe mich nicht verdient.
Er zahlte eine erste Rate, danach Funkstille.
Seine Mutter weiß sich keinen Rat, sein Bruder sagt: er verdrängt nur und stellt sich nicht, es gehe ihm schlecht.
Von beiden habe ich jetzt auch nichts mehr gehört.
Er schrieb, er liebt mich, ich sei die tollste Frau ever.
Was nutzt es?
Ich wurde von einer Sekunde auf die andere aus meinem vermeintlich glücklichen Leben katapultiert.
Was blieb sind unendliche Leere, tiefe Traurigkeit, lähmendes Ensetzen, Schockstarre.
Ich will mich nicht aufraffen, weil ich es nicht kann, kleinste Dinge stellen mich vor Herausforderungen.
Aber ich muss durch! Ich bin alleinerziehend (was ich nie sein wollte, Ironie des Schicksals) und trage Verantwortung. ich muss funktionieren, meinen neuen Job erfüllen. Aber ich lebe nicht mehr. Ich vegetiere.
Und derzeit weiß ich nicht, wo oben und unten ist. Es fühlt sich an, wie in die Schiffsschraube geraten, es strudelt nur und immer wenn ich denke: da ist die Wasseroberfläche, kommt die Schiffsschraube zurück und dreht mich wieder durch.
Ich kann mich nicht mehr freuen, auf nichts.
Ich fahre jetzt mit meinem Kind alleine in Urlaub, aber ich freu mich nicht.
Ich würde am liebsten 24/7 nur in meinem Bett liegen und weinen.
05.08.2020 12:49 •
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