Zitat von Lotte-19:Ich würde mich freuen wenn jemand berichte was für Erfahrungen gemacht werden könnten. Egal ob positiv oder negativ
Servus @Lotte-19
Die Frage nach Erfahrungen mit Psychotherapie wird hin und wieder im Forum gestellt, insofern schau doch mal, ob Du ältere Threads googeln kannst, da steht sicher das eine oder andere.
Zitat von Lotte-19:Seid ihr auch schonmal an falsche Therapeuten geraten wo ihr das gefühl hattet es bringt euch nicht weiter und habt es dann nochmal mit einem anderen Therapeuten versucht?
Wie lange geht oder seid ihr zur Therapie gegangen ? Und wie oft? 1x/ Woche, 1x/ Monat .
Würdet ihr im Nachhinein sagen es war die richtige Entscheidung?
Wonach sucht man sich einen guten Therapeuten aus? Geht man als Frau lieber zu einer Frau? Als Mann lieber zu einem Mann?
Fragen über Fragen.
Die Frage nach dem falschen Therapeuten scheint Dir wichtig. Da kommt es hat sehr darauf an, was man für sich selbst sucht. Es ist wie bei jedem anderen Nachhilfelehrer auch, reicht es, daß dieser Kenntnisse dessen vorweisen kann, worin Du Nachhilfe suchst oder ist es Dir wichtig, Deinen Nachhilfelehrer auch zu mögen?
Ich habe einige Menschen in meinem Umfeld, die einen Therapeuten abgelehnt haben, weil es menschlich nicht gepasst hat. Ob das nicht einfach nur eine Verallgemeinerung für ein Bauchgefühl war, welches einem instinktiv das Zeichen gibt, das passt nicht, kann ich nicht beurteilen.
Für mich war die Sache so, daß ich recht pragmatisch nach jemandem geschaut habe, der sich kompetent fühlt, mir zu helfen. So wie ich bei einem Unfallchirurgen, Hausarzt, Lehrer oder Physiotherapeuten nicht zuerst darauf achte, ob es menschelt, sondern ob ich auf die Kompetenz dieses Menschen vertraue, so bin ich in mein erstes Gespräch hinein gegangen.
Menschlich war meine Thera zuerst gar nicht mein Fall, überall Nippes, anscheinend ein wenig esoterisch angehaucht und den Hauch einer 68erin versprühend. Auf dem Klo hing allerdings so ein Garfieldkatzenbild und ne echte Katze gab es auch, die in all den Jahren bei den wirklich wichtigen Sitzungen immer mit drin war und wichtiger, die Frau hat es geschafft, daß ich irgendwo anfange zu erzählen, dann Tränenüberströmt da saß und sie mir lächelnd sagte, daß die Veränderung, die ich so sehr wollte, aber schon nicht mehr an diese glauben konnte möglich ist, daß es aber Zeit in Anspruch nehmen würde und wir uns jetzt für ein Jahr einmal die Woche sehen würden. Sage ich den Termin früher als 48h ab, kostet es mich noch immer die Hälfte, sage ich den Termin innerhalb 48h davor ab, zahle ich die volle Summe.
Sie hat mir dazu eine Begründung geben, die ich verstand und trotzdem hat mich das voll umgehauen, ich hatte ja ein Leben und überhaupt und Verpflichtungen und ach naja und schließlich.
Ich glaube, daß es mich ein Jahr gekostet hat, bei jeder Verabschiedung, nicht den Satz hinterher zu schieben, schauen wir mal, ob wir uns Wochentag, Uhrzeit sehen.
Sie hat jedes Mal gleichmütig lächelnd gesagt, ja schauen wir mal, ich würde mich sehr freuen.
Daß ich sie anfänglich doof fand, weiß sie. Wir haben irgendwann mal darüber geredet. Ich mag sie sehr gern, weil mir ihre Andersartigkeit, neben vielen anderen Sachen, unglaublich viel beigebracht hat. Ich habe mir einiges von ihr abgeschaut, hin und wieder (insbesondere in Kriesen) meditiere ich viel, allerdings nicht in so einer Om-Shanti Räucherstäbchen Version, sondern ich hab dafür ne App auf dem Handy mit bekenntnisfreien Achtsamkeitsübungen und richtig coolen Trickfilmen. Über sie habe ich die lustigstes Zahnärztin der Welt aufgetan und gehe zur Akupunktur, bei jemandem, der ein ordentliches Medizinstudium absolviert hat.
Und wenn mir heute jemand erzählt, daß er sich selbst finden will, in dem er Knöpfe zu gregorianischem Mönchsgesang sortiert, dann denke ich tatsächlich good for you.
Die Frage also, wodurch zeichnet sich ein guter Therapeut aus? Du gehts aus dem Erstgespräch (Schlaubi Schlumpf nennt das auch probatorische Sitzung, steckt probieren drin ) und hast das Gefühl, der/diejenige ist kompetent. Mögen oder nicht ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Die meisten, der wenigen richtig guten Lehrer, denen ich begegnet bin, konnte ich anfangs nicht so sonderlich gut leiden.
Nächste Frage: Würde ich im Nachhinein sagen, es war die richtige Entscheidung.
In meinem Fall hat es meinen Leben verändert. Es gibt zwei vielleicht drei Entscheidungen in meinem Leben, bei denen ich mir bis heute auf die Schulter klopfe. (Und nö, ich treffe auch immer wieder weniger optimale Entscheidungen). Aber die gehört dazu.
Ich versuche Dir mal zu erklären warum. Im Grunde ist Psychotherapie wie Physiotherapie. Am Anfang steht ein Trauma. Nehmen wir also einen Knochenbruch, der ja auf Schlaubi Schlumpf Fibular oder welcher Kochen auch immer Trauma heißt. Wenn alles gut geht überleben wir den und irgendwann heilen die Knochen auch wieder zusammen, aber, und deswegen gibt es ja Physiotherapie, durch das Trauma belasten wir diesen Knochen nicht, erst weil wir nicht können und dann weil wir uns daran gewöhnt haben. Die Folge ist Muskelschwund, die Langzeitschäden sind Schmerzen durch Fehlhaltungen. Wenn es richtig doof rennt, darfst schon mit Mitte 50 am Rollator gehen oder reißt Dir ne hübsche Schmerzmitteldependance auf, weil Dir ständig, was weh tut.
Genauso ist das mit Psychotherapie. Es gibt ein Trauma, aber nur weil die Knochen wieder heilen und wir weiterleben, bedeutet das nicht, daß wir die Muskeln wieder richtig trainieren und alles ins Lot bringen. Die meisten von uns schleppen die Schonhaltung weiter mit sich herum.
Darüber hinaus erlaubt dir Psychotherapie etwas, was Dir ansonsten niemand geben kann. Einen Raum für Dich.
Schließlich wie lange seid ihr zur Therapie gegangen.
Ich brauchte drei Jahre. Intensiv, also einmal die Woche. Danach fingen wir langsam an, den Rahmen beidseitig zu erweitern.
Eine Wahrheit, die viele erschreckt, aber niemandem Angst machen sollte, ich sehe meine seit fast 8 Jahren in etwa einem Monat. Davon die ersten drei Jahre regelkonform. Danach wollten wir lockerer werden aber dann ist ständig Kram passiert und ich bin da nicht klar gekommen. Seit drei Jahren sehen wir uns in Abständen. Abstände, die wir natürlich besprechen.
Meine Thera hat nicht nur die Form einer Heilenden übernommen, sondern auch eine Aufgabe, die normalerweise Eltern inne hätten. Das ist uns beiden bewusst. Inzwischen brauche ich sie nicht mehr, aber mag sie sehr um mich haben, weil es halt hilft.
Um diesen Essay mal abzuschließen, ich habe mit meiner Therapeutin, nur in all den Jahren etwa ein paar Mal über Männer geredet.
Männer sind bezaubernd, wundervoll und toll, aber Männer oder ein Mann sind keine Lösung um Dich selbst klar zu kriegen.
Hat sich mein Männerbild geändert?
Ehrliche Antwort: ich schau sehr viel schneller darauf, was etwas mit mir macht. Und handle danach.
Therapie ist kein Zaubertrank, in den Obelix mal gefallen ist und wir alle hinterher mur ein Wildschwein erlegen müssen, damit es einem besser geht.
Hilft Therapie?
Ja, aber nur wenn Du oder beide, wir schlagen den Bogen zu Paartherapie, es wirklich wollen.
Meiner Erfahrung nach, sind die Leute, die sich fragen, ob sie Therapie in Anspruch nehmen sollten, nur auf der Suche nach Verbindungen, die ihnen sagen, nein brauchst Du nicht. Ist ein bißchen wie in Mathe, binomische Formeln, sind wie Bach, voller Harmonie, aber selbstverständlich braucht es das nicht, um ein schönes Leben zu führen.
Es sei denn, irgendwo denkst Du in Dir selbst, ich will das anders.
Therapie, das sagen inzwischen Studien, kann helfen, Grundvoraussetzung ist, daß Du bereit bist, etwas zu ändern. Mithin so verzweifelt, als das es Dir nicht mehr drauf ankommt, daß andere sich ändern.
So verzweifelt oder so mutig.