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Scherben einer Fernbeziehung

L
Hi. nachdem ich nun seit einiger Zeit still hier mitgelesen habe, möchte ich nun auch mal meine Story los werden, da ich es einfach nicht schaffe, darüber wegzukommen.

Mein Exfreund und ich haben uns im April 2018 kennengelernt - ganz locker. Wir waren beide nicht sonderlich auf eine Beziehung aus - ich aus dem Grund, da ich gerade aus einer Beziehung kam; er aus dem Grund dass er ins Ausland (China) ziehen wollte. Wie dem auch sei, haben wir dann jedoch super viel Zeit miteinander verbracht, waren relativ schnell und spontan für ein Wochenende auf Urlaub und es kam wie es scheinbar kommen musste - die Gefühle waren auf beiden Seiten so stark, dass wir still und heimlich Anfang des Sommers in eine Beziehung schlitterten.
Ich habe mich von Tag 1 an so angekommen gefühlt bei ihm, dass ich es anfangs selbst nicht glauben konnte. Wir lebten in der gleichen Stadt - 15 min. mit dem Auto entfernt, sahen uns täglich und alles schien zu passen. Anfang Mai 2019 dann der erste Schlag ins Gesicht. Ich merkte die Tage davor, dass er sich etwas zurückzog - da er aber generell eher ein Mensch ist, der Emotionen nicht so zuließ, dachte ich mir zu Beginn nichts. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und sprach ihn an - er beendete unsere Beziehung, da er Zeit für sich brauche und sich damit abfinden müsse, dass das mit seinem Auswanderungswunsch nicht funktionierte. Es war ein totaler Schock für mich, damit hätte ich nie gerechnet. Ich fuhr zurück in meine Wohnung und die Tage darauf waren wie die Hölle auf Erden. Wir hatten weiterhin Kontakt, er wirkte jedoch sehr kühl und abgestumpft. Nach circa einer Woche kam eine Nachricht, dass er gerne mit mir sprechen würde, wir vereinbarten uns auf neutralem Boden in einem Lokal zu treffen. Als wir uns trafen spürte ich sofort wieder diese Verbindung zwischen uns. Er schüttete mir sein Herz aus, dass er mich vermisse, dass ich einen so großen Stellenwert in seinem Leben bekommen hätte und dass er sich nun sicher sei, mich nicht verlieren zu wollen. Als ich ihn auf seinen Traum vom Auswandern ansprach meinte er, dass er es akzeptieren müsse, dass manches einfach nur ein Traum bliebe. Ich bat um etwas Bedenkzeit doch für mich stand relativ schnell klar, dass ich ihn gerne zurück in meinem Leben hätte.
So weit so gut . wir konnten schnell da anknüpfen, wo wir aufgehört haben - einfach aus dem Grund, da wir sehr harmonierten. Wir buchten einen Urlaub und erfüllten uns damit den Traum 3 1/2 Wochen durch Amerika (Westküste) zu reisen. Nach einem Monat, der zweite Schlag ins Gesicht: Er rief mich total schockiert eines Tages an und meinte, dass die Chefetage ihn gerne für 2 Jahre befristet ins Ausland (China) schicken würde. Mit einem Schlag war sein Wunsch plötzlich zum Greifen nahe und er entschied sich dafür (sollte im Sommer 2020 soweit sein - zu dem Zeitpunkt war Sommer 2019). Für mich brach eine Welt zusammen, doch er war meine Stütze, bekräftigte dass wir das gemeinsam schaffen würden und wir und unsere Beziehung stark genug wäre. Ich kämpfte monatelang mit mir und meinen Gedanken, doch alles in mir wollte daran festhalten, so sehr liebte ich ihn und wollte alles in meiner Macht stehende tun das zu überstehen. Ende 2019 gab er seine Wohnung auf und zog zu mir. Ab da stellten wir fest, dass wir auch in einem gemeinsamen Haushalt (und der war mit 55m² jetzt nicht sonderlich groß) gut harmonierten. Im März 2020 kam Corona und wir waren eingesperrt - doch selbst das schweißte uns nur noch mehr zusammen und wir bekamen den Lockdown gar nicht so mit, wir genügten uns einfach. Coronabedingt, verschob sich seine Abreise nach hinten - circa November. Ich merkte immer mehr, dass er sich kaum mit dem Thema beschäftigte, sprach man ihn darauf an, wollte er nicht darüber sprechen. Sprachen ihn Freunde an, fiel oft der Satz dass er wegen mir im Moment nicht darüber sprechen möchte, da ich sonst wieder traurig wäre. Natürlich war ich der emotionalere Part von uns beiden - doch ich habe mir in der Zwischenzeit auch psychologische Hilfe geholt um einfach einen Weg zu finden gut damit klarzukommen. Ich ging durch viele Tiefen in dieser Zeit, da ich so Angst davor hatte, dass er bald weg sei und er verschloss sich immer mehr. Doch wenn wir redeten, hatte ich immer das Gefühl, dass wir es schaffen können, ich muss nur stark sein, denn er wäre es ja sowieso. Am Tag des Abflugs sah ich meinen Freund am Flughafen zum letzten Mal - er war wie ein Häufchen Elend, ich habe ihn in den 2 1/2 Jahren davor nie weinen gesehen oder ähnliches. Ich war am Boden zerstört, doch auch merkte ich als ich wieder zuhause war, dass eine Last von mir abfiel.
Dadurch, dass ich mich so intensiv mit dem ganzen Thema beschäftigt hatte, gelang es mir relativ schnell in meinen Alltag zurückzukehren. WIr facetimten täglich und für mich war das immer etwas aus dem ich absolut Kraft gewinnen konnte - alles in allem war ich glücklich.
Doch ich merkte, dass es für ihn sehr schwer war dort Fuß zu fassen. Er klagte ständig über Kopfschmerzen, fühlte sich ausgelaugt, hatte Herzrasen - ich machte mir große Sorgen um ihn und auch um unsere Beziehung. Mir fiel auf, dass er es nicht schaffte, seinen Mittelpunkt dort zu finden - und setzte mich damit unter Druck. Durch die 7 Stunden Zeitverschiebung telefonierten wir schon mogens wenn ich aufstand (er hatte hier Mittagspause) - dies stresste mich, da ich ein absoluter Morgenmuffel war. Oft kam die Nachricht von ihm bist du schon zuhause? - weil er telefonieren wollte. Er meinte, dass das sein Hihglight des Tages wäre. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich mir wünschen würde, dass er dort ankommt und trotz allem auch eine schöne Zeit haben kann - es lief dann relativ gut und ich merkte, dass ihm das auch mit der Zeit gelang. Doch damit ging einher, dass er sich von mir immer mehr distanzierte. Vor 2 Wochen dann der 3. Schlag ins Gesicht: von heute auf morgen beendete er unsere Beziehung beiläufig bei einem Telefonat, weil seine Gefühle nachgelassen hätten. Seit dem haben wir viel geredet und ich weiß dass die Gefühle nachgelassen haben, weil er sich von mir distanziert hat, weil er mit dem Thema Fernbeziehung nicht klar kommt - und ebenso wie ich - die Nähe, die reale gemeinsame Zeit so vermisse. Ich merke erst jetzt, dass er - obwohl er schon über 30 Jahre ist - sich selbst kaum kennt. Emotionen werden nicht zugelassen, man setzt sich mit nichts auseinander. Die Distanz tut ihm weh und er vermisst mich - bloß nicht, lieber wieder verschließen und die Sache aus dem Leben kicken. So tickt er - LEIDER! Das war jetzt das 2. Mal, dass er mich auf diese Weise abserviert und ich weiß, dass es diesmal kein Zurück gibt. Ich verkrafte es nicht, da ich weiß, dass - wenn er hier bei mir wäre - wir wahrscheinlich die harmonischte Beziehung hätten, die mans ich nur vorstellen kann. Ich wünschte, er hätte sich im Vorfeld mehr mit dem Thema auseinandergesetzt bzw. mehr mit mir gesprochen - über ALLES!
Ich bin seitdem ein Häufchen Elend - es fühlt sich an, wie wenn er mir alles genommen hätte. wofür ich in den letzten beiden Jahren so hart gekämpft habe. Ich fühle mich weggeworfen, weil er mit seinen Gefühlen nicht klarkommt. Als ich ihn darauf ansprach, dass die Gefühle natürlich weniger werden, wenn man sich von jemanden distanziert und sich verschließt, bejahte er, dass er das getan hätte, da er es nicht aushält nicht bei mir zu sein. Ein vorzeitiger Abbruch kommt für ihn nicht in Frage - da überwiegt der Stolz - er muss sich mit dieser ganzen Aktion leider selbst etwas beweisen - ein Abbruch würde für ihn ein zu schwach bedeuten und das würde ihn zerstören.
Ich weiß nicht mehr weiter - mein Glauben an alles ist verloren. Seit einer Woche lebe ich nur noch so dahin. Er war alles, was ich mir je erträumt habe und ich habe so sehr an eine gemeinsame Zukunft geglaubt!

13.02.2021 17:14 • x 2 #1


Zweizelgänger
Hallo, das tut mir wirklich sehr leid, dass du in eine solche Situation geraten bist.

Du hast es gut erkannt, dass er seine Gefühle ausschließlich durch abschalten oder nicht zulassen regelt.
Sowas ist leider immer brandgefährlich.
Wie du schon bemerkt hast, konnte das auch während der Beziehung in Deutschland passieren.
Auch wenn es gerade furchtbar ist, wäre dieses Problem vermutlich immer präsent.
Vielleicht würdest du auch mit der Zeit immer unsicherer werden.

Ich habe sowas ähnliches selbst erlebt und irgendwann bekam ich seltsame Schwächeanfalle, die ich überhaupt nicht zuordnen konnte.

Habt ihr nochmal darüber gesprochen, wie er sich das jetzt alles vorstellt oder spielt das alles gar keine Rolle für ihn?

13.02.2021 18:51 • #2


A


Scherben einer Fernbeziehung

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Mienchen
Deine Geschichte berührt mich auch irgendwie, weil ich glaube, zu wissen, wie weh es dir tut.

Manchmal gehen Leben leider auseinander, die normalerweise wirklich gepasst hätten. Lass ihm Zeit und lass ihn in Ruhe. Er muß wahrscheinlich für sich einen Weg finden, um mit Distanz klar zu kommen.

Und man kann doch nie wissen, ob eure Wege sich nicht in einem Jahr oder zweien wieder kreuzen. Ich drück dich mal ganz fest, daß Leben geht irgendwie weiter und irgendwie hat es doch einen Grund, warum manche Menschen nicht zueinander finden.

Halt die Ohren steif

13.02.2021 20:27 • x 1 #3


C
Hallo du,

irgendwie liest sich das alles sehr berechnend seinerseits, mit viel Show dahinter.

Hat er dich überhaupt jemals gefragt, ob China eine Option für dich ist?

13.02.2021 22:53 • x 4 #4


tina1955
So wie Du diese Beziehung und seine Handlungen beschreibst, ist er für mich ein Egoist.
Er denkt nur an seine Befindlichkeiten und ich glaube nicht daran, dass ihm irgend etwas Leid tut.
Was hat Dir Deine Therapeutin geraten, als Du Hilfe gesucht hast?

14.02.2021 05:57 • x 1 #5


L
Hallo Tina,
er gibt selbst zu, dass seine Entscheidung auf grundlegendem Egoismus baut - er meint, dass er so groß geworden ist und sonst nicht da wäre, wo er heute ist. Er kommt aus einem sehr schwierigen Elternhaus, zusätzlich noch eine andere Kultur - es war definitiv nicht einfach für ihn. Darum wollte ich ihm immer das Gefühl von Geborgenheit geben, dass er sich angekommen fühlt - kurz gesagt, seine Bedürfnisse standen selbst bei mir über den meinen.
Ich glaube schon, dass es ihm jetzt im Nachhinein gesehen leid tut, da er ja zum ersten Mal auch an dieser Einsamkeit, diesem Verloren sein etc. richtig gelitten hat und selbst zugegeben hat, dass ich sein Mittelpunkt war, der ihn auch zusammengehalten hat. Doch er sagt auch, dass er nicht anders kann als das durchzuziehen und er da nicht mehr rauskommt.
Als ich damals bei meiner Therapeutin war, stand für sie an erster Stelle MEIN Wohlbefinden - wir haben gemeinsam Wege gesucht, wie ich mit der Situation, ihn nicht mehr in meiner realen Nähe zu haben, umgehen kann, damit ich nicht so sehr leide.
Dies hat auch geklappt, aber wie gesagt - eben nur meinerseits.

14.02.2021 11:00 • #6


L
Hallo Clara,
ja wir haben darüber geredet - aber das kommt für mich nicht in Frage. Ich habe eine zu starke Bindung zu meiner Familie, habe das Gefühl ohne sie nicht zurecht zu kommen. Noch dazu möchte ich mein gewohntes Umfeld und v.a. meinen Job nicht aufgeben. Also die Option mitzukommen gäbe es natürlich und ich denke, hätte er mit mir mal darüber geredet, dass er das so nicht aushält zwei Jahre, ich wäre das 2. Jahr nachgekommen ..

14.02.2021 11:02 • #7


B
Zitat von lost_in_tears:
Ich habe eine zu starke Bindung zu meiner Familie, habe das Gefühl ohne sie nicht zurecht zu kommen. Noch dazu möchte ich mein gewohntes Umfeld und v.a. meinen Job nicht aufge


Eure Träume haben nicht zusammen gepasst. Beide wollten sie nicht für den Anderen aufgeben.

14.02.2021 11:07 • #8


L
@Bones - auch darüber haben wir gesprochen - dass er sich diesen Traum einfach noch erfüllen muss ... und es war okey für uns beide! Die Tatsache, dass er mich jetzt aber so aus seinem Leben schmeißt, nur weil er merkt, dass er vl. doch ganz anders ist, als er es sich selbst immer eingeredet hat, kränkt mich sehr. Ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt.

14.02.2021 12:15 • #9


FrauDrachin
Hey Lost,

das ist ja auch mehr als frustrierend und deprimierend...
Du hast alles getan um diese Sache, die dir dermaßen schwer gefallen ist, von deiner Seite aus zum Laufen zu bringen, und er vermasselts, weil er einfach stehen bleibt...
Aus meiner Sicht ist in meiner Ehe ähnliches passiert.

Die gute Nachricht ist, dass dir genau das, nämlich die Bereitschaft hinzuschauen und schwierige Wege zu gehen, jetzt helfen wird, über ihn hinwegzukommen.
Und ich sehe es ähnlich wie Zweizelgänger, dieses stehenbleiben, sich schwierigen Gefühlen nicht stellen können, das wäre euch bestimmt auch daheim irgendwann auf die Füße gefallen, dann halt aus irgendeinem anderen Anlaß.

Ich schick dir ne Umarmung!

14.02.2021 13:59 • #10


A


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