Ach ja, ich bin ja nach wie vor der Meinung, dass die Trennung nicht direkt mit mir etwas zu tun hat, sondern dass mein Mann mit sich selbst ein Problem hat. Ich denke, es hat mit seiner Kindheit zu tun und jetzt kommt es zum tragen.
Seine Mutter starb, als er 4 Jahre alt war. Er und sein Bruder wurden von da an in der Verwandtschaft rumgeschoben. Sein Vater musste immer viel arbeiten, hatte, soweit ich weiß, noch zweimal geheiratet, um auch den Kindern ein schönes zu Hause zu bieten. Die Stiefmütter müssen aber die Hölle gewesen sein, was der Vater aber nie mitbekam, weil diese Frauen es immer wieder geschafft haben, sich ins rechte Licht zu rücken und alle Schuld auf die Kinder abzuwälzen.
Deshalb war wohl auch die erste Ehe meines Mannes mit 19 Jahren eine Kurzschlusshandlung und dauerte auch nur ein paar Monate. Er hat sich in jungen Jahren genug ausgetobt und wir lernten uns dann mit 21 und 22 Jahren kennen. Innerhalb von 3 Wochen zog er bei mir ein. Es hat einfach gepasst. 1990 haben wir geheiratet und in diesem Jahr starb leider auch sein Vater. Er hat ihn sterben sehen. Mit Anfang 20 keine Eltern mehr. 1991 kam unser Tochter zur Welt.
Vielleicht hatte er da schon mal das Gefühl gehabt, zurückgesetzt zu sein. Als sie ein paar Wochen oder Monate alt war, ich weiß es schon gar nicht mehr so genau, hatte er einen ONS. Vor lauter schlechtem Gewissen legte er damals eine Zeitung mit Wohnungsanzeigen auf den Tisch und ich fragte scherzhaft, ob er ausziehen will. Er sagte ja und beichtete. Er packte die Tasche und war ein paar Tage verschwunden. Wir trafen uns dann zu Hause, sprachen darüber und es war nie wieder ein Thema. Selbst wenn wir mit Freunden dieses Thema hatten, konnten wir offen darüber reden. Jeder wusste, dass wir das mal erlebt haben.
Er liebt seine Tochter und er hat ihr immer all das gegeben, was er selbst nie hatte.
Und jetzt ist sie erwachsen, hat durch Ausbildung und Freund nicht mehr viel Zeit für ihn. Ich gehe, wenn auch nur 3 Stunden am Tag arbeiten, mache weiterhin den Haushalt mit putzen usw. und renovieren. Brauche ihn nicht um Hilfe bitten und er fühlt sich offenbar wieder überflüssig. Also diesmal Affäre. Aber auch dieses mal hat er mich drauf gestossen, indem er mir sagte, dass er ausziehen will. Er hätte es doch bequemer haben können, ich hätte weiterhin alles gemacht und er hätte sich heimlich mit ihr treffen können. Er muss auch dieses mal zumindest ein schlechtes Gewissen gehabt haben und wir haben immer gesagt, wenn so etwas passiert muss man gehen.
Vielleicht hatte er auch zeitweise das Bedürfnis, sich wirklich mal mit sich auseinanderzusetzen und wirklich alleine zu sein, oder warum läßt er sich auf einen Mietvertrag von 2 Jahren festnageln? Nicht, um sie bei sich einziehen zu lassen, dafür ist die Wohnung zu klein. Er braucht wohl doch einen Rückzugsort.
Ich glaube, er lechzt nach Aufmerksamkeit und Nähe, ist aber nicht in der Lage, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Für ihn ist es einfacher gewesen, sich in diese Affäre zu stürzen, die wohl lange genug ihr Leid über den Ex geklagt hat und er das Gefühl hat, gebraucht zu werden.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, als er zum ersten mal vor mir geweint und von seiner beschissenen Kindheit erzählt hat. Es war ihm total peinlich, aber danach hat er sich besser gefühlt. Muss schon wieder weinen.
Wie bekommt man einen Mann zum Therapeuten? Gar nicht. Das ist für ihn wie ein rotes Tuch. Ich glaube, es würde ihm helfen, denn er hat in all den Jahren hier und da seine besch... Kindheit erwähnt. Nach Außen wirkte er immer sehr stark, aber ich weiß auch, dass er ganz schön sensibel ist. Wenn ich dann an seine verlorenen Augen beim letzten Treffen denke. Hilfe. Zum Glück ist meine Tochter jetzt nicht hier.
Die letzten Monate sind für mich ein einziger Trauerfall. Wirklich wütend kann ich auf ihn nicht sein. Wut kommt bei mir eigentlich nur auf, wenn ich an sie denke und mir vorstelle, zu welchen Handlungen sie ihn treiben könnte, um ihr eigenes Ego durchzusetzen.