Hallo Tuga,
wenn ich Deine Zeilen auf mich wirken lasse, dann werde ich den Eindruck nicht los, dass Du neben den momentanen für Dich sehr schmerzlichen und bedrohlichen Trennungsabsichten Deiner Frau, auch irgendwo tief drinnen nach Dir selbst und Deiner wahren Identität suchst. Du hast ihr damals den perfekten Mann vorgespielt den sie haben wollte, um sie zu bekommen und hast es geschafft.
Alles lief eine Zeitlang gut und doch hat Dein Gewissen angeschlagen, was sich beim S. immer wieder bemerkbar machte.
Im Grunde habt ihr womöglich eine Art Fassadenehe gelebt, wobei ich das nicht geringschätzen will, was Du und Deine Frau geleistet haben, gerade auch in Bezug auf die Geduld mit dem noch recht kleinen unruhigen Kind, das Euch viel Verzicht abverlangte. In dieser Zeit bist Du auch vom früher jugendlichen Aufreißer zum immer mehr liebenden Ehemann geworden.
Doch Deine Frau fühlte offenbar etwas anders und kam nicht in völlige Resonanz mit Dir. Zumindest nicht in Deinem Sinne.
Dann kam die nächste Stufe, wo Du karrieremäßig aufgestiegen bist und Deine Frau sich hingegen auf die innere Reise
begeben hat. Die restliche Geschichte mit dem anderen Mann hat gewisse Parallelen zu einem Kurschatten, weil es dort
auch um solche Themen wie Selbstfindung oder Zurückfinden zur eigenen Mitte geht und das in einem wohlwollenden
Wellness-Umfeld mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Dass in einem solchen Umfeld ein Gleichgesinnter bessere
Karten hat als der zurückgebliebene Partner, ist leicht zu verstehen. Und heutzutage sind sehr schnell die Gefühle zum alleinseligmachenden Kompass geworden. Kein Gefühl mehr da, Trennung nah. Dabei ist das Gefühl auch ein geschickter
Betrüger, der sein Fähnchen nach dem jeweiligen Wind richtet. Gefühle werden nämlich u.a. durch Gedanken gebildet,
und die wiederum werden durch Umgebungsfaktoren stark beeinflusst. Dabei werden auch oft unbewusst Rollen verteilt.
Der andere Mann spielt nun so eine Art Tür zur Freiheit Rolle, der wieder neue und verliebte Gefühle bei ihr erzeugt.
Alles sieht nach Fügung aus, denn er ist ja zudem auf demselben Level mit Deiner Frau, was seine Interessen an Spiritualität
betrifft. Trotzdem wird auch dort der Zauber des Neuen früher oder später wieder abklingen und dann ist der Aufwand
(um nicht zu sagen Scherbenhaufen) für alle evtl. noch größer, wegen der vielen Herausforderungen, die Patchwork mit sich bringt. Doch das spielt jetzt für Deine Frau keine Rolle, da sie sich völlig im Taumel des Augenblicks bewegt und mit einer
Zielstrebigkeit vorangeht, die keinerlei Zweifel kennt und sich vermutlich auch nicht durch Worte alleine aufhalten lässt.
Es ist in der Tat schwierig jetzt etwas zu raten, doch ich kann Dir aus meinem Leben eine kleine Begebenheit erzählen,
die Dir evtl. weiterhilft. Ich hatte nämlich vor zwanzig Jahren etwas Ähnliches erlebt, nur nicht in Deiner Rolle, sondern
der des anderen Mannes. Die Geschichte dauerte ungefähr ein halbes Jahr, danach platzte die Blase an der Realität.
Ihr Mann rief mich an und teilte mir mit, dass er nicht bereit wäre sie gehen zu lassen, d.h. er stellte mich zur Rede und
machte ihr auch klar, welche Konsequenzen es für alle Beteiligten hätte, wenn sie das durchzieht. Er hat sie letztlich zurückgeholt und sie trennte sich kurz darauf von mir. Das war für mich damals sehr schmerzlich und ich hatte unsagbar gelitten und mich auch noch als Ehebrecher zusätzlich verachtet. Doch im Nachhinein bin ich froh, dass ich sie nicht bekommen hatte und somit nicht auch noch zwei Ehen zerstört wurden. Meine war schon kaputt, bevor die Affäre begann. Ihre war angeschlagen und hatte ungefähr dasselbe äußerliche Setting wie Deine, nur mit mehr Kinder. Frühling und Sommer gaben diesem irrealen Traum damals genügend Aufwind, doch im Herbst zerplatzte er. Was ich damit sagen will, es lohnt sich, mit Entschlossenheit für seine Frau zu kämpfen, jedoch der richtige Zeitpunkt und die richtigen Mittel sind mit entscheidend.
LG Psalm20-8