Hallo Ari,
für mich ist eine Schlüsselfrage: hat Dein Partner ein gleich oder zumindest ähnlich großes Bedürfnis wie Du nach einer sauberen, aufgeräumten Wohnung und einer ausgeglichenen und geordneten Finanzlage? Hat er also ein ehrliches, persönliches, inneres Interesse an diesen Dingen? Oder geht eure Weltsicht da tatsächlich auseinander, und sieht er im Grunde gar keinen Sinn, keine Notwendigkeit dafür?
Solange er dieses persönliche Interesse nicht hat und den Sinn nicht sieht - wenn er sich also, überspitzt gesagt, auch in einer Wohnung pudelwohl fühlt die in Deinen Augen wie ein Saustall aussieht - wird er immer den längeren Atem haben wenn Du das „Aussitzen-Spiel“ mit ihm spielen willst. Was Du nicht erledigst, wird dann eben liegenbleiben, und Du wirst Dich weiter aufregen und streiten, und es letztlich doch wieder selber machen, damit es gemacht ist.
Und Du wirst auch lange darauf warten können, dass er die Tatsache, was Du alles tust und mehr tust als er, ehrlich zu schätzen weiß. Es ist schwierig, für Dinge oder Erledigungen dankbar zu sein und sich erkenntlich zu zeigen, für die man selbst gar keinen Bedarf sieht, die man schlichtweg für überflüssig hält.
Und Du wirst ebenso lange darauf warten können, dass er sich ändert. Das wird er nicht mehr. Vielleicht bringst Du ihn mit drohen oder betteln dazu, dass er sich mal ein paar Wochen mehr einbringt und dich entlastet, aber dann wird es wieder einreißen, und die Streiterei von vorn losgehen. Diese Reibungspunkte werden bleiben, solang ihr zusammen seid.
Frag Dich, ob Du das weiter aushalten und Dich damit abfinden kannst und willst. Kannst Du an Deinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen arbeiten, dahingehend, dass Du es ehrlich gelassen nehmen kannst, wenn Du weiterhin den „Löwenanteil“ erbringst, oder alternativ, die Wohnung eben nicht so gründlich geputzt und aufgeräumt ist?
Und überleg Dir auch, wie das Ganze wohl aussehen wird, wenn noch Kinder dazukommen. Glaubst Du, seine Bereitschaft wird dann größer sein, Dich zu entlastet und einen Anteil an Hausarbeit, Finanzen und Erziehung zu übernehmen, der Dir fair und angemessen erscheint? Glaubst Du, ihr findet einen gemeinsamen Nenner und Verständnis, welche Aufteilung „fair und angemessen“ wäre?
Gibt es noch andere Themen und Punkte, wo eure Werte / Wünsche / Bedürfnisse und Weltsicht auseinander gehen? Und welche GEMEINSAMEN und gleichen Ziele und Interessen habt ihr? Reichen die auf Dauer aus als „Gegengewicht“?
Was schätzt Du an ihm, was zieht Dich zu ihm hin und hält Dich bei ihm, abgesehen von der Angst mit 30 wieder allein dazustehen und noch mal von vorn anfangen zu müssen?
Willst Du wirklich und ehrlich mit diesem Mann, so wie er ist, mit all seinen Ecken und Kanten, eine Familie gründen und die nächsten 20, 30, 40 Jahre zusammenbleiben?
Tut mir leid, wenn das jetzt arg pessimistisch rüberkommt. Mich treibt da meine persönliche Erfahrung. Bei meinem inzwischen-Ex-Mann und mir waren es letztlich zu große und zu viele Unterschiede. Er der kreative, spontane, extrovertierte Chaot, ich die ordentliche, strukturierte und introvertierte Planerin. So war beispielsweise mein „Wohlfühlminimum“ an Ordnung und Sauberkeit war für ihn schon „übertrieben penibel“. Um nur einen von etlichen Punkten zu nennen wo unsere Ansichten und Bedürfnisse auseinander gingen und wir uns vom jeweils anderen mehr Entgegenkommen und Unterstützung erhofft und uns alleingelassen und unverstanden gefühlt haben.
Am Anfang der Beziehung hat man noch über vieles hinweggesehen, den ein oder anderen Unterschied sogar als anziehend, interessant oder charmant empfunden. Aber mit den Jahren hat der Reiz nachgelassen und die Irritation und Unzufriedenheit überwogen. Unser Zusammenleben ist zu einem fortwährenden Kompromiss in vielen Bereichen geworden, mit dem keiner von uns beiden mehr glücklich war. Geendet hat es, nach fast 12 Jahren Beziehung (davon 9 Jahre verheiratet) mit der Trennung.
Den Traumpartner, bei dem alles 1000% passt und wo überhaupt keine Kompromisse nötig sind, weil man sich in allem einig ist, den gibts wohl nicht. Ein gewisses Maß an Kompromissen ist in einer Beziehung somit immer erforderlich. Aber wenn bei einem, oder gar beiden Partnern wiederholt und andauernd eine Schmerzgrenze überschritten wird, wenn es in wesentlichen Punkten so gar nicht passt, bleibt das gemeinsame Glück auf der Strecke.
04.03.2015 16:11 •
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